NRW-Justiz:  Gesetze des Bundes und der Länder

Art. 87f GG
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland 
Bundesrecht

VIII. – Die Ausführung der Bundesgesetze und die Bundesverwaltung

Titel: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland 
Normgeber: Bund
Redaktionelle Abkürzung: GG
Gliederungs-Nr.: 100-1
Normtyp: Gesetz

Art. 87f GG – Postwesen und Telekommunikation

(1) Nach Maßgabe eines Bundesgesetzes, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, gewährleistet der Bund im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen.

(2) 1Dienstleistungen im Sinne des Absatzes 1 werden als privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen und durch andere private Anbieter erbracht. 2Hoheitsaufgaben im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation werden in bundeseigener Verwaltung ausgeführt.

(3) Unbeschadet des Absatzes 2 Satz 2 führt der Bund in der Rechtsform einer bundesunmittelbaren Anstalt des öffentlichen Rechts einzelne Aufgaben in Bezug auf die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen nach Maßgabe eines Bundesgesetzes aus.

Zu Artikel 87f: Eingefügt durch G vom 30. 8. 1994 (BGBl I S. 2245).


Art. 115 GG – Aufnahme von Krediten

*

(1) Die Aufnahme von Krediten sowie die Übernahme von Bürgschaften, Garantien oder sonstigen Gewährleistungen, die zu Ausgaben in künftigen Rechnungsjahren führen können, bedürfen einer der Höhe nach bestimmten oder bestimmbaren Ermächtigung durch Bundesgesetz.

(2) 1Einnahmen und Ausgaben sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. 2Diesem Grundsatz ist entsprochen, wenn die Einnahmen aus Krediten 0,35 vom Hundert im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt nicht überschreiten. 3Zusätzlich sind bei einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung die Auswirkungen auf den Haushalt im Auf- und Abschwung symmetrisch zu berücksichtigen. 4Abweichungen der tatsächlichen Kreditaufnahme von der nach den Sätzen 1 bis 3 zulässigen Kreditobergrenze werden auf einem Kontrollkonto erfasst; Belastungen, die den Schwellenwert von 1,5 vom Hundert im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt überschreiten, sind konjunkturgerecht zurückzuführen. 5Näheres, insbesondere die Bereinigung der Einnahmen und Ausgaben um finanzielle Transaktionen und das Verfahren zur Berechnung der Obergrenze der jährlichen Nettokreditaufnahme unter Berücksichtigung der konjunkturellen Entwicklung auf der Grundlage eines Konjunkturbereinigungsverfahrens sowie die Kontrolle und den Ausgleich von Abweichungen der tatsächlichen Kreditaufnahme von der Regelgrenze, regelt ein Bundesgesetz. 6Im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, können diese Kreditobergrenzen auf Grund eines Beschlusses der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages überschritten werden. 7Der Beschluss ist mit einem Tilgungsplan zu verbinden. 8Die Rückführung der nach Satz 6 aufgenommenen Kredite hat binnen eines angemessenen Zeitraumes zu erfolgen.

Art. 115: I.d.F. d. Art. I Nr. 6 G v. 12.05.1969 I 357

Zu Artikel 115: Geändert durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2248).


§ 127 StPO
Strafprozessordnung (StPO) 
Bundesrecht

Erstes Buch – Allgemeine Vorschriften → Neunter Abschnitt – Verhaftung und vorläufige Festnahme

Titel: Strafprozessordnung (StPO) 
Normgeber: Bund
Amtliche Abkürzung: StPO
Gliederungs-Nr.: 312-2
Normtyp: Gesetz

§ 127 StPO – Vorläufige Festnahme

(1) 1Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen. 2Die Feststellung der Identität einer Person durch die Staatsanwaltschaft oder die Beamten des Polizeidienstes bestimmt sich nach § 163b Abs. 1 .

(2) Die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes sind bei Gefahr im Verzug auch dann zur vorläufigen Festnahme befugt, wenn die Voraussetzungen eines Haftbefehls oder eines Unterbringungsbefehls vorliegen.

(3) 1Ist eine Straftat nur auf Antrag verfolgbar, so ist die vorläufige Festnahme auch dann zulässig, wenn ein Antrag noch nicht gestellt ist. 2Dies gilt entsprechend, wenn eine Straftat nur mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgbar ist.

(4) Für die vorläufige Festnahme durch die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes gelten die §§ 114a bis 114c entsprechend.

Zu § 127: Geändert durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2274) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 214 StPO – Ladungen durch den Vorsitzenden; Herbeischaffung der Beweismittel

(1) 1Die zur Hauptverhandlung erforderlichen Ladungen ordnet der Vorsitzende an. 2Zugleich veranlasst er die nach § 397 Absatz 2 Satz 3 , § 406d Absatz 1 und § 406h Absatz 2 Satz 2 erforderlichen Benachrichtigungen vom Termin; § 406d Absatz 4 gilt entsprechend. 3Die Geschäftsstelle sorgt dafür, dass die Ladungen bewirkt und die Mitteilungen versandt werden.

(2) Ist anzunehmen, dass sich die Hauptverhandlung auf längere Zeit erstreckt, so soll der Vorsitzende die Ladung sämtlicher oder einzelner Zeugen und Sachverständigen zu einem späteren Zeitpunkt als dem Beginn der Hauptverhandlung anordnen.

(3) Der Staatsanwaltschaft steht das Recht der unmittelbaren Ladung weiterer Personen zu.

(4) 1Die Staatsanwaltschaft bewirkt die Herbeischaffung der als Beweismittel dienenden Gegenstände. 2Diese kann auch vom Gericht bewirkt werden.

Zu § 214: Geändert durch G vom 24. 6. 2004 (BGBl I S. 1354), 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2280), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 21. 12. 2015 (BGBl I S. 2525).


§ 457 StPO – Ermittlungshandlungen; Vorführungsbefehl, Vollstreckungshaftbefehl

(1) § 161 gilt sinngemäß für die in diesem Abschnitt bezeichneten Zwecke.

(2) 1Die Vollstreckungsbehörde ist befugt, zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe einen Vorführungs- oder Haftbefehl zu erlassen, wenn der Verurteilte auf die an ihn ergangene Ladung zum Antritt der Strafe sich nicht gestellt hat oder der Flucht verdächtig ist. 2Sie kann einen Vorführungs- oder Haftbefehl auch erlassen, wenn ein Strafgefangener entweicht oder sich sonst dem Vollzug entzieht.

(3) 1Im Übrigen hat in den Fällen des Absatzes 2 die Vollstreckungsbehörde die gleichen Befugnisse wie die Strafverfolgungsbehörde, soweit die Maßnahmen bestimmt und geeignet sind, den Verurteilten festzunehmen. 2Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist auf die Dauer der noch zu vollstreckenden Freiheitsstrafe besonders Bedacht zu nehmen. 3Die notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht des ersten Rechtszuges.

Zu § 457: Geändert durch G vom 15. 7. 1992 (BGBl I S. 1302) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


Art. 1 Verf
Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen
Landesrecht Nordrhein-Westfalen

Erster Teil – Von den Grundlagen des Landes

Titel: Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen
Normgeber: Nordrhein-Westfalen
Redaktionelle Abkürzung: Verf,NW
Gliederungs-Nr.: 100
Normtyp: Gesetz

Art. 1 Verf

(1) Nordrhein-Westfalen ist ein Gliedstaat der Bundesrepublik Deutschland und damit Teil der Europäischen Union. Das Land gliedert sich in Gemeinden und Gemeindeverbände.

(2) Die Landesfarben und das Landeswappen werden durch Gesetz bestimmt.

(3) Nordrhein-Westfalen trägt zur Verwirklichung und Entwicklung eines geeinten Europas bei, das demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen sowie dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist, die Eigenständigkeit der Regionen wahrt und deren Mitwirkung an europäischen Entscheidungen sichert. Das Land arbeitet mit anderen europäischen Regionen zusammen und unterstützt die grenzüberschreitende Kooperation.


Art. 2 Verf

Das Volk bekundet seinen Willen durch Wahl, Volksbegehren und Volksentscheid.


Art. 3 Verf

(1) Die Gesetzgebung steht dem Volk und der Volksvertretung zu.

(2) Die Verwaltung liegt in den Händen der Landesregierung, der Gemeinden und der Gemeindeverbände.

(3) Die Rechtsprechung wird durch unabhängige Richter ausgeübt.


Art. 7 Verf

(1) Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor der Würde des Menschen und Bereitschaft zum sozialen Handeln zu wecken, ist vornehmstes Ziel der Erziehung.

(2) Die Jugend soll erzogen werden im Geiste der Menschlichkeit, der Demokratie und der Freiheit, zur Duldsamkeit und zur Achtung vor der Überzeugung des anderen, zur Verantwortung für Tiere und die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen, in Liebe zu Volk und Heimat, zur Völkergemeinschaft und Friedensgesinnung.


Art. 43 Verf

Wegen wahrheitsgetreuer Berichte über öffentliche Sitzungen des Landtags und seiner Ausschüsse kann niemand zur Verantwortung gezogen werden.


Art. 45 Verf

(1) Die Mitglieder der Landesregierung und die von ihnen Beauftragten können den Sitzungen des Landtags und seiner Ausschüsse beiwohnen. Die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung obliegt dem Vorsitzenden. Den Mitgliedern der Landesregierung ist jederzeit, auch außerhalb der Tagesordnung, das Wort zu erteilen.

(2) Der Landtag und seine Ausschüsse können die Anwesenheit jedes Mitgliedes der Landesregierung verlangen.

(3) Die Vorschrift des Absatzes 1, Satz 1 und 3 gilt nicht für die Sitzungen der Untersuchungsausschüsse.


Art. 49 Verf

(1) Die Abgeordneten sind berechtigt, über Personen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete oder denen sie in dieser Eigenschaft Tatsachen anvertraut haben sowie über diese Tatsachen selbst das Zeugnis zu verweigern. Soweit dieses Zeugnisverweigerungsrecht reicht, ist die Beschlagnahme von Schriftstücken unzulässig.

(2) Eine Durchsuchung oder Beschlagnahme darf in den Räumen des Landtags nur mit Genehmigung des Präsidenten vorgenommen werden.


Art. 63 Verf

(weggefallen)


Art. 67 Verf

(1) Volksinitiativen können darauf gerichtet sein, den Landtag im Rahmen seiner Entscheidungszuständigkeit mit bestimmten Gegenständen der politischen Willensbildung zu befassen. Einer Initiative kann auch ein mit Gründen versehener Gesetzentwurf zu Grunde liegen.

(2) Volksinitiativen müssen von mindestens 0,5 vom Hundert der Stimmberechtigten unterzeichnet sein. Artikel 31 Absatz 1 und Absatz 2 Satz 1 über das Wahlrecht findet auf das Stimmrecht entsprechende Anwendung.

(3) Das Nähere wird durch Gesetz geregelt.


Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen - (Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IX)
Bundesrecht
Titel: Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen - (Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IX)
Normgeber: Bund
Amtliche Abkürzung: SGB IX
Gliederungs-Nr.: 860-9-3
Normtyp: Gesetz

Sozialgesetzbuch Neuntes Buch
- Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen -
(Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IX)

Vom 23. Dezember 2016 ( BGBl. I S. 3234 )  (1)

Zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 22. Dezember 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 408)

Inhaltsübersicht §§
  
Teil 1  
Regelungen für Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Menschen  
  
Kapitel 1  
Allgemeine Vorschriften  
  
Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft 1
Begriffsbestimmungen 2
Vorrang von Prävention 3
Leistungen zur Teilhabe 4
Leistungsgruppen 5
Rehabilitationsträger 6
Vorbehalt abweichender Regelungen 7
Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten 8
  
Kapitel 2  
Einleitung der Rehabilitation von Amts wegen  
  
Vorrangige Prüfung von Leistungen zur Teilhabe 9
Sicherung der Erwerbsfähigkeit 10
Förderung von Modellvorhaben zur Stärkung der Rehabilitation, Verordnungsermächtigung 11
  
Kapitel 3  
Erkennung und Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs  
  
Maßnahmen zur Unterstützung der frühzeitigen Bedarfserkennung 12
Instrumente zur Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs 13
  
Kapitel 4  
Koordinierung der Leistungen  
  
Leistender Rehabilitationsträger 14
Leistungsverantwortung bei Mehrheit von Rehabilitationsträgern 15
Erstattungsansprüche zwischen Rehabilitationsträgern 16
Begutachtung 17
Erstattung selbstbeschaffter Leistungen 18
Teilhabeplan 19
Teilhabeplankonferenz 20
Besondere Anforderungen an das Teilhabeplanverfahren 21
Einbeziehung anderer öffentlicher Stellen 22
Verantwortliche Stelle für den Sozialdatenschutz 23
Vorläufige Leistungen 24
  
Kapitel 5  
Zusammenarbeit  
  
Zusammenarbeit der Rehabilitationsträger 25
Gemeinsame Empfehlungen 26
Verordnungsermächtigung 27
  
Kapitel 6  
Leistungsformen, Beratung  
  
Abschnitt 1  
Leistungsformen  
  
Ausführung von Leistungen 28
Persönliches Budget 29
Verordnungsermächtigung 30
Leistungsort 31
  
Abschnitt 2  
Beratung  
  
Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung; Verordnungsermächtigung 32
Pflichten der Personensorgeberechtigten 33
Sicherung der Beratung von Menschen mit Behinderungen 34
Landesärzte 35
  
Kapitel 7  
Struktur, Qualitätssicherung, Gewaltschutz und Verträge  
  
Rehabilitationsdienste und -einrichtungen 36
Qualitätssicherung, Zertifizierung 37
Gewaltschutz 37a
Verträge mit Leistungserbringern 38
  
Kapitel 8  
Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation  
  
Aufgaben 39
Rechtsaufsicht 40
Teilhabeverfahrensbericht 41
  
Kapitel 9  
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation  
  
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation 42
Krankenbehandlung und Rehabilitation 43
Stufenweise Wiedereingliederung 44
Förderung der Selbsthilfe 45
Früherkennung und Frühförderung 46
Hilfsmittel 47
Digitale Gesundheitsanwendungen 47a
Verordnungsermächtigungen 48
  
Kapitel 10  
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben  
  
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Verordnungsermächtigung 49
Leistungen an Arbeitgeber 50
Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation 51
Rechtsstellung der Teilnehmenden 52
Dauer von Leistungen 53
Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit 54
Unterstützte Beschäftigung 55
Leistungen in Werkstätten für behinderte Menschen 56
Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich 57
Leistungen im Arbeitsbereich 58
Arbeitsförderungsgeld 59
Andere Leistungsanbieter 60
Budget für Arbeit 61
Budget für Ausbildung 61a
Wahlrecht des Menschen mit Behinderungen 62
Zuständigkeit nach den Leistungsgesetzen 63
  
Kapitel 11  
Unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen  
  
Ergänzende Leistungen 64
Leistungen zum Lebensunterhalt 65
Höhe und Berechnung des Übergangsgelds 66
Berechnung des Regelentgelts 67
Berechnungsgrundlage in Sonderfällen 68
Kontinuität der Bemessungsgrundlage 69
Anpassung der Entgeltersatzleistungen 70
Weiterzahlung der Leistungen 71
Einkommensanrechnung 72
Reisekosten 73
Haushalts- oder Betriebshilfe und Kinderbetreuungskosten 74
  
Kapitel 12  
Leistungen zur Teilhabe an Bildung  
  
Leistungen zur Teilhabe an Bildung 75
  
Kapitel 13  
Soziale Teilhabe  
  
Leistungen zur Sozialen Teilhabe 76
Leistungen für Wohnraum 77
Assistenzleistungen 78
Heilpädagogische Leistungen 79
Leistungen zur Betreuung in einer Pflegefamilie 80
Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten 81
Leistungen zur Förderung der Verständigung 82
Leistungen zur Mobilität 83
Hilfsmittel 84
  
Kapitel 14  
Beteiligung der Verbände und Träger  
  
Klagerecht der Verbände 85
Beirat für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen 86
Verfahren des Beirats 87
Berichte über die Lage von Menschen mit Behinderungen und die Entwicklung ihrer Teilhabe 88
Verordnungsermächtigung 89
  
Teil 2  
Besondere Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen (Eingliederungshilferecht)  
  
Kapitel 1  
Allgemeine Vorschriften  
  
Aufgabe der Eingliederungshilfe 90
Nachrang der Eingliederungshilfe 91
Beitrag 92
Verhältnis zu anderen Rechtsbereichen 93
Aufgaben der Länder 94
Sicherstellungsauftrag 95
Zusammenarbeit 96
Fachkräfte 97
Örtliche Zuständigkeit 98
  
Kapitel 2  
Grundsätze der Leistungen  
  
Leistungsberechtigung, Verordnungsermächtigung 99
Eingliederungshilfe für Ausländer 100
Eingliederungshilfe für Deutsche im Ausland 101
Leistungen der Eingliederungshilfe 102
Regelung für Menschen mit Behinderungen und Pflegebedarf 103
Leistungen nach der Besonderheit des Einzelfalles 104
Leistungsformen 105
Beratung und Unterstützung 106
Übertragung, Verpfändung oder Pfändung, Auswahlermessen 107
Antragserfordernis 108
  
Kapitel 3  
Medizinische Rehabilitation  
  
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation 109
Leistungserbringung 110
  
Kapitel 4  
Teilhabe am Arbeitsleben  
  
Leistungen zur Beschäftigung 111
  
Kapitel 5  
Teilhabe an Bildung  
  
Leistungen zur Teilhabe an Bildung 112
  
Kapitel 6  
Soziale Teilhabe  
  
Leistungen zur Sozialen Teilhabe 113
Leistungen zur Mobilität 114
Besuchsbeihilfen 115
Pauschale Geldleistung, gemeinsame Inanspruchnahme 116
  
Kapitel 7  
Gesamtplanung  
  
Gesamtplanverfahren 117
Instrumente der Bedarfsermittlung 118
Gesamtplankonferenz 119
Feststellung der Leistungen 120
Gesamtplan 121
Teilhabezielvereinbarung 122
  
Kapitel 8  
Vertragsrecht  
  
Allgemeine Grundsätze 123
Geeignete Leistungserbringer 124
Inhalt der schriftlichen Vereinbarung 125
Verfahren und Inkrafttreten der Vereinbarung 126
Verbindlichkeit der vereinbarten Vergütung 127
Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfung 128
Kürzung der Vergütung 129
Außerordentliche Kündigung der Vereinbarungen 130
Rahmenverträge zur Erbringung von Leistungen 131
Abweichende Zielvereinbarungen 132
Schiedsstelle 133
Sonderregelung zum Inhalt der Vereinbarungen zur Erbringung von Leistungen für minderjährige Leistungsberechtigte und in Sonderfällen 134
  
Kapitel 9  
Einkommen und Vermögen  
  
Begriff des Einkommens 135
Beitrag aus Einkommen zu den Aufwendungen 136
Höhe des Beitrages zu den Aufwendungen 137
Besondere Höhe des Beitrages zu den Aufwendungen 138
Begriff des Vermögens 139
Einsatz des Vermögens 140
Übergang von Ansprüchen 141
Sonderregelungen für minderjährige Leistungsberechtigte und in Sonderfällen 142
  
Kapitel 10  
Statistik  
  
Bundesstatistik 143
Erhebungsmerkmale 144
Hilfsmerkmale 145
Periodizität und Berichtszeitraum 146
Auskunftspflicht 147
Übermittlung, Veröffentlichung 148
  
Kapitel 11  
Übergangs- und Schlussbestimmungen  
  
Übergangsregelung für ambulant Betreute 149
Übergangsregelung zum Einsatz des Einkommens 150
Übergangsregelung für Ausländerinnen und Ausländer mit Aufenthaltstitel nach § 24 des Aufenthaltsgesetzes oder mit entsprechender Fiktionsbescheinigung 150a
  
Teil 3  
Besondere Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (Schwerbehindertenrecht)  
  
Kapitel 1  
Geschützter Personenkreis  
  
Geltungsbereich 151
Feststellung der Behinderung, Ausweise 152
Verordnungsermächtigung 153
Sachverständigenbeirat, Verfahren 153a
  
Kapitel 2  
Beschäftigungspflicht der Arbeitgeber  
  
Pflicht der Arbeitgeber zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen 154
Beschäftigung besonderer Gruppen schwerbehinderter Menschen 155
Begriff des Arbeitsplatzes 156
Berechnung der Mindestzahl von Arbeitsplätzen und der Pflichtarbeitsplatzzahl 157
Anrechnung Beschäftigter auf die Zahl der Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen 158
Mehrfachanrechnung 159
Ausgleichsabgabe 160
Ausgleichsfonds 161
Verordnungsermächtigungen 162
  
Kapitel 3  
Sonstige Pflichten der Arbeitgeber; Rechte der schwerbehinderten Menschen  
  
Zusammenwirken der Arbeitgeber mit der Bundesagentur für Arbeit und den Integrationsämtern 163
Pflichten des Arbeitgebers und Rechte schwerbehinderter Menschen 164
Besondere Pflichten der öffentlichen Arbeitgeber 165
Inklusionsvereinbarung 166
Prävention 167
  
Kapitel 4  
Kündigungsschutz  
  
Erfordernis der Zustimmung 168
Kündigungsfrist 169
Antragsverfahren 170
Entscheidung des Integrationsamtes 171
Einschränkungen der Ermessensentscheidung 172
Ausnahmen 173
Außerordentliche Kündigung 174
Erweiterter Beendigungsschutz 175
  
Kapitel 5  
Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- und Präsidialrat, Schwerbehindertenvertretung, Inklusionsbeauftragter des Arbeitgebers  
  
Aufgaben des Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- und Präsidialrates 176
Wahl und Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung 177
Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung 178
Persönliche Rechte und Pflichten der Vertrauenspersonen der schwerbehinderten Menschen 179
Konzern-, Gesamt-, Bezirks- und Hauptschwerbehindertenvertretung 180
Inklusionsbeauftragter des Arbeitgebers 181
Zusammenarbeit 182
Verordnungsermächtigung 183
  
Kapitel 6  
Durchführung der besonderen Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen  
  
Zusammenarbeit der Integrationsämter und der Bundesagentur für Arbeit 184
Aufgaben des Integrationsamtes 185
Einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber 185a
Beratender Ausschuss für behinderte Menschen bei dem Integrationsamt 186
Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit 187
Beratender Ausschuss für behinderte Menschen bei der Bundesagentur für Arbeit 188
Gemeinsame Vorschriften 189
Übertragung von Aufgaben 190
Verordnungsermächtigung 191
  
Kapitel 7  
Integrationsfachdienste  
  
Begriff und Personenkreis 192
Aufgaben 193
Beauftragung und Verantwortlichkeit 194
Fachliche Anforderungen 195
Finanzielle Leistungen 196
Ergebnisbeobachtung 197
Verordnungsermächtigung 198
  
Kapitel 8  
Beendigung der Anwendung der besonderen Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter und gleichgestellter behinderter Menschen  
  
Beendigung der Anwendung der besonderen Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen 199
Entziehung der besonderen Hilfen für schwerbehinderte Menschen 200
  
Kapitel 9  
Widerspruchsverfahren  
  
Widerspruch 201
Widerspruchsausschuss bei dem Integrationsamt 202
Widerspruchsausschüsse der Bundesagentur für Arbeit 203
Verfahrensvorschriften 204
  
Kapitel 10  
Sonstige Vorschriften  
  
Vorrang der schwerbehinderten Menschen 205
Arbeitsentgelt und Dienstbezüge 206
Mehrarbeit 207
Zusatzurlaub 208
Nachteilsausgleich 209
Beschäftigung schwerbehinderter Menschen in Heimarbeit 210
Schwerbehinderte Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter, Soldatinnen und Soldaten 211
Unabhängige Tätigkeit 212
Geheimhaltungspflicht 213
Statistik 214
  
Kapitel 11  
Inklusionsbetriebe  
  
Begriff und Personenkreis 215
Aufgaben 216
Finanzielle Leistungen 217
Verordnungsermächtigung 218
  
Kapitel 12  
Werkstätten für behinderte Menschen  
  
Begriff und Aufgaben der Werkstatt für behinderte Menschen 219
Aufnahme in die Werkstätten für behinderte Menschen 220
Rechtsstellung und Arbeitsentgelt behinderter Menschen 221
Mitbestimmung, Mitwirkung, Frauenbeauftragte 222
Anrechnung von Aufträgen auf die Ausgleichsabgabe 223
Vergabe von Aufträgen durch die öffentliche Hand 224
Anerkennungsverfahren 225
Blindenwerkstätten 226
Verordnungsermächtigungen 227
  
Kapitel 13  
Unentgeltliche Beförderung schwerbehinderter Menschen im öffentlichen Personenverkehr  
  
Unentgeltliche Beförderung, Anspruch auf Erstattung der Fahrgeldausfälle 228
Persönliche Voraussetzungen 229
Nah- und Fernverkehr 230
Erstattung der Fahrgeldausfälle im Nahverkehr 231
Erstattung der Fahrgeldausfälle im Fernverkehr 232
Erstattungsverfahren 233
Kostentragung 234
Einnahmen aus Wertmarken 235
Erfassung der Ausweise 236
Verordnungsermächtigungen 237
  
Kapitel 14  
Straf-, Bußgeld- und Schlussvorschriften  
  
Strafvorschriften 237a
Strafvorschriften 237b
Bußgeldvorschriften 238
Stadtstaatenklausel 239
Sonderregelung für den Bundesnachrichtendienst und den Militärischen Abschirmdienst 240
Übergangsregelung 241
(1) Red. Anm.:

Artikel 1 des Bundesteilhabegesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234)


§§ 1 - 89, Teil 1 - Regelungen für Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Menschen
§§ 1 - 8, Kapitel 1 - Allgemeine Vorschriften

§ 1 SGB IX – Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft

1Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Menschen erhalten Leistungen nach diesem Buch und den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen, um ihre Selbstbestimmung und ihre volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken. 2Dabei wird den besonderen Bedürfnissen von Frauen und Kindern mit Behinderungen und von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder sowie Menschen mit seelischen Behinderungen oder von einer solchen Behinderung bedrohter Menschen Rechnung getragen.

Zu § 1: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 1 SGB IX Tit. 1 .


§ 2 SGB IX – Begriffsbestimmungen

(1) 1Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. 2Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. 3Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

Zu § 2: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 2 SGB IX .


§ 3 SGB IX – Vorrang von Prävention

(1) Die Rehabilitationsträger und die Integrationsämter wirken bei der Aufklärung, Beratung, Auskunft und Ausführung von Leistungen im Sinne des Ersten Buches sowie im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern nach § 167 darauf hin, dass der Eintritt einer Behinderung einschließlich einer chronischen Krankheit vermieden wird.

(2) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 und 6 und ihre Verbände wirken bei der Entwicklung und Umsetzung der Nationalen Präventionsstrategie nach den Bestimmungen der §§ 20d bis 20g des Fünften Buches mit, insbesondere mit der Zielsetzung der Vermeidung von Beeinträchtigungen bei der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft.

(3) Bei der Erbringung von Leistungen für Personen, deren berufliche Eingliederung auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen besonders erschwert ist, arbeiten die Krankenkassen mit der Bundesagentur für Arbeit und mit den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 20a des Fünften Buches eng zusammen.

Zu § 3: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 3 SGB IX Tit. 1 .


§ 4 SGB IX – Leistungen zur Teilhabe

(1) Die Leistungen zur Teilhabe umfassen die notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung

  1. 1.

    die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern,

  2. 2.

    Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug anderer Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern,

  3. 3.

    die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten dauerhaft zu sichern oder

  4. 4.

    die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern.

(2) 1Die Leistungen zur Teilhabe werden zur Erreichung der in Absatz 1 genannten Ziele nach Maßgabe dieses Buches und der für die zuständigen Leistungsträger geltenden besonderen Vorschriften neben anderen Sozialleistungen erbracht. 2Die Leistungsträger erbringen die Leistungen im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften nach Lage des Einzelfalles so vollständig, umfassend und in gleicher Qualität, dass Leistungen eines anderen Trägers möglichst nicht erforderlich werden.

(3) 1Leistungen für Kinder mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Kinder werden so geplant und gestaltet, dass nach Möglichkeit Kinder nicht von ihrem sozialen Umfeld getrennt und gemeinsam mit Kindern ohne Behinderungen betreut werden können. 2Dabei werden Kinder mit Behinderungen alters- und entwicklungsentsprechend an der Planung und Ausgestaltung der einzelnen Hilfen beteiligt und ihre Sorgeberechtigten intensiv in Planung und Gestaltung der Hilfen einbezogen.

(4) Leistungen für Mütter und Väter mit Behinderungen werden gewährt, um diese bei der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder zu unterstützen.

Zu § 4: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 4 SGB IX Tit. 1 .


§ 5 SGB IX – Leistungsgruppen

Zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden erbracht:

  1. 1.

    Leistungen zur medizinischen Rehabilitation,

  2. 2.

    Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben,

  3. 3.

    unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen,

  4. 4.

    Leistungen zur Teilhabe an Bildung und

  5. 5.

    Leistungen zur sozialen Teilhabe.

Zu § 5: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 5 SGB IX Tit. 1 .


§ 6 SGB IX – Rehabilitationsträger

(1) Träger der Leistungen zur Teilhabe (Rehabilitationsträger) können sein:

  1. 1.

    die gesetzlichen Krankenkassen für Leistungen nach § 5 Nummer 1 und 3 ,

  2. 2.

    die Bundesagentur für Arbeit für Leistungen nach § 5 Nummer 2 und 3 ,

  3. 3.

    die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für Leistungen nach § 5 Nummer 1 bis 3 und 5 ; für Versicherte nach § 2 Absatz 1 Nummer 8 des Siebten Buches die für diese zuständigen Unfallversicherungsträger für Leistungen nach § 5 Nummer 1 bis 5 ,

  4. 4.

    die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung für Leistungen nach § 5 Nummer 1 bis 3 , der Träger der Alterssicherung der Landwirte für Leistungen nach § 5 Nummer 1 und 3 ,

  5. 5.

    die Träger der Sozialen Entschädigung für Leistungen nach § 5 Nummer 1 bis 5 ,

  6. 6.

    die Träger der öffentlichen Jugendhilfe für Leistungen nach § 5 Nummer 1, 2, 4 und 5 sowie

  7. 7.

    die Träger der Eingliederungshilfe für Leistungen nach § 5 Nummer 1, 2, 4 und 5 .

Absatz 1 Nummer 5 geändert durch G vom 12. 12. 2019 (BGBl I S. 2652) (1. 1. 2024).

(2) Die Rehabilitationsträger nehmen ihre Aufgaben selbständig und eigenverantwortlich wahr.

(3) 1Die Bundesagentur für Arbeit ist auch Rehabilitationsträger für die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für erwerbsfähige Leistungsberechtigte mit Behinderungen im Sinne des Zweiten Buches , sofern nicht ein anderer Rehabilitationsträger zuständig ist. 2Die Zuständigkeit der Jobcenter nach § 6d des Zweiten Buches für die Leistungen zur beruflichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen nach § 16 Absatz 1 des Zweiten Buches bleibt unberührt. 3Die Bundesagentur für Arbeit stellt den Rehabilitationsbedarf fest. 4Sie beteiligt das zuständige Jobcenter nach § 19 Absatz 1 Satz 2 und berät das Jobcenter zu den von ihm zu erbringenden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 16 Absatz 1 Satz 3 des Zweiten Buches . 5Das Jobcenter entscheidet über diese Leistungen innerhalb der in Kapitel 4 genannten Fristen.

Absatz 3 Sätze 3 bis 5 neugefasst und Sätze 6 und 7 gestrichen durch G vom 2. 6. 2021 (BGBl I S. 1387).

Zu § 6: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 6 SGB IX .


§ 7 SGB IX – Vorbehalt abweichender Regelungen

(1) 1Die Vorschriften im Teil 1 gelten für die Leistungen zur Teilhabe, soweit sich aus den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen nichts Abweichendes ergibt. 2Die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe richten sich nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen. 3Das Recht der Eingliederungshilfe im Teil 2 ist ein Leistungsgesetz im Sinne der Sätze 1 und 2.

(2) 1Abweichend von Absatz 1 gehen die Vorschriften der Kapitel 2 bis 4 den für die jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen vor. 2Von den Vorschriften in Kapitel 4 kann durch Landesrecht nicht abgewichen werden.

Zu § 7: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 7 SGB IX Tit. 1 .


§ 8 SGB IX – Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten

(1) 1Bei der Entscheidung über die Leistungen und bei der Ausführung der Leistungen zur Teilhabe wird berechtigten Wünschen der Leistungsberechtigten entsprochen. 2Dabei wird auch auf die persönliche Lebenssituation, das Alter, das Geschlecht, die Familie sowie die religiösen und weltanschaulichen Bedürfnisse der Leistungsberechtigten Rücksicht genommen; im Übrigen gilt § 33 des Ersten Buches . 3Den besonderen Bedürfnissen von Müttern und Vätern mit Behinderungen bei der Erfüllung ihres Erziehungsauftrages sowie den besonderen Bedürfnissen von Kindern mit Behinderungen wird Rechnung getragen.

(2) 1Sachleistungen zur Teilhabe, die nicht in Rehabilitationseinrichtungen auszuführen sind, können auf Antrag der Leistungsberechtigten als Geldleistungen erbracht werden, wenn die Leistungen hierdurch voraussichtlich bei gleicher Wirksamkeit wirtschaftlich zumindest gleichwertig ausgeführt werden können. 2Für die Beurteilung der Wirksamkeit stellen die Leistungsberechtigten dem Rehabilitationsträger geeignete Unterlagen zur Verfügung. 3Der Rehabilitationsträger begründet durch Bescheid, wenn er den Wünschen des Leistungsberechtigten nach den Absätzen 1 und 2 nicht entspricht.

(3) Leistungen, Dienste und Einrichtungen lassen den Leistungsberechtigten möglichst viel Raum zu eigenverantwortlicher Gestaltung ihrer Lebensumstände und fördern ihre Selbstbestimmung.

(4) Die Leistungen zur Teilhabe bedürfen der Zustimmung der Leistungsberechtigten.

Zu § 8: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 8 SGB IX .


§§ 1 - 89, Teil 1 - Regelungen für Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Menschen
§§ 9 - 11, Kapitel 2 - Einleitung der Rehabilitation von Amts wegen

§ 9 SGB IX – Vorrangige Prüfung von Leistungen zur Teilhabe

(1) 1Werden bei einem Rehabilitationsträger Sozialleistungen wegen oder unter Berücksichtigung einer Behinderung oder einer drohenden Behinderung beantragt oder erbracht, prüft dieser unabhängig von der Entscheidung über diese Leistungen, ob Leistungen zur Teilhabe voraussichtlich zur Erreichung der Ziele nach den §§ 1  und  4 erfolgreich sein können. 2Er prüft auch, ob hierfür weitere Rehabilitationsträger im Rahmen ihrer Zuständigkeit zur Koordinierung der Leistungen zu beteiligen sind. 3Werden Leistungen zur Teilhabe nach den Leistungsgesetzen nur auf Antrag erbracht, wirken die Rehabilitationsträger nach § 12 auf eine Antragstellung hin.

(2) 1Leistungen zur Teilhabe haben Vorrang vor Rentenleistungen, die bei erfolgreichen Leistungen zur Teilhabe nicht oder voraussichtlich erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erbringen wären. 2Dies gilt während des Bezuges einer Rente entsprechend.

(3) 1Absatz 1 ist auch anzuwenden, um durch Leistungen zur Teilhabe Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten. 2Die Aufgaben der Pflegekassen als Träger der sozialen Pflegeversicherung bei der Sicherung des Vorrangs von Rehabilitation vor Pflege nach den §§ 18a  und  31 des Elften Buches bleiben unberührt.

(4) Absatz 1 gilt auch für die Jobcenter im Rahmen ihrer Zuständigkeit für Leistungen zur beruflichen Teilhabe nach § 6 Absatz 3 mit der Maßgabe, dass sie mögliche Rehabilitationsbedarfe erkennen und auf eine Antragstellung beim voraussichtlich zuständigen Rehabilitationsträger hinwirken sollen.

Zu § 9: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 9 SGB IX .


§ 10 SGB IX – Sicherung der Erwerbsfähigkeit

(1) 1Soweit es im Einzelfall geboten ist, prüft der zuständige Rehabilitationsträger gleichzeitig mit der Einleitung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation, während ihrer Ausführung und nach ihrem Abschluss, ob durch geeignete Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben die Erwerbsfähigkeit von Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohten Menschen erhalten, gebessert oder wiederhergestellt werden kann. 2Er beteiligt die Bundesagentur für Arbeit nach § 54 .

(2) Wird während einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation erkennbar, dass der bisherige Arbeitsplatz gefährdet ist, wird mit den Betroffenen sowie dem zuständigen Rehabilitationsträger unverzüglich geklärt, ob Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich sind.

(3) Bei der Prüfung nach den Absätzen 1 und 2 wird zur Klärung eines Hilfebedarfs nach Teil 3 auch das Integrationsamt beteiligt.

(4) 1Die Rehabilitationsträger haben in den Fällen nach den Absätzen 1 und 2 auf eine frühzeitige Antragstellung im Sinne von § 12 nach allen in Betracht kommenden Leistungsgesetzen hinzuwirken und den Antrag ungeachtet ihrer Zuständigkeit für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben entgegenzunehmen. 2Soweit es erforderlich ist, beteiligen sie unverzüglich die zuständigen Rehabilitationsträger zur Koordinierung der Leistungen nach Kapitel 4 .

(5) 1Die Rehabilitationsträger wirken auch in den Fällen der Hinzuziehung durch Arbeitgeber infolge einer Arbeitsplatzgefährdung nach § 167 Absatz 2 Satz 4 auf eine frühzeitige Antragstellung auf Leistungen zur Teilhabe nach allen in Betracht kommenden Leistungsgesetzen hin. 2Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

Zu § 10: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 10 SGB IX Tit. 1 .


§ 11 SGB IX – Förderung von Modellvorhaben zur Stärkung der Rehabilitation, Verordnungsermächtigung

Überschrift geändert durch G vom 17. 7. 2017 (BGBl I S. 2509).

(1) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales fördert im Rahmen der für diesen Zweck zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel im Aufgabenbereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende und der gesetzlichen Rentenversicherung Modellvorhaben, die den Vorrang von Leistungen zur Teilhabe nach § 9 und die Sicherung der Erwerbsfähigkeit nach § 10 unterstützen.

(2) 1Das Nähere regeln Förderrichtlinien des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. 2Die Förderdauer der Modellvorhaben beträgt fünf Jahre. 3Die Förderrichtlinien enthalten ein Datenschutzkonzept.

(3) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates regeln, ob und inwieweit die Jobcenter nach § 6d des Zweiten Buches , die Bundesagentur für Arbeit und die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Durchführung eines Modellvorhabens nach Absatz 1 von den für sie geltenden Leistungsgesetzen sachlich und zeitlich begrenzt abweichen können.

Absatz 4 neugefasst und Absatz 5 angefügt durch G vom 17. 7. 2017 (BGBl I S. 2509).

(4) 1Die zuwendungsrechtliche und organisatorische Abwicklung der Modellvorhaben nach Absatz 1 erfolgt durch die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See unter der Aufsicht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. 2Die Aufsicht erstreckt sich auch auf den Umfang und die Zweckmäßigkeit der Modellvorhaben. 3Die Ausgaben, welche der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See aus der Abwicklung der Modellvorhaben entstehen, werden aus den Haushaltsmitteln nach Absatz 1 vom Bund erstattet. 4Das Nähere ist durch Verwaltungsvereinbarung zu regeln.

(5) 1Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales untersucht die Wirkungen der Modellvorhaben. 2Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann Dritte mit diesen Untersuchungen beauftragen.

Zu § 11: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 11 SGB IX .


§§ 1 - 89, Teil 1 - Regelungen für Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Menschen
§§ 12 - 13, Kapitel 3 - Erkennung und Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs

§ 12 SGB IX – Maßnahmen zur Unterstützung der frühzeitigen Bedarfserkennung

(1) 1Die Rehabilitationsträger stellen durch geeignete Maßnahmen sicher, dass ein Rehabilitationsbedarf frühzeitig erkannt und auf eine Antragstellung der Leistungsberechtigten hingewirkt wird. 2Die Rehabilitationsträger unterstützen die frühzeitige Erkennung des Rehabilitationsbedarfs insbesondere durch die Bereitstellung und Vermittlung von geeigneten barrierefreien Informationsangeboten über

  1. 1.

    Inhalte und Ziele von Leistungen zur Teilhabe,

  2. 2.

    die Möglichkeit der Leistungsausführung als Persönliches Budget,

  3. 3.

    das Verfahren zur Inanspruchnahme von Leistungen zur Teilhabe und

  4. 4.

    Angebote der Beratung, einschließlich der ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung nach § 32 .

3Die Rehabilitationsträger benennen Ansprechstellen, die Informationsangebote nach Satz 2 an Leistungsberechtigte, an Arbeitgeber und an andere Rehabilitationsträger vermitteln. 4Für die Zusammenarbeit der Ansprechstellen gilt § 15 Absatz 3 des Ersten Buches entsprechend.

(2) Absatz 1 gilt auch für Jobcenter im Rahmen ihrer Zuständigkeit für Leistungen zur beruflichen Teilhabe nach § 6 Absatz 3 , für die Integrationsämter in Bezug auf Leistungen und sonstige Hilfen für schwerbehinderte Menschen nach Teil 3 und für die Pflegekassen als Träger der sozialen Pflegeversicherung nach dem Elften Buch .

(3) 1Die Rehabilitationsträger, Integrationsämter und Pflegekassen können die Informationsangebote durch ihre Verbände und Vereinigungen bereitstellen und vermitteln lassen. 2Die Jobcenter können die Informationsangebote durch die Bundesagentur für Arbeit bereitstellen und vermitteln lassen.

Zu § 12: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 12 SGB IX .


§ 13 SGB IX – Instrumente zur Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs

(1) 1Zur einheitlichen und überprüfbaren Ermittlung des individuellen Rehabilitationsbedarfs verwenden die Rehabilitationsträger systematische Arbeitsprozesse und standardisierte Arbeitsmittel (Instrumente) nach den für sie geltenden Leistungsgesetzen. 2Die Instrumente sollen den von den Rehabilitationsträgern vereinbarten Grundsätzen für Instrumente zur Bedarfsermittlung nach § 26 Absatz 2 Nummer 7 entsprechen. 3Die Rehabilitationsträger können die Entwicklung von Instrumenten durch ihre Verbände und Vereinigungen wahrnehmen lassen oder Dritte mit der Entwicklung beauftragen.

(2) Die Instrumente nach Absatz 1 Satz 1 gewährleisten eine individuelle und funktionsbezogene Bedarfsermittlung und sichern die Dokumentation und Nachprüfbarkeit der Bedarfsermittlung, indem sie insbesondere erfassen,

  1. 1.

    ob eine Behinderung vorliegt oder einzutreten droht,

  2. 2.

    welche Auswirkung die Behinderung auf die Teilhabe der Leistungsberechtigten hat,

  3. 3.

    welche Ziele mit Leistungen zur Teilhabe erreicht werden sollen und

  4. 4.

    welche Leistungen im Rahmen einer Prognose zur Erreichung der Ziele voraussichtlich erfolgreich sind.

(3) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales untersucht die Wirkung der Instrumente nach Absatz 1 und veröffentlicht die Untersuchungsergebnisse bis zum 31. Dezember 2019.

(4) Auf Vorschlag der Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 6 und 7 und mit Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörden kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die von diesen Rehabilitationsträgern eingesetzten Instrumente im Sinne von Absatz 1 in die Untersuchung nach Absatz 3 einbeziehen.

Zu § 13: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 13 SGB IX .


§§ 1 - 89, Teil 1 - Regelungen für Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Menschen
§§ 14 - 24, Kapitel 4 - Koordinierung der Leistungen

§ 14 SGB IX – Leistender Rehabilitationsträger

(1) 1Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Absatz 4 des Fünften Buches . 2Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung insgesamt nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu und unterrichtet hierüber den Antragsteller. 3Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist nach Satz 1 nicht möglich, soll der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet werden, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache der Behinderung erbringt. 4Wird der Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt, werden bei der Prüfung nach den Sätzen 1 und 2 keine Feststellungen nach § 11 Absatz 2a Nummer 1 des Sechsten Buches und § 22 Absatz 2 des Dritten Buches getroffen.

(2) 1Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf anhand der Instrumente zur Bedarfsermittlung nach § 13 unverzüglich und umfassend fest und erbringt die Leistungen (leistender Rehabilitationsträger). 2Muss für diese Feststellung kein Gutachten eingeholt werden, entscheidet der leistende Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang. 3Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen. 4Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 bis 3 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die Frist beginnt mit dem Antragseingang bei diesem Rehabilitationsträger. 5In den Fällen der Anforderung einer gutachterlichen Stellungnahme bei der Bundesagentur für Arbeit nach § 54 gilt Satz 3 entsprechend.

(3) Ist der Rehabilitationsträger, an den der Antrag nach Absatz 1 Satz 2 weitergeleitet worden ist, nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung insgesamt nicht zuständig, kann er den Antrag im Einvernehmen mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger an diesen weiterleiten, damit von diesem als leistendem Rehabilitationsträger über den Antrag innerhalb der bereits nach Absatz 2 Satz 4 laufenden Fristen entschieden wird und unterrichtet hierüber den Antragsteller.

(4) 1Die Absätze 1 bis 3 gelten sinngemäß, wenn der Rehabilitationsträger Leistungen von Amts wegen erbringt. 2Dabei tritt an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs.

(5) Für die Weiterleitung des Antrages ist § 16 Absatz 2 Satz 1 des Ersten Buches nicht anzuwenden, wenn und soweit Leistungen zur Teilhabe bei einem Rehabilitationsträger beantragt werden.

Zu § 14: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 14 SGB IX .


§ 15 SGB IX – Leistungsverantwortung bei Mehrheit von Rehabilitationsträgern

(1) 1Stellt der leistende Rehabilitationsträger fest, dass der Antrag neben den nach seinem Leistungsgesetz zu erbringenden Leistungen weitere Leistungen zur Teilhabe umfasst, für die er nicht Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 sein kann, leitet er den Antrag insoweit unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. 2Dieser entscheidet über die weiteren Leistungen nach den für ihn geltenden Leistungsgesetzen in eigener Zuständigkeit und unterrichtet hierüber den Antragsteller.

(2) 1Hält der leistende Rehabilitationsträger für die umfassende Feststellung des Rehabilitationsbedarfs nach § 14 Absatz 2 die Feststellungen weiterer Rehabilitationsträger für erforderlich und liegt kein Fall nach Absatz 1 vor, fordert er von diesen Rehabilitationsträgern die für den Teilhabeplan nach § 19 erforderlichen Feststellungen unverzüglich an und berät diese nach § 19 trägerübergreifend. 2Die Feststellungen binden den leistenden Rehabilitationsträger bei seiner Entscheidung über den Antrag, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Anforderung oder im Fall der Begutachtung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens beim leistenden Rehabilitationsträger eingegangen sind. 3Anderenfalls stellt der leistende Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf nach allen in Betracht kommenden Leistungsgesetzen umfassend fest.

(3) 1Die Rehabilitationsträger bewilligen und erbringen die Leistungen nach den für sie jeweils geltenden Leistungsgesetzen im eigenen Namen, wenn im Teilhabeplan nach § 19 dokumentiert wurde, dass

  1. 1.

    die erforderlichen Feststellungen nach allen in Betracht kommenden Leistungsgesetzen von den zuständigen Rehabilitationsträgern getroffen wurden,

  2. 2.

    auf Grundlage des Teilhabeplans eine Leistungserbringung durch die nach den jeweiligen Leistungsgesetzen zuständigen Rehabilitationsträger sichergestellt ist und

  3. 3.

    die Leistungsberechtigten einer nach Zuständigkeiten getrennten Leistungsbewilligung und Leistungserbringung nicht aus wichtigem Grund widersprechen.

2Anderenfalls entscheidet der leistende Rehabilitationsträger über den Antrag in den Fällen nach Absatz 2 und erbringt die Leistungen im eigenen Namen.

(4) 1In den Fällen der Beteiligung von Rehabilitationsträgern nach den Absätzen 1 bis 3 ist abweichend von § 14 Absatz 2 innerhalb von sechs Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. 2Wird eine Teilhabeplankonferenz nach § 20 durchgeführt, ist innerhalb von zwei Monaten nach Antragseingang zu entscheiden. 3Die Antragsteller werden von dem leistenden Rehabilitationsträger über die Beteiligung von Rehabilitationsträgern sowie über die für die Entscheidung über den Antrag maßgeblichen Zuständigkeiten und Fristen unverzüglich unterrichtet.

Zu § 15: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 15 SGB IX .


§ 16 SGB IX – Erstattungsansprüche zwischen Rehabilitationsträgern

(1) Hat ein leistender Rehabilitationsträger nach § 14 Absatz 2 Satz 4 Leistungen erbracht, für die ein anderer Rehabilitationsträger insgesamt zuständig ist, erstattet der zuständige Rehabilitationsträger die Aufwendungen des leistenden Rehabilitationsträgers nach den für den leistenden Rehabilitationsträger geltenden Rechtsvorschriften.

(2) 1Hat ein leistender Rehabilitationsträger nach § 15 Absatz 3 Satz 2 Leistungen im eigenen Namen erbracht, für die ein beteiligter Rehabilitationsträger zuständig ist, erstattet der beteiligte Rehabilitationsträger die Aufwendungen des leistenden Rehabilitationsträgers nach den Rechtsvorschriften, die den nach § 15 Absatz 2 eingeholten Feststellungen zugrunde liegen. 2Hat ein beteiligter Rehabilitationsträger die angeforderten Feststellungen nicht oder nicht rechtzeitig nach § 15 Absatz 2 beigebracht, erstattet der beteiligte Rehabilitationsträger die Aufwendungen des leistenden Rehabilitationsträgers nach den Rechtsvorschriften, die der Leistungsbewilligung zugrunde liegen.

(3) 1Der Erstattungsanspruch nach den Absätzen 1 und 2 umfasst die nach den jeweiligen Leistungsgesetzen entstandenen Leistungsaufwendungen und eine Verwaltungskostenpauschale in Höhe von 5 Prozent der erstattungsfähigen Leistungsaufwendungen. 2Eine Erstattungspflicht nach Satz 1 besteht nicht, soweit Leistungen zu Unrecht von dem leistenden Rehabilitationsträger erbracht worden sind und er hierbei grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat.

(4) 1Für unzuständige Rehabilitationsträger ist § 105 des Zehnten Buches nicht anzuwenden, wenn sie eine Leistung erbracht haben,

  1. 1.

    ohne den Antrag an den zuständigen Rehabilitationsträger nach § 14 Absatz 1 Satz 2 weiterzuleiten oder

  2. 2.

    ohne einen weiteren zuständigen Rehabilitationsträger nach § 15 zu beteiligen,

es sei denn, die Rehabilitationsträger vereinbaren Abweichendes. 2Hat ein Rehabilitationsträger von der Weiterleitung des Antrages abgesehen, weil zum Zeitpunkt der Prüfung nach § 14 Absatz 1 Satz 3 Anhaltspunkte für eine Zuständigkeit auf Grund der Ursache der Behinderung bestanden haben, bleibt § 105 des Zehnten Buches unberührt.

(5) 1Hat der leistende Rehabilitationsträger in den Fällen des § 18 Aufwendungen für selbstbeschaffte Leistungen nach dem Leistungsgesetz eines nach § 15 beteiligten Rehabilitationsträgers zu erstatten, kann er von dem beteiligten Rehabilitationsträger einen Ausgleich verlangen, soweit dieser durch die Erstattung nach § 18 Absatz 4 Satz 2 von seiner Leistungspflicht befreit wurde. 2Hat ein beteiligter Rehabilitationsträger den Eintritt der Erstattungspflicht für selbstbeschaffte Leistungen zu vertreten, umfasst der Ausgleich den gesamten Erstattungsbetrag abzüglich des Betrages, der sich aus der bei anderen Rehabilitationsträgern eingetretenen Leistungsbefreiung ergibt.

(6) Für den Erstattungsanspruch des Trägers der Eingliederungshilfe, der öffentlichen Jugendhilfe und der Sozialen Entschädigung gilt § 108 Absatz 2 des Zehnten Buches entsprechend.

Absatz 6 geändert durch G vom 12. 12. 2019 (BGBl I S. 2652) (1. 1. 2024).

Zu § 16: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 16 SGB IX Tit. 1 .


§ 17 SGB IX – Begutachtung

(1) 1Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, beauftragt der leistende Rehabilitationsträger unverzüglich einen geeigneten Sachverständigen. 2Er benennt den Leistungsberechtigten in der Regel drei möglichst wohnortnahe Sachverständige, soweit nicht gesetzlich die Begutachtung durch einen sozialmedizinischen Dienst vorgesehen ist. 3Haben sich Leistungsberechtigte für einen benannten Sachverständigen entschieden, wird dem Wunsch Rechnung getragen.

(2) 1Der Sachverständige nimmt eine umfassende sozialmedizinische, bei Bedarf auch psychologische Begutachtung vor und erstellt das Gutachten innerhalb von zwei Wochen nach Auftragserteilung. 2Das Gutachten soll den von den Rehabilitationsträgern vereinbarten einheitlichen Grundsätzen zur Durchführung von Begutachtungen nach § 25 Absatz 1 Nummer 4 entsprechen. 3Die in dem Gutachten getroffenen Feststellungen zum Rehabilitationsbedarf werden den Entscheidungen der Rehabilitationsträger zugrunde gelegt. 4Die gesetzlichen Aufgaben der Gesundheitsämter, des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nach § 275 des Fünften Buches und die gutachterliche Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit nach § 54 bleiben unberührt.

(3) 1Hat der leistende Rehabilitationsträger nach § 15 weitere Rehabilitationsträger beteiligt, setzt er sich bei seiner Entscheidung über die Beauftragung eines geeigneten Sachverständigen mit den beteiligten Rehabilitationsträgern über Anlass, Ziel und Umfang der Begutachtung ins Benehmen. 2Die beteiligten Rehabilitationsträger informieren den leistenden Rehabilitationsträger unverzüglich über die Notwendigkeit der Einholung von Gutachten. 3Die in dem Gutachten getroffenen Feststellungen zum Rehabilitationsbedarf werden in den Teilhabeplan nach § 19 einbezogen. 4Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Die Rehabilitationsträger stellen sicher, dass sie Sachverständige beauftragen können, bei denen keine Zugangs- und Kommunikationsbarrieren bestehen.

Zu § 17: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 17 SGB IX .


§ 18 SGB IX – Erstattung selbstbeschaffter Leistungen

(1) Kann über den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe nicht innerhalb einer Frist von zwei Monaten ab Antragseingang bei dem leistenden Rehabilitationsträger entschieden werden, teilt er den Leistungsberechtigten vor Ablauf der Frist die Gründe hierfür schriftlich mit (begründete Mitteilung).

(2) 1In der begründeten Mitteilung ist auf den Tag genau zu bestimmen, bis wann über den Antrag entschieden wird. 2In der begründeten Mitteilung kann der leistende Rehabilitationsträger die Frist von zwei Monaten nach Absatz 1 nur in folgendem Umfang verlängern:

  1. 1.

    um bis zu zwei Wochen zur Beauftragung eines Sachverständigen für die Begutachtung infolge einer nachweislich beschränkten Verfügbarkeit geeigneter Sachverständiger,

  2. 2.

    um bis zu vier Wochen, soweit von dem Sachverständigen die Notwendigkeit für einen solchen Zeitraum der Begutachtung schriftlich bestätigt wurde und

  3. 3.

    für die Dauer einer fehlenden Mitwirkung der Leistungsberechtigten, wenn und soweit den Leistungsberechtigten nach § 66 Absatz 3 des Ersten Buches schriftlich eine angemessene Frist zur Mitwirkung gesetzt wurde.

(3) 1Erfolgt keine begründete Mitteilung, gilt die beantragte Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. 2Die beantragte Leistung gilt auch dann als genehmigt, wenn der in der Mitteilung bestimmte Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag ohne weitere begründete Mitteilung des Rehabilitationsträgers abgelaufen ist.

(4) 1Beschaffen sich Leistungsberechtigte eine als genehmigt geltende Leistung selbst, ist der leistende Rehabilitationsträger zur Erstattung der Aufwendungen für selbstbeschaffte Leistungen verpflichtet. 2Mit der Erstattung gilt der Anspruch der Leistungsberechtigten auf die Erbringung der selbstbeschafften Leistungen zur Teilhabe als erfüllt. 3Der Erstattungsanspruch umfasst auch die Zahlung von Abschlägen im Umfang fälliger Zahlungsverpflichtungen für selbstbeschaffte Leistungen.

(5) Die Erstattungspflicht besteht nicht,

  1. 1.

    wenn und soweit kein Anspruch auf Bewilligung der selbstbeschafften Leistungen bestanden hätte und

  2. 2.

    die Leistungsberechtigten dies wussten oder infolge grober Außerachtlassung der allgemeinen Sorgfalt nicht wussten.

(6) 1Konnte der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Leistungsberechtigten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese vom Rehabilitationsträger in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. 2Der Anspruch auf Erstattung richtet sich gegen den Rehabilitationsträger, der zum Zeitpunkt der Selbstbeschaffung über den Antrag entschieden hat. 3Lag zum Zeitpunkt der Selbstbeschaffung noch keine Entscheidung vor, richtet sich der Anspruch gegen den leistenden Rehabilitationsträger.

(7) Die Absätze 1 bis 5 gelten nicht für die Träger der Eingliederungshilfe, der öffentlichen Jugendhilfe und der Sozialen Entschädigung, soweit dieser Leistungen zur Teilhabe nach § 62 Satz 1 Nummer 1 bis 3 des Vierzehnten Buches erbringt.

Absatz 7 geändert durch G vom 12. 12. 2019 (BGBl I S. 2652) (1. 1. 2024).

Zu § 18: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 18 SGB IX Tit. 1 .


§ 19 SGB IX – Teilhabeplan

(1) 1Soweit Leistungen verschiedener Leistungsgruppen oder mehrerer Rehabilitationsträger erforderlich sind, ist der leistende Rehabilitationsträger dafür verantwortlich, dass er und die nach § 15 beteiligten Rehabilitationsträger im Benehmen miteinander und in Abstimmung mit den Leistungsberechtigten die nach dem individuellen Bedarf voraussichtlich erforderlichen Leistungen hinsichtlich Ziel, Art und Umfang funktionsbezogen feststellen und schriftlich oder elektronisch so zusammenstellen, dass sie nahtlos ineinandergreifen. 2Soweit zum Zeitpunkt der Antragstellung nach § 14 Leistungen nach dem Zweiten Buch beantragt sind oder erbracht werden, beteiligt der leistende Rehabilitationsträger das zuständige Jobcenter wie in den Fällen nach Satz 1.

Absatz 1 Satz 1 geändert durch G vom 17. 7. 2017 (BGBl I S. 2541). Satz 2 angefügt durch G vom 2. 6. 2021 (BGBl I S. 1387).

(2) 1Der leistende Rehabilitationsträger erstellt in den Fällen nach Absatz 1 einen Teilhabeplan innerhalb der für die Entscheidung über den Antrag maßgeblichen Frist. 2Der Teilhabeplan dokumentiert

  1. 1.

    den Tag des Antragseingangs beim leistenden Rehabilitationsträger und das Ergebnis der Zuständigkeitsklärung und Beteiligung nach den §§ 14  und  15 ,

  2. 2.

    die Feststellungen über den individuellen Rehabilitationsbedarf auf Grundlage der Bedarfsermittlung nach § 13 ,

  3. 3.

    die zur individuellen Bedarfsermittlung nach § 13 eingesetzten Instrumente,

  4. 4.

    die gutachterliche Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit nach § 54 ,

  5. 5.

    die Einbeziehung von Diensten und Einrichtungen bei der Leistungserbringung,

  6. 6.

    erreichbare und überprüfbare Teilhabeziele und deren Fortschreibung,

  7. 7.

    die Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts nach § 8 , insbesondere im Hinblick auf die Ausführung von Leistungen durch ein Persönliches Budget,

  8. 8.

    die Dokumentation der einvernehmlichen, umfassenden und trägerübergreifenden Feststellung des Rehabilitationsbedarfs in den Fällen nach § 15 Absatz 3 Satz 1 ,

  9. 9.

    die Ergebnisse der Teilhabeplankonferenz nach § 20 ,

  10. 10.

    die Erkenntnisse aus den Mitteilungen der nach § 22 einbezogenen anderen öffentlichen Stellen,

  11. 11.

    die besonderen Belange pflegender Angehöriger bei der Erbringung von Leistungen der medizinischen Rehabilitation und

  12. 12.

    die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach dem Zweiten Buch , soweit das Jobcenter nach Absatz 1 Satz 2 zu beteiligen ist.

3Wenn Leistungsberechtigte die Erstellung eines Teilhabeplans wünschen und die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.

Absatz 2 Satz 2 Nummern 10 und 11 geändert und Nummer 12 angefügt durch G vom 2. 6. 2021 (BGBl I S. 1387).

(3) 1Der Teilhabeplan wird entsprechend dem Verlauf der Rehabilitation angepasst und darauf ausgerichtet, den Leistungsberechtigten unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles eine umfassende Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zügig, wirksam, wirtschaftlich und auf Dauer zu ermöglichen. 2Dabei sichert der leistende Rehabilitationsträger durchgehend das Verfahren. 3Die Leistungsberechtigten können von dem leistenden Rehabilitationsträger Einsicht in den Teilhabeplan oder die Erteilung von Ablichtungen nach § 25 des Zehnten Buches verlangen.

(4) 1Die Rehabilitationsträger legen den Teilhabeplan bei der Entscheidung über den Antrag zugrunde. 2Die Begründung der Entscheidung über die beantragten Leistungen nach § 35 des Zehnten Buches soll erkennen lassen, inwieweit die im Teilhabeplan enthaltenen Feststellungen bei der Entscheidung berücksichtigt wurden.

(5) 1Ein nach § 15 beteiligter Rehabilitationsträger kann das Verfahren nach den Absätzen 1 bis 3 anstelle des leistenden Rehabilitationsträgers durchführen, wenn die Rehabilitationsträger dies in Abstimmung mit den Leistungsberechtigten vereinbaren. 2Die Vorschriften über die Leistungsverantwortung der Rehabilitationsträger nach den §§ 14  und  15 bleiben hiervon unberührt.

(6) Setzen unterhaltssichernde Leistungen den Erhalt von anderen Leistungen zur Teilhabe voraus, gelten die Leistungen im Verhältnis zueinander nicht als Leistungen verschiedener Leistungsgruppen im Sinne von Absatz 1.

Zu § 19: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 19 SGB IX .


§ 20 SGB IX – Teilhabeplankonferenz

(1) 1Mit Zustimmung der Leistungsberechtigten kann der für die Durchführung des Teilhabeplanverfahrens nach § 19 verantwortliche Rehabilitationsträger zur gemeinsamen Beratung der Feststellungen zum Rehabilitationsbedarf eine Teilhabeplankonferenz durchführen. 2Die Leistungsberechtigten, die beteiligten Rehabilitationsträger und die Jobcenter können dem nach § 19 verantwortlichen Rehabilitationsträger die Durchführung einer Teilhabeplankonferenz vorschlagen. 3Von dem Vorschlag auf Durchführung einer Teilhabeplankonferenz kann nur abgewichen werden, wenn eine Einwilligung nach § 23 Absatz 2 nicht erteilt wurde oder Einvernehmen der beteiligten Leistungsträger besteht, dass

  1. 1.

    der zur Feststellung des Rehabilitationsbedarfs maßgebliche Sachverhalt schriftlich ermittelt werden kann oder

  2. 2.

    der Aufwand zur Durchführung nicht in einem angemessenen Verhältnis zum Umfang der beantragten Leistung steht.

Absatz 1 Satz 3 Satzteil vor Nummer 1 und Nummern 1 und 2 geändert und Nummer 3 gestrichen durch G vom 2. 6. 2021 (BGBl I S. 1387).

(2) 1Wird von dem Vorschlag der Leistungsberechtigten auf Durchführung einer Teilhabeplankonferenz abgewichen, sind die Leistungsberechtigten über die dafür maßgeblichen Gründe zu informieren und hierzu anzuhören. 2Von dem Vorschlag der Leistungsberechtigten auf Durchführung einer Teilhabeplankonferenz kann nicht abgewichen werden, wenn Leistungen an Mütter und Väter mit Behinderungen bei der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder beantragt wurden.

(3) 1An der Teilhabeplankonferenz nehmen Beteiligte nach § 12 des Zehnten Buches sowie auf Wunsch der Leistungsberechtigten die Bevollmächtigten und Beistände nach § 13 des Zehnten Buches sowie sonstige Vertrauenspersonen teil. 2Auf Wunsch oder mit Zustimmung der Leistungsberechtigten können Rehabilitationsdienste und Rehabilitationseinrichtungen sowie sonstige beteiligte Leistungserbringer an der Teilhabeplankonferenz teilnehmen. 3Vor der Durchführung einer Teilhabeplankonferenz sollen die Leistungsberechtigten auf die Angebote der ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung nach § 32 besonders hingewiesen werden.

Absatz 3 Satz 2 geändert durch G vom 2. 6. 2021 (BGBl I S. 1387).

(4) Wird eine Teilhabeplankonferenz nach Absatz 1 auf Wunsch und mit Zustimmung der Leistungsberechtigten eingeleitet, richtet sich die Frist zur Entscheidung über den Antrag nach § 15 Absatz 4 .

Zu § 20: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 20 SGB IX .


§ 21 SGB IX – Besondere Anforderungen an das Teilhabeplanverfahren

1Ist der Träger der Eingliederungshilfe der für die Durchführung des Teilhabeplanverfahrens verantwortliche Rehabilitationsträger, gelten für ihn die Vorschriften für die Gesamtplanung ergänzend; dabei ist das Gesamtplanverfahren ein Gegenstand des Teilhabeplanverfahrens. 2Ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe der für die Durchführung des Teilhabeplans verantwortliche Rehabilitationsträger, gelten für ihn die Vorschriften für den Hilfeplan nach den §§ 36 , 36b  und  37c des Achten Buches ergänzend. 3Ist der Träger der Sozialen Entschädigung der für die Durchführung des Teilhabeplanverfahrens verantwortliche Rehabilitationsträger, gelten für ihn die Vorschriften für das Fallmanagement nach § 30 des Vierzehnten Buches ergänzend.

Satz 2 geändert durch G vom 3. 6. 2021 (BGBl I S. 1444). Satz 3 angefügt durch G vom 12. 12. 2019 (BGBl I S. 2652) (1. 1. 2024).

Zu § 21: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 21 SGB IX Tit. 1 .


§ 22 SGB IX – Einbeziehung anderer öffentlicher Stellen

(1) Der für die Durchführung des Teilhabeplanverfahrens verantwortliche Rehabilitationsträger bezieht unter Berücksichtigung der Interessen der Leistungsberechtigten andere öffentliche Stellen in die Erstellung des Teilhabeplans in geeigneter Art und Weise ein, soweit dies zur Feststellung des Rehabilitationsbedarfs erforderlich ist.

(2) 1Bestehen im Einzelfall Anhaltspunkte für eine Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch , wird die zuständige Pflegekasse mit Zustimmung des Leistungsberechtigten vom für die Durchführung des Teilhabeplanverfahrens verantwortlichen Rehabilitationsträger informiert und muss am Teilhabeplanverfahren beratend teilnehmen, soweit dies für den Rehabilitationsträger zur Feststellung des Rehabilitationsbedarfs erforderlich und nach den für die zuständige Pflegekasse geltenden Grundsätzen der Datenverwendung zulässig ist. 2Die §§ 18a  und  31 des Elften Buches bleiben unberührt.

(3) 1Die Integrationsämter sind bei der Durchführung des Teilhabeplanverfahrens zu beteiligen, soweit sie Leistungen für schwerbehinderte Menschen nach Teil 3 erbringen. 2Das zuständige Integrationsamt kann das Teilhabeplanverfahren nach § 19 Absatz 5 anstelle des leistenden Rehabilitationsträgers durchführen, wenn die Rehabilitationsträger und das Integrationsamt sowie das nach § 19 Absatz 1 Satz 2 zu beteiligende Jobcenter dies in Abstimmung mit den Leistungsberechtigten vereinbaren.

Absatz 3 Satz 2 geändert durch G vom 2. 6. 2021 (BGBl I S. 1387).

(4) 1Bestehen im Einzelfall Anhaltspunkte für einen Betreuungsbedarf nach § 1814 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs , wird die zuständige Betreuungsbehörde mit Zustimmung des Leistungsberechtigten vom für die Durchführung des Teilhabeplanverfahrens verantwortlichen Rehabilitationsträger informiert. 2Der Betreuungsbehörde werden in diesen Fällen die Ergebnisse der bisherigen Ermittlungen und Gutachten mit dem Zweck mitgeteilt, dass diese dem Leistungsberechtigten andere Hilfen, bei denen kein Betreuer bestellt wird, vermitteln kann. 3Auf Vorschlag der Betreuungsbehörde kann sie mit Zustimmung des Leistungsberechtigten am Teilhabeplanverfahren beratend teilnehmen.

Absatz 4 neugefasst durch G vom 24. 6. 2022 (BGBl I S. 959).

Zu § 22: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 22 SGB IX .


§ 23 SGB IX – Verantwortliche Stelle für den Sozialdatenschutz

(1) Der für die Durchführung des Teilhabeplanverfahrens verantwortliche Rehabilitationsträger ist bei der Erstellung des Teilhabeplans und bei der Durchführung der Teilhabeplankonferenz Verantwortlicher für die Verarbeitung von Sozialdaten nach § 67 Absatz 4 des Zehnten Buches sowie Stelle im Sinne von § 35 Absatz 1 des Ersten Buches .

Absatz 1 neugefasst durch G vom 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1626).

(2) 1Vor Durchführung einer Teilhabeplankonferenz hat der nach Absatz 1 Verantwortliche die Einwilligung der Leistungsberechtigten im Sinne von § 67b Absatz 2 des Zehnten Buches einzuholen, wenn und soweit anzunehmen ist, dass im Rahmen der Teilhabeplankonferenz Sozialdaten verarbeitet werden, deren Erforderlichkeit für die Erstellung des Teilhabeplans zum Zeitpunkt der Durchführung der Teilhabeplankonferenz nicht abschließend bewertet werden kann. 2Nach Durchführung der Teilhabeplankonferenz ist die Speicherung, Veränderung, Nutzung, Übermittlung oder Einschränkung der Verarbeitung von Sozialdaten im Sinne von Satz 1 nur zulässig, soweit dies für die Erstellung des Teilhabeplans erforderlich ist.

Absatz 2 Satz 1 geändert und Satz 2 neugefasst durch G vom 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1626).

(3) Die datenschutzrechtlichen Vorschriften des Ersten und des Zehnten Buches sowie der jeweiligen Leistungsgesetze der Rehabilitationsträger bleiben bei der Zuständigkeitsklärung und bei der Erstellung des Teilhabeplans unberührt.

Zu § 23: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 23 SGB IX .


§ 24 SGB IX – Vorläufige Leistungen

1Die Bestimmungen dieses Kapitels lassen die Verpflichtung der Rehabilitationsträger zur Erbringung vorläufiger Leistungen nach den für sie jeweils geltenden Leistungsgesetzen unberührt. 2Vorläufig erbrachte Leistungen binden die Rehabilitationsträger nicht bei der Feststellung des Rehabilitationsbedarfs nach diesem Kapitel. 3Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, ist § 43 des Ersten Buches nicht anzuwenden.

Zu § 24: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 24 SGB IX Tit. 1 .


§§ 1 - 89, Teil 1 - Regelungen für Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Menschen
§§ 25 - 27, Kapitel 5 - Zusammenarbeit

§ 25 SGB IX – Zusammenarbeit der Rehabilitationsträger

(1) Im Rahmen der durch Gesetz, Rechtsverordnung oder allgemeine Verwaltungsvorschrift getroffenen Regelungen sind die Rehabilitationsträger verantwortlich, dass

  1. 1.

    die im Einzelfall erforderlichen Leistungen zur Teilhabe nahtlos, zügig sowie nach Gegenstand, Umfang und Ausführung einheitlich erbracht werden,

  2. 2.

    Abgrenzungsfragen einvernehmlich geklärt werden,

  3. 3.

    Beratung entsprechend den in den §§ 1  und  4 genannten Zielen geleistet wird,

  4. 4.

    Begutachtungen möglichst nach einheitlichen Grundsätzen durchgeführt werden,

  5. 5.

    Prävention entsprechend dem in § 3 Absatz 1 genannten Ziel geleistet wird sowie

  6. 6.

    die Rehabilitationsträger im Fall eines Zuständigkeitsübergangs rechtzeitig eingebunden werden.

(2) 1Die Rehabilitationsträger und ihre Verbände sollen zur gemeinsamen Wahrnehmung von Aufgaben zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen insbesondere regionale Arbeitsgemeinschaften bilden. 2 § 88 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 des Zehnten Buches gilt entsprechend.

Zu § 25: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 25 SGB IX .


§ 26 SGB IX – Gemeinsame Empfehlungen

(1) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 vereinbaren zur Sicherung der Zusammenarbeit nach § 25 Absatz 1 gemeinsame Empfehlungen.

(2) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 vereinbaren darüber hinaus gemeinsame Empfehlungen,

  1. 1.

    welche Maßnahmen nach § 3 geeignet sind, um den Eintritt einer Behinderung zu vermeiden,

  2. 2.

    in welchen Fällen und in welcher Weise rehabilitationsbedürftigen Menschen notwendige Leistungen zur Teilhabe angeboten werden, insbesondere, um eine durch eine Chronifizierung von Erkrankungen bedingte Behinderung zu verhindern,

  3. 3.

    über die einheitliche Ausgestaltung des Teilhabeplanverfahrens,

  4. 4.

    in welcher Weise die Bundesagentur für Arbeit nach § 54 zu beteiligen ist,

  5. 5.

    wie Leistungen zur Teilhabe nach den §§ 14  und  15 koordiniert werden,

  6. 6.

    in welcher Weise und in welchem Umfang Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen, die sich die Prävention, Rehabilitation, Früherkennung und Bewältigung von Krankheiten und Behinderungen zum Ziel gesetzt haben, gefördert werden,

  7. 7.

    für Grundsätze der Instrumente zur Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs nach § 13 ,

  8. 8.

    in welchen Fällen und in welcher Weise der behandelnde Hausarzt oder Facharzt und der Betriebs- oder Werksarzt in die Einleitung und Ausführung von Leistungen zur Teilhabe einzubinden sind,

  9. 9.

    zu einem Informationsaustausch mit Beschäftigten mit Behinderungen, Arbeitgebern und den in § 166 genannten Vertretungen zur möglichst frühzeitigen Erkennung des individuellen Bedarfs voraussichtlich erforderlicher Leistungen zur Teilhabe sowie

  10. 10.

    über ihre Zusammenarbeit mit Sozialdiensten und vergleichbaren Stellen.

(3) Bestehen für einen Rehabilitationsträger Rahmenempfehlungen auf Grund gesetzlicher Vorschriften und soll bei den gemeinsamen Empfehlungen von diesen abgewichen werden oder sollen die gemeinsamen Empfehlungen Gegenstände betreffen, die nach den gesetzlichen Vorschriften Gegenstand solcher Rahmenempfehlungen werden sollen, stellt der Rehabilitationsträger das Einvernehmen mit den jeweiligen Partnern der Rahmenempfehlungen sicher.

(4) 1Die Träger der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung können sich bei der Vereinbarung der gemeinsamen Empfehlungen durch ihre Spitzenverbände vertreten lassen. 2Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen schließt die gemeinsamen Empfehlungen auch als Spitzenverband Bund der Pflegekassen ab, soweit die Aufgaben der Pflegekassen von den gemeinsamen Empfehlungen berührt sind.

(5) 1An der Vorbereitung der gemeinsamen Empfehlungen werden die Träger der Eingliederungshilfe und der öffentlichen Jugendhilfe über die Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände, die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter sowie die Integrationsämter in Bezug auf Leistungen und sonstige Hilfen für schwerbehinderte Menschen nach Teil 3 über die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen beteiligt. 2Die Träger der Eingliederungshilfe und der öffentlichen Jugendhilfe orientieren sich bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Buch an den vereinbarten Empfehlungen oder können diesen beitreten.

(6) 1Die Verbände von Menschen mit Behinderungen einschließlich der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, der Selbsthilfegruppen und der Interessenvertretungen von Frauen mit Behinderungen sowie die für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Rehabilitationseinrichtungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenverbände werden an der Vorbereitung der gemeinsamen Empfehlungen beteiligt. 2Ihren Anliegen wird bei der Ausgestaltung der Empfehlungen nach Möglichkeit Rechnung getragen. 3Die Empfehlungen berücksichtigen auch die besonderen Bedürfnisse von Frauen und Kindern mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder.

(7) 1Die beteiligten Rehabilitationsträger vereinbaren die gemeinsamen Empfehlungen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Ländern auf der Grundlage eines von ihnen innerhalb der Bundesarbeitsgemeinschaft vorbereiteten Vorschlags. 2Der oder die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit wird beteiligt. 3Hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu einem Vorschlag aufgefordert, legt die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation den Vorschlag innerhalb von sechs Monaten vor. 4Dem Vorschlag wird gefolgt, wenn ihm berechtigte Interessen eines Rehabilitationsträgers nicht entgegenstehen. 5Einwände nach Satz 4 sind innerhalb von vier Wochen nach Vorlage des Vorschlags auszuräumen.

(8) 1Die Rehabilitationsträger teilen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation alle zwei Jahre ihre Erfahrungen mit den gemeinsamen Empfehlungen mit, die Träger der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung über ihre Spitzenverbände. 2Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation stellt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Ländern eine Zusammenfassung zur Verfügung.

(9) Die gemeinsamen Empfehlungen können durch die regional zuständigen Rehabilitationsträger konkretisiert werden.

Zu § 26: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 26 SGB IX .


§ 27 SGB IX – Verordnungsermächtigung

1Vereinbaren die Rehabilitationsträger nicht innerhalb von sechs Monaten, nachdem das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sie dazu aufgefordert hat, gemeinsame Empfehlungen nach § 26 oder ändern sie unzureichend gewordene Empfehlungen nicht innerhalb dieser Frist, kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit dem Ziel der Vereinheitlichung des Verwaltungsvollzugs in dem Anwendungsbereich der §§ 25  und  26 Regelungen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates erlassen. 2Richten sich die Regelungen nur an Rehabilitationsträger, die nicht der Landesaufsicht unterliegen, wird die Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates erlassen. 3Soweit sich die Regelungen an die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 richten, erlässt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit.

Zu § 27: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 27 SGB IX Tit. 1 .


§§ 1 - 89, Teil 1 - Regelungen für Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Menschen
§§ 28 - 35, Kapitel 6 - Leistungsformen, Beratung
§§ 28 - 31, Abschnitt 1 - Leistungsformen

§ 28 SGB IX – Ausführung von Leistungen

(1) 1Der zuständige Rehabilitationsträger kann Leistungen zur Teilhabe

  1. 1.

    allein oder gemeinsam mit anderen Leistungsträgern,

  2. 2.

    durch andere Leistungsträger oder

  3. 3.

    unter Inanspruchnahme von geeigneten, insbesondere auch freien und gemeinnützigen oder privaten Rehabilitationsdiensten und -einrichtungen nach § 36

ausführen. 2Der zuständige Rehabilitationsträger bleibt für die Ausführung der Leistungen verantwortlich. 3Satz 1 gilt insbesondere dann, wenn der Rehabilitationsträger die Leistung dadurch wirksamer oder wirtschaftlicher erbringen kann.

(2) Die Leistungen werden dem Verlauf der Rehabilitation angepasst und sind darauf ausgerichtet, den Leistungsberechtigten unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles zügig, wirksam, wirtschaftlich und auf Dauer eine den Zielen der §§ 1 und 4 Absatz 1 entsprechende umfassende Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen.

Zu § 28: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 28 SGB IX .


§ 29 SGB IX – Persönliches Budget

(1) 1Auf Antrag der Leistungsberechtigten werden Leistungen zur Teilhabe durch die Leistungsform eines Persönlichen Budgets ausgeführt, um den Leistungsberechtigten in eigener Verantwortung ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. 2Bei der Ausführung des Persönlichen Budgets sind nach Maßgabe des individuell festgestellten Bedarfs die Rehabilitationsträger, die Pflegekassen und die Integrationsämter beteiligt. 3Das Persönliche Budget wird von den beteiligten Leistungsträgern trägerübergreifend als Komplexleistung erbracht. 4Das Persönliche Budget kann auch nicht trägerübergreifend von einem einzelnen Leistungsträger erbracht werden. 5Budgetfähig sind auch die neben den Leistungen nach Satz 1 erforderlichen Leistungen der Krankenkassen und der Pflegekassen, Leistungen der Träger der Unfallversicherung bei Pflegebedürftigkeit Leistungen der Träger der Sozialen Entschädigung zur Krankenbehandlung, bei Pflegebedürftigkeit und zur Weiterführung des Haushalts sowie Hilfe zur Pflege der Sozialhilfe, die sich auf alltägliche und regelmäßig wiederkehrende Bedarfe beziehen und als Geldleistungen oder durch Gutscheine erbracht werden können. 6An die Entscheidung sind die Leistungsberechtigten für die Dauer von sechs Monaten gebunden.

Absatz 1 Satz 5 geändert durch G vom 12. 12. 2019 (BGBl I S. 2652) (1. 1. 2024).

(2) 1Persönliche Budgets werden in der Regel als Geldleistung ausgeführt, bei laufenden Leistungen monatlich. 2In begründeten Fällen sind Gutscheine auszugeben. 3Mit der Auszahlung oder der Ausgabe von Gutscheinen an die Leistungsberechtigten gilt deren Anspruch gegen die beteiligten Leistungsträger insoweit als erfüllt. 4Das Bedarfsermittlungsverfahren für laufende Leistungen wird in der Regel im Abstand von zwei Jahren wiederholt. 5In begründeten Fällen kann davon abgewichen werden. 6Persönliche Budgets werden auf der Grundlage der nach Kapitel 4 getroffenen Feststellungen so bemessen, dass der individuell festgestellte Bedarf gedeckt wird und die erforderliche Beratung und Unterstützung erfolgen kann. 7Dabei soll die Höhe des Persönlichen Budgets die Kosten aller bisher individuell festgestellten Leistungen nicht überschreiten, die ohne das Persönliche Budget zu erbringen sind. 8 § 35a des Elften Buches bleibt unberührt.

(3) 1Werden Leistungen zur Teilhabe in der Leistungsform des Persönlichen Budgets beantragt, ist der nach § 14 leistende Rehabilitationsträger für die Durchführung des Verfahrens zuständig. 2Satz 1 findet entsprechend Anwendung auf die Pflegekassen und die Integrationsämter sowie auf die Träger der Sozialen Entschädigung, soweit diese Leistungen nach Absatz 1 Satz 5 erbringen. 3Enthält das Persönliche Budget Leistungen, für die der Leistungsträger nach den Sätzen 1 und 2 nicht Leistungsträger nach § 6 Absatz 1 sein kann, leitet er den Antrag insoweit unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Leistungsträger nach § 15 zu.

Absatz 3 Satz 2 neugefasst durch G vom 12. 12. 2019 (BGBl I S. 2652) (1. 1. 2024).

(4) 1Der Leistungsträger nach Absatz 3 und die Leistungsberechtigten schließen zur Umsetzung des Persönlichen Budgets eine Zielvereinbarung ab. 2Sie enthält mindestens Regelungen über

  1. 1.

    die Ausrichtung der individuellen Förder- und Leistungsziele,

  2. 2.

    die Erforderlichkeit eines Nachweises zur Deckung des festgestellten individuellen Bedarfs,

  3. 3.

    die Qualitätssicherung sowie

  4. 4.

    die Höhe der Teil- und des Gesamtbudgets.

3Satz 1 findet keine Anwendung, wenn allein Pflegekassen Leistungsträger nach Absatz 3 sind und sie das Persönliche Budget nach Absatz 1 Satz 4 erbringen. 4Die Beteiligten, die die Zielvereinbarung abgeschlossen haben, können diese aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung schriftlich kündigen, wenn ihnen die Fortsetzung der Vereinbarung nicht zumutbar ist. 5Ein wichtiger Grund kann für die Leistungsberechtigten insbesondere in der persönlichen Lebenssituation liegen. 6Für den Leistungsträger kann ein wichtiger Grund dann vorliegen, wenn die Leistungsberechtigten die Vereinbarung, insbesondere hinsichtlich des Nachweises zur Bedarfsdeckung und der Qualitätssicherung nicht einhalten. 7Im Fall der Kündigung der Zielvereinbarung wird der Verwaltungsakt aufgehoben. 8Die Zielvereinbarung wird im Rahmen des Bedarfsermittlungsverfahrens für die Dauer des Bewilligungszeitraumes der Leistungen in Form des Persönlichen Budgets abgeschlossen.

Zu § 29: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 29 SGB IX .


§ 30 SGB IX – Verordnungsermächtigung

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Näheres zum Inhalt und zur Ausführung des Persönlichen Budgets, zum Verfahren sowie zur Zuständigkeit bei Beteiligung mehrerer Rehabilitationsträger zu regeln.

Zu § 30: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 30 SGB IX Tit. 1 .


§ 31 SGB IX – Leistungsort

1Sach- und Dienstleistungen können auch im Ausland erbracht werden, wenn sie dort bei zumindest gleicher Qualität und Wirksamkeit wirtschaftlicher ausgeführt werden können. 2Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben können im grenznahen Ausland auch ausgeführt werden, wenn sie für die Aufnahme oder Ausübung einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit erforderlich sind.

Zu § 31: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 31 SGB IX .


§§ 1 - 89, Teil 1 - Regelungen für Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Menschen
§§ 28 - 35, Kapitel 6 - Leistungsformen, Beratung
§§ 32 - 35, Abschnitt 2 - Beratung

§ 32 SGB IX – Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung; Verordnungsermächtigung

Überschrift neugefasst durch G vom 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2135).

(1) 1Zur Stärkung der Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohter Menschen fördert das Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine von Leistungsträgern und Leistungserbringern unabhängige ergänzende Beratung als niedrigschwelliges Angebot, das bereits im Vorfeld der Beantragung konkreter Leistungen zur Verfügung steht. 2Dieses Angebot besteht neben dem Anspruch auf Beratung durch die Rehabilitationsträger.

(2) 1Das ergänzende Angebot erstreckt sich auf die Information und Beratung über Rehabilitations- und Teilhabeleistungen nach diesem Buch. 2Die Rehabilitationsträger informieren im Rahmen der vorhandenen Beratungsstrukturen und ihrer Beratungspflicht über dieses ergänzende Angebot.

(3) Bei der Förderung von Beratungsangeboten ist die von Leistungsträgern und Leistungserbringern unabhängige ergänzende Beratung von Betroffenen für Betroffene besonders zu berücksichtigen.

(4) (weggefallen)

(5) (weggefallen)

Absätze 4 und 5 gestrichen durch G vom 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2135).

(6) 1Die Bundesmittel für die Zuschüsse werden ab dem Jahr 2023 auf 65 Millionen Euro festgesetzt. 2Aus den Bundesmitteln sind insbesondere auch die Aufwendungen zu finanzieren, die für die Administration, die Vernetzung, die Qualitätssicherung und die Öffentlichkeitsarbeit der Beratungsangebote notwendig sind.

(7) 1Zuständige Behörde für die Umsetzung der ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. 2Es kann diese Aufgaben Dritten übertragen. 3Die Auswahl aus dem Kreis der Antragsteller erfolgt durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Benehmen mit den zuständigen obersten Landesbehörden. 4Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales erlässt eine Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, um die ergänzende unabhängige Teilhabeberatung nach dem Jahr 2022 auszugestalten und umzusetzen.

Absätze 6 und 7 angefügt durch G vom 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2135).

Zu § 32: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 32 SGB IX Tit. 1 .


§ 33 SGB IX – Pflichten der Personensorgeberechtigten

Eltern, Vormünder, Pfleger und Betreuer, die bei den ihnen anvertrauten Personen Beeinträchtigungen ( § 2 Absatz 1 ) wahrnehmen oder durch die in § 34 genannten Personen hierauf hingewiesen werden, sollen im Rahmen ihres Erziehungs- oder Betreuungsauftrags diese Personen einer Beratungsstelle nach § 32 oder einer sonstigen Beratungsstelle für Rehabilitation zur Beratung über die geeigneten Leistungen zur Teilhabe vorstellen.

Zu § 33: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 33 SGB IX Tit. 1 .


§ 34 SGB IX – Sicherung der Beratung von Menschen mit Behinderungen

(1) 1Die Beratung durch Ärzte, denen eine Person nach § 33 vorgestellt wird, erstreckt sich auf geeignete Leistungen zur Teilhabe. 2Dabei weisen sie auf die Möglichkeit der Beratung durch die Beratungsstellen der Rehabilitationsträger hin und informieren über wohnortnahe Angebote zur Beratung nach § 32 . 3Werdende Eltern werden außerdem auf den Beratungsanspruch bei den Schwangerschaftsberatungsstellen hingewiesen.

(2) Nehmen Hebammen, Entbindungspfleger, medizinisches Personal außer Ärzten, Lehrer, Sozialarbeiter, Jugendleiter und Erzieher bei der Ausübung ihres Berufs Behinderungen wahr, weisen sie die Personensorgeberechtigten auf die Behinderung und auf entsprechende Beratungsangebote nach § 32 hin.

(3) Nehmen medizinisches Personal außer Ärzten und Sozialarbeiter bei der Ausübung ihres Berufs Behinderungen bei volljährigen Personen wahr, empfehlen sie diesen Personen oder ihren bestellten Betreuern, eine Beratungsstelle für Rehabilitation oder eine ärztliche Beratung über geeignete Leistungen zur Teilhabe aufzusuchen.

Zu § 34: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 34 SGB IX Tit. 1 .


§ 35 SGB IX – Landesärzte

(1) In den Ländern können Landesärzte bestellt werden, die über besondere Erfahrungen in der Hilfe für Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Menschen verfügen.

(2) Die Landesärzte haben insbesondere folgende Aufgaben:

  1. 1.

    Gutachten für die Landesbehörden, die für das Gesundheitswesen, die Sozialhilfe und Eingliederungshilfe zuständig sind, sowie für die zuständigen Träger der Sozialhilfe und Eingliederungshilfe in besonders schwierig gelagerten Einzelfällen oder in Fällen von grundsätzlicher Bedeutung zu erstatten,

  2. 2.

    die für das Gesundheitswesen zuständigen obersten Landesbehörden beim Erstellen von Konzeptionen, Situations- und Bedarfsanalysen und bei der Landesplanung zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohter Menschen zu beraten und zu unterstützen sowie selbst entsprechende Initiativen zu ergreifen und

  3. 3.

    die für das Gesundheitswesen zuständigen Landesbehörden über Art und Ursachen von Behinderungen und notwendige Hilfen sowie über den Erfolg von Leistungen zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohter Menschen regelmäßig zu unterrichten.

Absatz 2 Nummer 1 neugefasst durch G vom 17. 7. 2017 (BGBl I S. 2541).

Zu § 35: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 35 SGB IX Tit. 1 .


§§ 1 - 89, Teil 1 - Regelungen für Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Menschen
§§ 36 - 38, Kapitel 7 - Struktur, Qualitätssicherung, Gewaltschutz und Verträge

§ 36 SGB IX – Rehabilitationsdienste und -einrichtungen

(1) 1Die Rehabilitationsträger wirken gemeinsam unter Beteiligung der Bundesregierung und der Landesregierungen darauf hin, dass die fachlich und regional erforderlichen Rehabilitationsdienste und -einrichtungen in ausreichender Anzahl und Qualität zur Verfügung stehen. 2Dabei achten die Rehabilitationsträger darauf, dass für eine ausreichende Anzahl von Rehabilitationsdiensten und -einrichtungen keine Zugangs- und Kommunikationsbarrieren bestehen. 3Die Verbände von Menschen mit Behinderungen einschließlich der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, der Selbsthilfegruppen und der Interessenvertretungen von Frauen mit Behinderungen sowie die für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Rehabilitationseinrichtungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenverbände werden beteiligt.

(2) 1Nehmen Rehabilitationsträger zur Ausführung von Leistungen Rehabilitationsdienste und -einrichtungen in Anspruch, erfolgt die Auswahl danach, wer die Leistung in der am besten geeigneten Form ausführt. 2Dabei werden Rehabilitationsdienste und -einrichtungen freier oder gemeinnütziger Träger entsprechend ihrer Bedeutung für die Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen berücksichtigt und die Vielfalt der Träger gewahrt sowie deren Selbständigkeit, Selbstverständnis und Unabhängigkeit beachtet. 3 § 51 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 ist anzuwenden.

(3) Rehabilitationsträger können nach den für sie geltenden Rechtsvorschriften Rehabilitationsdienste oder -einrichtungen fördern, wenn dies zweckmäßig ist und die Arbeit dieser Dienste oder Einrichtungen in anderer Weise nicht sichergestellt werden kann.

(4) Rehabilitationsdienste und -einrichtungen mit gleicher Aufgabenstellung sollen Arbeitsgemeinschaften bilden.

Zu § 36: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 36 SGB IX .


§ 36a SGB IX

(weggefallen)


§ 37 SGB IX – Qualitätssicherung, Zertifizierung

(1) 1Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 vereinbaren gemeinsame Empfehlungen zur Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität der Leistungen, insbesondere zur barrierefreien Leistungserbringung, sowie für die Durchführung vergleichender Qualitätsanalysen als Grundlage für ein effektives Qualitätsmanagement der Leistungserbringer. 2 § 26 Absatz 4 ist entsprechend anzuwenden. 3Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 6 und 7 können den Empfehlungen beitreten.

(2) 1Die Erbringer von Leistungen stellen ein Qualitätsmanagement sicher, das durch zielgerichtete und systematische Verfahren und Maßnahmen die Qualität der Versorgung gewährleistet und kontinuierlich verbessert. 2Stationäre Rehabilitationseinrichtungen haben sich an dem Zertifizierungsverfahren nach Absatz 3 zu beteiligen.

(3) 1Die Spitzenverbände der Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 und 3 bis 5 vereinbaren im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation grundsätzliche Anforderungen an ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement nach Absatz 2 Satz 1 sowie ein einheitliches, unabhängiges Zertifizierungsverfahren, mit dem die erfolgreiche Umsetzung des Qualitätsmanagements in regelmäßigen Abständen nachgewiesen wird. 2Den für die Wahrnehmung der Interessen der stationären Rehabilitationseinrichtungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenverbänden sowie den Verbänden von Menschen mit Behinderungen einschließlich der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, der Selbsthilfegruppen und der Interessenvertretungen von Frauen mit Behinderungen ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. 3Stationäre Rehabilitationseinrichtungen sind nur dann als geeignet anzusehen, wenn sie zertifiziert sind.

(4) Die Rehabilitationsträger können mit den Einrichtungen, die für sie Leistungen erbringen, über Absatz 1 hinausgehende Anforderungen an die Qualität und das Qualitätsmanagement vereinbaren.

(5) In Rehabilitationseinrichtungen mit Vertretungen der Menschen mit Behinderungen sind die nach Absatz 3 Satz 1 zu erstellenden Nachweise über die Umsetzung des Qualitätsmanagements diesen Vertretungen zur Verfügung zu stellen.

(6) § 26 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden für Vereinbarungen auf Grund gesetzlicher Vorschriften für die Rehabilitationsträger.

Zu § 37: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 37 SGB IX .


§ 37a SGB IX – Gewaltschutz

Eingefügt durch G vom 2. 6. 2021 (BGBl I S. 1387).

(1) 1Die Leistungserbringer treffen geeignete Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt für Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Menschen, insbesondere für Frauen und Kinder mit Behinderung und von Behinderung bedrohte Frauen und Kinder. 2Zu den geeigneten Maßnahmen nach Satz 1 gehören insbesondere die Entwicklung und Umsetzung eines auf die Einrichtung oder Dienstleistungen zugeschnittenen Gewaltschutzkonzepts.

(2) Die Rehabilitationsträger und die Integrationsämter wirken bei der Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben darauf hin, dass der Schutzauftrag nach Absatz 1 von den Leistungserbringern umgesetzt wird.


§ 38 SGB IX – Verträge mit Leistungserbringern

(1) Verträge mit Leistungserbringern müssen insbesondere folgende Regelungen über die Ausführung von Leistungen durch Rehabilitationsdienste und -einrichtungen, die nicht in der Trägerschaft eines Rehabilitationsträgers stehen, enthalten:

  1. 1.

    Qualitätsanforderungen an die Ausführung der Leistungen, das beteiligte Personal und die begleitenden Fachdienste,

  2. 2.

    die Übernahme von Grundsätzen der Rehabilitationsträger zur Vereinbarung von Vergütungen,

  3. 3.

    Rechte und Pflichten der Teilnehmer, soweit sich diese nicht bereits aus dem Rechtsverhältnis ergeben, das zwischen ihnen und dem Rehabilitationsträger besteht,

  4. 4.

    angemessene Mitwirkungsmöglichkeiten der Teilnehmer an der Ausführung der Leistungen,

  5. 5.

    Regelungen zur Geheimhaltung personenbezogener Daten,

  6. 6.

    Regelungen zur Beschäftigung eines angemessenen Anteils von Frauen mit Behinderungen, insbesondere Frauen mit Schwerbehinderungen sowie

  7. 7.

    das Angebot, Beratung durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe bei gewichtigen Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung in Anspruch zu nehmen.

(2) 1Die Bezahlung tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen kann bei Verträgen auf der Grundlage dieses Buches nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden. 2Auf Verlangen des Rehabilitationsträgers ist die Zahlung von Vergütungen nach Satz 1 nachzuweisen.

(3) 1Die Rehabilitationsträger wirken darauf hin, dass die Verträge nach einheitlichen Grundsätzen abgeschlossen werden. 2Dabei sind einheitliche Grundsätze der Wirksamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigten. 3Die Rehabilitationsträger können über den Inhalt der Verträge gemeinsame Empfehlungen nach § 26 vereinbaren. 4Mit den Arbeitsgemeinschaften der Rehabilitationsdienste und -einrichtungen können sie Rahmenverträge schließen. 5Der oder die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit wird beteiligt.

(4) Absatz 1 Nummer 1 und 3 bis 6 wird für eigene Einrichtungen der Rehabilitationsträger entsprechend angewendet.

Zu § 38: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 38 SGB IX Tit. 1 .


§§ 1 - 89, Teil 1 - Regelungen für Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Menschen
§§ 39 - 41, Kapitel 8 - Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation

§ 39 SGB IX – Aufgaben

(1) 1Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 gestalten und organisieren die trägerübergreifende Zusammenarbeit zur einheitlichen personenzentrierten Gestaltung der Rehabilitation und der Leistungen zur Teilhabe im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft nach § 94 des Zehnten Buches . 2Sie trägt den Namen "Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation".

(2) Die Aufgaben der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation sind insbesondere

  1. 1.

    die Beobachtung der Zusammenarbeit der Rehabilitationsträger und die regelmäßige Auswertung und Bewertung der Zusammenarbeit; hierzu bedarf es

    1. a)

      der Erstellung von gemeinsamen Grundsätzen für die Erhebung von Daten, die der Aufbereitung und Bereitstellung von Statistiken über das Rehabilitationsgeschehen der Träger und ihrer Zusammenarbeit dienen,

    2. b)

      der Datenaufbereitung und Bereitstellung von Statistiken über das Rehabilitationsgeschehen der Träger und ihrer Zusammenarbeit und

    3. c)

      der Erhebung und Auswertung nicht personenbezogener Daten über Prozesse und Abläufe des Rehabilitationsgeschehens aus dem Aufgabenfeld der medizinischen und beruflichen Rehabilitation der Sozialversicherung mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales,

  2. 2.

    die Erarbeitung von gemeinsamen Grundsätzen zur Bedarfserkennung, Bedarfsermittlung und Koordinierung von Rehabilitationsmaßnahmen und zur trägerübergreifenden Zusammenarbeit,

  3. 3.

    die Erarbeitung von gemeinsamen Empfehlungen zur Sicherung der Zusammenarbeit nach § 25 ,

  4. 4.

    die trägerübergreifende Fort- und Weiterbildung zur Unterstützung und Umsetzung trägerübergreifender Kooperation und Koordination,

  5. 5.

    die Erarbeitung trägerübergreifender Beratungsstandards und Förderung der Weitergabe von eigenen Lebenserfahrungen an andere Menschen mit Behinderungen durch die Beratungsmethode des Peer Counseling,

  6. 6.

    die Erarbeitung von Qualitätskriterien zur Sicherung der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität im trägerübergreifenden Rehabilitationsgeschehen und Initiierung von deren Weiterentwicklung,

  7. 7.

    die Förderung der Partizipation Betroffener durch stärkere Einbindung von Selbsthilfe- und Selbstvertretungsorganisationen von Menschen mit Behinderungen in die konzeptionelle Arbeit der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation und deren Organe,

  8. 8.

    die Öffentlichkeitsarbeit zur Inklusion und Rehabilitation sowie

  9. 9.

    die Beobachtung und Bewertung der Forschung zur Rehabilitation sowie Durchführung trägerübergreifender Forschungsvorhaben.

Zu § 39: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 39 SGB IX Tit. 1 .


§ 40 SGB IX – Rechtsaufsicht

Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation untersteht der Rechtsaufsicht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Zu § 40: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 40 SGB IX .


§ 41 SGB IX – Teilhabeverfahrensbericht

(1) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 erfassen

  1. 1.

    die Anzahl der gestellten Anträge auf Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe differenziert nach Leistungsgruppen im Sinne von § 5 Nummer 1, 2, 4 und 5 ,

  2. 2.

    die Anzahl der Weiterleitungen nach § 14 Absatz 1 Satz 2 ,

  3. 3.

    in wie vielen Fällen

    1. a)

      die Zweiwochenfrist nach § 14 Absatz 1 Satz 1 ,

    2. b)

      die Dreiwochenfrist nach § 14 Absatz 2 Satz 2 sowie

    3. c)

      die Zweiwochenfrist nach § 14 Absatz 2 Satz 3

    nicht eingehalten wurde,

  4. 4.

    die durchschnittliche Zeitdauer zwischen Erteilung des Gutachtenauftrages in Fällen des § 14 Absatz 2 Satz 3 und der Vorlage des Gutachtens,

  5. 5.

    die durchschnittliche Zeitdauer zwischen Antragseingang beim leistenden Rehabilitationsträger und der Entscheidung nach den Merkmalen der Erledigung und der Bewilligung,

  6. 6.

    die Anzahl der Ablehnungen von Anträgen sowie der nicht vollständigen Bewilligung der beantragten Leistungen,

  7. 7.

    die durchschnittliche Zeitdauer zwischen dem Datum des Bewilligungsbescheides und dem Beginn der Leistungen mit und ohne Teilhabeplanung nach § 19 , wobei in den Fällen, in denen die Leistung von einem Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 erbracht wurde, das Merkmal "mit und ohne Teilhabeplanung nach § 19" nicht zu erfassen ist,

  8. 8.

    die Anzahl der trägerübergreifenden Teilhabeplanungen und Teilhabeplankonferenzen,

  9. 9.

    die Anzahl der nachträglichen Änderungen und Fortschreibungen der Teilhabepläne einschließlich der durchschnittlichen Geltungsdauer des Teilhabeplanes,

  10. 10.

    die Anzahl der Erstattungsverfahren nach § 16 Absatz 2 Satz 2 ,

  11. 11.

    die Anzahl der beantragten und bewilligten Leistungen in Form des Persönlichen Budgets,

  12. 12.

    die Anzahl der beantragten und bewilligten Leistungen in Form des trägerübergreifenden Persönlichen Budgets,

  13. 13.

    die Anzahl der Mitteilungen nach § 18 Absatz 1 ,

  14. 14.

    die Anzahl der Anträge auf Erstattung nach § 18 nach den Merkmalen "Bewilligung" oder "Ablehnung",

  15. 15.

    die Anzahl der Rechtsbehelfe sowie der erfolgreichen Rechtsbehelfe aus Sicht der Leistungsberechtigten jeweils nach den Merkmalen "Widerspruch" und "Klage",

  16. 16.

    die Anzahl der Leistungsberechtigten, die sechs Monate nach dem Ende der Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen haben, soweit die Maßnahme von einem Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 7 erbracht wurde.

(2) 1Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 melden jährlich die im Berichtsjahr nach Absatz 1 erfassten Angaben an ihre Spitzenverbände, die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 6 und 7 jeweils über ihre obersten Landesjugend- und Sozialbehörden, zur Weiterleitung an die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation in einem mit ihr technisch abgestimmten Datenformat. 2Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation wertet die Angaben unter Beteiligung der Rehabilitationsträger aus und erstellt jährlich eine gemeinsame Übersicht. 3Die Erfassung der Angaben soll mit dem 1. Januar 2018 beginnen und ein Kalenderjahr umfassen. 4Der erste Bericht ist 2019 zu veröffentlichen.

(3) Der Bund erstattet der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation die notwendigen Aufwendungen für folgende Tätigkeiten:

  1. 1.

    die Bereitstellung von Daten,

  2. 2.

    die Datenaufarbeitung und

  3. 3.

    die Auswertungen über das Rehabilitationsgeschehen.

Zu § 41: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 41 SGB IX .


§§ 1 - 89, Teil 1 - Regelungen für Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Menschen
§§ 42 - 48, Kapitel 9 - Leistungen zur medizinischen Rehabilitation

§ 42 SGB IX – Leistungen zur medizinischen Rehabilitation

(1) Zur medizinischen Rehabilitation von Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohter Menschen werden die erforderlichen Leistungen erbracht, um

  1. 1.

    Behinderungen einschließlich chronischer Krankheiten abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, eine Verschlimmerung zu verhüten oder

  2. 2.

    Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit und Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern, eine Verschlimmerung zu verhindern sowie den vorzeitigen Bezug von laufenden Sozialleistungen zu verhüten oder laufende Sozialleistungen zu mindern.

(2) Leistungen zur medizinischen Rehabilitation umfassen insbesondere

  1. 1.

    Behandlung durch Ärzte, Zahnärzte und Angehörige anderer Heilberufe, soweit deren Leistungen unter ärztlicher Aufsicht oder auf ärztliche Anordnung ausgeführt werden, einschließlich der Anleitung, eigene Heilungskräfte zu entwickeln,

  2. 2.

    Früherkennung und Frühförderung für Kinder mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Kinder,

  3. 3.

    Arznei- und Verbandsmittel,

  4. 4.

    Heilmittel einschließlich physikalischer, Sprach- und Beschäftigungstherapie,

  5. 5.

    Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,

  6. 6.

    Hilfsmittel,

  7. 6a.

    digitale Gesundheitsanwendungen sowie

  8. 7.

    Belastungserprobung und Arbeitstherapie.

Absatz 2 Nummer 6 geändert und Nummer 6a eingefügt durch G vom 2. 6. 2021 (BGBl I S. 1387).

(3) 1Bestandteil der Leistungen nach Absatz 1 sind auch medizinische, psychologische und pädagogische Hilfen, soweit diese Leistungen im Einzelfall erforderlich sind, um die in Absatz 1 genannten Ziele zu erreichen. 2Solche Leistungen sind insbesondere

  1. 1.

    Hilfen zur Unterstützung bei der Krankheits- und Behinderungsverarbeitung,

  2. 2.

    Hilfen zur Aktivierung von Selbsthilfepotentialen,

  3. 3.

    die Information und Beratung von Partnern und Angehörigen sowie von Vorgesetzten und Kollegen, wenn die Leistungsberechtigten dem zustimmen,

  4. 4.

    die Vermittlung von Kontakten zu örtlichen Selbsthilfe- und Beratungsmöglichkeiten,

  5. 5.

    Hilfen zur seelischen Stabilisierung und zur Förderung der sozialen Kompetenz, unter anderem durch Training sozialer und kommunikativer Fähigkeiten und im Umgang mit Krisensituationen,

  6. 6.

    das Training lebenspraktischer Fähigkeiten sowie

  7. 7.

    die Anleitung und Motivation zur Inanspruchnahme von Leistungen der medizinischen Rehabilitation.

Zu § 42: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 42 SGB IX .


§ 43 SGB IX – Krankenbehandlung und Rehabilitation

Die in § 42 Absatz 1 genannten Ziele und § 12 Absatz 1  und  3 sowie § 19 gelten auch bei Leistungen der Krankenbehandlung.

Zu § 43: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 43 SGB IX .


§ 44 SGB IX – Stufenweise Wiedereingliederung

Können arbeitsunfähige Leistungsberechtigte nach ärztlicher Feststellung ihre bisherige Tätigkeit teilweise ausüben und können sie durch eine stufenweise Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit voraussichtlich besser wieder in das Erwerbsleben eingegliedert werden, sollen die medizinischen und die sie ergänzenden Leistungen mit dieser Zielrichtung erbracht werden.

Zu § 44: Vgl. WEZustAbgVbg ; RdSchr. 01g Zu § 44 SGB IX Tit. 1 .


§ 45 SGB IX – Förderung der Selbsthilfe

1Selbsthilfegruppen, Selbsthilfeorganisationen und Selbsthilfekontaktstellen, die sich die Prävention, Rehabilitation, Früherkennung, Beratung, Behandlung und Bewältigung von Krankheiten und Behinderungen zum Ziel gesetzt haben, sollen nach einheitlichen Grundsätzen gefördert werden. 2Die Daten der Rehabilitationsträger über Art und Höhe der Förderung der Selbsthilfe fließen in den Bericht der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation nach § 41 ein.

Zu § 45: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 45 SGB IX Tit. 1 .


§ 46 SGB IX – Früherkennung und Frühförderung

(1) Die medizinischen Leistungen zur Früherkennung und Frühförderung für Kinder mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Kinder nach § 42 Absatz 2 Nummer 2 umfassen auch

  1. 1.

    die medizinischen Leistungen der fachübergreifend arbeitenden Dienste und Einrichtungen sowie

  2. 2.

    nichtärztliche sozialpädiatrische, psychologische, heilpädagogische, psychosoziale Leistungen und die Beratung der Erziehungsberechtigten, auch in fachübergreifend arbeitenden Diensten und Einrichtungen, wenn sie unter ärztlicher Verantwortung erbracht werden und erforderlich sind, um eine drohende oder bereits eingetretene Behinderung zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu erkennen und einen individuellen Behandlungsplan aufzustellen.

(2) 1Leistungen zur Früherkennung und Frühförderung für Kinder mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Kinder umfassen weiterhin nichtärztliche therapeutische, psychologische, heilpädagogische, sonderpädagogische, psychosoziale Leistungen und die Beratung der Erziehungsberechtigten durch interdisziplinäre Frühförderstellen oder nach Landesrecht zugelassene Einrichtungen mit vergleichbarem interdisziplinärem Förder-, Behandlungs- und Beratungsspektrum. 2Die Leistungen sind erforderlich, wenn sie eine drohende oder bereits eingetretene Behinderung zum frühestmöglichen Zeitpunkt erkennen helfen oder die eingetretene Behinderung durch gezielte Förder- und Behandlungsmaßnahmen ausgleichen oder mildern.

(3) 1Leistungen nach Absatz 1 werden in Verbindung mit heilpädagogischen Leistungen nach § 79 als Komplexleistung erbracht. 2Die Komplexleistung umfasst auch Leistungen zur Sicherung der Interdisziplinarität. 3Maßnahmen zur Komplexleistung können gleichzeitig oder nacheinander sowie in unterschiedlicher und gegebenenfalls wechselnder Intensität ab Geburt bis zur Einschulung eines Kindes mit Behinderungen oder drohender Behinderung erfolgen.

(4) In den Landesrahmenvereinbarungen zwischen den beteiligten Rehabilitationsträgern und den Verbänden der Leistungserbringer wird Folgendes geregelt:

  1. 1.

    die Anforderungen an interdisziplinäre Frühförderstellen, nach Landesrecht zugelassene Einrichtungen mit vergleichbarem interdisziplinärem Förder-, Behandlungs- und Beratungsspektrum und sozialpädiatrische Zentren zu Mindeststandards, Berufsgruppen, Personalausstattung, sachlicher und räumlicher Ausstattung,

  2. 2.

    die Dokumentation und Qualitätssicherung,

  3. 3.

    der Ort der Leistungserbringung sowie

  4. 4.

    die Vereinbarung und Abrechnung der Entgelte für die als Komplexleistung nach Absatz 3 erbrachten Leistungen unter Berücksichtigung der Zuwendungen Dritter, insbesondere der Länder, für Leistungen nach der Verordnung zur Früherkennung und Frühförderung .

(5) 1Die Rehabilitationsträger schließen Vereinbarungen über die pauschalierte Aufteilung der nach Absatz 4 Nummer 4 vereinbarten Entgelte für Komplexleistungen auf der Grundlage der Leistungszuständigkeit nach Spezialisierung und Leistungsprofil des Dienstes oder der Einrichtung, insbesondere den vertretenen Fachdisziplinen und dem Diagnosespektrum der leistungsberechtigten Kinder. 2Regionale Gegebenheiten werden berücksichtigt. 3Der Anteil der Entgelte, der auf die für die Leistungen nach § 6 der Verordnung zur Früherkennung und Frühförderung jeweils zuständigen Träger entfällt, darf für Leistungen in interdisziplinären Frühförderstellen oder in nach Landesrecht zugelassenen Einrichtungen mit vergleichbarem interdisziplinärem Förder-, Behandlungs- und Beratungsspektrum 65 Prozent und in sozialpädiatrischen Zentren 20 Prozent nicht überschreiten. 4Landesrecht kann andere als pauschale Abrechnungen vorsehen.

(6) Kommen Landesrahmenvereinbarungen nach Absatz 4 bis zum 31. Juli 2019 nicht zustande, sollen die Landesregierungen Regelungen durch Rechtsverordnung entsprechend Absatz 4 Nummer 1 bis 3 treffen.

Zu § 46: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 46 SGB IX .


§ 47 SGB IX – Hilfsmittel

(1) Hilfsmittel (Körperersatzstücke sowie orthopädische und andere Hilfsmittel) nach § 42 Absatz 2 Nummer 6 umfassen die Hilfen, die von den Leistungsberechtigten getragen oder mitgeführt oder bei einem Wohnungswechsel mitgenommen werden können und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles erforderlich sind, um

  1. 1.

    einer drohenden Behinderung vorzubeugen,

  2. 2.

    den Erfolg einer Heilbehandlung zu sichern oder

  3. 3.

    eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sind.

(2) 1Der Anspruch auf Hilfsmittel umfasst auch die notwendige Änderung, Instandhaltung, Ersatzbeschaffung sowie die Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel. 2Der Rehabilitationsträger soll

  1. 1.

    vor einer Ersatzbeschaffung prüfen, ob eine Änderung oder Instandsetzung von bisher benutzten Hilfsmitteln wirtschaftlicher und gleich wirksam ist und

  2. 2.

    die Bewilligung der Hilfsmittel davon abhängig machen, dass die Leistungsberechtigten sich die Hilfsmittel anpassen oder sich in ihrem Gebrauch ausbilden lassen.

(3) Wählen Leistungsberechtigte ein geeignetes Hilfsmittel in einer aufwendigeren Ausführung als notwendig, tragen sie die Mehrkosten selbst.

(4) 1Hilfsmittel können auch leihweise überlassen werden. 2In diesem Fall gelten die Absätze 2 und 3 entsprechend.

Zu § 47: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 47 SGB IX Tit. 1 .


§ 47a SGB IX – Digitale Gesundheitsanwendungen

Eingefügt durch G vom 2. 6. 2021 (BGBl I S. 1387).

(1) 1Digitale Gesundheitsanwendungen nach § 42 Absatz 2 Nummer 6a umfassen die in das Verzeichnis nach § 139e Absatz 1 des Fünften Buches aufgenommenen digitalen Gesundheitsanwendungen, sofern diese unter Berücksichtigung des Einzelfalles erforderlich sind, um

  1. 1.

    einer drohenden Behinderung vorzubeugen,

  2. 2.

    den Erfolg einer Heilbehandlung zu sichern oder

  3. 3.

    eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen, sofern die digitalen Gesundheitsanwendungen nicht die Funktion von allgemeinen Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens übernehmen.

2Digitale Gesundheitsanwendungen werden nur mit Zustimmung des Leistungsberechtigten erbracht.

(2) Wählen Leistungsberechtigte digitale Gesundheitsanwendungen, deren Funktion oder Anwendungsbereich über die Funktion und den Anwendungsbereich einer vergleichbaren in das Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen nach § 139e des Fünften Buches aufgenommenen digitalen Gesundheitsanwendung hinausgehen, so haben sie die Mehrkosten selbst zu tragen.


§ 48 SGB IX – Verordnungsermächtigungen

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Näheres zu regeln

  1. 1.

    zur Abgrenzung der in § 46 genannten Leistungen und der weiteren Leistungen dieser Dienste und Einrichtungen und

  2. 2.

    zur Auswahl der im Einzelfall geeigneten Hilfsmittel, insbesondere zum Verfahren, zur Eignungsprüfung, Dokumentation und leihweisen Überlassung der Hilfsmittel sowie zur Zusammenarbeit der anderen Rehabilitationsträger mit den orthopädischen Versorgungsstellen.

Zu § 48: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 48 SGB IX .


§§ 1 - 89, Teil 1 - Regelungen für Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Menschen
§§ 49 - 63, Kapitel 10 - Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben

§ 49 SGB IX – Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Verordnungsermächtigung

(1) Zur Teilhabe am Arbeitsleben werden die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit von Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern.

(2) Frauen mit Behinderungen werden gleiche Chancen im Erwerbsleben zugesichert, insbesondere durch in der beruflichen Zielsetzung geeignete, wohnortnahe und auch in Teilzeit nutzbare Angebote.

(3) Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben umfassen insbesondere

  1. 1.

    Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung,

  2. 2.

    eine Berufsvorbereitung einschließlich einer wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung,

  3. 3.

    die individuelle betriebliche Qualifizierung im Rahmen Unterstützter Beschäftigung,

  4. 4.

    die berufliche Anpassung und Weiterbildung, auch soweit die Leistungen einen zur Teilnahme erforderlichen schulischen Abschluss einschließen,

  5. 5.

    die berufliche Ausbildung, auch soweit die Leistungen in einem zeitlich nicht überwiegenden Abschnitt schulisch durchgeführt werden,

  6. 6.

    die Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit durch die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 und

  7. 7.

    sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, um Menschen mit Behinderungen eine angemessene und geeignete Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit zu ermöglichen und zu erhalten.

(4) 1Bei der Auswahl der Leistungen werden Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angemessen berücksichtigt. 2Soweit erforderlich, wird dabei die berufliche Eignung abgeklärt oder eine Arbeitserprobung durchgeführt; in diesem Fall werden die Kosten nach Absatz 7, Reisekosten nach § 73 sowie Haushaltshilfe und Kinderbetreuungskosten nach § 74 übernommen.

(5) Die Leistungen werden auch für Zeiten notwendiger Praktika erbracht.

(6) 1Die Leistungen umfassen auch medizinische, psychologische und pädagogische Hilfen, soweit diese Leistungen im Einzelfall erforderlich sind, um die in Absatz 1 genannten Ziele zu erreichen oder zu sichern und Krankheitsfolgen zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten. 2Leistungen sind insbesondere

  1. 1.

    Hilfen zur Unterstützung bei der Krankheits- und Behinderungsverarbeitung,

  2. 2.

    Hilfen zur Aktivierung von Selbsthilfepotentialen,

  3. 3.

    die Information und Beratung von Partnern und Angehörigen sowie von Vorgesetzten und Kollegen, wenn die Leistungsberechtigten dem zustimmen,

  4. 4.

    die Vermittlung von Kontakten zu örtlichen Selbsthilfe- und Beratungsmöglichkeiten,

  5. 5.

    Hilfen zur seelischen Stabilisierung und zur Förderung der sozialen Kompetenz, unter anderem durch Training sozialer und kommunikativer Fähigkeiten und im Umgang mit Krisensituationen,

  6. 6.

    das Training lebenspraktischer Fähigkeiten,

  7. 7.

    das Training motorischer Fähigkeiten,

  8. 8.

    die Anleitung und Motivation zur Inanspruchnahme von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und

  9. 9.

    die Beteiligung von Integrationsfachdiensten im Rahmen ihrer Aufgabenstellung ( § 193 ).

(7) Zu den Leistungen gehört auch die Übernahme

  1. 1.

    der erforderlichen Kosten für Unterkunft und Verpflegung, wenn für die Ausführung einer Leistung eine Unterbringung außerhalb des eigenen oder des elterlichen Haushalts wegen Art oder Schwere der Behinderung oder zur Sicherung des Erfolges der Teilhabe am Arbeitsleben notwendig ist sowie

  2. 2.

    der erforderlichen Kosten, die mit der Ausführung einer Leistung in unmittelbarem Zusammenhang stehen, insbesondere für Lehrgangskosten, Prüfungsgebühren, Lernmittel, Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung.

(8) 1Leistungen nach Absatz 3 Nummer 1 und 7 umfassen auch

  1. 1.

    die Kraftfahrzeughilfe nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung ,

  2. 2.

    den Ausgleich für unvermeidbare Verdienstausfälle des Leistungsberechtigten oder einer erforderlichen Begleitperson wegen Fahrten der An- und Abreise zu einer Bildungsmaßnahme und zur Vorstellung bei einem Arbeitgeber, bei einem Träger oder einer Einrichtung für Menschen mit Behinderungen, durch die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 ,

  3. 2a.

    die Kosten eines Jobcoachings,

  4. 3.

    die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz für schwerbehinderte Menschen als Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes,

  5. 4.

    die Kosten für Hilfsmittel, die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind

    1. a)

      zur Berufsausübung,

    2. b)

      zur Teilhabe an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben,

    3. c)

      zur Erhöhung der Sicherheit auf dem Weg vom und zum Arbeitsplatz oder

    4. d)

      zur Erhöhung der Sicherheit am Arbeitsplatz selbst,

    es sei denn, dass eine Verpflichtung des Arbeitgebers besteht oder solche Leistungen als medizinische Leistung erbracht werden können,

  6. 5.

    die Kosten technischer Arbeitshilfen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Berufsausübung erforderlich sind und

  7. 6.

    die Kosten der Beschaffung, der Ausstattung und der Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung in angemessenem Umfang.

2Die Leistung nach Satz 1 Nummer 3 wird für die Dauer von bis zu drei Jahren bewilligt und in Abstimmung mit dem Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 durch das Integrationsamt nach § 185 Absatz 5 ausgeführt. 3Der Rehabilitationsträger erstattet dem Integrationsamt seine Aufwendungen. 4Der Anspruch nach § 185 Absatz 5 bleibt unberührt.

Absatz 8 Satz 1 Nummer 2a eingefügt und Nummer 4 neugefasst durch G vom 6. 6. 2023 (BGBl 2023 I Nr. 146) (14. 6. 2023). Satz 2 und 4 geändert durch G vom 30. 11. 2019 (BGBl I S. 1948).

(9) Die Bundesregierung kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Näheres über Voraussetzungen, Gegenstand und Umfang der Leistungen der Kraftfahrzeughilfe zur Teilhabe am Arbeitsleben regeln.


§ 50 SGB IX – Leistungen an Arbeitgeber

(1) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 können Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auch an Arbeitgeber erbringen, insbesondere als

  1. 1.

    Ausbildungszuschüsse zur betrieblichen Ausführung von Bildungsleistungen,

  2. 2.

    Eingliederungszuschüsse,

  3. 3.

    Zuschüsse für Arbeitshilfen im Betrieb und

  4. 4.

    teilweise oder volle Kostenerstattung für eine befristete Probebeschäftigung.

(2) Die Leistungen können unter Bedingungen und Auflagen erbracht werden.

(3) 1Ausbildungszuschüsse nach Absatz 1 Nummer 1 können für die gesamte Dauer der Maßnahme geleistet werden. 2Die Ausbildungszuschüsse sollen bei Ausbildungsmaßnahmen die monatlichen Ausbildungsvergütungen nicht übersteigen, die von den Arbeitgebern im letzten Ausbildungsjahr gezahlt wurden.

(4) 1Eingliederungszuschüsse nach Absatz 1 Nummer 2 betragen höchstens 50 Prozent der vom Arbeitgeber regelmäßig gezahlten Entgelte, soweit sie die tariflichen Arbeitsentgelte oder, wenn eine tarifliche Regelung nicht besteht, die für vergleichbare Tätigkeiten ortsüblichen Arbeitsentgelte im Rahmen der Beitragsbemessungsgrenze in der Arbeitsförderung nicht übersteigen. 2Die Eingliederungszuschüsse sollen im Regelfall für höchstens ein Jahr gezahlt werden. 3Soweit es für die Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich ist, können die Eingliederungszuschüsse um bis zu 20 Prozentpunkte höher festgelegt und bis zu einer Förderungshöchstdauer von zwei Jahren gezahlt werden. 4Werden die Eingliederungszuschüsse länger als ein Jahr gezahlt, sind sie um mindestens 10 Prozentpunkte zu vermindern, entsprechend der zu erwartenden Zunahme der Leistungsfähigkeit der Leistungsberechtigten und den abnehmenden Eingliederungserfordernissen gegenüber der bisherigen Förderungshöhe. 5Bei der Berechnung der Eingliederungszuschüsse nach Satz 1 wird auch der Anteil des Arbeitgebers am Gesamtsozialversicherungsbeitrag berücksichtigt. 6Eingliederungszuschüsse sind zurückzuzahlen, wenn die Arbeitsverhältnisse während des Förderungszeitraums oder innerhalb eines Zeitraums, der der Förderungsdauer entspricht, längstens jedoch von einem Jahr, nach dem Ende der Leistungen beendet werden. 7Der Eingliederungszuschuss muss nicht zurückgezahlt werden, wenn

  1. 1.

    die Leistungsberechtigten die Arbeitsverhältnisse durch Kündigung beenden oder das Mindestalter für den Bezug der gesetzlichen Altersrente erreicht haben oder

  2. 2.

    die Arbeitgeber berechtigt waren, aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder aus Gründen, die in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder aus dringenden betrieblichen Erfordernissen, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb entgegenstehen, zu kündigen.

8Die Rückzahlung ist auf die Hälfte des Förderungsbetrages, höchstens aber den im letzten Jahr vor der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gewährten Förderungsbetrag begrenzt; nicht geförderte Nachbeschäftigungszeiten werden anteilig berücksichtigt.


§ 51 SGB IX – Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation

(1) 1Leistungen werden durch Berufsbildungswerke, Berufsförderungswerke und vergleichbare Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation ausgeführt, wenn Art oder Schwere der Behinderung der Leistungsberechtigten oder die Sicherung des Erfolges die besonderen Hilfen dieser Einrichtungen erforderlich machen. 2Die Einrichtung muss

  1. 1.

    eine erfolgreiche Ausführung der Leistung erwarten lassen nach Dauer, Inhalt und Gestaltung der Leistungen, nach der Unterrichtsmethode, Ausbildung und Berufserfahrung der Leitung und der Lehrkräfte sowie nach der Ausgestaltung der Fachdienste,

  2. 2.

    angemessene Teilnahmebedingungen bieten und behinderungsgerecht sein, insbesondere auch die Beachtung der Erfordernisse des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung gewährleisten,

  3. 3.

    den Teilnehmenden und den von ihnen zu wählenden Vertretungen angemessene Mitwirkungsmöglichkeiten an der Ausführung der Leistungen bieten sowie

  4. 4.

    die Leistung nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, insbesondere zu angemessenen Vergütungssätzen, ausführen.

3Die zuständigen Rehabilitationsträger vereinbaren hierüber gemeinsame Empfehlungen nach den §§ 26  und  37 .

(2) 1Werden Leistungen zur beruflichen Ausbildung in Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation ausgeführt, sollen die Einrichtungen bei Eignung der Leistungsberechtigten darauf hinwirken, dass diese Ausbildung teilweise auch in Betrieben und Dienststellen durchgeführt wird. 2Die Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation unterstützen die Arbeitgeber bei der betrieblichen Ausbildung und bei der Betreuung der auszubildenden Jugendlichen mit Behinderungen.


§ 52 SGB IX – Rechtsstellung der Teilnehmenden

1Werden Leistungen in Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation ausgeführt, werden die Teilnehmenden nicht in den Betrieb der Einrichtungen eingegliedert. 2Sie sind keine Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes und wählen zu ihrer Mitwirkung besondere Vertreter. 3Bei der Ausführung werden die arbeitsrechtlichen Grundsätze über den Persönlichkeitsschutz, die Haftungsbeschränkung sowie die gesetzlichen Vorschriften über den Arbeitsschutz, den Schutz vor Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf, den Erholungsurlaub und die Gleichberechtigung von Männern und Frauen entsprechend angewendet.


§ 53 SGB IX – Dauer von Leistungen

(1) 1Leistungen werden für die Zeit erbracht, die vorgeschrieben oder allgemein üblich ist, um das angestrebte Teilhabeziel zu erreichen. 2Eine Förderung kann darüber hinaus erfolgen, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen.

(2) 1Leistungen zur beruflichen Weiterbildung sollen in der Regel bei ganztägigem Unterricht nicht länger als zwei Jahre dauern, es sei denn, dass das Teilhabeziel nur über eine länger andauernde Leistung erreicht werden kann oder die Eingliederungsaussichten nur durch eine länger andauernde Leistung wesentlich verbessert werden. 2Abweichend von Satz 1 erster Teilsatz sollen Leistungen zur beruflichen Weiterbildung, die zu einem Abschluss in einem allgemein anerkannten Ausbildungsberuf führen und für die eine allgemeine Ausbildungsdauer von mehr als zwei Jahren vorgeschrieben ist, nicht länger als zwei Drittel der üblichen Ausbildungszeit dauern.


§ 54 SGB IX – Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit

1Die Bundesagentur für Arbeit nimmt auf Anforderung eines anderen Rehabilitationsträgers gutachterlich Stellung zu Notwendigkeit, Art und Umfang von Leistungen unter Berücksichtigung arbeitsmarktlicher Zweckmäßigkeit. 2Dies gilt auch, wenn sich die Leistungsberechtigten in einem Krankenhaus oder einer Einrichtung der medizinischen oder der medizinisch-beruflichen Rehabilitation aufhalten.


§ 55 SGB IX – Unterstützte Beschäftigung

(1) 1Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist es, Leistungsberechtigten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. 2Unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung.

(2) 1Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um sie für geeignete betriebliche Tätigkeiten zu erproben, auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorzubereiten und bei der Einarbeitung und Qualifizierung auf einem betrieblichen Arbeitsplatz zu unterstützen. 2Die Leistungen umfassen auch die Vermittlung von berufsübergreifenden Lerninhalten und Schlüsselqualifikationen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit der Menschen mit Behinderungen. 3Die Leistungen werden vom zuständigen Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 für bis zu zwei Jahre erbracht, soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind. 4Sie können bis zu einer Dauer von weiteren zwölf Monaten verlängert werden, wenn auf Grund der Art oder Schwere der Behinderung der gewünschte nachhaltige Qualifizierungserfolg im Einzelfall nicht anders erreicht werden kann und hinreichend gewährleistet ist, dass eine weitere Qualifizierung zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führt.

(3) 1Leistungen der Berufsbegleitung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um nach Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die zu dessen Stabilisierung erforderliche Unterstützung und Krisenintervention zu gewährleisten. 2Die Leistungen werden bei Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 oder 5 von diesem, im Übrigen von dem Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit erbracht, solange und soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind.

(4) Stellt der Rehabilitationsträger während der individuellen betrieblichen Qualifizierung fest, dass voraussichtlich eine anschließende Berufsbegleitung erforderlich ist, für die ein anderer Leistungsträger zuständig ist, beteiligt er diesen frühzeitig.

(5) 1Die Unterstützte Beschäftigung kann von Integrationsfachdiensten oder anderen Trägern durchgeführt werden. 2Mit der Durchführung kann nur beauftragt werden, wer über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, um seine Aufgaben entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen erfüllen zu können. 3Insbesondere müssen die Beauftragten

  1. 1.

    über Fachkräfte verfügen, die eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und eine ausreichende Berufserfahrung besitzen,

  2. 2.

    in der Lage sein, den Menschen mit Behinderungen geeignete individuelle betriebliche Qualifizierungsplätze zur Verfügung zu stellen und ihre berufliche Eingliederung zu unterstützen,

  3. 3.

    über die erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen sowie

  4. 4.

    ein System des Qualitätsmanagements im Sinne des § 37 Absatz 2 Satz 1 anwenden.

(6) 1Zur Konkretisierung und Weiterentwicklung der in Absatz 5 genannten Qualitätsanforderungen vereinbaren die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine gemeinsame Empfehlung. 2Die gemeinsame Empfehlung kann auch Ausführungen zu möglichen Leistungsinhalten und zur Zusammenarbeit enthalten. 3 § 26 Absatz 4 , 6  und  7 sowie § 27 gelten entsprechend.


§ 56 SGB IX – Leistungen in Werkstätten für behinderte Menschen

Leistungen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen ( § 219 ) werden erbracht, um die Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit der Menschen mit Behinderungen zu erhalten, zu entwickeln, zu verbessern oder wiederherzustellen, die Persönlichkeit dieser Menschen weiterzuentwickeln und ihre Beschäftigung zu ermöglichen oder zu sichern.


§ 57 SGB IX – Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich

(1) Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen erhalten Menschen mit Behinderungen

  1. 1.

    im Eingangsverfahren zur Feststellung, ob die Werkstatt die geeignete Einrichtung für die Teilhabe des Menschen mit Behinderungen am Arbeitsleben ist sowie welche Bereiche der Werkstatt und welche Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für die Menschen mit Behinderungen in Betracht kommen, und um einen Eingliederungsplan zu erstellen;

  2. 2.

    im Berufsbildungsbereich, wenn die Leistungen erforderlich sind, um die Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit des Menschen mit Behinderungen so weit wie möglich zu entwickeln, zu verbessern oder wiederherzustellen und erwartet werden kann, dass der Mensch mit Behinderungen nach Teilnahme an diesen Leistungen in der Lage ist, wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Sinne des § 219 zu erbringen.

(2) 1Die Leistungen im Eingangsverfahren werden für drei Monate erbracht. 2Die Leistungsdauer kann auf bis zu vier Wochen verkürzt werden, wenn während des Eingangsverfahrens im Einzelfall festgestellt wird, dass eine kürzere Leistungsdauer ausreichend ist.

(3) 1Die Leistungen im Berufsbildungsbereich werden für zwei Jahre erbracht. 2Sie werden in der Regel zunächst für ein Jahr bewilligt. 3Sie werden für ein weiteres Jahr bewilligt, wenn auf Grund einer fachlichen Stellungnahme, die rechtzeitig vor Ablauf des Förderzeitraums nach Satz 2 abzugeben ist, angenommen wird, dass die Leistungsfähigkeit des Menschen mit Behinderungen weiterentwickelt oder wiedergewonnen werden kann.

(4) 1Zeiten der individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen einer Unterstützten Beschäftigung nach § 55 werden zur Hälfte auf die Dauer des Berufsbildungsbereichs angerechnet. 2Allerdings dürfen die Zeiten individueller betrieblicher Qualifizierung und die Zeiten des Berufsbildungsbereichs insgesamt nicht mehr als 36 Monate betragen.


§ 58 SGB IX – Leistungen im Arbeitsbereich

(1) 1Leistungen im Arbeitsbereich einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen erhalten Menschen mit Behinderungen, bei denen wegen Art oder Schwere der Behinderung

  1. 1.

    eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einschließlich einer Beschäftigung in einem Inklusionsbetrieb ( § 215 ) oder

  2. 2.

    eine Berufsvorbereitung, eine individuelle betriebliche Qualifizierung im Rahmen Unterstützter Beschäftigung, eine berufliche Anpassung und Weiterbildung oder eine berufliche Ausbildung ( § 49 Absatz 3 Nummer 2 bis 6 )

nicht, noch nicht oder noch nicht wieder in Betracht kommt und die in der Lage sind, wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen. 2Leistungen im Arbeitsbereich werden im Anschluss an Leistungen im Berufsbildungsbereich ( § 57 ) oder an entsprechende Leistungen bei einem anderen Leistungsanbieter ( § 60 ) erbracht; hiervon kann abgewichen werden, wenn der Mensch mit Behinderungen bereits über die für die in Aussicht genommene Beschäftigung erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, die er durch eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erworben hat. 3Die Leistungen sollen in der Regel längstens bis zum Ablauf des Monats erbracht werden, in dem das für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderliche Lebensalter erreicht wird.

(2) Die Leistungen im Arbeitsbereich sind gerichtet auf

  1. 1.

    die Aufnahme, Ausübung und Sicherung einer der Eignung und Neigung des Menschen mit Behinderungen entsprechenden Beschäftigung,

  2. 2.

    die Teilnahme an arbeitsbegleitenden Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung der im Berufsbildungsbereich erworbenen Leistungsfähigkeit und zur Weiterentwicklung der Persönlichkeit sowie

  3. 3.

    die Förderung des Übergangs geeigneter Menschen mit Behinderungen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch geeignete Maßnahmen.

(3) 1Die Werkstätten erhalten für die Leistungen nach Absatz 2 vom zuständigen Rehabilitationsträger angemessene Vergütungen, die den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen. 2Die Vergütungen berücksichtigen

  1. 1.

    alle für die Erfüllung der Aufgaben und der fachlichen Anforderungen der Werkstatt notwendigen Kosten sowie

  2. 2.

    die mit der wirtschaftlichen Betätigung der Werkstatt in Zusammenhang stehenden Kosten, soweit diese unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in der Werkstatt und der dort beschäftigten Menschen mit Behinderungen nach Art und Umfang über die in einem Wirtschaftsunternehmen üblicherweise entstehenden Kosten hinausgehen.

3Können die Kosten der Werkstatt nach Satz 2 Nummer 2 im Einzelfall nicht ermittelt werden, kann eine Vergütungspauschale für diese werkstattspezifischen Kosten der wirtschaftlichen Betätigung der Werkstatt vereinbart werden.

(4) 1Bei der Ermittlung des Arbeitsergebnisses der Werkstatt nach § 12 Absatz 4 der Werkstättenverordnung werden die Auswirkungen der Vergütungen auf die Höhe des Arbeitsergebnisses dargestellt. 2Dabei wird getrennt ausgewiesen, ob sich durch die Vergütung Verluste oder Gewinne ergeben. 3Das Arbeitsergebnis der Werkstatt darf nicht zur Minderung der Vergütungen nach Absatz 3 verwendet werden.


§ 59 SGB IX – Arbeitsförderungsgeld

(1) 1Die Werkstätten für behinderte Menschen erhalten von dem zuständigen Rehabilitationsträger zur Auszahlung an die im Arbeitsbereich beschäftigten Menschen mit Behinderungen zusätzlich zu den Vergütungen nach § 58 Absatz 3 ein Arbeitsförderungsgeld. 2Das Arbeitsförderungsgeld beträgt monatlich 52 Euro für jeden im Arbeitsbereich beschäftigten Menschen mit Behinderungen, dessen Arbeitsentgelt zusammen mit dem Arbeitsförderungsgeld den Betrag von 351 Euro nicht übersteigt. 3Ist das Arbeitsentgelt höher als 299 Euro, beträgt das Arbeitsförderungsgeld monatlich den Differenzbetrag zwischen dem Arbeitsentgelt und 351 Euro.

(2) Das Arbeitsförderungsgeld bleibt bei Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkommen abhängig ist, als Einkommen unberücksichtigt.


§ 60 SGB IX – Andere Leistungsanbieter

(1) Menschen mit Behinderungen, die Anspruch auf Leistungen nach den §§ 57  und  58 haben, können diese auch bei einem anderen Leistungsanbieter in Anspruch nehmen.

(2) Die Vorschriften für Werkstätten für behinderte Menschen gelten mit folgenden Maßgaben für andere Leistungsanbieter:

  1. 1.

    sie bedürfen nicht der förmlichen Anerkennung,

  2. 2.

    sie müssen nicht über eine Mindestplatzzahl und die für die Erbringung der Leistungen in Werkstätten erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen,

  3. 3.

    sie können ihr Angebot auf Leistungen nach § 57 oder § 58 oder Teile solcher Leistungen beschränken,

  4. 4.

    sie sind nicht verpflichtet, Menschen mit Behinderungen Leistungen nach § 57 oder § 58 zu erbringen, wenn und solange die Leistungsvoraussetzungen vorliegen,

  5. 5.

    eine dem Werkstattrat vergleichbare Vertretung wird ab fünf Wahlberechtigten gewählt. Sie besteht bei bis zu 20 Wahlberechtigten aus einem Mitglied,

  6. 6.

    eine Frauenbeauftragte wird ab fünf wahlberechtigten Frauen gewählt, eine Stellvertreterin ab 20 wahlberechtigten Frauen,

  7. 7.

    die Regelungen zur Anrechnung von Aufträgen auf die Ausgleichsabgabe und zur bevorzugten Vergabe von Aufträgen durch die öffentliche Hand sind nicht anzuwenden und

  8. 8.

    erbringen sie Leistungen nach den §§ 57  oder  58 ausschließlich in betrieblicher Form, soll ein besserer als der in § 9 Absatz 3 der Werkstättenverordnung für den Berufsbildungsbereich oder für den Arbeitsbereich in einer Werkstatt für behinderte Menschen festgelegte Personalschlüssel angewendet werden.

Absatz 2 Nummern 5 und 6 geändert und Nummer 7 angefügt durch G vom 30. 11. 2019 (BGBl I S. 1948). Nummern 6 und 7 geändert und Nummer 8 angefügt durch G vom 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2135).

(3) Eine Verpflichtung des Leistungsträgers, Leistungen durch andere Leistungsanbieter zu ermöglichen, besteht nicht.

(4) Für das Rechtsverhältnis zwischen dem anderen Leistungsanbieter und dem Menschen mit Behinderungen gilt § 221 entsprechend.


§ 61 SGB IX – Budget für Arbeit

(1) Menschen mit Behinderungen, die Anspruch auf Leistungen nach § 58 haben und denen von einem privaten oder öffentlichen Arbeitgeber ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis mit einer tarifvertraglichen oder ortsüblichen Entlohnung angeboten wird, erhalten mit Abschluss dieses Arbeitsvertrages als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ein Budget für Arbeit.

(2) 1Das Budget für Arbeit umfasst einen Lohnkostenzuschuss an den Arbeitgeber zum Ausgleich der Leistungsminderung des Beschäftigten und die Aufwendungen für die wegen der Behinderung erforderliche Anleitung und Begleitung am Arbeitsplatz. 2Der Lohnkostenzuschuss beträgt bis zu 75 Prozent des vom Arbeitgeber regelmäßig gezahlten Arbeitsentgelts. 3Dauer und Umfang der Leistungen bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalles.

Absatz 2 Satz 2 neugefasst und Satz 4 gestrichen durch G vom 6. 6. 2023 (BGBl 2023 I Nr. 146) (14. 6. 2023).

(3) Ein Lohnkostenzuschuss ist ausgeschlossen, wenn zu vermuten ist, dass der Arbeitgeber die Beendigung eines anderen Beschäftigungsverhältnisses veranlasst hat, um durch die ersatzweise Einstellung eines Menschen mit Behinderungen den Lohnkostenzuschuss zu erhalten.

(4) Die am Arbeitsplatz wegen der Behinderung erforderliche Anleitung und Begleitung kann von mehreren Leistungsberechtigten gemeinsam in Anspruch genommen werden.

(5) Eine Verpflichtung des Leistungsträgers, Leistungen zur Beschäftigung bei privaten oder öffentlichen Arbeitgebern zu ermöglichen, besteht nicht.


§ 61a SGB IX – Budget für Ausbildung

Eingefügt durch G vom 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2135).

(1) Menschen mit Behinderungen, die Anspruch auf Leistungen nach § 57 oder § 58 haben und denen von einem privaten oder öffentlichen Arbeitgeber ein sozialversicherungspflichtiges Ausbildungsverhältnis in einem anerkannten Ausbildungsberuf oder in einem Ausbildungsgang nach § 66 des Berufsbildungsgesetzes oder § 42r der Handwerksordnung angeboten wird, erhalten mit Abschluss des Vertrages über dieses Ausbildungsverhältnis als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ein Budget für Ausbildung.

Absatz 1 Satz 1 geändert und Satz 2 gestrichen durch G vom 2. 6. 2021 (BGBl I S. 1387).

(2) 1Das Budget für Ausbildung umfasst

  1. 1.

    die Erstattung der angemessenen Ausbildungsvergütung einschließlich des Anteils des Arbeitgebers am Gesamtsozialversicherungsbeitrag und des Beitrags zur Unfallversicherung nach Maßgabe des Siebten Buches ,

  2. 2.

    die Aufwendungen für die wegen der Behinderung erforderliche Anleitung und Begleitung am Ausbildungsplatz und in der Berufsschule sowie

  3. 3.

    die erforderlichen Fahrkosten.

2Ist wegen Art oder Schwere der Behinderung der Besuch einer Berufsschule am Ort des Ausbildungsplatzes nicht möglich, so kann der schulische Teil der Ausbildung in Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation erfolgen; die entstehenden Kosten werden ebenfalls vom Budget für Ausbildung gedeckt. 3Vor dem Abschluss einer Vereinbarung mit einer Einrichtung der beruflichen Rehabilitation ist dem zuständigen Leistungsträger das Angebot mit konkreten Angaben zu den entstehenden Kosten zur Bewilligung vorzulegen.

Absatz 2 Satz 1 neugefasst, Sätze 2 und 3 gestrichen und Satz 3 angefügt durch G vom 2. 6. 2021 (BGBl I S. 1387); der bisherige Satz 4 wurde Satz 2.

(3) 1Das Budget für Ausbildung wird erbracht, solange es erforderlich ist, längstens bis zum erfolgreichen Abschluss der Ausbildung. 2Zeiten eines Budgets für Ausbildung werden auf die Dauer des Eingangsverfahrens und des Berufsbildungsbereiches in Werkstätten für behinderte Menschen nach § 57 Absatz 2  und  3 angerechnet, sofern der Mensch mit Behinderungen in der Werkstatt für behinderte Menschen oder bei einem anderen Leistungsanbieter seine berufliche Bildung in derselben Fachrichtung fortsetzt.

(4) Die wegen der Behinderung erforderliche Anleitung und Begleitung kann von mehreren Leistungsberechtigten gemeinsam in Anspruch genommen werden.

(5) 1Die Bundesagentur für Arbeit soll den Menschen mit Behinderungen bei der Suche nach einem geeigneten Ausbildungsplatz im Sinne von Absatz 1 unterstützen. 2Dies umfasst im Fall des Absatzes 2 Satz 2 auch die Unterstützung bei der Suche nach einer geeigneten Einrichtung der beruflichen Rehabilitation.

Absatz 5 Satz 1 geändert durch G vom 2. 6. 2021 (BGBl I S. 1387). Satz 2 angefügt durch G vom 2. 6. 2021 (a. a. O.), geändert durch G vom 6. 6. 2023 (BGBl 2023 I Nr. 146) (14. 6. 2023).


§ 62 SGB IX – Wahlrecht des Menschen mit Behinderungen

(1) Auf Wunsch des Menschen mit Behinderungen werden die Leistungen nach den §§ 57  und  58 von einer nach § 225 anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen, von dieser zusammen mit einem oder mehreren anderen Leistungsanbietern oder von einem oder mehreren anderen Leistungsanbietern erbracht.

(2) Werden Teile einer Leistung im Verantwortungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen oder eines anderen Leistungsanbieters erbracht, so bedarf die Leistungserbringung der Zustimmung des unmittelbar verantwortlichen Leistungsanbieters.


§ 63 SGB IX – Zuständigkeit nach den Leistungsgesetzen

(1) Die Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen erbringen

  1. 1.

    die Bundesagentur für Arbeit, soweit nicht einer der in den Nummern 2 bis 4 genannten Träger zuständig ist,

  2. 2.

    die Träger der Unfallversicherung im Rahmen ihrer Zuständigkeit für durch Arbeitsunfälle Verletzte und von Berufskrankheiten Betroffene,

  3. 3.

    die Träger der Rentenversicherung unter den Voraussetzungen der §§ 11 bis 13 des Sechsten Buches und

  4. 4.

    die Träger der Sozialen Entschädigung unter den Voraussetzungen der §§ 63  und  64 des Vierzehnten Buches .

Absatz 1 Nummer 4 geändert durch G vom 12. 12. 2019 (BGBl I S. 2652) (1. 1. 2024).

(2) Die Leistungen im Arbeitsbereich einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen erbringen

  1. 1.

    die Träger der Unfallversicherung im Rahmen ihrer Zuständigkeit für durch Arbeitsunfälle Verletzte und von Berufskrankheiten Betroffene,

  2. 2.

    die Träger der Sozialen Entschädigung unter den Voraussetzungen des § 63 des Vierzehnten Buches ,

  3. 3.

    die Träger der öffentlichen Jugendhilfe unter den Voraussetzungen des § 35a des Achten Buches und

  4. 4.

    im Übrigen die Träger der Eingliederungshilfe unter den Voraussetzungen des § 99 .

Absatz 2 Nummer 2 geändert durch G vom 12. 12. 2019 (BGBl I S. 2652) (1. 1. 2024).

(3) 1Absatz 1 gilt auch für die Leistungen zur beruflichen Bildung bei einem anderen Leistungsanbieter sowie für die Leistung des Budgets für Ausbildung an Menschen mit Behinderungen, die Anspruch auf Leistungen nach § 57 haben. 2Absatz 2 gilt auch für die Leistungen zur Beschäftigung bei einem anderen Leistungsanbieter, für die Leistung des Budgets für Ausbildung an Menschen mit Behinderungen, die Anspruch auf Leistungen nach § 58 haben und die keinen Anspruch auf Leistungen nach § 57 haben, sowie für die Leistung des Budgets für Arbeit.

Absatz 3 Satz 1 geändert durch G vom 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2135) und 2. 6. 2021 (BGBl I S. 1387). Satz 2 neugefasst durch G vom 2. 6. 2021 (a. a. O.).


§§ 1 - 89, Teil 1 - Regelungen für Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Menschen
§§ 64 - 74, Kapitel 11 - Unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen

§ 64 SGB IX – Ergänzende Leistungen

(1) Die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben der in § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 genannten Rehabilitationsträger werden ergänzt durch

  1. 1.

    Krankengeld, Krankengeld der Sozialen Entschädigung, Verletztengeld, Übergangsgeld, Ausbildungsgeld oder Unterhaltsbeihilfe,

  2. 2.

    Beiträge und Beitragszuschüsse

    1. a)

      zur Krankenversicherung nach Maßgabe des Fünften Buches , des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte sowie des Künstlersozialversicherungsgesetzes ,

    2. b)

      zur Unfallversicherung nach Maßgabe des Siebten Buches ,

    3. c)

      zur Rentenversicherung nach Maßgabe des Sechsten Buches sowie des Künstlersozialversicherungsgesetzes ,

    4. d)

      zur Bundesagentur für Arbeit nach Maßgabe des Dritten Buches ,

    5. e)

      zur Pflegeversicherung nach Maßgabe des Elften Buches ,

  3. 3.

    ärztlich verordneten Rehabilitationssport in Gruppen unter ärztlicher Betreuung und Überwachung, einschließlich Übungen für behinderte oder von Behinderung bedrohte Frauen und Mädchen, die der Stärkung des Selbstbewusstseins dienen,

  4. 4.

    ärztlich verordnetes Funktionstraining in Gruppen unter fachkundiger Anleitung und Überwachung,

  5. 5.

    Reisekosten sowie

  6. 6.

    Betriebs- oder Haushaltshilfe und Kinderbetreuungskosten.

Absatz 1 Nummer 1 geändert durch G vom 12. 12. 2019 (BGBl I S. 2652) (1. 1. 2024).

(2) 1Ist der Schutz von Menschen mit Behinderungen bei Krankheit oder Pflege während der Teilnahme an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht anderweitig sichergestellt, können die Beiträge für eine freiwillige Krankenversicherung ohne Anspruch auf Krankengeld und zur Pflegeversicherung bei einem Träger der gesetzlichen Kranken- oder Pflegeversicherung oder, wenn dort im Einzelfall ein Schutz nicht gewährleistet ist, die Beiträge zu einem privaten Krankenversicherungsunternehmen erbracht werden. 2Arbeitslose Teilnehmer an Leistungen zur medizinischen Rehabilitation können für die Dauer des Bezuges von Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld einen Zuschuss zu ihrem Beitrag für eine private Versicherung gegen Krankheit oder für die Pflegeversicherung erhalten. 3Der Zuschuss wird nach § 174 Absatz 2 des Dritten Buches berechnet.

Zu § 64: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 64 SGB IX .


§ 65 SGB IX – Leistungen zum Lebensunterhalt

(1) Im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation leisten

  1. 1.

    Krankengeld: die gesetzlichen Krankenkassen nach Maßgabe der §§ 44 und 46 bis 51 des Fünften Buches und des § 8 Absatz 2 in Verbindung mit den §§ 12  und  13 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte ,

  2. 2.

    Verletztengeld: die Träger der Unfallversicherung nach Maßgabe der §§ 45 bis 48 , 52  und  55 des Siebten Buches ,

  3. 3.

    Übergangsgeld: die Träger der Rentenversicherung nach Maßgabe dieses Buches und der §§ 20  und  21 des Sechsten Buches ,

  4. 4.

    die Träger der Sozialen Entschädigung Krankengeld der Sozialen Entschädigung nach Maßgabe des § 47 des Vierzehnten Buches .

Absatz 1 Nummer 4 neugefasst durch G vom 12. 12. 2019 (BGBl I S. 2652) (1. 1. 2024).

(2) Im Zusammenhang mit Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben leisten Übergangsgeld

  1. 1.

    die Träger der Unfallversicherung nach Maßgabe dieses Buches und der §§ 49 bis 52 des Siebten Buches ,

  2. 2.

    die Träger der Rentenversicherung nach Maßgabe dieses Buches und der §§ 20  und  21 des Sechsten Buches ,

  3. 3.

    die Bundesagentur für Arbeit nach Maßgabe dieses Buches und der §§ 119 bis 121 des Dritten Buches ,

  4. 4.

    die Träger der Sozialen Entschädigung nach Maßgabe dieses Buches und des § 64 des Vierzehnten Buches .

Absatz 2 Nummer 4 geändert durch G vom 12. 12. 2019 (BGBl I S. 2652) (1. 1. 2024).

(3) Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Menschen haben Anspruch auf Übergangsgeld wie bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für den Zeitraum, in dem die berufliche Eignung abgeklärt oder eine Arbeitserprobung durchgeführt wird ( § 49 Absatz 4 Satz 2 ) und sie wegen der Teilnahme an diesen Maßnahmen kein oder ein geringeres Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielen.

(4) Der Anspruch auf Übergangsgeld ruht, solange die Leistungsempfängerin einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld hat; § 52 Nummer 2 des Siebten Buches bleibt unberührt.

(5) Während der Ausführung von Leistungen zur erstmaligen beruflichen Ausbildung von Menschen mit Behinderungen, berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen und Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen Unterstützter Beschäftigung sowie im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich von anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen und anderen Leistungsanbietern leisten

  1. 1.

    die Bundesagentur für Arbeit Ausbildungsgeld nach Maßgabe der §§ 122 bis 126 des Dritten Buches und

  2. 2.

    die Träger der Sozialen Entschädigung Unterhaltsbeihilfe unter den Voraussetzungen des § 64 des Vierzehnten Buches .

Absatz 5 Nummer 2 geändert durch G vom 12. 12. 2019 (BGBl I S. 2652) (1. 1. 2024).

(6) Das Krankengeld, das Krankengeld der Sozialen Entschädigung, das Verletztengeld und das Übergangsgeld werden für Kalendertage gezahlt; wird die Leistung für einen ganzen Kalendermonat gezahlt, so wird dieser mit 30 Tagen angesetzt.

Absatz 6 gestrichen durch G vom 12. 12. 2019 (BGBl I S. 2652) (1. 1. 2024); der bisherige Absatz 7 wurde (geändert) Absatz 6.

Zu § 65: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 65 SGB IX Tit. 1 .


§ 66 SGB IX – Höhe und Berechnung des Übergangsgelds

(1) 1Der Berechnung des Übergangsgelds werden 80 Prozent des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt), zugrunde gelegt, höchstens jedoch das in entsprechender Anwendung des § 67 berechnete Nettoarbeitsentgelt; als Obergrenze gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze. 2Bei der Berechnung des Regelentgelts und des Nettoarbeitsentgelts werden die für die jeweilige Beitragsbemessung und Beitragstragung geltenden Besonderheiten des Übergangsbereichs nach § 20 Absatz 2 des Vierten Buches nicht berücksichtigt. 3Das Übergangsgeld beträgt

  1. 1.

    75 Prozent der Berechnungsgrundlage für Leistungsempfänger,

    1. a)

      die mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Absatz 1 , 3 bis 5 des Einkommensteuergesetzes haben,

    2. b)

      die ein Stiefkind ( § 56 Absatz 2 Nummer 1 des Ersten Buches ) in ihren Haushalt aufgenommen haben oder

    3. c)

      deren Ehegatten oder Lebenspartner, mit denen sie in häuslicher Gemeinschaft leben, eine Erwerbstätigkeit nicht ausüben können, weil sie die Leistungsempfänger pflegen oder selbst der Pflege bedürfen und keinen Anspruch auf Leistungen aus der Pflegeversicherung haben,

  2. 2.

    68 Prozent der Berechnungsgrundlage für die übrigen Leistungsempfänger.

4Leisten Träger der Sozialen Entschädigung nach dem Vierzehnten Buch Übergangsgeld, beträgt das Übergangsgeld 80 Prozent der Berechnungsgrundlage, wenn die Leistungsempfänger eine der Voraussetzungen von Satz 3 Nummer 1 erfüllen, und im Übrigen 70 Prozent der Berechnungsgrundlage.

Absatz 1 Satz 2 geändert durch G vom 28. 11. 2018 (BGBl I S. 2016). Satz 4 geändert durch G vom 12. 12. 2019 (BGBl I S. 2652) (1. 1. 2024).

(2) 1Das Nettoarbeitsentgelt nach Absatz 1 Satz 1 berechnet sich, indem der Anteil am Nettoarbeitsentgelt, der sich aus dem kalendertäglichen Hinzurechnungsbetrag nach § 67 Absatz 1 Satz 6 ergibt, mit dem Prozentsatz angesetzt wird, der sich aus dem Verhältnis des kalendertäglichen Regelentgeltbetrages nach § 67 Absatz 1 Satz 1 bis 5 zu dem sich aus diesem Regelentgeltbetrag ergebenden Nettoarbeitsentgelt ergibt. 2Das kalendertägliche Übergangsgeld darf das kalendertägliche Nettoarbeitsentgelt, das sich aus dem Arbeitsentgelt nach § 67 Absatz 1 Satz 1 bis 5 ergibt, nicht übersteigen.

Zu § 66: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 66 SGB IX Tit. 1 .


§ 67 SGB IX – Berechnung des Regelentgelts

(1) 1Für die Berechnung des Regelentgelts wird das von den Leistungsempfängern im letzten vor Beginn der Leistung oder einer vorangegangenen Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Entgeltabrechnungszeitraum, mindestens das während der letzten abgerechneten vier Wochen (Bemessungszeitraum) erzielte und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderte Arbeitsentgelt durch die Zahl der Stunden geteilt, für die es gezahlt wurde. 2Das Ergebnis wird mit der Zahl der sich aus dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses ergebenden regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden vervielfacht und durch sieben geteilt. 3Ist das Arbeitsentgelt nach Monaten bemessen oder ist eine Berechnung des Regelentgelts nach den Sätzen 1 und 2 nicht möglich, gilt der 30. Teil des in dem letzten vor Beginn der Leistung abgerechneten Kalendermonat erzielten und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderten Arbeitsentgelts als Regelentgelt. 4Wird mit einer Arbeitsleistung Arbeitsentgelt erzielt, das für Zeiten einer Freistellung vor oder nach dieser Arbeitsleistung fällig wird (Wertguthaben nach § 7b des Vierten Buches ), ist für die Berechnung des Regelentgelts das im Bemessungszeitraum der Beitragsberechnung zugrunde liegende und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderte Arbeitsentgelt maßgebend; Wertguthaben, die nicht nach einer Vereinbarung über flexible Arbeitszeitregelungen verwendet werden ( § 23b Absatz 2 des Vierten Buches ), bleiben außer Betracht. 5Bei der Anwendung des Satzes 1 gilt als regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit die Arbeitszeit, die dem gezahlten Arbeitsentgelt entspricht. 6Für die Berechnung des Regelentgelts wird der 360. Teil des einmalig gezahlten Arbeitsentgelts, das in den letzten zwölf Kalendermonaten vor Beginn der Leistung nach § 23a des Vierten Buches der Beitragsberechnung zugrunde gelegen hat, dem nach den Sätzen 1 bis 5 berechneten Arbeitsentgelt hinzugerechnet.

(2) Bei Teilarbeitslosigkeit ist für die Berechnung das Arbeitsentgelt maßgebend, das in der infolge der Teilarbeitslosigkeit nicht mehr ausgeübten Beschäftigung erzielt wurde.

(3) Für Leistungsempfänger, die Kurzarbeitergeld oder Qualifizierungsgeld bezogen haben, wird das regelmäßige Arbeitsentgelt zugrunde gelegt, das zuletzt vor dem Arbeitsausfall erzielt wurde.

Absatz 3 geändert durch G vom 22. 12. 2023 (BGBl 2023 I Nr. 408) (1. 4. 2024).

(4) Das Regelentgelt wird bis zur Höhe der für den Rehabilitationsträger jeweils geltenden Leistungs- oder Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt, in der Rentenversicherung bis zur Höhe des der Beitragsbemessung zugrunde liegenden Entgelts.

(5) 1Für Leistungsempfänger, die im Inland nicht einkommensteuerpflichtig sind, werden für die Feststellung des entgangenen Nettoarbeitsentgelts die Steuern berücksichtigt, die bei einer Steuerpflicht im Inland durch Abzug vom Arbeitsentgelt erhoben würden. 2Abweichend von Satz 1 sind die steuerlichen Abzüge nicht zu berücksichtigen bei Personen, deren Ansässigkeitsstaat nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung das Besteuerungsrecht für das Übergangsgeld zusteht und wenn das aus Deutschland gezahlte Übergangsgeld nach den maßgebenden Vorschriften des Ansässigkeitsstaats der Steuer unterliegt.

Absatz 5 Satz 2 angefügt durch G vom 22. 12. 2023 (BGBl 2023 I Nr. 408) (1. 1. 2024).

Zu § 67: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 67 SGB IX Tit. 1 .


§ 68 SGB IX – Berechnungsgrundlage in Sonderfällen

(1) Für die Berechnung des Übergangsgeldes während des Bezuges von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden 65 Prozent eines fiktiven Arbeitsentgelts zugrunde gelegt, wenn

  1. 1.

    die Berechnung nach den §§ 66 , 67  und  69 zu einem geringeren Betrag führt,

  2. 2.

    Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nicht erzielt worden ist oder

  3. 3.

    der letzte Tag des Bemessungszeitraums bei Beginn der Leistungen länger als drei Jahre zurückliegt.

Absatz 1 Nummer 1 geändert durch G vom 22. 12. 2023 (BGBl 2023 I Nr. 408) (1. 1. 2024).

(2) 1Für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts ist der Leistungsempfänger der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die seiner beruflichen Qualifikation entspricht. 2Dafür gilt folgende Zuordnung:

  1. 1.

    für eine Hochschul- oder Fachhochschulausbildung (Qualifikationsgruppe 1) ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertstel der Bezugsgröße,

  2. 2.

    für einen Fachschulabschluss, den Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meisterin oder Meister oder einen Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung (Qualifikationsgruppe 2) ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertsechzigstel der Bezugsgröße,

  3. 3.

    für eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf (Qualifikationsgruppe 3) ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Vierhundertfünfzigstel der Bezugsgröße und

  4. 4.

    bei einer fehlenden Ausbildung (Qualifikationsgruppe 4) ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Sechshundertstel der Bezugsgröße, mindestens jedoch ein Arbeitsentgelt in Höhe des Betrages, der sich ergibt, wenn der Mindestlohn je Zeitstunde nach § 1 Absatz 2 Satz 1 des Mindestlohngesetzes in Verbindung mit der auf der Grundlage des § 11 Absatz 1 Satz 1 des Mindestlohngesetzes jeweils erlassenen Verordnung mit einem Siebtel der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit, die für Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst des Bundes gilt, vervielfacht wird.

3Maßgebend ist die Bezugsgröße, die für den Wohnsitz oder für den gewöhnlichen Aufenthaltsort der Leistungsempfänger im letzten Kalendermonat vor dem Beginn der Leistung gilt.

Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 geändert durch G vom 23. 5. 2022 (BGBl I S. 760).

Zu § 68: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 68 SGB IX Tit. 1 .


§ 69 SGB IX – Kontinuität der Bemessungsgrundlage

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Krankengeld der Sozialen Entschädigung oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.  1

Geändert durch G vom 12. 12. 2019 (BGBl I S. 2652) (1. 1. 2024).

1

Vgl. Verfahrensbeschreibung, Datensatz und Datenbausteine - Austausch zwischen den Sozialversicherungsträgern in der jeweils geltenden Fassung

Zu § 69: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 69 SGB IX Tit. 1 .


§ 70 SGB IX – Anpassung der Entgeltersatzleistungen

(1) Die Berechnungsgrundlage, die dem Krankengeld, dem Krankengeld der Sozialen Entschädigung, dem Verletztengeld und dem Übergangsgeld zugrunde liegt, wird jeweils nach Ablauf eines Jahres ab dem Ende des Bemessungszeitraums an die Entwicklung der Bruttoarbeitsentgelte angepasst und zwar entsprechend der Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer ( § 68 Absatz 2 Satz 1 des Sechsten Buches ) vom vorvergangenen zum vergangenen Kalenderjahr.

Absatz 1 geändert durch G vom 12. 12. 2019 (BGBl I S. 2652) (1. 1. 2024).

(2) Der Anpassungsfaktor wird errechnet, indem die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer für das vergangene Kalenderjahr durch die entsprechenden Bruttolöhne und -gehälter für das vorvergangene Kalenderjahr geteilt werden; § 68 Absatz 7 und § 121 Absatz 1 des Sechsten Buches gelten entsprechend.

(3) Eine Anpassung nach Absatz 1 erfolgt, wenn der nach Absatz 2 berechnete Anpassungsfaktor den Wert 1,0000 überschreitet.

(4) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gibt jeweils zum 30. Juni eines Kalenderjahres den Anpassungsfaktor, der für die folgenden zwölf Monate maßgebend ist, im Bundesanzeiger bekannt.

Zu § 70: Anpassungsfaktor ab 1. 7. 2023 bundeseinheitlich 1,0469 (vgl. Bekanntmachung vom 5. April 2023 , BAnz AT 30.06.2023 B3).

Zu § 70: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 70 SGB IX , RdSchr. vom 07.09.2022 Tit. 9 .


§ 71 SGB IX – Weiterzahlung der Leistungen

(1) 1Sind nach Abschluss von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben weitere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich, während derer dem Grunde nach Anspruch auf Übergangsgeld besteht, und können diese Leistungen aus Gründen, die die Leistungsempfänger nicht zu vertreten haben, nicht unmittelbar anschließend durchgeführt werden, werden das Verletztengeld, das Krankengeld der Sozialen Entschädigung oder das Übergangsgeld für diese Zeit weitergezahlt. 2Voraussetzung für die Weiterzahlung ist, dass

  1. 1.

    die Leistungsempfänger arbeitsunfähig sind und keinen Anspruch auf Krankengeld mehr haben oder

  2. 2.

    den Leistungsempfängern eine zumutbare Beschäftigung aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, nicht vermittelt werden kann.

Absatz 1 Satz 1 geändert durch G vom 12. 12. 2019 (BGBl I S. 2652) (1. 1. 2024).

(2) 1Leistungsempfänger haben die Verzögerung von Weiterzahlungen insbesondere dann zu vertreten, wenn sie zumutbare Angebote von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nur deshalb ablehnen, weil die Leistungen in größerer Entfernung zu ihren Wohnorten angeboten werden. 2Für die Beurteilung der Zumutbarkeit ist § 140 Absatz 4 des Dritten Buches entsprechend anzuwenden.

(3) Können Leistungsempfänger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben allein aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr, aber voraussichtlich wieder in Anspruch nehmen, werden Übergangsgeld und Unterhaltsbeihilfe bis zum Ende dieser Leistungen, höchstens bis zu sechs Wochen weitergezahlt.

(4) 1Sind die Leistungsempfänger im Anschluss an eine abgeschlossene Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben arbeitslos, werden Übergangsgeld und Unterhaltsbeihilfe während der Arbeitslosigkeit bis zu drei Monate weitergezahlt, wenn sie sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet haben und einen Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens drei Monaten nicht geltend machen können; die Anspruchsdauer von drei Monaten vermindert sich um die Anzahl von Tagen, für die Leistungsempfänger im Anschluss an eine abgeschlossene Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben einen Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend machen können. 2In diesem Fall beträgt das Übergangsgeld

  1. 1.

    67 Prozent bei Leistungsempfängern, bei denen die Voraussetzungen des erhöhten Bemessungssatzes nach § 66 Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 vorliegen und

  2. 2.

    60 Prozent bei den übrigen Leistungsempfängern,

des sich aus § 66 Absatz 1 Satz 1 oder § 68 ergebenden Betrages.

Absatz 4 Satz 2 Nummer 1 geändert durch G vom 30. 11. 2019 (BGBl I S. 1948) und 12. 12. 2019 (BGBl I S. 2652) (1. 1. 2024).

(5) Ist im unmittelbaren Anschluss an Leistungen zur medizinischen Rehabilitation eine stufenweise Wiedereingliederung ( § 44 ) erforderlich, wird das Übergangsgeld bis zum Ende der Wiedereingliederung weitergezahlt.

Zu § 71: Vgl. WEZustAbgVbg ; RdSchr. 01g Zu § 71 SGB IX Tit. 1 .


§ 72 SGB IX – Einkommensanrechnung

(1) Auf das Übergangsgeld der Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2, 4 und 5 wird Folgendes angerechnet:

  1. 1.

    Erwerbseinkommen aus einer Beschäftigung oder einer während des Anspruchs auf Übergangsgeld ausgeübten Tätigkeit, das bei Beschäftigten um die gesetzlichen Abzüge und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt und bei sonstigen Leistungsempfängern um 20 Prozent zu vermindern ist,

  2. 2.

    Leistungen des Arbeitgebers zum Übergangsgeld, soweit sie zusammen mit dem Übergangsgeld das vor Beginn der Leistung erzielte, um die gesetzlichen Abzüge verminderte Arbeitsentgelt übersteigen,

  3. 3.

    Geldleistungen, die eine öffentlich-rechtliche Stelle im Zusammenhang mit einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben erbringt,

  4. 4.

    Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder Verletztenrenten in Höhe des sich aus § 18a Absatz 3 Satz 1 Nummer 4 des Vierten Buches ergebenden Betrages, wenn sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit auf die Höhe der Berechnungsgrundlage für das Übergangsgeld nicht ausgewirkt hat,

  5. 5.

    Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, die aus demselben Anlass wie die Leistungen zur Teilhabe erbracht werden, wenn durch die Anrechnung eine unbillige Doppelleistung vermieden wird,

  6. 6.

    Renten wegen Alters, die bei der Berechnung des Übergangsgeldes aus einem Teilarbeitsentgelt nicht berücksichtigt wurden,

  7. 7.

    Verletztengeld nach den Vorschriften des Siebten Buches und

  8. 8.

    vergleichbare Leistungen nach den Nummern 1 bis 7, die von einer Stelle außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzbuchs erbracht werden.

(2) Bei der Anrechnung von Verletztenrenten mit Kinderzulage und von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit mit Kinderzuschuss auf das Übergangsgeld bleibt ein Betrag in Höhe des Kindergeldes nach § 66 des Einkommensteuergesetzes oder § 6 des Bundeskindergeldgesetzes außer Ansatz.

(3) Wird ein Anspruch auf Leistungen, um die das Übergangsgeld nach Absatz 1 Nummer 3 zu kürzen wäre, nicht erfüllt, geht der Anspruch insoweit mit Zahlung des Übergangsgeldes auf den Rehabilitationsträger über; die §§ 104  und  115 des Zehnten Buches bleiben unberührt.

Zu § 72: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 72 SGB IX Tit. 1 .


§ 73 SGB IX – Reisekosten

(1) 1Als Reisekosten werden die erforderlichen Fahr-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten übernommen, die im Zusammenhang mit der Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben stehen. 2Zu den Reisekosten gehören auch die Kosten

  1. 1.

    für besondere Beförderungsmittel, deren Inanspruchnahme wegen der Art oder Schwere der Behinderung erforderlich ist,

  2. 2.

    für eine wegen der Behinderung erforderliche Begleitperson einschließlich des für die Zeit der Begleitung entstehenden Verdienstausfalls,

  3. 3.

    für Kinder, deren Mitnahme an den Rehabilitationsort erforderlich ist, weil ihre anderweitige Betreuung nicht sichergestellt ist sowie

  4. 4.

    für den erforderlichen Gepäcktransport.

(2) 1Während der Ausführung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden im Regelfall auch Reisekosten für zwei Familienheimfahrten je Monat übernommen. 2Anstelle der Kosten für die Familienheimfahrten können für Fahrten von Angehörigen vom Wohnort zum Aufenthaltsort der Leistungsempfänger und zurück Reisekosten übernommen werden.

(3) Reisekosten nach Absatz 2 werden auch im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation übernommen, wenn die Leistungen länger als acht Wochen erbracht werden.

(4) 1Fahrkosten werden in Höhe des Betrages zugrunde gelegt, der bei Benutzung eines regelmäßig verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittels der niedrigsten Beförderungsklasse des zweckmäßigsten öffentlichen Verkehrsmittels zu zahlen ist, bei Benutzung sonstiger Verkehrsmittel in Höhe der Wegstreckenentschädigung nach § 5 Absatz 1 des Bundesreisekostengesetzes . 2Bei Fahrpreiserhöhungen, die nicht geringfügig sind, hat auf Antrag des Leistungsempfängers eine Anpassung der Fahrkostenentschädigung zu erfolgen, wenn die Maßnahme noch mindestens zwei weitere Monate andauert. 3Kosten für Pendelfahrten können nur bis zur Höhe des Betrages übernommen werden, der unter Berücksichtigung von Art und Schwere der Behinderung bei einer zumutbaren auswärtigen Unterbringung für Unterbringung und Verpflegung zu leisten wäre.

Zu § 73: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 73 SGB IX , RdSchr. 19 e Tit. 1.4 .


§ 74 SGB IX – Haushalts- oder Betriebshilfe und Kinderbetreuungskosten

(1) 1Haushaltshilfe wird geleistet, wenn

  1. 1.

    den Leistungsempfängern wegen der Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist,

  2. 2.

    eine andere im Haushalt lebende Person den Haushalt nicht weiterführen kann und

  3. 3.

    im Haushalt ein Kind lebt, das bei Beginn der Haushaltshilfe noch nicht zwölf Jahre alt ist oder wenn das Kind eine Behinderung hat und auf Hilfe angewiesen ist.

2 § 38 Absatz 4 des Fünften Buches gilt entsprechend.

(2) Anstelle der Haushaltshilfe werden auf Antrag des Leistungsempfängers die Kosten für die Mitnahme oder für die anderweitige Unterbringung des Kindes bis zur Höhe der Kosten der sonst zu erbringenden Haushaltshilfe übernommen, wenn die Unterbringung und Betreuung des Kindes in dieser Weise sichergestellt ist.

(3) 1Kosten für die Kinderbetreuung des Leistungsempfängers können bis zu einem Betrag von 160 Euro je Kind und Monat übernommen werden, wenn die Kosten durch die Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben unvermeidbar sind. 2Es werden neben den Leistungen zur Kinderbetreuung keine Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 erbracht. 3Der in Satz 1 genannte Betrag erhöht sich entsprechend der Veränderung der Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches ; § 160 Absatz 3 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend.  (1)

(4) Abweichend von den Absätzen 1 bis 3 erbringen die landwirtschaftliche Alterskasse und die landwirtschaftliche Krankenkasse Betriebs- und Haushaltshilfe nach den §§ 10  und  36 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte und nach den §§ 9  und  10 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte , die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft für die bei ihr versicherten landwirtschaftlichen Unternehmer und im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten nach den §§ 54  und  55 des Siebten Buches .

Zu § 74: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 74 SGB IX .

(1) Red. Anm.:

Nach Nummer 3 der Bekanntmachung über die Anpassung der Ausgleichsabgabe (§ 160 Absatz 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch [SGB IX]), der Eigenbeteiligung für die unentgeltliche Beförderung (§ 228 Absatz 2 Satz 2 SGB IX), der übernahmefähigen Kinderbetreuungskosten (§ 74 Absatz 3 Satz 3 SGB IX) und der Finanzierung der Werkstatträte Deutschland (§ 39 Absatz 4 Satz 1 der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung) vom 19. November 2020 (BAnz AT 30.11.2020 B1) können ab dem 1. Januar 2021 die Kinderbetreuungskosten bis zu einem Betrag von 180 Euro je Kind und Monat übernommen werden.


§§ 1 - 89, Teil 1 - Regelungen für Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Menschen
§ 75, Kapitel 12 - Leistungen zur Teilhabe an Bildung

§ 75 SGB IX – Leistungen zur Teilhabe an Bildung

(1) Zur Teilhabe an Bildung werden unterstützende Leistungen erbracht, die erforderlich sind, damit Menschen mit Behinderungen Bildungsangebote gleichberechtigt wahrnehmen können.

(2) 1Die Leistungen umfassen insbesondere

  1. 1.

    Hilfen zur Schulbildung, insbesondere im Rahmen der Schulpflicht einschließlich der Vorbereitung hierzu,

  2. 2.

    Hilfen zur schulischen Berufsausbildung,

  3. 3.

    Hilfen zur Hochschulbildung und

  4. 4.

    Hilfen zur schulischen und hochschulischen beruflichen Weiterbildung.

2Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 erbringen ihre Leistungen unter den Voraussetzungen und im Umfang der Bestimmungen des Siebten Buches als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft.

Zu § 75: Vgl. RdSchr. 01g Zu § 75 SGB IX Tit. 1 .


§§ 1 - 89, Teil 1 - Regelungen für Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Menschen
§§ 76 - 84, Kapitel 13 - Soziale Teilhabe

§ 76 SGB IX – Leistungen zur Sozialen Teilhabe

(1) 1Leistungen zur Sozialen Teilhabe werden erbracht, um eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, soweit sie nicht nach den Kapiteln 9 bis 12 erbracht werden. 2Hierzu gehört, Leistungsberechtigte zu einer möglichst selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung im eigenen Wohnraum sowie in ihrem Sozialraum zu befähigen oder sie hierbei zu unterstützen. 3Maßgeblich sind die Ermittlungen und Feststellungen nach den Kapiteln 3  und  4 .

(2) Leistungen zur Sozialen Teilhabe sind insbesondere

  1. 1.

    Leistungen für Wohnraum,

  2. 2.

    Assistenzleistungen,

  3. 3.

    heilpädagogische Leistungen,

  4. 4.

    Leistungen zur Betreuung in einer Pflegefamilie,

  5. 5.

    Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten,

  6. 6.

    Leistungen zur Förderung der Verständigung,

  7. 7.

    Leistungen zur Mobilität und

  8. 8.

    Hilfsmittel.


§ 77 SGB IX – Leistungen für Wohnraum

(1) 1Leistungen für Wohnraum werden erbracht, um Leistungsberechtigten zu Wohnraum zu verhelfen, der zur Führung eines möglichst selbstbestimmten, eigenverantwortlichen Lebens geeignet ist. 2Die Leistungen umfassen Leistungen für die Beschaffung, den Umbau, die Ausstattung und die Erhaltung von Wohnraum, der den besonderen Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen entspricht.

(2) Aufwendungen für Wohnraum oberhalb der Angemessenheitsgrenze nach § 42a des Zwölften Buches sind zu erstatten, soweit wegen des Umfangs von Assistenzleistungen ein gesteigerter Wohnraumbedarf besteht.


§ 78 SGB IX – Assistenzleistungen

(1) 1Zur selbstbestimmten und eigenständigen Bewältigung des Alltages einschließlich der Tagesstrukturierung werden Leistungen für Assistenz erbracht. 2Sie umfassen insbesondere Leistungen für die allgemeinen Erledigungen des Alltags wie die Haushaltsführung, die Gestaltung sozialer Beziehungen, die persönliche Lebensplanung, die Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben, die Freizeitgestaltung einschließlich sportlicher Aktivitäten sowie die Sicherstellung der Wirksamkeit der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen. 3Sie beinhalten die Verständigung mit der Umwelt in diesen Bereichen.

(2) 1Die Leistungsberechtigten entscheiden auf der Grundlage des Teilhabeplans nach § 19 über die konkrete Gestaltung der Leistungen hinsichtlich Ablauf, Ort und Zeitpunkt der Inanspruchnahme. 2Die Leistungen umfassen

  1. 1.

    die vollständige und teilweise Übernahme von Handlungen zur Alltagsbewältigung sowie die Begleitung der Leistungsberechtigten und

  2. 2.

    die Befähigung der Leistungsberechtigten zu einer eigenständigen Alltagsbewältigung.

3Die Leistungen nach Nummer 2 werden von Fachkräften als qualifizierte Assistenz erbracht. 4Sie umfassen insbesondere die Anleitungen und Übungen in den Bereichen nach Absatz 1 Satz 2.

(3) Die Leistungen für Assistenz nach Absatz 1 umfassen auch Leistungen an Mütter und Väter mit Behinderungen bei der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder.

(4) Sind mit der Assistenz nach Absatz 1 notwendige Fahrkosten oder weitere Aufwendungen des Assistenzgebers, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles notwendig sind, verbunden, werden diese als ergänzende Leistungen erbracht.

(5) 1Leistungsberechtigten Personen, die ein Ehrenamt ausüben, sind angemessene Aufwendungen für eine notwendige Unterstützung zu erstatten, soweit die Unterstützung nicht zumutbar unentgeltlich erbracht werden kann. 2Die notwendige Unterstützung soll hierbei vorrangig im Rahmen familiärer, freundschaftlicher, nachbarschaftlicher oder ähnlich persönlicher Beziehungen erbracht werden.

(6) Leistungen zur Erreichbarkeit einer Ansprechperson unabhängig von einer konkreten Inanspruchnahme werden erbracht, soweit dies nach den Besonderheiten des Einzelfalles erforderlich ist.


§ 79 SGB IX – Heilpädagogische Leistungen

(1) 1Heilpädagogische Leistungen werden an noch nicht eingeschulte Kinder erbracht, wenn nach fachlicher Erkenntnis zu erwarten ist, dass hierdurch

  1. 1.

    eine drohende Behinderung abgewendet oder der fortschreitende Verlauf einer Behinderung verlangsamt wird oder

  2. 2.

    die Folgen einer Behinderung beseitigt oder gemildert werden können.

2Heilpädagogische Leistungen werden immer an schwerstbehinderte und schwerstmehrfachbehinderte Kinder, die noch nicht eingeschult sind, erbracht.

(2) Heilpädagogische Leistungen umfassen alle Maßnahmen, die zur Entwicklung des Kindes und zur Entfaltung seiner Persönlichkeit beitragen, einschließlich der jeweils erforderlichen nichtärztlichen therapeutischen, psychologischen, sonderpädagogischen, psychosozialen Leistungen und der Beratung der Erziehungsberechtigten, soweit die Leistungen nicht von § 46 Absatz 1 erfasst sind.

(3) 1In Verbindung mit Leistungen zur Früherkennung und Frühförderung nach § 46 Absatz 3 werden heilpädagogische Leistungen als Komplexleistung erbracht. 2Die Vorschriften der Verordnung zur Früherkennung und Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder finden Anwendung. 3In Verbindung mit schulvorbereitenden Maßnahmen der Schulträger werden die Leistungen ebenfalls als Komplexleistung erbracht.


§ 80 SGB IX – Leistungen zur Betreuung in einer Pflegefamilie

1Leistungen zur Betreuung in einer Pflegefamilie werden erbracht, um Leistungsberechtigten die Betreuung in einer anderen Familie als der Herkunftsfamilie durch eine geeignete Pflegeperson zu ermöglichen. 2Bei minderjährigen Leistungsberechtigten bedarf die Pflegeperson der Erlaubnis nach § 44 des Achten Buches . 3Bei volljährigen Leistungsberechtigten gilt § 44 des Achten Buches entsprechend. 4Die Regelungen über Verträge mit Leistungserbringern bleiben unberührt.


§ 81 SGB IX – Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten

1Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten werden erbracht, um Leistungsberechtigten die für sie erreichbare Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. 2Die Leistungen sind insbesondere darauf gerichtet, die Leistungsberechtigten in Fördergruppen und Schulungen oder ähnlichen Maßnahmen zur Vornahme lebenspraktischer Handlungen einschließlich hauswirtschaftlicher Tätigkeiten zu befähigen, sie auf die Teilhabe am Arbeitsleben vorzubereiten, ihre Sprache und Kommunikation zu verbessern und sie zu befähigen, sich ohne fremde Hilfe sicher im Verkehr zu bewegen. 3Die Leistungen umfassen auch die blindentechnische Grundausbildung.


§ 82 SGB IX – Leistungen zur Förderung der Verständigung

1Leistungen zur Förderung der Verständigung werden erbracht, um Leistungsberechtigten mit Hör- und Sprachbehinderungen die Verständigung mit der Umwelt aus besonderem Anlass zu ermöglichen oder zu erleichtern. 2Die Leistungen umfassen insbesondere Hilfen durch Gebärdensprachdolmetscher und andere geeignete Kommunikationshilfen. 3 § 17 Absatz 2 des Ersten Buches bleibt unberührt.


§ 83 SGB IX – Leistungen zur Mobilität

(1) Leistungen zur Mobilität umfassen

  1. 1.

    Leistungen zur Beförderung, insbesondere durch einen Beförderungsdienst, und

  2. 2.

    Leistungen für ein Kraftfahrzeug.

(2) 1Leistungen nach Absatz 1 erhalten Leistungsberechtigte nach § 2 , denen die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und Schwere ihrer Behinderung nicht zumutbar ist. 2Leistungen nach Absatz 1 Nummer 2 werden nur erbracht, wenn die Leistungsberechtigten das Kraftfahrzeug führen können oder gewährleistet ist, dass ein Dritter das Kraftfahrzeug für sie führt und Leistungen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht zumutbar oder wirtschaftlich sind.

(3) 1Die Leistungen nach Absatz 1 Nummer 2 umfassen Leistungen

  1. 1.

    zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs,

  2. 2.

    für die erforderliche Zusatzausstattung,

  3. 3.

    zur Erlangung der Fahrerlaubnis,

  4. 4.

    zur Instandhaltung und

  5. 5.

    für die mit dem Betrieb des Kraftfahrzeugs verbundenen Kosten.

2Die Bemessung der Leistungen orientiert sich an der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung .

(4) Sind die Leistungsberechtigten minderjährig, umfassen die Leistungen nach Absatz 1 Nummer 2 den wegen der Behinderung erforderlichen Mehraufwand bei der Beschaffung des Kraftfahrzeugs sowie Leistungen nach Absatz 3 Nummer 2.


§ 84 SGB IX – Hilfsmittel

(1) 1Die Leistungen umfassen Hilfsmittel, die erforderlich sind, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. 2Hierzu gehören insbesondere barrierefreie Computer.

(2) Die Leistungen umfassen auch eine notwendige Unterweisung im Gebrauch der Hilfsmittel sowie deren notwendige Instandhaltung oder Änderung.

(3) Soweit es im Einzelfall erforderlich ist, werden Leistungen für eine Doppelausstattung erbracht.


§§ 1 - 89, Teil 1 - Regelungen für Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Menschen
§§ 85 - 89, Kapitel 14 - Beteiligung der Verbände und Träger

§ 85 SGB IX – Klagerecht der Verbände

1Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen, die nach ihrer Satzung Menschen mit Behinderungen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selbst am Prozess beteiligt sind. 2In diesem Fall müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderungen selbst vorliegen.


§ 86 SGB IX – Beirat für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen

(1) 1Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Beirat für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen gebildet, der das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Fragen der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen berät und bei Aufgaben der Koordinierung unterstützt. 2Zu den Aufgaben des Beirats gehören insbesondere auch

  1. 1.

    die Unterstützung bei der Förderung von Rehabilitationseinrichtungen und die Mitwirkung bei der Vergabe der Mittel des Ausgleichsfonds sowie

  2. 2.

    die Anregung und Koordinierung von Maßnahmen zur Evaluierung der in diesem Buch getroffenen Regelungen im Rahmen der Rehabilitationsforschung und als forschungsbegleitender Ausschuss die Unterstützung des Bundesministeriums bei der Festlegung von Fragestellungen und Kriterien.

3Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales trifft Entscheidungen über die Vergabe der Mittel des Ausgleichsfonds nur auf Grund von Vorschlägen des Beirats.

(2) 1Der Beirat besteht aus 49 Mitgliedern. 2Von diesen beruft das Bundesministerium für Arbeit und Soziales

  1. 1.

    zwei Mitglieder auf Vorschlag der Gruppenvertreter der Arbeitnehmer im Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit,

  2. 2.

    zwei Mitglieder auf Vorschlag der Gruppenvertreter der Arbeitgeber im Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit,

  3. 3.

    sechs Mitglieder auf Vorschlag der Behindertenverbände, die nach der Zusammensetzung ihrer Mitglieder dazu berufen sind, Menschen mit Behinderungen auf Bundesebene zu vertreten,

  4. 4.

    16 Mitglieder auf Vorschlag der Länder,

  5. 5.

    drei Mitglieder auf Vorschlag der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände,

  6. 6.

    ein Mitglied auf Vorschlag der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen,

  7. 7.

    ein Mitglied auf Vorschlag des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit,

  8. 8.

    zwei Mitglieder auf Vorschlag des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen,

  9. 9.

    ein Mitglied auf Vorschlag der Spitzenvereinigungen der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung,

  10. 10.

    drei Mitglieder auf Vorschlag der Deutschen Rentenversicherung Bund,

  11. 11.

    ein Mitglied auf Vorschlag der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe,

  12. 12.

    ein Mitglied auf Vorschlag der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege,

  13. 13.

    ein Mitglied auf Vorschlag der Bundesarbeitsgemeinschaft für Unterstützte Beschäftigung,

  14. 14.

    fünf Mitglieder auf Vorschlag der Arbeitsgemeinschaften der Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation, der Berufsförderungswerke, der Berufsbildungswerke, der Werkstätten für behinderte Menschen und der Inklusionsbetriebe,

  15. 15.

    ein Mitglied auf Vorschlag der für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Rehabilitationseinrichtungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenverbände,

  16. 16.

    zwei Mitglieder auf Vorschlag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Bundesärztekammer und

  17. 17.

    ein Mitglied auf Vorschlag der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation.

3Für jedes Mitglied ist ein stellvertretendes Mitglied zu berufen.


§ 87 SGB IX – Verfahren des Beirats

1Der Beirat für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen wählt aus den ihm angehörenden Mitgliedern von Seiten der Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Organisationen behinderter Menschen jeweils für die Dauer eines Jahres eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden und eine Stellvertreterin oder einen Stellvertreter. 2Im Übrigen gilt § 189 entsprechend.


§ 88 SGB IX – Berichte über die Lage von Menschen mit Behinderungen und die Entwicklung ihrer Teilhabe

(1) 1Die Bundesregierung berichtet den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes einmal in der Legislaturperiode, mindestens jedoch alle vier Jahre, über die Lebenslagen der Menschen mit Behinderungen und der von Behinderung bedrohten Menschen sowie über die Entwicklung ihrer Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gesellschaft. 2Die Berichterstattung zu den Lebenslagen umfasst Querschnittsthemen wie Gender Mainstreaming, Migration, Alter, Barrierefreiheit, Diskriminierung, Assistenzbedarf und Armut. 3Gegenstand des Berichts sind auch Forschungsergebnisse über Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit staatlicher Maßnahmen und der Leistungen der Rehabilitationsträger für die Zielgruppen des Berichts.

(2) Die Verbände der Menschen mit Behinderungen werden an der Weiterentwicklung des Berichtskonzeptes beteiligt.


§ 89 SGB IX – Verordnungsermächtigung

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates weitere Vorschriften über die Geschäftsführung und das Verfahren des Beirats nach § 87 erlassen.


§§ 90 - 150a, Teil 2 - Besondere Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen (Eingliederungshilferecht)
§§ 90 - 98, Kapitel 1 - Allgemeine Vorschriften

§ 90 SGB IX – Aufgabe der Eingliederungshilfe

(1) 1Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, Leistungsberechtigten eine individuelle Lebensführung zu ermöglichen, die der Würde des Menschen entspricht, und die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern. 2Die Leistung soll sie befähigen, ihre Lebensplanung und -führung möglichst selbstbestimmt und eigenverantwortlich wahrnehmen zu können.

(2) Besondere Aufgabe der medizinischen Rehabilitation ist es, eine Beeinträchtigung nach § 99 Absatz 1 abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, eine Verschlimmerung zu verhüten oder die Leistungsberechtigten soweit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen.

(3) Besondere Aufgabe der Teilhabe am Arbeitsleben ist es, die Aufnahme, Ausübung und Sicherung einer der Eignung und Neigung der Leistungsberechtigten entsprechenden Beschäftigung sowie die Weiterentwicklung ihrer Leistungsfähigkeit und Persönlichkeit zu fördern.

(4) Besondere Aufgabe der Teilhabe an Bildung ist es, Leistungsberechtigten eine ihren Fähigkeiten und Leistungen entsprechende Schulbildung und schulische und hochschulische Aus- und Weiterbildung für einen Beruf zur Förderung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen.

(5) Besondere Aufgabe der Sozialen Teilhabe ist es, die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern.


§ 91 SGB IX – Nachrang der Eingliederungshilfe

(1) Eingliederungshilfe erhält, wer die erforderliche Leistung nicht von anderen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

(2) 1Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen, bleiben unberührt. 2Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil dieser Teil entsprechende Leistungen vorsieht; dies gilt insbesondere bei einer gesetzlichen Verpflichtung der Träger anderer Sozialleistungen oder anderer Stellen, in ihrem Verantwortungsbereich die Verwirklichung der Rechte für Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten oder zu fördern.

(3) Das Verhältnis der Leistungen der Pflegeversicherung und der Leistungen der Eingliederungshilfe bestimmt sich nach § 13 Absatz 3 des Elften Buches .


§ 92 SGB IX – Beitrag

Zu den Leistungen der Eingliederungshilfe ist nach Maßgabe des Kapitels 9 ein Beitrag aufzubringen.


§ 93 SGB IX – Verhältnis zu anderen Rechtsbereichen

(1) Die Vorschriften über die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch sowie über die Hilfe zum Lebensunterhalt und die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch bleiben unberührt.

(2) Die Vorschriften über die Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach dem Achten Kapitel des Zwölften Buches , über die Altenhilfe nach § 71 des Zwölften Buches und über die Blindenhilfe nach § 72 des Zwölften Buches bleiben unberührt.

(3) Die Hilfen zur Gesundheit nach dem Zwölften Buch gehen den Leistungen der Eingliederungshilfe vor, wenn sie zur Beseitigung einer drohenden wesentlichen Behinderung nach § 99 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 geeignet sind.

Absatz 3 geändert durch G vom 2. 6. 2021 (BGBl I S. 1387).


§ 94 SGB IX – Aufgaben der Länder

(1) Die Länder bestimmen die für die Durchführung dieses Teils zuständigen Träger der Eingliederungshilfe.

(2) 1Bei der Bestimmung durch Landesrecht ist sicherzustellen, dass die Träger der Eingliederungshilfe nach ihrer Leistungsfähigkeit zur Erfüllung dieser Aufgaben geeignet sind. 2Sind in einem Land mehrere Träger der Eingliederungshilfe bestimmt worden, unterstützen die obersten Landessozialbehörden die Träger bei der Durchführung der Aufgaben nach diesem Teil. 3Dabei sollen sie insbesondere den Erfahrungsaustausch zwischen den Trägern sowie die Entwicklung und Durchführung von Instrumenten zur zielgerichteten Erbringung und Überprüfung von Leistungen und der Qualitätssicherung einschließlich der Wirksamkeit der Leistungen fördern.

(3) Die Länder haben auf flächendeckende, bedarfsdeckende, am Sozialraum orientierte und inklusiv ausgerichtete Angebote von Leistungsanbietern hinzuwirken und unterstützen die Träger der Eingliederungshilfe bei der Umsetzung ihres Sicherstellungsauftrages.

(4) 1Zur Förderung und Weiterentwicklung der Strukturen der Eingliederungshilfe bildet jedes Land eine Arbeitsgemeinschaft. 2Die Arbeitsgemeinschaften bestehen aus Vertretern des für die Eingliederungshilfe zuständigen Ministeriums, der Träger der Eingliederungshilfe, der Leistungserbringer sowie aus Vertretern der Verbände für Menschen mit Behinderungen. 3Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere über die Zusammensetzung und das Verfahren zu bestimmen.

(5) 1Die Länder treffen sich regelmäßig unter Beteiligung des Bundes sowie der Träger der Eingliederungshilfe zur Evidenzbeobachtung und zu einem Erfahrungsaustausch. 2Die Verbände der Leistungserbringer sowie die Verbände für Menschen mit Behinderungen können hinzugezogen werden. 3Gegenstand der Evidenzbeobachtung und des Erfahrungsaustausches sind insbesondere

  1. 1.

    die Wirkung und Qualifizierung der Steuerungsinstrumente,

  2. 2.

    die Wirkungen der Regelungen zur Leistungsberechtigung nach § 99 sowie der neuen Leistungen und Leistungsstrukturen,

  3. 3.

    die Umsetzung des Wunsch- und Wahlrechtes nach § 104 Absatz 1  und  2 ,

  4. 4.

    die Wirkung der Koordinierung der Leistungen und der trägerübergreifenden Verfahren der Bedarfsermittlung und -feststellung und

  5. 5.

    die Auswirkungen des Beitrags.

4Die Erkenntnisse sollen zur Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe zusammengeführt werden.

Absatz 5 Satz 3 Nummer 2 geändert durch G vom 2. 6. 2021 (BGBl I S. 1387).


§ 95 SGB IX – Sicherstellungsauftrag

1Die Träger der Eingliederungshilfe haben im Rahmen ihrer Leistungsverpflichtung eine personenzentrierte Leistung für Leistungsberechtigte unabhängig vom Ort der Leistungserbringung sicherzustellen (Sicherstellungsauftrag), soweit dieser Teil nichts Abweichendes bestimmt. 2Sie schließen hierzu Vereinbarungen mit den Leistungsanbietern nach den Vorschriften des Kapitels 8 ab. 3Im Rahmen der Strukturplanung sind die Erkenntnisse aus der Gesamtplanung nach Kapitel 7 zu berücksichtigen.


§ 96 SGB IX – Zusammenarbeit

(1) Die Träger der Eingliederungshilfe arbeiten mit Leistungsanbietern und anderen Stellen, deren Aufgabe die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen betrifft, zusammen.

(2) Die Stellung der Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts sowie der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege als Träger eigener sozialer Aufgaben und ihre Tätigkeit zur Erfüllung dieser Aufgaben werden durch diesen Teil nicht berührt.

(3) Ist die Beratung und Sicherung der gleichmäßigen, gemeinsamen oder ergänzenden Erbringung von Leistungen geboten, sollen zu diesem Zweck Arbeitsgemeinschaften gebildet werden.

(4) Sozialdaten dürfen im Rahmen der Zusammenarbeit nur verarbeitet werden, soweit dies zur Erfüllung von Aufgaben nach diesem Teil erforderlich ist oder durch Rechtsvorschriften des Sozialgesetzbuches angeordnet oder erlaubt ist.

Absatz 4 Satz 1 geändert und Sätze 2 und 3 gestrichen durch G vom 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1626).


§ 97 SGB IX – Fachkräfte

1Bei der Durchführung der Aufgaben dieses Teils beschäftigen die Träger der Eingliederungshilfe eine dem Bedarf entsprechende Anzahl an Fachkräften aus unterschiedlichen Fachdisziplinen. 2Diese sollen

  1. 1.

    eine ihren Aufgaben entsprechende Ausbildung erhalten haben und insbesondere über umfassende Kenntnisse

    1. a)

      des Sozial- und Verwaltungsrechts,

    2. b)

      über Personen, die leistungsberechtigt im Sinne des § 99 Absatz 1 bis 3 sind, oder

    3. c)

      von Teilhabebedarfen und Teilhabebarrieren

    verfügen,

  2. 2.

    umfassende Kenntnisse über den regionalen Sozialraum und seine Möglichkeiten zur Durchführung von Leistungen der Eingliederungshilfe haben sowie

  3. 3.

    die Fähigkeit zur Kommunikation mit allen Beteiligten haben.

3Soweit Mitarbeiter der Leistungsträger nicht oder nur zum Teil die Voraussetzungen erfüllen, ist ihnen Gelegenheit zur Fortbildung und zum Austausch mit Menschen mit Behinderungen zu geben. 4Die fachliche Fortbildung der Fachkräfte, die insbesondere die Durchführung der Aufgaben nach den §§ 106  und  117 umfasst, ist zu gewährleisten.

Satz 2 Nummer 1 Buchstabe b geändert durch G vom 2. 6. 2021 (BGBl I S. 1387).


§ 98 SGB IX – Örtliche Zuständigkeit

(1) 1Für die Eingliederungshilfe örtlich zuständig ist der Träger der Eingliederungshilfe, in dessen Bereich die leistungsberechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt der ersten Antragstellung nach § 108 Absatz 1 hat oder in den zwei Monaten vor den Leistungen einer Betreuung über Tag und Nacht zuletzt gehabt hatte. 2Bedarf es nach § 108 Absatz 2 keines Antrags, ist der Beginn des Verfahrens nach Kapitel 7 maßgeblich. 3Diese Zuständigkeit bleibt bis zur Beendigung des Leistungsbezuges bestehen. 4Sie ist neu festzustellen, wenn für einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens sechs Monaten keine Leistungen bezogen wurden. 5Eine Unterbrechung des Leistungsbezuges wegen stationärer Krankenhausbehandlung oder medizinischer Rehabilitation gilt nicht als Beendigung des Leistungsbezuges.

(2) 1Steht innerhalb von vier Wochen nicht fest, ob und wo der gewöhnliche Aufenthalt begründet worden ist, oder ist ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln, hat der für den tatsächlichen Aufenthalt zuständige Träger der Eingliederungshilfe über die Leistung unverzüglich zu entscheiden und sie vorläufig zu erbringen. 2Steht der gewöhnliche Aufenthalt in den Fällen des Satzes 1 fest, wird der Träger der Eingliederungshilfe nach Absatz 1 örtlich zuständig und hat dem nach Satz 1 leistenden Träger die Kosten zu erstatten. 3Ist ein gewöhnlicher Aufenthalt im Bundesgebiet nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln, ist der Träger der Eingliederungshilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich sich die leistungsberechtigte Person tatsächlich aufhält.

(3) Werden für ein Kind vom Zeitpunkt der Geburt an Leistungen nach diesem Teil des Buches über Tag und Nacht beantragt, tritt an die Stelle seines gewöhnlichen Aufenthalts der gewöhnliche Aufenthalt der Mutter.

(4) 1Als gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne dieser Vorschrift gilt nicht der stationäre Aufenthalt oder der auf richterlich angeordneter Freiheitsentziehung beruhende Aufenthalt in einer Vollzugsanstalt. 2In diesen Fällen ist der Träger der Eingliederungshilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich die leistungsberechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in den letzten zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt hatte.

(5) 1Bei Personen, die am 31. Dezember 2019 Leistungen nach dem Sechsten Kapitel des Zwölften Buches in der am 31. Dezember 2019 geltenden Fassung bezogen haben und auch ab dem 1. Januar 2020 Leistungen nach Teil 2 dieses Buches erhalten, ist der Träger der Eingliederungshilfe örtlich zuständig, dessen örtliche Zuständigkeit sich am 1. Januar 2020 im Einzelfall in entsprechender Anwendung von § 98 Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 5 des Zwölften Buches oder in entsprechender Anwendung von § 98 Absatz 2 Satz 1 und 2 in Verbindung mit § 107 des Zwölften Buches ergeben würde. 2Absatz 1 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. 3Im Übrigen bleiben die Absätze 2 bis 4 unberührt.

Absatz 5 angefügt durch G vom 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2135).


§§ 90 - 150a, Teil 2 - Besondere Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen (Eingliederungshilferecht)
§§ 99 - 108, Kapitel 2 - Grundsätze der Leistungen

§ 99 SGB IX – Leistungsberechtigung, Verordnungsermächtigung  (1)

Neugefasst durch G vom 2. 6. 2021 (BGBl I S. 1387).

(1) Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten Menschen mit Behinderungen im Sinne von § 2 Absatz 1 Satz 1 und 2 , die wesentlich in der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft eingeschränkt sind (wesentliche Behinderung) oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe nach § 90 erfüllt werden kann.

(2) Von einer wesentlichen Behinderung bedroht sind Menschen, bei denen der Eintritt einer wesentlichen Behinderung nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.

(3) Menschen mit anderen geistigen, seelischen, körperlichen oder Sinnesbeeinträchtigungen, durch die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren in der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft eingeschränkt sind, können Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten.

(4) 1Die Bundesregierung kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Bestimmungen über die Konkretisierung der Leistungsberechtigung in der Eingliederungshilfe erlassen. 2Bis zum Inkrafttreten einer nach Satz 1 erlassenen Rechtsverordnung gelten die §§ 1 bis 3 der Eingliederungshilfe-Verordnung in der am 31. Dezember 2019 geltenden Fassung entsprechend.

(1) Red. Anm.:

Nach Artikel 25a des Bundesteilhabegesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234) wird § 99 wie folgt gefasst:

"Leistungsberechtigter Personenkreis

(1) 1Eingliederungshilfe ist Personen nach § 2 Absatz 1 Satz 1 und 2 zu leisten, deren Beeinträchtigungen die Folge einer Schädigung der Körperfunktion und -struktur einschließlich der geistigen und seelischen Funktionen sind und die dadurch in Wechselwirkung mit den Barrieren in erheblichem Maße in ihrer Fähigkeit zur Teilhabe an der Gesellschaft eingeschränkt sind. 2Eine Einschränkung der Fähigkeit zur Teilhabe an der Gesellschaft in erheblichem Maße liegt vor, wenn die Ausführung von Aktivitäten in einer größeren Anzahl der Lebensbereiche nach Absatz 4 nicht ohne personelle oder technische Unterstützung möglich oder in einer geringeren Anzahl der Lebensbereiche auch mit personeller oder technischer Unterstützung nicht möglich ist. 3Mit steigender Anzahl der Lebensbereiche nach Absatz 4 ist ein geringeres Ausmaß der jeweiligen Einschränkung für die Leistungsberechtigung ausreichend.

(2) 1Leistungsberechtigt nach diesem Teil sind auch Personen, denen nach fachlicher Kenntnis eine erhebliche Einschränkung im Sinne von Absatz 1 Satz 2 mit hoher Wahrscheinlichkeit droht. 2Ist bei Personen nach § 2 Absatz 1 Satz 1 und 2 die Ausführung von Aktivitäten in weniger als den nach Absatz 1 Satz 2 bestimmten Lebensbereichen nicht ohne personelle oder technische Unterstützung möglich oder in weniger als den nach Absatz 1 Satz 2 bestimmten Lebensbereichen auch mit personeller oder technischer Unterstützung nicht möglich, ist aber im Einzelfall in ähnlichem Ausmaß personelle oder technische Unterstützung zur Ausführung von Aktivitäten notwendig, können Leistungen der Eingliederungshilfe gewährt werden.

(3) Bei der Feststellung des erheblichen Maßes der Einschränkung nach Absatz 1 Satz 2 ist die für die Art der Behinderung typisierende notwendige Unterstützung in Lebensbereichen nach Absatz 4 maßgebend.

(4) Lebensbereiche im Sinne von Absatz 1 Satz 2 sind

  1. 1.

    Lernen und Wissensanwendung,

  2. 2.

    allgemeine Aufgaben und Anforderungen,

  3. 3.

    Kommunikation,

  4. 4.

    Mobilität,

  5. 5.

    Selbstversorgung,

  6. 6.

    häusliches Leben,

  7. 7.

    interpersonelle Interaktionen und Beziehungen,

  8. 8.

    bedeutende Lebensbereiche sowie

  9. 9.

    Gemeinschafts-, soziales und staatsbürgerliches Leben.

(5) 1Personelle Unterstützung im Sinne von Absatz 1 Satz 2 ist die regelmäßig wiederkehrende und über einen längeren Zeitraum andauernde Unterstützung durch eine anwesende Person. 2Bei Kindern und Jugendlichen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres bleibt die Notwendigkeit von Unterstützung auf Grund der altersgemäßen Entwicklung unberücksichtigt.

(6) Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach Kapitel 4 erhalten Personen, die die Voraussetzungen nach § 58 Absatz 1 Satz 1 erfüllen.

(7) Das Nähere über

  1. 1.

    die größere und geringere Anzahl nach Absatz 1 Satz 2,

  2. 2.

    das Verhältnis von der Anzahl der Lebensbereiche zum Ausmaß der jeweiligen Einschränkung nach Absatz 1 Satz 3 und

  3. 3.

    die Inhalte der Lebensbereiche nach Absatz 4

bestimmt ein Bundesgesetz."

Nach Artikel 26 Absatz 5 des Bundesteilhabegesetzes tritt die Neufassung am 1. Januar 2023 in Kraft, wenn bis zu diesem Zeitpunkt das Bundesgesetz nach § 99 Absatz 7 verkündet wurde.

Artikel 25a des Bundesteilhabegesetzes ist obsolet, da das Bundesgesetz nach Artikel 25a § 99 Absatz 7 nicht bis zu dem in Artikel 26 Absatz 5 Satz 1 des Bundesteilhabegesetzes angegebenen Zeitpunkt verkündet worden ist. Die Fassung des § 99 gemäß Artikel 25a BTHG ist nicht in Kraft getreten.


§ 100 SGB IX – Eingliederungshilfe für Ausländer

(1) 1Ausländer, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, können Leistungen nach diesem Teil erhalten, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. 2Die Einschränkung auf Ermessensleistungen nach Satz 1 gilt nicht für Ausländer, die im Besitz einer Niederlassungserlaubnis oder eines befristeten Aufenthaltstitels sind und sich voraussichtlich dauerhaft im Bundesgebiet aufhalten. 3Andere Rechtsvorschriften, nach denen Leistungen der Eingliederungshilfe zu erbringen sind, bleiben unberührt.

(2) Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes erhalten keine Leistungen der Eingliederungshilfe.

(3) Ausländer, die eingereist sind, um Leistungen nach diesem Teil zu erlangen, haben keinen Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe.


§ 101 SGB IX – Eingliederungshilfe für Deutsche im Ausland

(1) 1Deutsche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, erhalten keine Leistungen der Eingliederungshilfe. 2Hiervon kann im Einzelfall nur abgewichen werden, soweit dies wegen einer außergewöhnlichen Notlage unabweisbar ist und zugleich nachgewiesen wird, dass eine Rückkehr in das Inland aus folgenden Gründen nicht möglich ist:

  1. 1.

    Pflege und Erziehung eines Kindes, das aus rechtlichen Gründen im Ausland bleiben muss,

  2. 2.

    längerfristige stationäre Betreuung in einer Einrichtung oder Schwere der Pflegebedürftigkeit oder

  3. 3.

    hoheitliche Gewalt.

(2) Leistungen der Eingliederungshilfe werden nicht erbracht, soweit sie von dem hierzu verpflichteten Aufenthaltsland oder von anderen erbracht werden oder zu erwarten sind.

(3) Art und Maß der Leistungserbringung sowie der Einsatz des Einkommens und Vermögens richten sich nach den besonderen Verhältnissen im Aufenthaltsland.

(4) 1Für die Leistung zuständig ist der Träger der Eingliederungshilfe, in dessen Bereich die antragstellende Person geboren ist. 2Liegt der Geburtsort im Ausland oder ist er nicht zu ermitteln, richtet sich die örtliche Zuständigkeit des Trägers der Eingliederungshilfe nach dem Geburtsort der Mutter der antragstellenden Person. 3Liegt dieser ebenfalls im Ausland oder ist er nicht zu ermitteln, richtet sich die örtliche Zuständigkeit des Trägers der Eingliederungshilfe nach dem Geburtsort des Vaters der antragstellenden Person. 4Liegt auch dieser im Ausland oder ist er nicht zu ermitteln, ist der Träger der Eingliederungshilfe örtlich zuständig, bei dem der Antrag eingeht.

Absatz 4 Satz 2 geändert und Sätze 3 und 4 angefügt durch G vom 2. 6. 2021 (BGBl I S. 1387).

(5) Die Träger der Eingliederungshilfe arbeiten mit den deutschen Dienststellen im Ausland zusammen.


§ 102 SGB IX – Leistungen der Eingliederungshilfe

(1) Die Leistungen der Eingliederungshilfe umfassen

  1. 1.

    Leistungen zur medizinischen Rehabilitation,

  2. 2.

    Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben,

  3. 3.

    Leistungen zur Teilhabe an Bildung und

  4. 4.

    Leistungen zur Sozialen Teilhabe.

(2) Leistungen nach Absatz 1 Nummer 1 bis 3 gehen den Leistungen nach Absatz 1 Nummer 4 vor.


§ 103 SGB IX – Regelung für Menschen mit Behinderungen und Pflegebedarf

(1) 1Werden Leistungen der Eingliederungshilfe in Einrichtungen oder Räumlichkeiten im Sinne des § 43a des Elften Buches in Verbindung mit § 71 Absatz 4 des Elften Buches erbracht, umfasst die Leistung auch die Pflegeleistungen in diesen Einrichtungen oder Räumlichkeiten. 2Stellt der Leistungserbringer fest, dass der Mensch mit Behinderungen so pflegebedürftig ist, dass die Pflege in diesen Einrichtungen oder Räumlichkeiten nicht sichergestellt werden kann, vereinbaren der Träger der Eingliederungshilfe und die zuständige Pflegekasse mit dem Leistungserbringer, dass die Leistung bei einem anderen Leistungserbringer erbracht wird; dabei ist angemessenen Wünschen des Menschen mit Behinderungen Rechnung zu tragen. 3Die Entscheidung zur Vorbereitung der Vereinbarung nach Satz 2 erfolgt nach den Regelungen zur Gesamtplanung nach Kapitel 7 .

(2) 1Werden Leistungen der Eingliederungshilfe außerhalb von Einrichtungen oder Räumlichkeiten im Sinne des § 43a des Elften Buches in Verbindung mit § 71 Absatz 4 des Elften Buches erbracht, umfasst die Leistung auch die Leistungen der häuslichen Pflege nach den §§ 64a bis 64f , 64i bis 64k  und  66 des Zwölften Buches , solange die Teilhabeziele nach Maßgabe des Gesamtplanes ( § 121 ) erreicht werden können, es sei denn der Leistungsberechtigte hat vor Vollendung des für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderlichen Lebensjahres keine Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten. 2Satz 1 gilt entsprechend in Fällen, in denen der Leistungsberechtigte vorübergehend Leistungen nach den §§ 64g  und  64h des Zwölften Buches in Anspruch nimmt. 3Die Länder können durch Landesrecht bestimmen, dass der für die Leistungen der häuslichen Pflege zuständige Träger der Sozialhilfe die Kosten der vom Träger der Eingliederungshilfe erbrachten Leistungen der häuslichen Pflege zu erstatten hat.

Absatz 2 Satz 1 geändert durch G vom 6. 6. 2023 (BGBl 2023 I Nr. 146) (14. 6. 2023).


§ 104 SGB IX – Leistungen nach der Besonderheit des Einzelfalles

(1) 1Die Leistungen der Eingliederungshilfe bestimmen sich nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Bedarfes, den persönlichen Verhältnissen, dem Sozialraum und den eigenen Kräften und Mitteln; dabei ist auch die Wohnform zu würdigen. 2Sie werden so lange geleistet, wie die Teilhabeziele nach Maßgabe des Gesamtplanes ( § 121 ) erreichbar sind.

(2) 1Wünschen der Leistungsberechtigten, die sich auf die Gestaltung der Leistung richten, ist zu entsprechen, soweit sie angemessen sind. 2Die Wünsche der Leistungsberechtigten gelten nicht als angemessen,

  1. 1.

    wenn und soweit die Höhe der Kosten der gewünschten Leistung die Höhe der Kosten für eine vergleichbare Leistung von Leistungserbringern, mit denen eine Vereinbarung nach Kapitel 8 besteht, unverhältnismäßig übersteigt und

  2. 2.

    wenn der Bedarf nach der Besonderheit des Einzelfalles durch die vergleichbare Leistung gedeckt werden kann.

(3) 1Bei der Entscheidung nach Absatz 2 ist zunächst die Zumutbarkeit einer von den Wünschen des Leistungsberechtigten abweichenden Leistung zu prüfen. 2Dabei sind die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände einschließlich der gewünschten Wohnform angemessen zu berücksichtigen. 3Kommt danach ein Wohnen außerhalb von besonderen Wohnformen in Betracht, ist dieser Wohnform der Vorzug zu geben, wenn dies von der leistungsberechtigten Person gewünscht wird. 4Soweit die leistungsberechtigte Person dies wünscht, sind in diesem Fall die im Zusammenhang mit dem Wohnen stehenden Assistenzleistungen nach § 113 Absatz 2 Nummer 2 im Bereich der Gestaltung sozialer Beziehungen und der persönlichen Lebensplanung nicht gemeinsam zu erbringen nach § 116 Absatz 2 Nummer 1 . 5Bei Unzumutbarkeit einer abweichenden Leistungsgestaltung ist ein Kostenvergleich nicht vorzunehmen.

(4) Auf Wunsch der Leistungsberechtigten sollen die Leistungen der Eingliederungshilfe von einem Leistungsanbieter erbracht werden, der die Betreuung durch Geistliche ihres Bekenntnisses ermöglicht.

(5) Leistungen der Eingliederungshilfe für Leistungsberechtigte mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland können auch im Ausland erbracht werden, wenn dies im Interesse der Aufgabe der Eingliederungshilfe geboten ist, die Dauer der Leistungen durch den Auslandsaufenthalt nicht wesentlich verlängert wird und keine unvertretbaren Mehraufwendungen entstehen.


§ 105 SGB IX – Leistungsformen

(1) Die Leistungen der Eingliederungshilfe werden als Sach-, Geld- oder Dienstleistung erbracht.

(2) Zur Dienstleistung gehören insbesondere die Beratung und Unterstützung in Angelegenheiten der Leistungen der Eingliederungshilfe sowie in sonstigen sozialen Angelegenheiten.

(3) 1Leistungen zur Sozialen Teilhabe können mit Zustimmung der Leistungsberechtigten auch in Form einer pauschalen Geldleistung erbracht werden, soweit es dieser Teil vorsieht. 2Die Träger der Eingliederungshilfe regeln das Nähere zur Höhe und Ausgestaltung der Pauschalen.

(4) 1Die Leistungen der Eingliederungshilfe werden auf Antrag auch als Teil eines Persönlichen Budgets ausgeführt. 2Die Vorschrift zum Persönlichen Budget nach § 29 ist insoweit anzuwenden.


§ 106 SGB IX – Beratung und Unterstützung

(1) 1Zur Erfüllung der Aufgaben dieses Teils werden die Leistungsberechtigten, auf ihren Wunsch auch im Beisein einer Person ihres Vertrauens, vom Träger der Eingliederungshilfe beraten und, soweit erforderlich, unterstützt. 2Die Beratung erfolgt in einer für den Leistungsberechtigten wahrnehmbaren Form.

(2) Die Beratung umfasst insbesondere

  1. 1.

    die persönliche Situation des Leistungsberechtigten, den Bedarf, die eigenen Kräfte und Mittel sowie die mögliche Stärkung der Selbsthilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft einschließlich eines gesellschaftlichen Engagements,

  2. 2.

    die Leistungen der Eingliederungshilfe einschließlich des Zugangs zum Leistungssystem,

  3. 3.

    die Leistungen anderer Leistungsträger,

  4. 4.

    die Verwaltungsabläufe,

  5. 5.

    Hinweise auf Leistungsanbieter und andere Hilfemöglichkeiten im Sozialraum und auf Möglichkeiten zur Leistungserbringung,

  6. 6.

    Hinweise auf andere Beratungsangebote im Sozialraum,

  7. 7.

    eine gebotene Budgetberatung.

(3) Die Unterstützung umfasst insbesondere

  1. 1.

    Hilfe bei der Antragstellung,

  2. 2.

    Hilfe bei der Klärung weiterer zuständiger Leistungsträger,

  3. 3.

    das Hinwirken auf zeitnahe Entscheidungen und Leistungen der anderen Leistungsträger,

  4. 4.

    Hilfe bei der Erfüllung von Mitwirkungspflichten,

  5. 5.

    Hilfe bei der Inanspruchnahme von Leistungen,

  6. 6.

    die Vorbereitung von Möglichkeiten der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft einschließlich des gesellschaftlichen Engagements,

  7. 7.

    die Vorbereitung von Kontakten und Begleitung zu Leistungsanbietern und anderen Hilfemöglichkeiten,

  8. 8.

    Hilfe bei der Entscheidung über Leistungserbringer sowie bei der Aushandlung und dem Abschluss von Verträgen mit Leistungserbringern sowie

  9. 9.

    Hilfe bei der Erfüllung von Verpflichtungen aus der Zielvereinbarung und dem Bewilligungsbescheid.

(4) Die Leistungsberechtigten sind hinzuweisen auf die ergänzende unabhängige Teilhabeberatung nach § 32 , auf die Beratung und Unterstützung von Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege sowie von Angehörigen der rechtsberatenden Berufe und von sonstigen Stellen.


§ 107 SGB IX – Übertragung, Verpfändung oder Pfändung, Auswahlermessen

(1) Der Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe kann nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden.

(2) Über Art und Maß der Leistungserbringung ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, soweit das Ermessen nicht ausgeschlossen ist.


§ 108 SGB IX – Antragserfordernis

(1) 1Die Leistungen der Eingliederungshilfe nach diesem Teil werden auf Antrag erbracht. 2Die Leistungen werden frühestens ab dem Ersten des Monats der Antragstellung erbracht, wenn zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen bereits vorlagen.

(2) Eines Antrages bedarf es nicht für Leistungen, deren Bedarf in dem Verfahren nach Kapitel 7 ermittelt worden ist.


§§ 90 - 150a, Teil 2 - Besondere Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen (Eingliederungshilferecht)
§§ 109 - 110, Kapitel 3 - Medizinische Rehabilitation

§ 109 SGB IX – Leistungen zur medizinischen Rehabilitation

(1) Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sind insbesondere die in § 42 Absatz 2  und  3 und § 64 Absatz 1 Nummer 3 bis 6 genannten Leistungen.

(2) Die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation entsprechen den Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung.


§ 110 SGB IX – Leistungserbringung

(1) Leistungsberechtigte haben entsprechend den Bestimmungen der gesetzlichen Krankenversicherung die freie Wahl unter den Ärzten und Zahnärzten sowie unter den Krankenhäusern und Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen.

(2) 1Bei der Erbringung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sind die Regelungen, die für die gesetzlichen Krankenkassen nach dem Vierten Kapitel des Fünften Buches gelten, mit Ausnahme des Dritten Titels des Zweiten Abschnitts anzuwenden. 2Ärzte, Psychotherapeuten im Sinne des § 28 Absatz 3 Satz 1 des Fünften Buches und Zahnärzte haben für ihre Leistungen Anspruch auf die Vergütung, welche die Ortskrankenkasse, in deren Bereich der Arzt, Psychotherapeut oder der Zahnarzt niedergelassen ist, für ihre Mitglieder zahlt.

(3) 1Die Verpflichtungen, die sich für die Leistungserbringer aus den §§ 294 , 294a , 295 , 300 bis 302 des Fünften Buches ergeben, gelten auch für die Abrechnung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation mit dem Träger der Eingliederungshilfe. 2Die Vereinbarungen nach § 303 Absatz 1 sowie § 304 des Fünften Buches gelten für den Träger der Eingliederungshilfe entsprechend.


§§ 90 - 150a, Teil 2 - Besondere Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen (Eingliederungshilferecht)
§ 111, Kapitel 4 - Teilhabe am Arbeitsleben

§ 111 SGB IX – Leistungen zur Beschäftigung

(1) Leistungen zur Beschäftigung umfassen

  1. 1.

    Leistungen im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten für behinderte Menschen nach den §§ 58  und  62 ,

  2. 2.

    Leistungen bei anderen Leistungsanbietern nach den §§ 60  und  62 ,

  3. 3.

    Leistungen bei privaten und öffentlichen Arbeitgebern nach § 61 sowie

  4. 4.

    Leistungen für ein Budget für Ausbildung nach § 61a .

Absatz 1 Nummern 2 und 3 geändert und Nummer 4 angefügt durch G vom 2. 6. 2021 (BGBl I S. 1387).

(2) 1Leistungen nach Absatz 1 umfassen auch Gegenstände und Hilfsmittel, die wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigung zur Aufnahme oder Fortsetzung der Beschäftigung erforderlich sind. 2Voraussetzung für eine Hilfsmittelversorgung ist, dass der Leistungsberechtigte das Hilfsmittel bedienen kann. 3Die Versorgung mit Hilfsmitteln schließt eine notwendige Unterweisung im Gebrauch und eine notwendige Instandhaltung oder Änderung ein. 4Die Ersatzbeschaffung des Hilfsmittels erfolgt, wenn sie infolge der körperlichen Entwicklung der Leistungsberechtigten notwendig ist oder wenn das Hilfsmittel aus anderen Gründen ungeeignet oder unbrauchbar geworden ist.

(3) Zu den Leistungen nach Absatz 1 Nummer 1 und 2 gehört auch das Arbeitsförderungsgeld nach § 59 .


§§ 90 - 150a, Teil 2 - Besondere Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen (Eingliederungshilferecht)
§ 112, Kapitel 5 - Teilhabe an Bildung

§ 112 SGB IX – Leistungen zur Teilhabe an Bildung

(1) 1Leistungen zur Teilhabe an Bildung umfassen

  1. 1.

    Hilfen zu einer Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu; die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht bleiben unberührt, und

  2. 2.

    Hilfen zur schulischen oder hochschulischen Ausbildung oder Weiterbildung für einen Beruf.

2Die Hilfen nach Satz 1 Nummer 1 schließen Leistungen zur Unterstützung schulischer Ganztagsangebote in der offenen Form ein, die im Einklang mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule stehen und unter deren Aufsicht und Verantwortung ausgeführt werden, an den stundenplanmäßigen Unterricht anknüpfen und in der Regel in den Räumlichkeiten der Schule oder in deren Umfeld durchgeführt werden. 3Hilfen nach Satz 1 Nummer 1 umfassen auch heilpädagogische und sonstige Maßnahmen, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, der leistungsberechtigten Person den Schulbesuch zu ermöglichen oder zu erleichtern. 4Hilfen zu einer schulischen oder hochschulischen Ausbildung nach Satz 1 Nummer 2 können erneut erbracht werden, wenn dies aus behinderungsbedingten Gründen erforderlich ist. 5Hilfen nach Satz 1 umfassen auch Gegenstände und Hilfsmittel, die wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigung zur Teilhabe an Bildung erforderlich sind. 6Voraussetzung für eine Hilfsmittelversorgung ist, dass die leistungsberechtigte Person das Hilfsmittel bedienen kann. 7Die Versorgung mit Hilfsmitteln schließt eine notwendige Unterweisung im Gebrauch und eine notwendige Instandhaltung oder Änderung ein. 8Die Ersatzbeschaffung des Hilfsmittels erfolgt, wenn sie infolge der körperlichen Entwicklung der leistungsberechtigten Person notwendig ist oder wenn das Hilfsmittel aus anderen Gründen ungeeignet oder unbrauchbar geworden ist.

(2) 1Hilfen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 werden erbracht für eine schulische oder hochschulische berufliche Weiterbildung, die

  1. 1.

    in einem zeitlichen Zusammenhang an eine duale, schulische oder hochschulische Berufsausbildung anschließt,

  2. 2.

    in dieselbe fachliche Richtung weiterführt und

  3. 3.

    es dem Leistungsberechtigten ermöglicht, das von ihm angestrebte Berufsziel zu erreichen.

2Hilfen für ein Masterstudium werden abweichend von Satz 1 Nummer 2 auch erbracht, wenn das Masterstudium auf ein zuvor abgeschlossenes Bachelorstudium aufbaut und dieses interdisziplinär ergänzt, ohne in dieselbe Fachrichtung weiterzuführen. 3Aus behinderungsbedingten oder aus anderen, nicht von der leistungsberechtigten Person beeinflussbaren gewichtigen Gründen kann von Satz 1 Nummer 1 abgewichen werden.

(3) Hilfen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 schließen folgende Hilfen ein:

  1. 1.

    Hilfen zur Teilnahme an Fernunterricht,

  2. 2.

    Hilfen zur Ableistung eines Praktikums, das für den Schul- oder Hochschulbesuch oder für die Berufszulassung erforderlich ist, und

  3. 3.

    Hilfen zur Teilnahme an Maßnahmen zur Vorbereitung auf die schulische oder hochschulische Ausbildung oder Weiterbildung für einen Beruf.

(4) 1Die in der Schule oder Hochschule wegen der Behinderung erforderliche Anleitung und Begleitung können an mehrere Leistungsberechtigte gemeinsam erbracht werden, soweit dies nach § 104 für die Leistungsberechtigten zumutbar ist und mit Leistungserbringern entsprechende Vereinbarungen bestehen. 2Die Leistungen nach Satz 1 sind auf Wunsch der Leistungsberechtigten gemeinsam zu erbringen.


§§ 90 - 150a, Teil 2 - Besondere Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen (Eingliederungshilferecht)
§§ 113 - 116, Kapitel 6 - Soziale Teilhabe

§ 113 SGB IX – Leistungen zur Sozialen Teilhabe

(1) 1Leistungen zur Sozialen Teilhabe werden erbracht, um eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, soweit sie nicht nach den Kapiteln 3 bis 5 erbracht werden. 2Hierzu gehört, Leistungsberechtigte zu einer möglichst selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung im eigenen Wohnraum sowie in ihrem Sozialraum zu befähigen oder sie hierbei zu unterstützen. 3Maßgeblich sind die Ermittlungen und Feststellungen nach Kapitel 7 .

(2) Leistungen zur Sozialen Teilhabe sind insbesondere

  1. 1.

    Leistungen für Wohnraum,

  2. 2.

    Assistenzleistungen,

  3. 3.

    heilpädagogische Leistungen,

  4. 4.

    Leistungen zur Betreuung in einer Pflegefamilie,

  5. 5.

    Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten,

  6. 6.

    Leistungen zur Förderung der Verständigung,

  7. 7.

    Leistungen zur Mobilität,

  8. 8.

    Hilfsmittel,

  9. 9.

    Besuchsbeihilfen.

(3) Die Leistungen nach Absatz 2 Nummer 1 bis 8 bestimmen sich nach den §§ 77 bis 84 , soweit sich aus diesem Teil nichts Abweichendes ergibt.

(4) Zur Ermöglichung der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung in der Verantwortung einer Werkstatt für behinderte Menschen, einem anderen Leistungsanbieter oder dem Leistungserbringer vergleichbarer anderer tagesstrukturierender Maßnahmen werden die erforderliche sächliche Ausstattung, die personelle Ausstattung und die erforderlichen betriebsnotwendigen Anlagen des Leistungserbringers übernommen.

(5) 1In besonderen Wohnformen des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches werden Aufwendungen für Wohnraum oberhalb der Angemessenheitsgrenze nach § 42a Absatz 6 des Zwölften Buches übernommen, sofern dies wegen der besonderen Bedürfnisse des Menschen mit Behinderungen erforderlich ist. 2 Kapitel 8 ist anzuwenden.

Absatz 5 angefügt durch G vom 30. 11. 2019 (BGBl I S. 1948).

Absätze 6 und 7 angefügt durch G vom 27. 9. 2021 (BGBl I S. 4530).

(6) 1Bei einer stationären Krankenhausbehandlung nach § 39 des Fünften Buches werden auch Leistungen für die Begleitung und Befähigung des Leistungsberechtigten durch vertraute Bezugspersonen zur Sicherstellung der Durchführung der Behandlung erbracht, soweit dies aufgrund des Vertrauensverhältnisses des Leistungsberechtigten zur Bezugsperson und aufgrund der behinderungsbedingten besonderen Bedürfnisse erforderlich ist. 2Vertraute Bezugspersonen im Sinne von Satz 1 sind Personen, die dem Leistungsberechtigten gegenüber im Alltag bereits Leistungen der Eingliederungshilfe insbesondere im Rahmen eines Rechtsverhältnisses mit einem Leistungserbringer im Sinne des Kapitels 8 erbringen. 3Die Leistungen umfassen Leistungen zur Verständigung und zur Unterstützung im Umgang mit Belastungssituationen als nichtmedizinische Nebenleistungen zur stationären Krankenhausbehandlung. 4Bei den Leistungen im Sinne von Satz 1 findet § 91 Absatz 1  und  2 gegenüber Kostenträgern von Leistungen zur Krankenbehandlung mit Ausnahme der Träger der Unfallversicherung keine Anwendung. 5 § 17 Absatz 2  und  2a des Ersten Buches bleibt unberührt.

(7) 1Das Bundesministerium für Gesundheit und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales evaluieren im Einvernehmen mit den Ländern die Wirkung einschließlich der finanziellen Auswirkungen der Regelungen in Absatz 6 und in § 44b des Fünften Buches . 2Die Ergebnisse sind bis zum 31. Dezember 2025 zu veröffentlichen. 3Die Einbeziehung Dritter in die Durchführung der Untersuchung erfolgt im Benehmen mit den zuständigen obersten Landesbehörden, soweit Auswirkungen auf das Sozialleistungssystem der Eingliederungshilfe untersucht werden.


§ 114 SGB IX – Leistungen zur Mobilität

Bei den Leistungen zur Mobilität nach § 113 Absatz 2 Nummer 7 gilt § 83 mit der Maßgabe, dass

  1. 1.

    die Leistungsberechtigten zusätzlich zu den in § 83 Absatz 2 genannten Voraussetzungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ständig auf die Nutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen sind und

  2. 2.

    abweichend von § 83 Absatz 3 Satz 2 die Vorschriften der §§ 6  und  8 der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung nicht maßgeblich sind.


§ 115 SGB IX – Besuchsbeihilfen

Werden Leistungen bei einem oder mehreren Anbietern über Tag und Nacht erbracht, können den Leistungsberechtigten oder ihren Angehörigen zum gegenseitigen Besuch Beihilfen geleistet werden, soweit es im Einzelfall erforderlich ist.

Geändert durch G vom 30. 11. 2019 (BGBl I S. 1948).


§ 116 SGB IX – Pauschale Geldleistung, gemeinsame Inanspruchnahme

(1) 1Die Leistungen

  1. 1.

    zur Assistenz zur Übernahme von Handlungen zur Alltagsbewältigung sowie Begleitung der Leistungsberechtigten ( § 113 Absatz 2 Nummer 2 in Verbindung mit § 78 Absatz 2 Nummer 1 und Absatz 5 ),

  2. 2.

    zur Förderung der Verständigung ( § 113 Absatz 2 Nummer 6 ) und

  3. 3.

    zur Beförderung im Rahmen der Leistungen zur Mobilität ( § 113 Absatz 2 Nummer 7 in Verbindung mit § 83 Absatz 1 Nummer 1 )

können mit Zustimmung der Leistungsberechtigten als pauschale Geldleistungen nach § 105 Absatz 3 erbracht werden. 2Die zuständigen Träger der Eingliederungshilfe regeln das Nähere zur Höhe und Ausgestaltung der pauschalen Geldleistungen sowie zur Leistungserbringung.

(2) 1Die Leistungen

  1. 1.

    zur Assistenz ( § 113 Absatz 2 Nummer 2 ),

  2. 2.

    zur Heilpädagogik ( § 113 Absatz 2 Nummer 3 ),

  3. 3.

    zum Erwerb und Erhalt praktischer Fähigkeiten und Kenntnisse ( § 113 Absatz 2 Nummer 5 ),

  4. 4.

    zur Förderung der Verständigung ( § 113 Absatz 2 Nummer 6 ),

  5. 5.

    zur Beförderung im Rahmen der Leistungen zur Mobilität ( § 113 Absatz 2 Nummer 7 in Verbindung mit § 83 Absatz 1 Nummer 1 ) und

  6. 6.

    zur Erreichbarkeit einer Ansprechperson unabhängig von einer konkreten Inanspruchnahme ( § 113 Absatz 2 Nummer 2 in Verbindung mit § 78 Absatz 6 )

können an mehrere Leistungsberechtigte gemeinsam erbracht werden, soweit dies nach § 104 für die Leistungsberechtigten zumutbar ist und mit Leistungserbringern entsprechende Vereinbarungen bestehen. 2Maßgeblich sind die Ermittlungen und Feststellungen im Rahmen der Gesamtplanung nach Kapitel 7 .

(3) Die Leistungen nach Absatz 2 sind auf Wunsch der Leistungsberechtigten gemeinsam zu erbringen, soweit die Teilhabeziele erreicht werden können.


§§ 90 - 150a, Teil 2 - Besondere Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen (Eingliederungshilferecht)
§§ 117 - 122, Kapitel 7 - Gesamtplanung

§ 117 SGB IX – Gesamtplanverfahren

(1) Das Gesamtplanverfahren ist nach folgenden Maßstäben durchzuführen:

  1. 1.

    Beteiligung des Leistungsberechtigten in allen Verfahrensschritten, beginnend mit der Beratung,

  2. 2.

    Dokumentation der Wünsche des Leistungsberechtigten zu Ziel und Art der Leistungen,

  3. 3.

    Beachtung der Kriterien

    1. a)

      transparent,

    2. b)

      trägerübergreifend,

    3. c)

      interdisziplinär,

    4. d)

      konsensorientiert,

    5. e)

      individuell,

    6. f)

      lebensweltbezogen,

    7. g)

      sozialraumorientiert und

    8. h)

      zielorientiert,

  4. 4.

    Ermittlung des individuellen Bedarfes,

  5. 5.

    Durchführung einer Gesamtplankonferenz,

  6. 6.

    Abstimmung der Leistungen nach Inhalt, Umfang und Dauer in einer Gesamtplankonferenz unter Beteiligung betroffener Leistungsträger.

(2) Am Gesamtplanverfahren wird auf Verlangen des Leistungsberechtigten eine Person seines Vertrauens beteiligt.

(3) 1Bestehen im Einzelfall Anhaltspunkte für eine Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch , wird die zuständige Pflegekasse mit Zustimmung des Leistungsberechtigten vom Träger der Eingliederungshilfe informiert und muss am Gesamtplanverfahren beratend teilnehmen, soweit dies für den Träger der Eingliederungshilfe zur Feststellung der Leistungen nach den Kapiteln 3 bis 6 erforderlich ist. 2Bestehen im Einzelfall Anhaltspunkte, dass Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des Zwölften Buches erforderlich sind, so soll der Träger dieser Leistungen mit Zustimmung der Leistungsberechtigten informiert und am Gesamtplanverfahren beteiligt werden, soweit dies zur Feststellung der Leistungen nach den Kapiteln 3 bis 6 erforderlich ist.

(4) Bestehen im Einzelfall Anhaltspunkte für einen Bedarf an notwendigem Lebensunterhalt, ist der Träger dieser Leistungen mit Zustimmung des Leistungsberechtigten zu informieren und am Gesamtplanverfahren zu beteiligen, soweit dies zur Feststellung der Leistungen nach den Kapiteln 3 bis 6 erforderlich ist.

(5) § 22 Absatz 4 ist entsprechend anzuwenden, auch wenn ein Teilhabeplan nicht zu erstellen ist.

Absatz 5 geändert durch G vom 2. 6. 2021 (BGBl I S. 1387).

(6) 1Bei minderjährigen Leistungsberechtigten wird der nach § 86 des Achten Buches zuständige örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe vom Träger der Eingliederungshilfe mit Zustimmung des Personensorgeberechtigten informiert und nimmt am Gesamtplanverfahren beratend teil, soweit dies zur Feststellung der Leistungen der Eingliederungshilfe nach den Kapiteln 3 bis 6 erforderlich ist. 2Hiervon kann in begründeten Ausnahmefällen abgesehen werden, insbesondere, wenn durch die Teilnahme des zuständigen örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe das Gesamtplanverfahren verzögert würde.

Absatz 6 angefügt durch G vom 3. 6. 2021 (BGBl I S. 1444).


§ 118 SGB IX – Instrumente der Bedarfsermittlung

(1) 1Der Träger der Eingliederungshilfe hat die Leistungen nach den Kapiteln 3 bis 6 unter Berücksichtigung der Wünsche des Leistungsberechtigten festzustellen. 2Die Ermittlung des individuellen Bedarfes des Leistungsberechtigten muss durch ein Instrument erfolgen, das sich an der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit orientiert. 3Das Instrument hat die Beschreibung einer nicht nur vorübergehenden Beeinträchtigung der Aktivität und Teilhabe in den folgenden Lebensbereichen vorzusehen:

  1. 1.

    Lernen und Wissensanwendung,

  2. 2.

    Allgemeine Aufgaben und Anforderungen,

  3. 3.

    Kommunikation,

  4. 4.

    Mobilität,

  5. 5.

    Selbstversorgung,

  6. 6.

    häusliches Leben,

  7. 7.

    interpersonelle Interaktionen und Beziehungen,

  8. 8.

    bedeutende Lebensbereiche und

  9. 9.

    Gemeinschafts-, soziales und staatsbürgerliches Leben.

(2) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere über das Instrument zur Bedarfsermittlung zu bestimmen.


§ 119 SGB IX – Gesamtplankonferenz

(1) 1Mit Zustimmung des Leistungsberechtigten kann der Träger der Eingliederungshilfe eine Gesamtplankonferenz durchführen, um die Leistungen für den Leistungsberechtigten nach den Kapiteln 3 bis 6 sicherzustellen. 2Die Leistungsberechtigten, die beteiligten Rehabilitationsträger und bei minderjährigen Leistungsberechtigten der nach § 86 des Achten Buches zuständige örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe können dem nach § 15 verantwortlichen Träger der Eingliederungshilfe die Durchführung einer Gesamtplankonferenz vorschlagen. 3Den Vorschlag auf Durchführung einer Gesamtplankonferenz kann der Träger der Eingliederungshilfe ablehnen, wenn der maßgebliche Sachverhalt schriftlich ermittelt werden kann oder der Aufwand zur Durchführung nicht in einem angemessenen Verhältnis zum Umfang der beantragten Leistung steht.

Absatz 1 Satz 2 neugefasst durch G vom 3. 6. 2021 (BGBl I S. 1444).

(2) 1In einer Gesamtplankonferenz beraten der Träger der Eingliederungshilfe, der Leistungsberechtigte und beteiligte Leistungsträger gemeinsam auf der Grundlage des Ergebnisses der Bedarfsermittlung nach § 118 insbesondere über

  1. 1.

    die Stellungnahmen der beteiligten Leistungsträger und die gutachterliche Stellungnahme des Leistungserbringers bei Beendigung der Leistungen zur beruflichen Bildung nach § 57 ,

  2. 2.

    die Wünsche der Leistungsberechtigten nach § 104 Absatz 2 bis 4 ,

  3. 3.

    den Beratungs- und Unterstützungsbedarf nach § 106 ,

  4. 4.

    die Erbringung der Leistungen.

2Soweit die Beratung über die Erbringung der Leistungen nach Nummer 4 den Lebensunterhalt betrifft, umfasst sie den Anteil des Regelsatzes nach § 27a Absatz 3 des Zwölften Buches , der den Leistungsberechtigten als Barmittel verbleibt.

(3) 1Ist der Träger der Eingliederungshilfe Leistungsverantwortlicher nach § 15 , soll er die Gesamtplankonferenz mit einer Teilhabeplankonferenz nach § 20 verbinden. 2Ist der Träger der Eingliederungshilfe nicht Leistungsverantwortlicher nach § 15 , soll er nach § 19 Absatz 5 den Leistungsberechtigten und den Rehabilitationsträgern anbieten, mit deren Einvernehmen das Verfahren anstelle des leistenden Rehabilitationsträgers durchzuführen.

(4) 1Beantragt eine leistungsberechtigte Mutter oder ein leistungsberechtigter Vater Leistungen zur Deckung von Bedarfen bei der Versorgung und Betreuung eines eigenen Kindes oder mehrerer eigener Kinder, so ist eine Gesamtplankonferenz mit Zustimmung des Leistungsberechtigten durchzuführen. 2Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass diese Bedarfe durch Leistungen anderer Leistungsträger, durch das familiäre, freundschaftliche und nachbarschaftliche Umfeld oder ehrenamtlich gedeckt werden können, so informiert der Träger der Eingliederungshilfe mit Zustimmung der Leistungsberechtigten die als zuständig angesehenen Leistungsträger, die ehrenamtlich tätigen Stellen und Personen oder die jeweiligen Personen aus dem persönlichen Umfeld und beteiligt sie an der Gesamtplankonferenz.


§ 120 SGB IX – Feststellung der Leistungen

(1) Nach Abschluss der Gesamtplankonferenz stellen der Träger der Eingliederungshilfe und die beteiligten Leistungsträger ihre Leistungen nach den für sie geltenden Leistungsgesetzen innerhalb der Fristen nach den §§ 14  und  15 fest.

(2) 1Der Träger der Eingliederungshilfe erlässt auf Grundlage des Gesamtplanes nach § 121 den Verwaltungsakt über die festgestellte Leistung nach den Kapiteln 3 bis 6 . 2Der Verwaltungsakt enthält mindestens die bewilligten Leistungen und die jeweiligen Leistungsvoraussetzungen. 3Die Feststellungen über die Leistungen sind für den Erlass des Verwaltungsaktes bindend. 4Ist eine Gesamtplankonferenz durchgeführt worden, sind deren Ergebnisse der Erstellung des Gesamtplanes zugrunde zu legen. 5Ist der Träger der Eingliederungshilfe Leistungsverantwortlicher nach § 15 , sind die Feststellungen über die Leistungen für die Entscheidung nach § 15 Absatz 3 bindend.

(3) Wenn nach den Vorschriften zur Koordinierung der Leistungen nach Teil 1 Kapitel 4 ein anderer Rehabilitationsträger die Leistungsverantwortung trägt, bilden die im Rahmen der Gesamtplanung festgestellten Leistungen nach den Kapiteln 3 bis 6 die für den Teilhabeplan erforderlichen Feststellungen nach § 15 Absatz 2 .

(4) In einem Eilfall erbringt der Träger der Eingliederungshilfe Leistungen der Eingliederungshilfe nach den Kapiteln 3 bis 6 vor Beginn der Gesamtplankonferenz vorläufig; der Umfang der vorläufigen Gesamtleistung bestimmt sich nach pflichtgemäßem Ermessen.


§ 121 SGB IX – Gesamtplan

(1) Der Träger der Eingliederungshilfe stellt unverzüglich nach der Feststellung der Leistungen einen Gesamtplan insbesondere zur Durchführung der einzelnen Leistungen oder einer Einzelleistung auf.

(2) 1Der Gesamtplan dient der Steuerung, Wirkungskontrolle und Dokumentation des Teilhabeprozesses. 2Er bedarf der Schriftform und soll regelmäßig, spätestens nach zwei Jahren, überprüft und fortgeschrieben werden.

(3) Bei der Aufstellung des Gesamtplanes wirkt der Träger der Eingliederungshilfe zusammen mit

  1. 1.

    dem Leistungsberechtigten,

  2. 2.

    einer Person seines Vertrauens und

  3. 3.

    dem im Einzelfall Beteiligten, insbesondere mit

    1. a)

      dem behandelnden Arzt,

    2. b)

      dem Gesundheitsamt,

    3. c)

      dem Landesarzt,

    4. d)

      dem Jugendamt und

    5. e)

      den Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit.

(4) Der Gesamtplan enthält neben den Inhalten nach § 19 mindestens

  1. 1.

    die im Rahmen der Gesamtplanung eingesetzten Verfahren und Instrumente sowie die Maßstäbe und Kriterien der Wirkungskontrolle einschließlich des Überprüfungszeitpunkts,

  2. 2.

    die Aktivitäten der Leistungsberechtigten,

  3. 3.

    die Feststellungen über die verfügbaren und aktivierbaren Selbsthilferessourcen des Leistungsberechtigten sowie über Art, Inhalt, Umfang und Dauer der zu erbringenden Leistungen,

  4. 4.

    die Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts nach § 8 im Hinblick auf eine pauschale Geldleistung,

  5. 5.

    die Erkenntnisse aus vorliegenden sozialmedizinischen Gutachten,

  6. 6.

    das Ergebnis über die Beratung des Anteils des Regelsatzes nach § 27a Absatz 3 des Zwölften Buches , der den Leistungsberechtigten als Barmittel verbleibt, und

  7. 7.

    die Einschätzung, ob für den Fall einer stationären Krankenhausbehandlung die Begleitung und Befähigung des Leistungsberechtigten durch vertraute Bezugspersonen zur Sicherstellung der Durchführung der Behandlung erforderlich ist.

Absatz 4 Nummern 5 und 6 geändert und Nummer 7 angefügt durch G vom 27. 9. 2021 (BGBl I S. 4530).

(5) Der Träger der Eingliederungshilfe stellt der leistungsberechtigten Person den Gesamtplan zur Verfügung.


§ 122 SGB IX – Teilhabezielvereinbarung

1Der Träger der Eingliederungshilfe kann mit dem Leistungsberechtigten eine Teilhabezielvereinbarung zur Umsetzung der Mindestinhalte des Gesamtplanes oder von Teilen der Mindestinhalte des Gesamtplanes abschließen. 2Die Vereinbarung wird für die Dauer des Bewilligungszeitraumes der Leistungen der Eingliederungshilfe abgeschlossen, soweit sich aus ihr nichts Abweichendes ergibt. 3Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die Vereinbarungsziele nicht oder nicht mehr erreicht werden, hat der Träger der Eingliederungshilfe die Teilhabezielvereinbarung anzupassen. 4Die Kriterien nach § 117 Absatz 1 Nummer 3 gelten entsprechend.


§§ 90 - 150a, Teil 2 - Besondere Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen (Eingliederungshilferecht)
§§ 123 - 134, Kapitel 8 - Vertragsrecht

§ 123 SGB IX – Allgemeine Grundsätze

(1) 1Der Träger der Eingliederungshilfe darf Leistungen der Eingliederungshilfe mit Ausnahme der Leistungen nach § 113 Absatz 2 Nummer 2 in Verbindung mit § 78 Absatz 5 und § 116 Absatz 1 durch Dritte (Leistungserbringer) nur bewilligen, soweit eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Träger des Leistungserbringers und dem für den Ort der Leistungserbringung zuständigen Träger der Eingliederungshilfe besteht. 2Die Vereinbarung kann auch zwischen dem Träger der Eingliederungshilfe und dem Verband, dem der Leistungserbringer angehört, geschlossen werden, soweit der Verband eine entsprechende Vollmacht nachweist.

(2) 1Die Vereinbarungen sind für alle übrigen Träger der Eingliederungshilfe bindend. 2Die Vereinbarungen müssen den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. 3Sie sind vor Beginn der jeweiligen Wirtschaftsperiode für einen zukünftigen Zeitraum abzuschließen (Vereinbarungszeitraum); nachträgliche Ausgleiche sind nicht zulässig. 4Die Ergebnisse der Vereinbarungen sind den Leistungsberechtigten in einer wahrnehmbaren Form zugänglich zu machen.

(3) Keine Leistungserbringer im Sinne dieses Kapitels sind

  1. 1.

    private und öffentliche Arbeitgeber gemäß § 61 oder § 61a sowie

  2. 2.

    Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation, in denen der schulische Teil der Ausbildung nach § 61a Absatz 2 Satz 2 erfolgen kann.

Absatz 3 neugefasst durch G vom 2. 6. 2021 (BGBl I S. 1387). Nummer 2 geändert durch G vom 6. 6. 2023 (BGBl 2023 I Nr. 146) (14. 6. 2023).

(4) 1Besteht eine schriftliche Vereinbarung, so ist der Leistungserbringer, soweit er kein anderer Leistungsanbieter im Sinne des § 60 ist, im Rahmen des vereinbarten Leistungsangebotes verpflichtet, Leistungsberechtigte aufzunehmen und Leistungen der Eingliederungshilfe unter Beachtung der Inhalte des Gesamtplanes nach § 121 zu erbringen. 2Die Verpflichtung zur Leistungserbringung besteht auch in den Fällen des § 116 Absatz 2 .

(5) 1Der Träger der Eingliederungshilfe darf die Leistungen durch Leistungserbringer, mit denen keine schriftliche Vereinbarung besteht, nur erbringen, soweit

  1. 1.

    dies nach der Besonderheit des Einzelfalles geboten ist,

  2. 2.

    der Leistungserbringer ein schriftliches Leistungsangebot vorlegt, das für den Inhalt einer Vereinbarung nach § 125 gilt,

  3. 3.

    der Leistungserbringer sich schriftlich verpflichtet, die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungserbringung zu beachten,

  4. 4.

    der Leistungserbringer sich schriftlich verpflichtet, bei der Erbringung von Leistungen die Inhalte des Gesamtplanes nach § 121 zu beachten,

  5. 5.

    die Vergütung für die Erbringung der Leistungen nicht höher ist als die Vergütung, die der Träger der Eingliederungshilfe mit anderen Leistungserbringern für vergleichbare Leistungen vereinbart hat.

2Die allgemeinen Grundsätze der Absätze 1 bis 3 und 5 sowie die Vorschriften zur Geeignetheit der Leistungserbringer ( § 124 ), zum Inhalt der Vergütung ( § 125 ), zur Verbindlichkeit der vereinbarten Vergütung ( § 127 ), zur Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfung ( § 128 ), zur Kürzung der Vergütung ( § 129 ) und zur außerordentlichen Kündigung der Vereinbarung ( § 130 ) gelten entsprechend.

(6) Der Leistungserbringer hat gegen den Träger der Eingliederungshilfe einen Anspruch auf Vergütung der gegenüber dem Leistungsberechtigten erbrachten Leistungen der Eingliederungshilfe.


§ 124 SGB IX – Geeignete Leistungserbringer

(1) 1Sind geeignete Leistungserbringer vorhanden, soll der Träger der Eingliederungshilfe zur Erfüllung seiner Aufgaben eigene Angebote nicht neu schaffen. 2Geeignet ist ein externer Leistungserbringer, der unter Sicherstellung der Grundsätze des § 104 die Leistungen wirtschaftlich und sparsam erbringen kann. 3Die durch den Leistungserbringer geforderte Vergütung ist wirtschaftlich angemessen, wenn sie im Vergleich mit der Vergütung vergleichbarer Leistungserbringer im unteren Drittel liegt (externer Vergleich). 4Liegt die geforderte Vergütung oberhalb des unteren Drittels, kann sie wirtschaftlich angemessen sein, sofern sie nachvollziehbar auf einem höheren Aufwand des Leistungserbringers beruht und wirtschaftlicher Betriebsführung entspricht. 5In den externen Vergleich sind die im Einzugsbereich tätigen Leistungserbringer einzubeziehen. 6Die Bezahlung tariflich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen kann dabei nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden, soweit die Vergütung aus diesem Grunde oberhalb des unteren Drittels liegt.

(2) 1Geeignete Leistungserbringer haben zur Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe eine dem Leistungsangebot entsprechende Anzahl an Fach- und anderem Betreuungspersonal zu beschäftigen. 2Sie müssen über die Fähigkeit zur Kommunikation mit den Leistungsberechtigten in einer für die Leistungsberechtigten wahrnehmbaren Form verfügen und nach ihrer Persönlichkeit geeignet sein. 3Geeignete Leistungserbringer dürfen nur solche Personen beschäftigen oder ehrenamtliche Personen, die in Wahrnehmung ihrer Aufgaben Kontakt mit Leistungsberechtigten haben, mit Aufgaben betrauen, die nicht rechtskräftig wegen einer Straftat nach den §§ 171 , 174 bis 174c , 176 bis 180a , 181a , 182 bis 184g , 184i bis 184l , 201a Absatz 3 , §§ 225 , 232 bis 233a , 234 , 235  oder  236 des Strafgesetzbuchs verurteilt worden sind. 4Die Leistungserbringer sollen sich von Fach- und anderem Betreuungspersonal, die in Wahrnehmung ihrer Aufgaben Kontakt mit Leistungsberechtigten haben, vor deren Einstellung oder Aufnahme einer dauerhaften ehrenamtlichen Tätigkeit und in regelmäßigen Abständen ein Führungszeugnis nach § 30a Absatz 1 des Bundeszentralregistergesetzes vorlegen lassen. 5Nimmt der Leistungserbringer Einsicht in ein Führungszeugnis nach § 30a Absatz 1 des Bundeszentralregistergesetzes , so speichert er nur den Umstand der Einsichtnahme, das Datum des Führungszeugnisses und die Information, ob die das Führungszeugnis betreffende Person wegen einer in Satz 3 genannten Straftat rechtskräftig verurteilt worden ist. 6Der Leistungserbringer darf diese Daten nur verändern und nutzen, soweit dies zur Prüfung der Eignung einer Person erforderlich ist. 7Die Daten sind vor dem Zugriff Unbefugter zu schützen. 8Sie sind unverzüglich zu löschen, wenn im Anschluss an die Einsichtnahme keine Tätigkeit für den Leistungserbringer wahrgenommen wird. 9Sie sind spätestens drei Monate nach der letztmaligen Ausübung einer Tätigkeit für den Leistungserbringer zu löschen. 10Das Fachpersonal muss zusätzlich über eine abgeschlossene berufsspezifische Ausbildung und dem Leistungsangebot entsprechende Zusatzqualifikationen verfügen.

Absatz 2 Satz 3 geändert durch G vom 18. 4. 2019 (BGBl I S. 473), 9. 10. 2020 (BGBl I S. 2075) und 16. 6. 2021 (BGBl I S. 1810).

(3) Sind mehrere Leistungserbringer im gleichen Maße geeignet, so hat der Träger der Eingliederungshilfe Vereinbarungen vorrangig mit Leistungserbringern abzuschließen, deren Vergütung bei vergleichbarem Inhalt, Umfang und Qualität der Leistung nicht höher ist als die anderer Leistungserbringer.


§ 125 SGB IX – Inhalt der schriftlichen Vereinbarung

(1) In der schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Träger der Eingliederungshilfe und dem Leistungserbringer sind zu regeln:

  1. 1.

    Inhalt, Umfang und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der Leistungen der Eingliederungshilfe (Leistungsvereinbarung) und

  2. 2.

    die Vergütung der Leistungen der Eingliederungshilfe (Vergütungsvereinbarung).

(2) 1In die Leistungsvereinbarung sind als wesentliche Leistungsmerkmale mindestens aufzunehmen:

  1. 1.

    der zu betreuende Personenkreis,

  2. 2.

    die erforderliche sächliche Ausstattung,

  3. 3.

    Art, Umfang, Ziel und Qualität der Leistungen der Eingliederungshilfe,

  4. 4.

    die Festlegung der personellen Ausstattung,

  5. 5.

    die Qualifikation des Personals sowie

  6. 6.

    soweit erforderlich, die betriebsnotwendigen Anlagen des Leistungserbringers.

2Soweit die Erbringung von Leistungen nach § 116 Absatz 2 zu vereinbaren ist, sind darüber hinaus die für die Leistungserbringung erforderlichen Strukturen zu berücksichtigen.

(3) 1Mit der Vergütungsvereinbarung werden unter Berücksichtigung der Leistungsmerkmale nach Absatz 2 Leistungspauschalen für die zu erbringenden Leistungen unter Beachtung der Grundsätze nach § 123 Absatz 2 festgelegt. 2Förderungen aus öffentlichen Mitteln sind anzurechnen. 3Die Leistungspauschalen sind nach Gruppen von Leistungsberechtigten mit vergleichbarem Bedarf oder Stundensätzen sowie für die gemeinsame Inanspruchnahme durch mehrere Leistungsberechtigte ( § 116 Absatz 2 ) zu kalkulieren. 4Abweichend von Satz 1 können andere geeignete Verfahren zur Vergütung und Abrechnung der Fachleistung unter Beteiligung der Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen vereinbart werden.

(4) 1Die Vergütungsvereinbarungen mit Werkstätten für behinderte Menschen und anderen Leistungsanbietern berücksichtigen zusätzlich die mit der wirtschaftlichen Betätigung in Zusammenhang stehenden Kosten, soweit diese Kosten unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse beim Leistungserbringer und der dort beschäftigten Menschen mit Behinderungen nach Art und Umfang über die in einem Wirtschaftsunternehmen üblicherweise entstehenden Kosten hinausgehen. 2Können die Kosten im Einzelfall nicht ermittelt werden, kann hierfür eine Vergütungspauschale vereinbart werden. 3Das Arbeitsergebnis des Leistungserbringers darf nicht dazu verwendet werden, die Vergütung des Trägers der Eingliederungshilfe zu mindern.


§ 126 SGB IX – Verfahren und Inkrafttreten der Vereinbarung

(1) 1Der Leistungserbringer oder der Träger der Eingliederungshilfe hat die jeweils andere Partei schriftlich zu Verhandlungen über den Abschluss einer Vereinbarung gemäß § 125 aufzufordern. 2Bei einer Aufforderung zum Abschluss einer Folgevereinbarung sind die Verhandlungsgegenstände zu benennen. 3Die Aufforderung durch den Leistungsträger kann an einen unbestimmten Kreis von Leistungserbringern gerichtet werden. 4Auf Verlangen einer Partei sind geeignete Nachweise zu den Verhandlungsgegenständen vorzulegen.

(2) 1Kommt es nicht innerhalb von drei Monaten, nachdem eine Partei zu Verhandlungen aufgefordert wurde, zu einer schriftlichen Vereinbarung, so kann jede Partei hinsichtlich der strittigen Punkte die Schiedsstelle nach § 133 anrufen. 2Die Schiedsstelle hat unverzüglich über die strittigen Punkte zu entscheiden. 3Gegen die Entscheidung der Schiedsstelle ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben, ohne dass es eines Vorverfahrens bedarf. 4Die Klage ist gegen den Verhandlungspartner und nicht gegen die Schiedsstelle zu richten.

(3) 1Vereinbarungen und Schiedsstellenentscheidungen treten zu dem darin bestimmten Zeitpunkt in Kraft. 2Wird ein Zeitpunkt nicht bestimmt, wird die Vereinbarung mit dem Tag ihres Abschlusses wirksam. 3Festsetzungen der Schiedsstelle werden, soweit keine Festlegung erfolgt ist, rückwirkend mit dem Tag wirksam, an dem der Antrag bei der Schiedsstelle eingegangen ist. 4Soweit in den Fällen des Satzes 3 während des Schiedsstellenverfahrens der Antrag geändert wurde, ist auf den Tag abzustellen, an dem der geänderte Antrag bei der Schiedsstelle eingegangen ist. 5Ein jeweils vor diesem Zeitpunkt zurückwirkendes Vereinbaren oder Festsetzen von Vergütungen ist in den Fällen der Sätze 1 bis 4 nicht zulässig.


§ 127 SGB IX – Verbindlichkeit der vereinbarten Vergütung

(1) 1Mit der Zahlung der vereinbarten Vergütung gelten alle während des Vereinbarungszeitraumes entstandenen Ansprüche des Leistungserbringers auf Vergütung der Leistung der Eingliederungshilfe als abgegolten. 2Die im Einzelfall zu zahlende Vergütung bestimmt sich auf der Grundlage der jeweiligen Vereinbarung nach dem Betrag, der dem Leistungsberechtigten vom zuständigen Träger der Eingliederungshilfe bewilligt worden ist. 3Sind Leistungspauschalen nach Gruppen von Leistungsberechtigten kalkuliert ( § 125 Absatz 3 Satz 3 ), richtet sich die zu zahlende Vergütung nach der Gruppe, die dem Leistungsberechtigten vom zuständigen Träger der Eingliederungshilfe bewilligt wurde.

(2) Einer Erhöhung der Vergütung auf Grund von Investitionsmaßnahmen, die während des laufenden Vereinbarungszeitraumes getätigt werden, muss der Träger der Eingliederungshilfe zustimmen, soweit er der Maßnahme zuvor dem Grunde und der Höhe nach zugestimmt hat.

(3) 1Bei unvorhergesehenen wesentlichen Änderungen der Annahmen, die der Vergütungsvereinbarung oder der Entscheidung der Schiedsstelle über die Vergütung zugrunde lagen, ist die Vergütung auf Verlangen einer Vertragspartei für den laufenden Vereinbarungszeitraum neu zu verhandeln. 2Für eine Neuverhandlung gelten die Vorschriften zum Verfahren und Inkrafttreten ( § 126 ) entsprechend.

(4) Nach Ablauf des Vereinbarungszeitraumes gilt die vereinbarte oder durch die Schiedsstelle festgesetzte Vergütung bis zum Inkrafttreten einer neuen Vergütungsvereinbarung weiter.


§ 128 SGB IX – Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfung

(1) 1Soweit tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Leistungserbringer seine vertraglichen oder gesetzlichen Pflichten nicht erfüllt, prüft der Träger der Eingliederungshilfe oder ein von diesem beauftragter Dritter die Wirtschaftlichkeit und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der vereinbarten Leistungen des Leistungserbringers. 2Die Leistungserbringer sind verpflichtet, dem Träger der Eingliederungshilfe auf Verlangen die für die Prüfung erforderlichen Unterlagen vorzulegen und Auskünfte zu erteilen. 3Zur Vermeidung von Doppelprüfungen arbeiten die Träger der Eingliederungshilfe mit den Trägern der Sozialhilfe, mit den für die Heimaufsicht zuständigen Behörden sowie mit dem Medizinischen Dienst gemäß § 278 des Fünften Buches zusammen. 4Der Träger der Eingliederungshilfe ist berechtigt und auf Anforderung verpflichtet, den für die Heimaufsicht zuständigen Behörden die Daten über den Leistungserbringer sowie die Ergebnisse der Prüfungen mitzuteilen, soweit sie für die Zwecke der Prüfung durch den Empfänger erforderlich sind. 5Personenbezogene Daten sind vor der Datenübermittlung zu anonymisieren. 6Abweichend von Satz 5 dürfen personenbezogene Daten in nicht anonymisierter Form an die für die Heimaufsicht zuständigen Behörden übermittelt werden, soweit sie zu deren Aufgabenerfüllung erforderlich sind. 7Durch Landesrecht kann von der Einschränkung in Satz 1 erster Halbsatz abgewichen werden.

Absatz 1 Satz 2 eingefügt durch G vom 18. 4. 2019 (BGBl I S. 473). Satz 3 geändert durch G vom 14. 12. 2019 (BGBl I S. 2789). Sätze 4 bis 6 eingefügt durch G vom 18. 4. 2019 (a. a. O.); der bisherige Satz 3 wurde Satz 7.

(2) Die Prüfung nach Absatz 1 kann ohne vorherige Ankündigung erfolgen und erstreckt sich auf Inhalt, Umfang, Wirtschaftlichkeit und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der erbrachten Leistungen.

(3) 1Der Träger der Eingliederungshilfe hat den Leistungserbringer über das Ergebnis der Prüfung schriftlich zu unterrichten. 2Das Ergebnis der Prüfung ist dem Leistungsberechtigten in einer wahrnehmbaren Form zugänglich zu machen.


§ 129 SGB IX – Kürzung der Vergütung

(1) 1Hält ein Leistungserbringer seine gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen ganz oder teilweise nicht ein, ist die vereinbarte Vergütung für die Dauer der Pflichtverletzung entsprechend zu kürzen. 2Über die Höhe des Kürzungsbetrags ist zwischen den Vertragsparteien Einvernehmen herzustellen. 3Kommt eine Einigung nicht zustande, entscheidet auf Antrag einer Vertragspartei die Schiedsstelle. 4Für das Verfahren bei Entscheidungen durch die Schiedsstelle gilt § 126 Absatz 2  und  3 entsprechend.

(2) Der Kürzungsbetrag ist an den Träger der Eingliederungshilfe bis zu der Höhe zurückzuzahlen, in der die Leistung vom Träger der Eingliederungshilfe erbracht worden ist und im Übrigen an die Leistungsberechtigten zurückzuzahlen.

(3) 1Der Kürzungsbetrag kann nicht über die Vergütungen refinanziert werden. 2Darüber hinaus besteht hinsichtlich des Kürzungsbetrags kein Anspruch auf Nachverhandlung gemäß § 127 Absatz 3 .


§ 130 SGB IX – Außerordentliche Kündigung der Vereinbarungen

1Der Träger der Eingliederungshilfe kann die Vereinbarungen mit einem Leistungserbringer fristlos kündigen, wenn ihm ein Festhalten an den Vereinbarungen auf Grund einer groben Verletzung einer gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtung durch den Leistungserbringer nicht mehr zumutbar ist. 2Eine grobe Pflichtverletzung liegt insbesondere dann vor, wenn

  1. 1.

    Leistungsberechtigte infolge der Pflichtverletzung zu Schaden kommen,

  2. 2.

    gravierende Mängel bei der Leistungserbringung vorhanden sind,

  3. 3.

    dem Leistungserbringer nach heimrechtlichen Vorschriften die Betriebserlaubnis entzogen ist,

  4. 4.

    dem Leistungserbringer der Betrieb untersagt wird oder

  5. 5.

    der Leistungserbringer gegenüber dem Leistungsträger nicht erbrachte Leistungen abrechnet.

3Die Kündigung bedarf der Schriftform. 4 § 59 des Zehnten Buches gilt entsprechend.


§ 131 SGB IX – Rahmenverträge zur Erbringung von Leistungen

(1) 1Die Träger der Eingliederungshilfe schließen auf Landesebene mit den Vereinigungen der Leistungserbringer gemeinsam und einheitlich Rahmenverträge zu den schriftlichen Vereinbarungen nach § 125 ab. 2Die Rahmenverträge bestimmen

  1. 1.

    die nähere Abgrenzung der den Vergütungspauschalen und -beträgen nach § 125 Absatz 1 zugrunde zu legenden Kostenarten und -bestandteile sowie die Zusammensetzung der Investitionsbeträge nach § 125 Absatz 2 ,

  2. 2.

    den Inhalt und die Kriterien für die Ermittlung und Zusammensetzung der Leistungspauschalen, die Merkmale für die Bildung von Gruppen mit vergleichbarem Bedarf nach § 125 Absatz 3 Satz 3 sowie die Zahl der zu bildenden Gruppen,

  3. 3.

    die Höhe der Leistungspauschale nach § 125 Absatz 3 Satz 1 ,

  4. 4.

    die Zuordnung der Kostenarten und -bestandteile nach § 125 Absatz 4 Satz 1 ,

  5. 5.

    die Festlegung von Personalrichtwerten oder anderen Methoden zur Festlegung der personellen Ausstattung,

  6. 6.

    die Grundsätze und Maßstäbe für die Wirtschaftlichkeit und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der Leistungen sowie Inhalt und Verfahren zur Durchführung von Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfungen und

  7. 7.

    das Verfahren zum Abschluss von Vereinbarungen.

3Für Leistungserbringer, die einer Kirche oder Religionsgemeinschaft des öffentlichen Rechts oder einem sonstigen freigemeinnützigen Träger zuzuordnen sind, können die Rahmenverträge auch von der Kirche oder Religionsgemeinschaft oder von dem Wohlfahrtsverband abgeschlossen werden, dem der Leistungserbringer angehört. 4In den Rahmenverträgen sollen die Merkmale und Besonderheiten der jeweiligen Leistungen berücksichtigt werden.

(2) Die durch Landesrecht bestimmten maßgeblichen Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen wirken bei der Erarbeitung und Beschlussfassung der Rahmenverträge mit.

(3) Die Vereinigungen der Träger der Eingliederungshilfe und die Vereinigungen der Leistungserbringer vereinbaren gemeinsam und einheitlich Empfehlungen auf Bundesebene zum Inhalt der Rahmenverträge.

(4) Kommt es nicht innerhalb von sechs Monaten nach schriftlicher Aufforderung durch die Landesregierung zu einem Rahmenvertrag, so kann die Landesregierung die Inhalte durch Rechtsverordnung regeln.


§ 132 SGB IX – Abweichende Zielvereinbarungen

(1) Leistungsträger und Träger der Leistungserbringer können Zielvereinbarungen zur Erprobung neuer und zur Weiterentwicklung der bestehenden Leistungs- und Finanzierungsstrukturen abschließen.

(2) Die individuellen Leistungsansprüche der Leistungsberechtigten bleiben unberührt.

(3) Absatz 1 gilt nicht, soweit auch Leistungen nach dem Siebten Kapitel des Zwölften Buches gewährt werden.


§ 133 SGB IX – Schiedsstelle

(1) Für jedes Land oder für Teile eines Landes wird eine Schiedsstelle gebildet.

(2) Die Schiedsstelle besteht aus Vertretern der Leistungserbringer und Vertretern der Träger der Eingliederungshilfe in gleicher Zahl sowie einem unparteiischen Vorsitzenden.

(3) 1Die Vertreter der Leistungserbringer und deren Stellvertreter werden von den Vereinigungen der Leistungserbringer bestellt. 2Bei der Bestellung ist die Trägervielfalt zu beachten. 3Die Vertreter der Träger der Eingliederungshilfe und deren Stellvertreter werden von diesen bestellt. 4Der Vorsitzende und sein Stellvertreter werden von den beteiligten Organisationen gemeinsam bestellt. 5Kommt eine Einigung nicht zustande, werden sie durch Los bestimmt. 6Soweit die beteiligten Organisationen der Leistungserbringer oder die Träger der Eingliederungshilfe keinen Vertreter bestellen oder im Verfahren nach Satz 3 keine Kandidaten für das Amt des Vorsitzenden und des Stellvertreters benennen, bestellt die zuständige Landesbehörde auf Antrag eines der Beteiligten die Vertreter und benennt die Kandidaten für die Position des Vorsitzenden und seines Stellvertreters.

(4) 1Die Mitglieder der Schiedsstelle führen ihr Amt als Ehrenamt. 2Sie sind an Weisungen nicht gebunden. 3Jedes Mitglied hat eine Stimme. 4Die Entscheidungen werden mit der Mehrheit der Mitglieder getroffen. 5Ergibt sich keine Mehrheit, entscheidet die Stimme des Vorsitzenden.

(5) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere zu bestimmen über

  1. 1.

    die Zahl der Schiedsstellen,

  2. 2.

    die Zahl der Mitglieder und deren Bestellung,

  3. 3.

    die Amtsdauer und Amtsführung,

  4. 4.

    die Erstattung der baren Auslagen und die Entschädigung für den Zeitaufwand der Mitglieder der Schiedsstelle,

  5. 5.

    die Geschäftsführung,

  6. 6.

    das Verfahren,

  7. 7.

    die Erhebung und die Höhe der Gebühren,

  8. 8.

    die Verteilung der Kosten,

  9. 9.

    die Rechtsaufsicht sowie

  10. 10.

    die Beteiligung der Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen.


§ 134 SGB IX – Sonderregelung zum Inhalt der Vereinbarungen zur Erbringung von Leistungen für minderjährige Leistungsberechtigte und in Sonderfällen

(1) In der schriftlichen Vereinbarung zur Erbringung von Leistungen für minderjährige Leistungsberechtigte zwischen dem Träger der Eingliederungshilfe und dem Leistungserbringer sind zu regeln:

  1. 1.

    Inhalt, Umfang und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der Leistungen (Leistungsvereinbarung) sowie

  2. 2.

    die Vergütung der Leistung (Vergütungsvereinbarung).

(2) In die Leistungsvereinbarung sind als wesentliche Leistungsmerkmale insbesondere aufzunehmen:

  1. 1.

    die betriebsnotwendigen Anlagen des Leistungserbringers,

  2. 2.

    der zu betreuende Personenkreis,

  3. 3.

    Art, Ziel und Qualität der Leistung,

  4. 4.

    die Festlegung der personellen Ausstattung,

  5. 5.

    die Qualifikation des Personals sowie

  6. 6.

    die erforderliche sächliche Ausstattung.

(3) 1Die Vergütungsvereinbarung besteht mindestens aus

  1. 1.

    der Grundpauschale für Unterkunft und Verpflegung,

  2. 2.

    der Maßnahmepauschale sowie

  3. 3.

    einem Betrag für betriebsnotwendige Anlagen einschließlich ihrer Ausstattung (Investitionsbetrag).

2Förderungen aus öffentlichen Mitteln sind anzurechnen. 3Die Maßnahmepauschale ist nach Gruppen für Leistungsberechtigte mit vergleichbarem Bedarf zu kalkulieren.

(4) 1Die Absätze 1 bis 3 finden auch Anwendung, wenn volljährige Leistungsberechtigte Leistungen zur Schulbildung nach § 112 Absatz 1 Nummer 1 sowie Leistungen zur schulischen Ausbildung für einen Beruf nach § 112 Absatz 1 Nummer 2 erhalten, soweit diese Leistungen in besonderen Ausbildungsstätten über Tag und Nacht für Menschen mit Behinderungen erbracht werden. 2Entsprechendes gilt bei anderen volljährigen Leistungsberechtigten, wenn

  1. 1.

    das Konzept des Leistungserbringers auf Minderjährige als zu betreuenden Personenkreis ausgerichtet ist,

  2. 2.

    der Leistungsberechtigte von diesem Leistungserbringer bereits Leistungen über Tag und Nacht auf Grundlage von Vereinbarungen nach den Absätzen 1 bis 3, § 78b des Achten Buches , § 75 Absatz 3 des Zwölften Buches in der am 31. Dezember 2019 geltenden Fassung oder nach Maßgabe des § 75 Absatz 4 des Zwölften Buches in der am 31. Dezember 2019 geltenden Fassung erhalten hat und

  3. 3.

    der Leistungsberechtigte nach Erreichen der Volljährigkeit für eine kurze Zeit, in der Regel nicht länger als bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, Leistungen von diesem Leistungserbringer weitererhält, mit denen insbesondere vor dem Erreichen der Volljährigkeit definierte Teilhabeziele erreicht werden sollen.

Absatz 4 Satz 2 angefügt durch G vom 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2135).


§§ 90 - 150a, Teil 2 - Besondere Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen (Eingliederungshilferecht)
§§ 135 - 142, Kapitel 9 - Einkommen und Vermögen

§ 135 SGB IX – Begriff des Einkommens

(1) Maßgeblich für die Ermittlung des Beitrages nach § 136 ist die Summe der Einkünfte des Vorvorjahres nach § 2 Absatz 2 des Einkommensteuergesetzes sowie bei Renteneinkünften die Bruttorente des Vorvorjahres.

(2) Wenn zum Zeitpunkt der Leistungsgewährung eine erhebliche Abweichung zu den Einkünften des Vorvorjahres besteht, sind die voraussichtlichen Jahreseinkünfte des laufenden Jahres im Sinne des Absatzes 1 zu ermitteln und zugrunde zu legen.


§ 136 SGB IX – Beitrag aus Einkommen zu den Aufwendungen

(1) Bei den Leistungen nach diesem Teil ist ein Beitrag zu den Aufwendungen aufzubringen, wenn das Einkommen im Sinne des § 135 der antragstellenden Person sowie bei minderjährigen Personen der im Haushalt lebenden Eltern oder des im Haushalt lebenden Elternteils die Beträge nach Absatz 2 übersteigt.

Absatz 1 geändert durch G vom 30. 11. 2019 (BGBl I S. 1948).

(2) 1Ein Beitrag zu den Aufwendungen ist aufzubringen, wenn das Einkommen im Sinne des § 135 überwiegend

  1. 1.

    aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit erzielt wird und 85 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches übersteigt oder

  2. 2.

    aus einer nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erzielt wird und 75 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches übersteigt oder

  3. 3.

    aus Renteneinkünften erzielt wird und 60 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches übersteigt.

2Wird das Einkommen im Sinne des § 135 überwiegend aus anderen Einkunftsarten erzielt, ist Satz 1 Nummer 2 entsprechend anzuwenden.

Absatz 2 Satz 2 angefügt durch G vom 30. 11. 2019 (BGBl I S. 1948).

(3) Die Beträge nach Absatz 2 erhöhen sich für den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner, den Partner einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft um 15 Prozent sowie für jedes unterhaltsberechtigte Kind im Haushalt um 10 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches .

(4) 1Übersteigt das Einkommen im Sinne des § 135 einer in Absatz 3 erster Halbsatz genannten Person den Betrag, der sich nach Absatz 2 ergibt, findet Absatz 3 keine Anwendung. 2In diesem Fall erhöhen sich für jedes unterhaltsberechtigte Kind im Haushalt die Beträge nach Absatz 2 um 5 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches .

Absatz 4 Satz 2 geändert durch G vom 30. 11. 2019 (BGBl I S. 1948).

(5) 1Ist der Leistungsberechtigte minderjährig und lebt im Haushalt der Eltern, erhöht sich der Betrag nach Absatz 2 um 75 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches für jeden Leistungsberechtigten. 2Die Absätze 3 und 4 sind nicht anzuwenden.


§ 137 SGB IX – Höhe des Beitrages zu den Aufwendungen

(1) Die antragstellende Person im Sinne des § 136 Absatz 1 hat aus dem Einkommen im Sinne des § 135 einen Beitrag zu den Aufwendungen nach Maßgabe der Absätze 2 und 3 aufzubringen.

(2) 1Wenn das Einkommen die Beträge nach § 136 Absatz 2 übersteigt, ist ein monatlicher Beitrag in Höhe von 2 Prozent des den Betrag nach § 136 Absatz 2 bis 5 übersteigenden Betrages als monatlicher Beitrag aufzubringen. 2Der nach Satz 1 als monatlicher Beitrag aufzubringende Betrag ist auf volle 10 Euro abzurunden.

Absatz 2 Satz 1 geändert durch G vom 30. 11. 2019 (BGBl I S. 1948).

(3) Der Beitrag ist von der zu erbringenden Leistung abzuziehen.

(4) 1Ist ein Beitrag von anderen Personen aufzubringen als dem Leistungsberechtigten und ist die Durchführung der Maßnahme der Eingliederungshilfeleistung ohne Entrichtung des Beitrages gefährdet, so kann im Einzelfall die erforderliche Leistung ohne Abzug nach Absatz 3 erbracht werden. 2Die in Satz 1 genannten Personen haben dem Träger der Eingliederungshilfe die Aufwendungen im Umfang des Beitrages zu ersetzen; mehrere Verpflichtete haften als Gesamtschuldner.

Absatz 4 Satz 2 neugefasst durch G vom 30. 11. 2019 (BGBl I S. 1948).


§ 138 SGB IX – Besondere Höhe des Beitrages zu den Aufwendungen

(1) Ein Beitrag ist nicht aufzubringen bei

  1. 1.

    heilpädagogischen Leistungen nach § 113 Absatz 2 Nummer 3 ,

  2. 2.

    Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 109 ,

  3. 3.

    Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 111 Absatz 1 ,

  4. 4.

    Leistungen zur Teilhabe an Bildung nach § 112 Absatz 1 Nummer 1 ,

  5. 5.

    Leistungen zur schulischen oder hochschulischen Ausbildung oder Weiterbildung für einen Beruf nach § 112 Absatz 1 Nummer 2 , soweit diese Leistungen in besonderen Ausbildungsstätten über Tag und Nacht für Menschen mit Behinderungen erbracht werden,

  6. 6.

    Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten nach § 113 Absatz 2 Nummer 5 , soweit diese der Vorbereitung auf die Teilhabe am Arbeitsleben nach § 111 Absatz 1 dienen,

  7. 7.

    Leistungen nach § 113 Absatz 1 , die noch nicht eingeschulten leistungsberechtigten Personen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen sollen,

  8. 8.

    gleichzeitiger Gewährung von Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Zweiten oder Zwölften Buch oder nach § 27a des Bundesversorgungsgesetzes .

Absatz 1 Nummer 5 neugefasst durch G vom 17. 7. 2017 (BGBl I S. 2541).

(2) Wenn ein Beitrag nach § 137 aufzubringen ist, ist für weitere Leistungen im gleichen Zeitraum oder weitere Leistungen an minderjährige Kinder im gleichen Haushalt nach diesem Teil kein weiterer Beitrag aufzubringen.

(3) Bei einmaligen Leistungen zur Beschaffung von Bedarfsgegenständen, deren Gebrauch für mindestens ein Jahr bestimmt ist, ist höchstens das Vierfache des monatlichen Beitrages einmalig aufzubringen.

Absatz 4 gestrichen durch G vom 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2135).


§ 139 SGB IX – Begriff des Vermögens

1Zum Vermögen im Sinne dieses Teils gehört das gesamte verwertbare Vermögen. 2Die Leistungen nach diesem Teil dürfen nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung des Vermögens im Sinne des § 90 Absatz 2 Nummer 1 bis 8 und 10 des Zwölften Buches und eines Barvermögens oder sonstiger Geldwerte bis zu einem Betrag von 150 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches . 3Die Eingliederungshilfe darf ferner nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde.

Satz 2 geändert durch G vom 22. 12. 2023 (BGBl 2023 I Nr. 408) (1. 1. 2024). Satz 3 angefügt durch G vom 30. 11. 2019 (BGBl I S. 1948).


§ 140 SGB IX – Einsatz des Vermögens

(1) Die antragstellende Person sowie bei minderjährigen Personen die im Haushalt lebenden Eltern oder ein Elternteil haben vor der Inanspruchnahme von Leistungen nach diesem Teil die erforderlichen Mittel aus ihrem Vermögen aufzubringen.

(2) 1Soweit für den Bedarf der nachfragenden Person Vermögen einzusetzen ist, jedoch der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung des Vermögens nicht möglich ist oder für die, die es einzusetzen hat, eine Härte bedeuten würde, soll die beantragte Leistung als Darlehen geleistet werden. 2Die Leistungserbringung kann davon abhängig gemacht werden, dass der Anspruch auf Rückzahlung dinglich oder in anderer Weise gesichert wird.

(3) Die in § 138 Absatz 1 genannten Leistungen sind ohne Berücksichtigung von vorhandenem Vermögen zu erbringen.


§ 141 SGB IX – Übergang von Ansprüchen

(1) 1Hat eine Person im Sinne von § 136 Absatz 1 oder der nicht getrennt lebende Ehegatte oder Lebenspartner für die antragstellende Person einen Anspruch gegen einen anderen, der kein Leistungsträger im Sinne des § 12 des Ersten Buches ist, kann der Träger der Eingliederungshilfe durch schriftliche Anzeige an den anderen bewirken, dass dieser Anspruch bis zur Höhe seiner Aufwendungen auf ihn übergeht. 2Dies gilt nicht für bürgerlich-rechtliche Unterhaltsansprüche.

Absatz 1 Satz 2 angefügt durch G vom 30. 11. 2019 (BGBl I S. 1948).

(2) 1Der Übergang des Anspruches darf nur insoweit bewirkt werden, als bei rechtzeitiger Leistung des anderen entweder die Leistung nicht erbracht worden wäre oder ein Beitrag aufzubringen wäre. 2Der Übergang ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Anspruch nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden kann.

(3) 1Die schriftliche Anzeige bewirkt den Übergang des Anspruches für die Zeit, für die der leistungsberechtigten Person die Leistung ohne Unterbrechung erbracht wird. 2Als Unterbrechung gilt ein Zeitraum von mehr als zwei Monaten.

(4) 1Widerspruch und Anfechtungsklage gegen den Verwaltungsakt, der den Übergang des Anspruches bewirkt, haben keine aufschiebende Wirkung. 2Die §§ 115  und  116 des Zehnten Buches gehen der Regelung des Absatzes 1 vor.


§ 142 SGB IX – Sonderregelungen für minderjährige Leistungsberechtigte und in Sonderfällen

(1) Minderjährigen Leistungsberechtigten und ihren Eltern oder einem Elternteil ist bei Leistungen im Sinne des § 138 Absatz 1 Nummer 1, 2, 4, 5 und 7 die Aufbringung der Mittel für die Kosten des Lebensunterhalts nur in Höhe der für den häuslichen Lebensunterhalt ersparten Aufwendungen zuzumuten, soweit Leistungen über Tag und Nacht oder über Tag erbracht werden.

Absatz 1 geändert durch G vom 30. 11. 2019 (BGBl I S. 1948).

(2) 1Sind Leistungen von einem oder mehreren Anbietern über Tag und Nacht oder über Tag oder für ärztliche oder ärztlich verordnete Maßnahmen erforderlich, sind die Leistungen, die der Vereinbarung nach § 134 Absatz 3 zugrunde liegen, durch den Träger der Eingliederungshilfe auch dann in vollem Umfang zu erbringen, wenn den minderjährigen Leistungsberechtigten und ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel nach Absatz 1 zu einem Teil zuzumuten ist. 2In Höhe dieses Teils haben sie zu den Kosten der erbrachten Leistungen beizutragen; mehrere Verpflichtete haften als Gesamtschuldner.

Absatz 2 Satz 2 angefügt durch G vom 30. 11. 2019 (BGBl I S. 1948).

(3) 1Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für volljährige Leistungsberechtigte, wenn diese Leistungen erhalten, denen Vereinbarungen nach § 134 Absatz 4 zugrunde liegen. 2In diesem Fall ist den volljährigen Leistungsberechtigten die Aufbringung der Mittel für die Kosten des Lebensunterhalts nur in Höhe der für ihren häuslichen Lebensunterhalt ersparten Aufwendungen zuzumuten.

Absatz 3 neugefasst durch G vom 2. 6. 2021 (BGBl I S. 1387).

Absatz 4 gestrichen durch G vom 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2135).


§§ 90 - 150a, Teil 2 - Besondere Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen (Eingliederungshilferecht)
§§ 143 - 148, Kapitel 10 - Statistik

§ 143 SGB IX – Bundesstatistik

Zur Beurteilung der Auswirkungen dieses Teils und zu seiner Fortentwicklung werden Erhebungen über

  1. 1.

    die Leistungsberechtigten und

  2. 2.

    die Ausgaben und Einnahmen der Träger der Eingliederungshilfe

als Bundesstatistik durchgeführt.


§ 144 SGB IX – Erhebungsmerkmale

(1) Erhebungsmerkmale bei den Erhebungen nach § 143 Nummer 1 sind für jeden Leistungsberechtigten

  1. 1.

    Geschlecht, Geburtsmonat und -jahr, Staatsangehörigkeit, Bundesland, Wohngemeinde und Gemeindeteil, Kennnummer des Trägers, mit anderen Leistungsberechtigten zusammenlebend, erbrachte Leistungsarten im Laufe und am Ende des Berichtsjahres,

  2. 2.

    die Höhe der Bedarfe für jede erbrachte Leistungsart, die Höhe des aufgebrachten Beitrags nach § 92 , die Art des angerechneten Einkommens, Beginn und Ende der Leistungserbringung nach Monat und Jahr, die für mehrere Leistungsberechtigte erbrachte Leistung, die Leistung als pauschalierte Geldleistung, die Leistung durch ein Persönliches Budget sowie

  3. 3.

    gleichzeitiger Bezug von Leistungen nach dem Zweiten , Elften oder Zwölften Buch .

(2) Merkmale bei den Erhebungen nach Absatz 1 Nummer 1 und 2 nach der Art der Leistung sind insbesondere:

  1. 1.

    Leistung zur medizinischen Rehabilitation,

  2. 2.

    Leistung zur Beschäftigung im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten für behinderte Menschen,

  3. 3.

    Leistung zur Beschäftigung bei anderen Leistungsanbietern,

  4. 4.

    Leistung zur Beschäftigung bei privaten und öffentlichen Arbeitgebern,

  5. 5.

    Leistung zur Teilhabe an Bildung,

  6. 6.

    Leistung für Wohnraum,

  7. 7.

    Assistenzleistung nach § 113 Absatz 2 Nummer 2 in Verbindung mit § 78 Absatz 2 Nummer 1 ,

  8. 8.

    Assistenzleistung nach § 113 Absatz 2 Nummer 2 in Verbindung mit § 78 Absatz 2 Nummer 2 ,

  9. 9.

    heilpädagogische Leistung,

  10. 10.

    Leistung zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten,

  11. 11.

    Leistung zur Förderung der Verständigung,

  12. 12.

    Leistung für ein Kraftfahrzeug,

  13. 13.

    Leistung zur Beförderung insbesondere durch einen Beförderungsdienst,

  14. 14.

    Hilfsmittel im Rahmen der Sozialen Teilhabe und

  15. 15.

    Besuchsbeihilfen.

(3) Erhebungsmerkmale nach § 143 Nummer 2 sind das Bundesland, die Ausgaben gesamt nach der Art der Leistungen die Einnahmen gesamt und nach Einnahmearten sowie die Höhe der aufgebrachten Beiträge gesamt.


§ 145 SGB IX – Hilfsmerkmale

(1) Hilfsmerkmale sind

  1. 1.

    Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,

  2. 2.

    Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,

  3. 3.

    für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) 1Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. 2Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.


§ 146 SGB IX – Periodizität und Berichtszeitraum

Die Erhebungen erfolgen jährlich für das abgelaufene Kalenderjahr.


§ 147 SGB IX – Auskunftspflicht

(1) 1Für die Erhebungen besteht Auskunftspflicht. 2Die Angaben nach § 145 Absatz 1 Nummer 2 und die Angaben zum Gemeindeteil nach § 144 Absatz 1 Nummer 1 sind freiwillig.

(2) Auskunftspflichtig sind die Träger der Eingliederungshilfe.


§ 148 SGB IX – Übermittlung, Veröffentlichung

(1) Die in sich schlüssigen und nach einheitlichen Standards formatierten Einzeldatensätze sind von den Auskunftspflichtigen elektronisch bis zum Ablauf von 40 Arbeitstagen nach Ende des jeweiligen Berichtszeitraums an das jeweilige statistische Landesamt zu übermitteln.

(2) 1An die fachlich zuständigen obersten Bundes- oder Landesbehörden dürfen für die Verwendung gegenüber den gesetzgebenden Körperschaften und für Zwecke der Planung, jedoch nicht für die Regelung von Einzelfällen, vom Statistischen Bundesamt und von den statistischen Ämtern der Länder Tabellen mit statistischen Ergebnissen übermittelt werden, auch soweit Tabellenfelder nur einen einzigen Fall ausweisen. 2Tabellen, die nur einen einzigen Fall ausweisen, dürfen nur dann übermittelt werden, wenn sie nicht differenzierter als auf Regierungsbezirksebene, bei Stadtstaaten auf Bezirksebene, aufbereitet sind.

(3) 1Die statistischen Ämter der Länder stellen dem Statistischen Bundesamt für Zusatzaufbereitungen des Bundes jährlich unverzüglich nach Aufbereitung der Bestandserhebung und der Erhebung im Laufe des Berichtsjahres die Einzelangaben aus der Erhebung zur Verfügung. 2Angaben zu den Hilfsmerkmalen nach § 145 dürfen nicht übermittelt werden.

(4) Die Ergebnisse der Bundesstatistik nach diesem Kapitel dürfen auf die einzelnen Gemeinden bezogen veröffentlicht werden.


§§ 90 - 150a, Teil 2 - Besondere Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen (Eingliederungshilferecht)
§§ 149 - 150a, Kapitel 11 - Übergangs- und Schlussbestimmungen

§ 149 SGB IX – Übergangsregelung für ambulant Betreute

Für Personen, die Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen erhalten, deren Betreuung am 26. Juni 1996 durch von ihnen beschäftigte Personen oder ambulante Dienste sichergestellt wurde, gilt § 3a des Bundessozialhilfegesetzes in der am 26. Juni 1996 geltenden Fassung.


§ 150 SGB IX – Übergangsregelung zum Einsatz des Einkommens

Abweichend von Kapitel 9 sind bei der Festsetzung von Leistungen für Leistungsberechtigte, die am 31. Dezember 2019 Leistungen nach dem Sechsten Kapitel des Zwölften Buches in der Fassung vom 31. Dezember 2019 erhalten haben und von denen ein Einsatz des Einkommens über der Einkommensgrenze gemäß § 87 des Zwölften Buches in der Fassung vom 31. Dezember 2019 gefordert wurde, die am 31. Dezember 2019 geltenden Einkommensgrenzen nach dem Elften Kapitel des Zwölften Buches in der Fassung vom 31. Dezember 2019 zugrunde zu legen, solange der nach Kapitel 9 aufzubringende Beitrag höher ist als der Einkommenseinsatz nach dem am 31. Dezember 2019 geltenden Recht.


§ 150a SGB IX – Übergangsregelung für Ausländerinnen und Ausländer mit Aufenthaltstitel nach § 24 des Aufenthaltsgesetzes oder mit entsprechender Fiktionsbescheinigung

§ 100 Absatz 1 findet keine Anwendung, soweit Leistungsberechtigte nach § 18 des Asylbewerberleistungsgesetzes Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten.

Zu § 150a: Eingefügt durch G vom 23. 5. 2022 (BGBl I S. 760).


§§ 151 - 241, Teil 3 - Besondere Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (Schwerbehindertenrecht)
§§ 151 - 153a, Kapitel 1 - Geschützter Personenkreis

§ 151 SGB IX – Geltungsbereich

(1) Die Regelungen dieses Teils gelten für schwerbehinderte und diesen gleichgestellte behinderte Menschen.

(2) 1Die Gleichstellung behinderter Menschen mit schwerbehinderten Menschen ( § 2 Absatz 3 ) erfolgt auf Grund einer Feststellung nach § 152 auf Antrag des behinderten Menschen durch die Bundesagentur für Arbeit. 2Die Gleichstellung wird mit dem Tag des Eingangs des Antrags wirksam. 3Sie kann befristet werden.

(3) Auf gleichgestellte behinderte Menschen werden die besonderen Regelungen für schwerbehinderte Menschen mit Ausnahme des § 208 und des Kapitels 13 angewendet.

(4) 1Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind auch behinderte Jugendliche und junge Erwachsene ( § 2 Absatz 1 ) während der Zeit ihrer Berufsausbildung in Betrieben und Dienststellen oder einer beruflichen Orientierung, auch wenn der Grad der Behinderung weniger als 30 beträgt oder ein Grad der Behinderung nicht festgestellt ist. 2Der Nachweis der Behinderung wird durch eine Stellungnahme der Agentur für Arbeit oder durch einen Bescheid über Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht. 3Die Gleichstellung gilt nur für Leistungen des Integrationsamtes im Rahmen der beruflichen Orientierung und der Berufsausbildung im Sinne des § 185 Absatz 3 Nummer 2 Buchstabe c .


§ 152 SGB IX – Feststellung der Behinderung, Ausweise

(1) 1Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Vierzehnten Buches zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung zum Zeitpunkt der Antragstellung fest. 2Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein Grad der Behinderung oder gesundheitliche Merkmale bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen haben, wenn dafür ein besonderes Interesse glaubhaft gemacht wird. 3Beantragt eine erwerbstätige Person die Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch ( § 2 Absatz 2 ), gelten die in § 14 Absatz 2 Satz 2 und 3 sowie § 17 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 genannten Fristen sowie § 60 Absatz 1 des Ersten Buches entsprechend. 4Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. 5Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein Grad der Behinderung von wenigstens 20 vorliegt. 6Durch Landesrecht kann die Zuständigkeit abweichend von Satz 1 geregelt werden.

Absatz 1 Satz 1 geändert und Satz 4 gestrichen durch G vom 6. 6. 2023 (BGBl 2023 I Nr. 146) (1. 1. 2024); die bisherigen Sätze 5 bis 7 wurden Sätze 4 bis 6. Die Änderung durch G vom 12. 12. 2019 (BGBl I S. 2652) (1. 1. 2024) ist gegenstandlos durch G vom 6. 6. 2023 (BGBl 2023 I Nr. 146).

(2) 1Feststellungen nach Absatz 1 sind nicht zu treffen, wenn eine Feststellung über das Vorliegen einer Behinderung und den Grad einer auf ihr beruhenden Erwerbsminderung schon in einem Rentenbescheid, einer entsprechenden Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung oder einer vorläufigen Bescheinigung der für diese Entscheidungen zuständigen Dienststellen getroffen worden ist, es sei denn, dass der behinderte Mensch ein Interesse an anderweitiger Feststellung nach Absatz 1 glaubhaft macht. 2Eine Feststellung nach Satz 1 gilt zugleich als Feststellung des Grades der Behinderung.

(3) 1Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. 2Für diese Entscheidung gilt Absatz 1, es sei denn, dass in einer Entscheidung nach Absatz 2 eine Gesamtbeurteilung bereits getroffen worden ist.

(4) Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen im Verfahren nach Absatz 1.

(5) 1Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den Grad der Behinderung sowie im Falle des Absatzes 4 über weitere gesundheitliche Merkmale aus. 2Der Ausweis dient dem Nachweis für die Inanspruchnahme von Leistungen und sonstigen Hilfen, die schwerbehinderten Menschen nach diesem Teil oder nach anderen Vorschriften zustehen. 3Die Gültigkeitsdauer des Ausweises soll befristet werden. 4Er wird eingezogen, sobald der gesetzliche Schutz schwerbehinderter Menschen erloschen ist. 5Der Ausweis wird berichtigt, sobald eine Neufeststellung unanfechtbar geworden ist.


§ 153 SGB IX – Verordnungsermächtigung

(1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates nähere Vorschriften über die Gestaltung der Ausweise, ihre Gültigkeit und das Verwaltungsverfahren zu erlassen.

(2) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des Grades der Behinderung, die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind.


§ 153a SGB IX – Sachverständigenbeirat, Verfahren

Eingefügt durch G vom 6. 6. 2023 (BGBl 2023 I Nr. 146) (14. 6. 2023).

(1) 1Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein unabhängiger "Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizinische Begutachtung" gebildet. 2Der Beirat berät das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu allen versorgungsärztlichen Angelegenheiten und bereitet die Fortentwicklung der in der Versorgungsmedizin-Verordnung enthaltenen Versorgungsmedizinischen Grundsätze vor, die bei der Begutachtung im Schwerbehindertenrecht und im Sozialen Entschädigungsrecht verbindlich anzuwenden sind. 3Dies geschieht teilhabeorientiert auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft und der Medizintechnik unter Berücksichtigung versorgungsmedizinischer Erfordernisse.

(2) 1Für den Beirat benennen die Länder, der Deutsche Behindertenrat und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales jeweils sieben Personen, darunter jeweils mindestens vier Ärztinnen und Ärzte, die versorgungsmedizinisch oder wissenschaftlich besonders qualifiziert sind. 2Eine der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu benennenden Personen ist ein Vertreter oder eine Vertreterin aus dem versorgungsmedizinischen ärztlich-gutachterlichen Bereich der Bundeswehr. 3Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales beruft die benannten Personen als Mitglieder in den Beirat.

(3) 1Die Mitglieder des Beirates werden für die Dauer von vier Jahren berufen. 2Die Mitgliedschaft im Beirat ist ein persönliches Ehrenamt, das keine Vertretung zulässt. 3Die Mitglieder des Beirates unterliegen keinerlei Weisungen, üben ihre Tätigkeit unabhängig aus und sind nur ihrem Gewissen verantwortlich. 4Scheidet ein Mitglied aus, erfolgt für dieses Mitglied eine Neuberufung für den restlichen Zeitraum der Berufungsperiode. 5Der Beirat bestimmt durch Wahl aus seiner Mitte den Vorsitz sowie die Stellvertretung des Vorsitzes und gibt sich eine Geschäftsordnung. 6Die Geschäftsführung des Beirates wird vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales ausgeübt, welches zu den Sitzungen einlädt und im Einvernehmen mit dem vorsitzenden Mitglied die Tagesordnung festlegt.

(4) 1Die Beschlüsse des Beirates werden mit einfacher Mehrheit der berufenen Mitglieder gefasst. 2Zu den Beratungen des Beirates können externe Sachverständige hinzugezogen werden. 3Es können Arbeitsgruppen gebildet werden.


§§ 151 - 241, Teil 3 - Besondere Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (Schwerbehindertenrecht)
§§ 154 - 162, Kapitel 2 - Beschäftigungspflicht der Arbeitgeber

§ 154 SGB IX – Pflicht der Arbeitgeber zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen

(1) 1Private und öffentliche Arbeitgeber (Arbeitgeber) mit jahresdurchschnittlich monatlich mindestens 20 Arbeitsplätzen im Sinne des § 156 haben auf wenigstens 5 Prozent der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. 2Dabei sind schwerbehinderte Frauen besonders zu berücksichtigen. 3Abweichend von Satz 1 haben Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich monatlich weniger als 40 Arbeitsplätzen jahresdurchschnittlich je Monat einen schwerbehinderten Menschen, Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich monatlich weniger als 60 Arbeitsplätzen jahresdurchschnittlich je Monat zwei schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen.

(2) Als öffentliche Arbeitgeber im Sinne dieses Teils gelten

  1. 1.

    jede oberste Bundesbehörde mit ihren nachgeordneten Dienststellen, das Bundespräsidialamt, die Verwaltungen des Deutschen Bundestages und des Bundesrates, das Bundesverfassungsgericht, die obersten Gerichtshöfe des Bundes, der Bundesgerichtshof jedoch zusammengefasst mit dem Generalbundesanwalt, sowie das Bundeseisenbahnvermögen,

  2. 2.

    jede oberste Landesbehörde und die Staats- und Präsidialkanzleien mit ihren nachgeordneten Dienststellen, die Verwaltungen der Landtage, die Rechnungshöfe (Rechnungskammern), die Organe der Verfassungsgerichtsbarkeit der Länder und jede sonstige Landesbehörde, zusammengefasst jedoch diejenigen Behörden, die eine gemeinsame Personalverwaltung haben,

  3. 3.

    jede sonstige Gebietskörperschaft und jeder Verband von Gebietskörperschaften,

  4. 4.

    jede sonstige Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts.


§ 155 SGB IX – Beschäftigung besonderer Gruppen schwerbehinderter Menschen

(1) Im Rahmen der Erfüllung der Beschäftigungspflicht sind in angemessenem Umfang zu beschäftigen:

  1. 1.

    schwerbehinderte Menschen, die nach Art oder Schwere ihrer Behinderung im Arbeitsleben besonders betroffen sind, insbesondere solche,

    1. a)

      die zur Ausübung der Beschäftigung wegen ihrer Behinderung nicht nur vorübergehend einer besonderen Hilfskraft bedürfen oder

    2. b)

      deren Beschäftigung infolge ihrer Behinderung nicht nur vorübergehend mit außergewöhnlichen Aufwendungen für den Arbeitgeber verbunden ist oder

    3. c)

      die infolge ihrer Behinderung nicht nur vorübergehend offensichtlich nur eine wesentlich verminderte Arbeitsleistung erbringen können oder

    4. d)

      bei denen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 allein infolge geistiger oder seelischer Behinderung oder eines Anfallsleidens vorliegt oder

    5. e)

      die wegen Art oder Schwere der Behinderung keine abgeschlossene Berufsbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes haben,

  2. 2.

    schwerbehinderte Menschen, die das 50. Lebensjahr vollendet haben.

(2) 1Arbeitgeber mit Stellen zur beruflichen Bildung, insbesondere für Auszubildende, haben im Rahmen der Erfüllung der Beschäftigungspflicht einen angemessenen Anteil dieser Stellen mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen. 2Hierüber ist mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 176 und der Schwerbehindertenvertretung zu beraten.


§ 156 SGB IX – Begriff des Arbeitsplatzes

(1) Arbeitsplätze im Sinne dieses Teils sind alle Stellen, auf denen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter sowie Auszubildende und andere zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellte beschäftigt werden.

(2) Als Arbeitsplätze gelten nicht die Stellen, auf denen beschäftigt werden:

  1. 1.

    behinderte Menschen, die an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 Absatz 3 Nummer 4 in Betrieben oder Dienststellen teilnehmen,

  2. 2.

    Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient, sondern vorwiegend durch Beweggründe karitativer oder religiöser Art bestimmt ist, und Geistliche öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften,

  3. 3.

    Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient und die vorwiegend zu ihrer Heilung, Wiedereingewöhnung oder Erziehung erfolgt,

  4. 4.

    Personen, die an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach dem Dritten Buch teilnehmen,

  5. 5.

    Personen, die nach ständiger Übung in ihre Stellen gewählt werden,

  6. 6.

    Personen, deren Arbeits-, Dienst- oder sonstiges Beschäftigungsverhältnis wegen Wehr- oder Zivildienst, Elternzeit, unbezahlten Urlaubs, wegen Bezuges einer Rente auf Zeit oder bei Altersteilzeitarbeit in der Freistellungsphase (Verblockungsmodell) ruht, solange für sie eine Vertretung eingestellt ist.

(3) Als Arbeitsplätze gelten ferner nicht Stellen, die nach der Natur der Arbeit oder nach den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen nur auf die Dauer von höchstens acht Wochen besetzt sind, sowie Stellen, auf denen Beschäftigte weniger als 18 Stunden wöchentlich beschäftigt werden.


§ 157 SGB IX – Berechnung der Mindestzahl von Arbeitsplätzen und der Pflichtarbeitsplatzzahl

(1) 1Bei der Berechnung der Mindestzahl von Arbeitsplätzen und der Zahl der Arbeitsplätze, auf denen schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen sind ( § 154 ), zählen Stellen, auf denen Auszubildende beschäftigt werden, nicht mit. 2Das Gleiche gilt für Stellen, auf denen Rechts- oder Studienreferendarinnen und -referendare beschäftigt werden, die einen Rechtsanspruch auf Einstellung haben.

(2) Bei der Berechnung sich ergebende Bruchteile von 0,5 und mehr sind aufzurunden, bei Arbeitgebern mit jahresdurchschnittlich weniger als 60 Arbeitsplätzen abzurunden.


§ 158 SGB IX – Anrechnung Beschäftigter auf die Zahl der Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen

(1) Ein schwerbehinderter Mensch, der auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 Absatz 1 oder Absatz 2 Nummer 1 oder 4 beschäftigt wird, wird auf einen Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen angerechnet.

(2) 1Ein schwerbehinderter Mensch, der in Teilzeitbeschäftigung kürzer als betriebsüblich, aber nicht weniger als 18 Stunden wöchentlich beschäftigt wird, wird auf einen Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen angerechnet. 2Bei Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf weniger als 18 Stunden infolge von Altersteilzeit oder Teilzeitberufsausbildung gilt Satz 1 entsprechend. 3Wird ein schwerbehinderter Mensch weniger als 18 Stunden wöchentlich beschäftigt, lässt die Bundesagentur für Arbeit die Anrechnung auf einen dieser Pflichtarbeitsplätze zu, wenn die Teilzeitbeschäftigung wegen Art oder Schwere der Behinderung notwendig ist.

Absatz 2 Satz 2 geändert durch G vom 2. 6. 2021 (BGBl I S. 1387).

(3) Ein schwerbehinderter Mensch, der im Rahmen einer Maßnahme zur Förderung des Übergangs aus der Werkstatt für behinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ( § 5 Absatz 4 Satz 1 der Werkstättenverordnung ) beschäftigt wird, wird auch für diese Zeit auf die Zahl der Pflichtarbeitsplätze angerechnet.

(4) Ein schwerbehinderter Arbeitgeber wird auf einen Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen angerechnet.

(5) Der Inhaber eines Bergmannsversorgungsscheins wird, auch wenn er kein schwerbehinderter oder gleichgestellter behinderter Mensch im Sinne des § 2 Absatz 2  oder  3 ist, auf einen Pflichtarbeitsplatz angerechnet.


§ 159 SGB IX – Mehrfachanrechnung

(1) 1Die Bundesagentur für Arbeit kann die Anrechnung eines schwerbehinderten Menschen, besonders eines schwerbehinderten Menschen im Sinne des § 155 Absatz 1 auf mehr als einen Pflichtarbeitsplatz, höchstens drei Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen zulassen, wenn dessen Teilhabe am Arbeitsleben auf besondere Schwierigkeiten stößt. 2Satz 1 gilt auch für schwerbehinderte Menschen im Anschluss an eine Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen und für teilzeitbeschäftigte schwerbehinderte Menschen im Sinne des § 158 Absatz 2 .

(2) 1Ein schwerbehinderter Mensch, der beruflich ausgebildet wird, wird auf zwei Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen angerechnet. 2Satz 1 gilt auch während der Zeit einer Ausbildung im Sinne des § 51 Absatz 2 , die in einem Betrieb oder einer Dienststelle durchgeführt wird. 3Die Bundesagentur für Arbeit kann die Anrechnung auf drei Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen zulassen, wenn die Vermittlung in eine berufliche Ausbildungsstelle wegen Art oder Schwere der Behinderung auf besondere Schwierigkeiten stößt. 4Bei Übernahme in ein Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis durch den ausbildenden oder einen anderen Arbeitgeber im Anschluss an eine abgeschlossene Ausbildung wird der schwerbehinderte Mensch im ersten Jahr der Beschäftigung auf zwei Pflichtarbeitsplätze angerechnet; Absatz 1 bleibt unberührt.

(2a) Ein schwerbehinderter Mensch, der unmittelbar vorher in einer Werkstatt für behinderte Menschen oder bei einem anderen Leistungsanbieter beschäftigt war oder ein Budget für Arbeit erhält, wird in den ersten zwei Jahren der Beschäftigung auf zwei Pflichtarbeitsplätze angerechnet; Absatz 1 bleibt unberührt.

Absatz 2a eingefügt durch G vom 6. 6. 2023 (BGBl 2023 I Nr. 146) (1. 1. 2024).

(3) Bescheide über die Anrechnung eines schwerbehinderten Menschen auf mehr als drei Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen, die vor dem 1. August 1986 erlassen worden sind, gelten fort.


§ 160 SGB IX – Ausgleichsabgabe

(1) 1Solange Arbeitgeber die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen nicht beschäftigen, entrichten sie für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen eine Ausgleichsabgabe. 2Die Zahlung der Ausgleichsabgabe hebt die Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nicht auf. 3Die Ausgleichsabgabe wird auf der Grundlage einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote ermittelt.

(2) 1Die Ausgleichsabgabe beträgt je unbesetztem Pflichtarbeitsplatz

  1. 1.

    140 Euro bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote von 3 Prozent bis weniger als dem geltenden Pflichtsatz,

  2. 2.

    245 Euro bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote von 2 Prozent bis weniger als 3 Prozent,

  3. 3.

    360 Euro bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote von mehr als 0 Prozent bis weniger als 2 Prozent,

  4. 4.

    720 Euro bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote von 0 Prozent.

2Abweichend von Satz 1 beträgt die Ausgleichsabgabe je unbesetztem Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen

  1. 1.

    für Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich weniger als 40 zu berücksichtigenden Arbeitsplätzen bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigung von weniger als einem schwerbehinderten Menschen 140 Euro und bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigung von null schwerbehinderten Menschen 210 Euro und

  2. 2.

    für Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich weniger als 60 zu berücksichtigenden Arbeitsplätzen bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigung von weniger als zwei schwerbehinderten Menschen 140 Euro, bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigung von weniger als einem schwerbehinderten Menschen 245 Euro und bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigung von null schwerbehinderten Menschen 410 Euro.

Absatz 2 Satz 1 Nummern 1 und 2 geändert, Nummer 3 neugefasst und Nummer 4 angefügt durch G vom 6. 6. 2023 (BGBl 2023 I Nr. 146) (1. 1. 2024). Satz 2 neugefasst durch G vom 6. 6. 2023 (a. a. O.) (1. 1. 2024).

(3) 1Die Ausgleichsabgabe erhöht sich entsprechend der Veränderung der Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches . 2Sie erhöht sich zum 1. Januar eines Kalenderjahres, wenn sich die Bezugsgröße seit der letzten Neubestimmung der Beträge der Ausgleichsabgabe um wenigstens 10 Prozent erhöht hat. 3Die Erhöhung der Ausgleichsabgabe erfolgt, indem der Faktor für die Veränderung der Bezugsgröße mit dem jeweiligen Betrag der Ausgleichsabgabe vervielfältigt wird. 4Die sich ergebenden Beträge sind auf den nächsten durch fünf teilbaren Betrag abzurunden. 5Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gibt den Erhöhungsbetrag und die sich nach Satz 3 ergebenden Beträge der Ausgleichsabgabe im Bundesanzeiger bekannt.  (1)

(4) 1Die Ausgleichsabgabe zahlt der Arbeitgeber jährlich zugleich mit der Erstattung der Anzeige nach § 163 Absatz 2 an das für seinen Sitz zuständige Integrationsamt. 2Ist ein Arbeitgeber mehr als drei Monate im Rückstand, erlässt das Integrationsamt einen Feststellungsbescheid über die rückständigen Beträge und zieht diese ein. 3Für rückständige Beträge der Ausgleichsabgabe erhebt das Integrationsamt nach dem 31. März Säumniszuschläge nach Maßgabe des § 24 Absatz 1 des Vierten Buches ; für ihre Verwendung gilt Absatz 5 entsprechend. 4Das Integrationsamt kann in begründeten Ausnahmefällen von der Erhebung von Säumniszuschlägen absehen. 5Widerspruch und Anfechtungsklage gegen den Feststellungsbescheid haben keine aufschiebende Wirkung. 6Gegenüber privaten Arbeitgebern wird die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften über das Verwaltungszwangsverfahren durchgeführt. 7Bei öffentlichen Arbeitgebern wendet sich das Integrationsamt an die Aufsichtsbehörde, gegen deren Entscheidung es die Entscheidung der obersten Bundes- oder Landesbehörde anrufen kann. 8Die Ausgleichsabgabe wird nach Ablauf des Kalenderjahres, das auf den Eingang der Anzeige bei der Bundesagentur für Arbeit folgt, weder nachgefordert noch erstattet.

(5) 1Die Ausgleichsabgabe darf nur für besondere Leistungen zur Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben einschließlich begleitender Hilfe im Arbeitsleben ( § 185 Absatz 1 Nummer 3 ) verwendet werden, soweit Mittel für denselben Zweck nicht von anderer Seite zu leisten sind oder geleistet werden. 2Aus dem Aufkommen an Ausgleichsabgabe dürfen persönliche und sächliche Kosten der Verwaltung und Kosten des Verfahrens nicht bestritten werden. 3Das Integrationsamt gibt dem Beratenden Ausschuss für behinderte Menschen bei dem Integrationsamt ( § 186 ) auf dessen Verlangen eine Übersicht über die Verwendung der Ausgleichsabgabe.

(6) 1Die Integrationsämter leiten den in der Rechtsverordnung nach § 162 bestimmten Prozentsatz des Aufkommens an Ausgleichsabgabe an den Ausgleichsfonds ( § 161 ) weiter. 2Zwischen den Integrationsämtern wird ein Ausgleich herbeigeführt. 3Der auf das einzelne Integrationsamt entfallende Anteil am Aufkommen an Ausgleichsabgabe bemisst sich nach dem Mittelwert aus dem Verhältnis der Wohnbevölkerung im Zuständigkeitsbereich des Integrationsamtes zur Wohnbevölkerung im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches und dem Verhältnis der Zahl der im Zuständigkeitsbereich des Integrationsamtes in den Betrieben und Dienststellen beschäftigungspflichtiger Arbeitgeber auf Arbeitsplätzen im Sinne des § 156 beschäftigten und der bei den Agenturen für Arbeit arbeitslos gemeldeten schwerbehinderten und diesen gleichgestellten behinderten Menschen zur entsprechenden Zahl der schwerbehinderten und diesen gleichgestellten behinderten Menschen im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs.

(7) 1Die bei den Integrationsämtern verbleibenden Mittel der Ausgleichsabgabe werden von diesen gesondert verwaltet. 2Die Rechnungslegung und die formelle Einrichtung der Rechnungen und Belege regeln sich nach den Bestimmungen, die für diese Stellen allgemein maßgebend sind.

(8) Für die Verpflichtung zur Entrichtung einer Ausgleichsabgabe (Absatz 1) gelten hinsichtlich der in § 154 Absatz 2 Nummer 1 genannten Stellen der Bund und hinsichtlich der in § 154 Absatz 2 Nummer 2 genannten Stellen das Land als ein Arbeitgeber.

(1) Red. Anm.:

Nach Nummer 1 der Bekanntmachung über die Anpassung der Ausgleichsabgabe (§ 160 Absatz 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch [SGB IX]), der Eigenbeteiligung für die unentgeltliche Beförderung (§ 228 Absatz 2 Satz 2 SGB IX), der übernahmefähigen Kinderbetreuungskosten (§ 74 Absatz 3 Satz 3 SGB IX) und der Finanzierung der Werkstatträte Deutschland (§ 39 Absatz 4 Satz 1 der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung) vom 19. November 2020 (BAnz AT 30.11.2020 B1) erhöhen sich die monatlichen Sätze der Ausgleichsabgabe ab dem 1. Januar 2021 wie folgt:

bisheriger Satzneuer Satz
125 Euro140 Euro
220 Euro245 Euro
320 Euro360 Euro

Die neuen Sätze gelten für Arbeitsplätze, die ab dem 1. Januar 2021 unbesetzt sind. Sie sind erstmals zum 31. März 2022 zu zahlen, wenn die Ausgleichsabgabe für das Jahr 2021 fällig wird.


§ 161 SGB IX – Ausgleichsfonds

(1) 1Zur besonderen Förderung der Einstellung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen auf Arbeitsplätzen und zur Förderung von Maßnahmen, die den Interessen mehrerer Länder auf dem Gebiet der Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben dienen, ist beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales als zweckgebundene Vermögensmasse ein Ausgleichsfonds für überregionale Vorhaben zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben gebildet. 2Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales verwaltet den Ausgleichsfonds.

Absatz 1 Satz 1 geändert durch G vom 6. 6. 2023 (BGBl 2023 I Nr. 146) (1. 1. 2024).

Absätze 2 und 3 angefügt durch G vom 6. 6. 2023 (BGBl 2023 I Nr. 146) (1. 1. 2024); der bisherige Wortlaut des § 161 wurde (geändert) Absatz 1.

(2) Abweichend von § 160 Absatz 5 Satz 1 dürfen sich Vorhaben, die aus dem Ausgleichsfonds finanziert werden, auch auf die Förderung der Ausbildung von nicht schwerbehinderten Jugendlichen und jungen Erwachsenen erstrecken, wenn diese Personen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten.

(3) Abweichend von § 160 Absatz 5 Satz 2 werden bei Vorhaben, die aus dem Ausgleichsfonds gefördert werden, auch die dabei anfallenden Administrationskosten aus dem Ausgleichsfonds finanziert.


§ 162 SGB IX – Verordnungsermächtigungen

Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

  1. 1.

    die Pflichtquote nach § 154 Absatz 1 nach dem jeweiligen Bedarf an Arbeitsplätzen für schwerbehinderte Menschen zu ändern, jedoch auf höchstens 10 Prozent zu erhöhen oder bis auf 4 Prozent herabzusetzen; dabei kann die Pflichtquote für öffentliche Arbeitgeber höher festgesetzt werden als für private Arbeitgeber,

  2. 2.

    nähere Vorschriften über die Verwendung der Ausgleichsabgabe nach § 160 Absatz 5 und die Gestaltung des Ausgleichsfonds nach § 161 , die Verwendung der Mittel durch ihn für die Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben und das Vergabe- und Verwaltungsverfahren des Ausgleichsfonds zu erlassen,

  3. 3.

    in der Rechtsverordnung nach Nummer 2

    1. a)

      den Anteil des an den Ausgleichsfonds weiterzuleitenden Aufkommens an Ausgleichsabgabe entsprechend den erforderlichen Aufwendungen zur Erfüllung der Aufgaben des Ausgleichsfonds und der Integrationsämter sowie

    2. b)

      den Ausgleich zwischen den Integrationsämtern auf Vorschlag der Länder oder einer Mehrheit der Länder abweichend von § 160 Absatz 6 Satz 3

    zu regeln,

  4. 4.

    die Ausgleichsabgabe bei Arbeitgebern, die über weniger als 30 Arbeitsplätze verfügen, für einen bestimmten Zeitraum allgemein oder für einzelne Bundesländer herabzusetzen oder zu erlassen, wenn die Zahl der unbesetzten Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen die Zahl der zu beschäftigenden schwerbehinderten Menschen so erheblich übersteigt, dass die Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen dieser Arbeitgeber nicht in Anspruch genommen zu werden brauchen.

Nummer 3 Buchstaben a und b geändert und Buchstabe c gestrichen durch G vom 6. 6. 2023 (BGBl 2023 I Nr. 146) (1. 1. 2024).


§§ 151 - 241, Teil 3 - Besondere Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (Schwerbehindertenrecht)
§§ 163 - 167, Kapitel 3 - Sonstige Pflichten der Arbeitgeber; Rechte der schwerbehinderten Menschen

§ 163 SGB IX – Zusammenwirken der Arbeitgeber mit der Bundesagentur für Arbeit und den Integrationsämtern

(1) Die Arbeitgeber haben, gesondert für jeden Betrieb und jede Dienststelle, ein Verzeichnis der bei ihnen beschäftigten schwerbehinderten, ihnen gleichgestellten behinderten Menschen und sonstigen anrechnungsfähigen Personen laufend zu führen und dieses den Vertretern oder Vertreterinnen der Bundesagentur für Arbeit und des Integrationsamtes, die für den Sitz des Betriebes oder der Dienststelle zuständig sind, auf Verlangen vorzulegen.

(2) 1Die Arbeitgeber haben der für ihren Sitz zuständigen Agentur für Arbeit einmal jährlich bis spätestens zum 31. März für das vorangegangene Kalenderjahr, aufgegliedert nach Monaten, die Daten anzuzeigen, die zur Berechnung des Umfangs der Beschäftigungspflicht, zur Überwachung ihrer Erfüllung und der Ausgleichsabgabe notwendig sind. 2Der Anzeige sind das nach Absatz 1 geführte Verzeichnis sowie eine Kopie der Anzeige und des Verzeichnisses zur Weiterleitung an das für ihren Sitz zuständige Integrationsamt beizufügen. 3Dem Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- und Präsidialrat, der Schwerbehindertenvertretung und dem Inklusionsbeauftragten des Arbeitgebers ist je eine Kopie der Anzeige und des Verzeichnisses zu übermitteln.

(3) Zeigt ein Arbeitgeber die Daten bis zum 30. Juni nicht, nicht richtig oder nicht vollständig an, erlässt die Bundesagentur für Arbeit nach Prüfung in tatsächlicher sowie in rechtlicher Hinsicht einen Feststellungsbescheid über die zur Berechnung der Zahl der Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen und der besetzten Arbeitsplätze notwendigen Daten.

(4) Die Arbeitgeber, die Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen nicht zur Verfügung zu stellen haben, haben die Anzeige nur nach Aufforderung durch die Bundesagentur für Arbeit im Rahmen einer repräsentativen Teilerhebung zu erstatten, die mit dem Ziel der Erfassung der in Absatz 1 genannten Personengruppen, aufgegliedert nach Bundesländern, alle fünf Jahre durchgeführt wird.

(5) Die Arbeitgeber haben der Bundesagentur für Arbeit und dem Integrationsamt auf Verlangen die Auskünfte zu erteilen, die zur Durchführung der besonderen Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter und ihnen gleichgestellter behinderter Menschen am Arbeitsleben notwendig sind.

(6) 1Für das Verzeichnis und die Anzeige des Arbeitgebers sind die mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen abgestimmten Vordrucke der Bundesagentur für Arbeit zu verwenden. 2Die Bundesagentur für Arbeit soll zur Durchführung des Anzeigeverfahrens in Abstimmung mit der Bundesarbeitsgemeinschaft ein elektronisches Übermittlungsverfahren zulassen.

(7) Die Arbeitgeber haben den Beauftragten der Bundesagentur für Arbeit und des Integrationsamtes auf Verlangen Einblick in ihren Betrieb oder ihre Dienststelle zu geben, soweit es im Interesse der schwerbehinderten Menschen erforderlich ist und Betriebs- oder Dienstgeheimnisse nicht gefährdet werden.

(8) Die Arbeitgeber haben die Vertrauenspersonen der schwerbehinderten Menschen ( § 177 Absatz 1 Satz 1 bis 3 und § 180 Absatz 1 bis 5 ) unverzüglich nach der Wahl und ihren Inklusionsbeauftragten für die Angelegenheiten der schwerbehinderten Menschen ( § 181 Satz 1 ) unverzüglich nach der Bestellung der für den Sitz des Betriebes oder der Dienststelle zuständigen Agentur für Arbeit und dem Integrationsamt zu benennen.


§ 164 SGB IX – Pflichten des Arbeitgebers und Rechte schwerbehinderter Menschen

(1) 1Die Arbeitgeber sind verpflichtet zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen, insbesondere mit bei der Agentur für Arbeit arbeitslos oder arbeitsuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen, besetzt werden können. 2Sie nehmen frühzeitig Verbindung mit der Agentur für Arbeit auf. 3Die Bundesagentur für Arbeit oder ein Integrationsfachdienst schlägt den Arbeitgebern geeignete schwerbehinderte Menschen vor. 4Über die Vermittlungsvorschläge und vorliegende Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen haben die Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung und die in § 176 genannten Vertretungen unmittelbar nach Eingang zu unterrichten. 5Bei Bewerbungen schwerbehinderter Richterinnen und Richter wird der Präsidialrat unterrichtet und gehört, soweit dieser an der Ernennung zu beteiligen ist. 6Bei der Prüfung nach Satz 1 beteiligen die Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung nach § 178 Absatz 2 und hören die in § 176 genannten Vertretungen an. 7Erfüllt der Arbeitgeber seine Beschäftigungspflicht nicht und ist die Schwerbehindertenvertretung oder eine in § 176 genannte Vertretung mit der beabsichtigten Entscheidung des Arbeitgebers nicht einverstanden, ist diese unter Darlegung der Gründe mit ihnen zu erörtern. 8Dabei wird der betroffene schwerbehinderte Mensch angehört. 9Alle Beteiligten sind vom Arbeitgeber über die getroffene Entscheidung unter Darlegung der Gründe unverzüglich zu unterrichten. 10Bei Bewerbungen schwerbehinderter Menschen ist die Schwerbehindertenvertretung nicht zu beteiligen, wenn der schwerbehinderte Mensch die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ausdrücklich ablehnt.

(2) 1Arbeitgeber dürfen schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. 2Im Einzelnen gelten hierzu die Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes .

(3) 1Die Arbeitgeber stellen durch geeignete Maßnahmen sicher, dass in ihren Betrieben und Dienststellen wenigstens die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen eine möglichst dauerhafte behinderungsgerechte Beschäftigung finden kann. 2Absatz 4 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(4) 1Die schwerbehinderten Menschen haben gegenüber ihren Arbeitgebern Anspruch auf

  1. 1.

    Beschäftigung, bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können,

  2. 2.

    bevorzugte Berücksichtigung bei innerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung zur Förderung ihres beruflichen Fortkommens,

  3. 3.

    Erleichterungen im zumutbaren Umfang zur Teilnahme an außerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung,

  4. 4.

    behinderungsgerechte Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätten einschließlich der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte sowie der Gestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsumfelds, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit, unter besonderer Berücksichtigung der Unfallgefahr,

  5. 5.

    Ausstattung ihres Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen

unter Berücksichtigung der Behinderung und ihrer Auswirkungen auf die Beschäftigung. 2Bei der Durchführung der Maßnahmen nach Satz 1 Nummer 1, 4 und 5 unterstützen die Bundesagentur für Arbeit und die Integrationsämter die Arbeitgeber unter Berücksichtigung der für die Beschäftigung wesentlichen Eigenschaften der schwerbehinderten Menschen. 3Ein Anspruch nach Satz 1 besteht nicht, soweit seine Erfüllung für den Arbeitgeber nicht zumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre oder soweit die staatlichen oder berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzvorschriften oder beamtenrechtliche Vorschriften entgegenstehen.

(5) 1Die Arbeitgeber fördern die Einrichtung von Teilzeitarbeitsplätzen. 2Sie werden dabei von den Integrationsämtern unterstützt. 3Schwerbehinderte Menschen haben einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung, wenn die kürzere Arbeitszeit wegen Art oder Schwere der Behinderung notwendig ist; Absatz 4 Satz 3 gilt entsprechend.


§ 165 SGB IX – Besondere Pflichten der öffentlichen Arbeitgeber

1Die Dienststellen der öffentlichen Arbeitgeber melden den Agenturen für Arbeit frühzeitig nach einer erfolglosen Prüfung zur internen Besetzung des Arbeitsplatzes frei werdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze ( § 156 ). 2Mit dieser Meldung gilt die Zustimmung zur Veröffentlichung der Stellenangebote als erteilt. 3Haben schwerbehinderte Menschen sich um einen solchen Arbeitsplatz beworben oder sind sie von der Bundesagentur für Arbeit oder einem von dieser beauftragten Integrationsfachdienst vorgeschlagen worden, werden sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. 4Eine Einladung ist entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. 5Einer Inklusionsvereinbarung nach § 166 bedarf es nicht, wenn für die Dienststellen dem § 166 entsprechende Regelungen bereits bestehen und durchgeführt werden.


§ 166 SGB IX – Inklusionsvereinbarung

(1) 1Die Arbeitgeber treffen mit der Schwerbehindertenvertretung und den in § 176 genannten Vertretungen in Zusammenarbeit mit dem Inklusionsbeauftragten des Arbeitgebers ( § 181 ) eine verbindliche Inklusionsvereinbarung. 2Auf Antrag der Schwerbehindertenvertretung wird unter Beteiligung der in § 176 genannten Vertretungen hierüber verhandelt. 3Ist eine Schwerbehindertenvertretung nicht vorhanden, steht das Antragsrecht den in § 176 genannten Vertretungen zu. 4Der Arbeitgeber oder die Schwerbehindertenvertretung kann das Integrationsamt einladen, sich an den Verhandlungen über die Inklusionsvereinbarung zu beteiligen. 5Das Integrationsamt soll dabei insbesondere darauf hinwirken, dass unterschiedliche Auffassungen überwunden werden. 6Der Agentur für Arbeit und dem Integrationsamt, die für den Sitz des Arbeitgebers zuständig sind, wird die Vereinbarung übermittelt.

(2) 1Die Vereinbarung enthält Regelungen im Zusammenhang mit der Eingliederung schwerbehinderter Menschen, insbesondere zur Personalplanung, Arbeitsplatzgestaltung, Gestaltung des Arbeitsumfelds, Arbeitsorganisation, Arbeitszeit sowie Regelungen über die Durchführung in den Betrieben und Dienststellen. 2Dabei ist die gleichberechtigte Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben bei der Gestaltung von Arbeitsprozessen und Rahmenbedingungen von Anfang an zu berücksichtigen. 3Bei der Personalplanung werden besondere Regelungen zur Beschäftigung eines angemessenen Anteils von schwerbehinderten Frauen vorgesehen.

(3) In der Vereinbarung können insbesondere auch Regelungen getroffen werden

  1. 1.

    zur angemessenen Berücksichtigung schwerbehinderter Menschen bei der Besetzung freier, frei werdender oder neuer Stellen,

  2. 2.

    zu einer anzustrebenden Beschäftigungsquote, einschließlich eines angemessenen Anteils schwerbehinderter Frauen,

  3. 3.

    zu Teilzeitarbeit,

  4. 4.

    zur Ausbildung behinderter Jugendlicher,

  5. 5.

    zur Durchführung der betrieblichen Prävention (betriebliches Eingliederungsmanagement) und zur Gesundheitsförderung,

  6. 6.

    über die Hinzuziehung des Werks- oder Betriebsarztes auch für Beratungen über Leistungen zur Teilhabe sowie über besondere Hilfen im Arbeitsleben.

(4) In den Versammlungen schwerbehinderter Menschen berichtet der Arbeitgeber über alle Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Eingliederung schwerbehinderter Menschen.


§ 167 SGB IX – Prävention

(1) Der Arbeitgeber schaltet bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis, die zur Gefährdung dieses Verhältnisses führen können, möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung und die in § 176 genannten Vertretungen sowie das Integrationsamt ein, um mit ihnen alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanzielle Leistungen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden können und das Arbeits- oder sonstige Beschäftigungsverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann.

(2) 1Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 176 , bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement). 2Beschäftigte können zusätzlich eine Vertrauensperson eigener Wahl hinzuziehen. 3Soweit erforderlich, wird der Werks- oder Betriebsarzt hinzugezogen. 4Die betroffene Person oder ihr gesetzlicher Vertreter ist zuvor auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen. 5Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, werden vom Arbeitgeber die Rehabilitationsträger oder bei schwerbehinderten Beschäftigten das Integrationsamt hinzugezogen. 6Diese wirken darauf hin, dass die erforderlichen Leistungen oder Hilfen unverzüglich beantragt und innerhalb der Frist des § 14 Absatz 2 Satz 2 erbracht werden. 7Die zuständige Interessenvertretung im Sinne des § 176 , bei schwerbehinderten Menschen außerdem die Schwerbehindertenvertretung, können die Klärung verlangen. 8Sie wachen darüber, dass der Arbeitgeber die ihm nach dieser Vorschrift obliegenden Verpflichtungen erfüllt.

Absatz 2 Satz 2 eingefügt durch G vom 2. 6. 2021 (BGBl I S. 1387); die bisherigen Sätze 2 bis 7 wurden Sätze 3 bis 8.

(3) Die Rehabilitationsträger und die Integrationsämter können Arbeitgeber, die ein betriebliches Eingliederungsmanagement einführen, durch Prämien oder einen Bonus fördern.


§§ 151 - 241, Teil 3 - Besondere Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (Schwerbehindertenrecht)
§§ 168 - 175, Kapitel 4 - Kündigungsschutz

§ 168 SGB IX – Erfordernis der Zustimmung

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber bedarf der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes.


§ 169 SGB IX – Kündigungsfrist

Die Kündigungsfrist beträgt mindestens vier Wochen.


§ 170 SGB IX – Antragsverfahren

(1) 1Die Zustimmung zur Kündigung beantragt der Arbeitgeber bei dem für den Sitz des Betriebes oder der Dienststelle zuständigen Integrationsamt schriftlich oder elektronisch. 2Der Begriff des Betriebes und der Begriff der Dienststelle im Sinne dieses Teils bestimmen sich nach dem Betriebsverfassungsgesetz und dem Personalvertretungsrecht.

Absatz 1 Satz 1 geändert durch G vom 17. 7. 2017 (BGBl I S. 2541).

(2) Das Integrationsamt holt eine Stellungnahme des Betriebsrates oder Personalrates und der Schwerbehindertenvertretung ein und hört den schwerbehinderten Menschen an.

(3) Das Integrationsamt wirkt in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hin.


§ 171 SGB IX – Entscheidung des Integrationsamtes

(1) Das Integrationsamt soll die Entscheidung, falls erforderlich, auf Grund mündlicher Verhandlung, innerhalb eines Monats vom Tag des Eingangs des Antrages an treffen.

(2) 1Die Entscheidung wird dem Arbeitgeber und dem schwerbehinderten Menschen zugestellt. 2Der Bundesagentur für Arbeit wird eine Abschrift der Entscheidung übersandt.

(3) Erteilt das Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung, kann der Arbeitgeber die Kündigung nur innerhalb eines Monats nach Zustellung erklären.

(4) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung haben keine aufschiebende Wirkung.

(5) 1In den Fällen des § 172 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass die Entscheidung innerhalb eines Monats vom Tag des Eingangs des Antrages an zu treffen ist. 2Wird innerhalb dieser Frist eine Entscheidung nicht getroffen, gilt die Zustimmung als erteilt. 3Die Absätze 3 und 4 gelten entsprechend.


§ 172 SGB IX – Einschränkungen der Ermessensentscheidung

(1) 1Das Integrationsamt erteilt die Zustimmung bei Kündigungen in Betrieben und Dienststellen, die nicht nur vorübergehend eingestellt oder aufgelöst werden, wenn zwischen dem Tag der Kündigung und dem Tag, bis zu dem Gehalt oder Lohn gezahlt wird, mindestens drei Monate liegen. 2Unter der gleichen Voraussetzung soll es die Zustimmung auch bei Kündigungen in Betrieben und Dienststellen erteilen, die nicht nur vorübergehend wesentlich eingeschränkt werden, wenn die Gesamtzahl der weiterhin beschäftigten schwerbehinderten Menschen zur Erfüllung der Beschäftigungspflicht nach § 154 ausreicht. 3Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, wenn eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz desselben Betriebes oder derselben Dienststelle oder auf einem freien Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb oder einer anderen Dienststelle desselben Arbeitgebers mit Einverständnis des schwerbehinderten Menschen möglich und für den Arbeitgeber zumutbar ist.

(2) Das Integrationsamt soll die Zustimmung erteilen, wenn dem schwerbehinderten Menschen ein anderer angemessener und zumutbarer Arbeitsplatz gesichert ist.

(3) Ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet, soll das Integrationsamt die Zustimmung erteilen, wenn

  1. 1.

    der schwerbehinderte Mensch in einem Interessenausgleich namentlich als einer der zu entlassenden Arbeitnehmer bezeichnet ist ( § 125 der Insolvenzordnung ),

  2. 2.

    die Schwerbehindertenvertretung beim Zustandekommen des Interessenausgleichs gemäß § 178 Absatz 2 beteiligt worden ist,

  3. 3.

    der Anteil der nach dem Interessenausgleich zu entlassenden schwerbehinderten Menschen an der Zahl der beschäftigten schwerbehinderten Menschen nicht größer ist als der Anteil der zu entlassenden übrigen Arbeitnehmer an der Zahl der beschäftigten übrigen Arbeitnehmer und

  4. 4.

    die Gesamtzahl der schwerbehinderten Menschen, die nach dem Interessenausgleich bei dem Arbeitgeber verbleiben sollen, zur Erfüllung der Beschäftigungspflicht nach § 154 ausreicht.


§ 173 SGB IX – Ausnahmen

(1) 1Die Vorschriften dieses Kapitels gelten nicht für schwerbehinderte Menschen,

  1. 1.

    deren Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung ohne Unterbrechung noch nicht länger als sechs Monate besteht oder

  2. 2.

    die auf Stellen im Sinne des § 156 Absatz 2 Nummer 2 bis 5 beschäftigt werden oder

  3. 3.

    deren Arbeitsverhältnis durch Kündigung beendet wird, sofern sie

    1. a)

      das 58. Lebensjahr vollendet haben und Anspruch auf eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung auf Grund eines Sozialplanes haben oder

    2. b)

      Anspruch auf Knappschaftsausgleichsleistung nach dem Sechsten Buch oder auf Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus haben.

2Satz 1 Nummer 3 (Buchstabe a und b) finden Anwendung, wenn der Arbeitgeber ihnen die Kündigungsabsicht rechtzeitig mitgeteilt hat und sie der beabsichtigten Kündigung bis zu deren Ausspruch nicht widersprechen.

Absatz 1 neugefasst durch G vom 17. 7. 2017 (BGBl I S. 2541).

(2) Die Vorschriften dieses Kapitels finden ferner bei Entlassungen, die aus Witterungsgründen vorgenommen werden, keine Anwendung, sofern die Wiedereinstellung der schwerbehinderten Menschen bei Wiederaufnahme der Arbeit gewährleistet ist.

(3) Die Vorschriften dieses Kapitels finden ferner keine Anwendung, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nicht nachgewiesen ist oder das Versorgungsamt nach Ablauf der Frist des § 152 Absatz 1 Satz 3 eine Feststellung wegen fehlender Mitwirkung nicht treffen konnte.

(4) Der Arbeitgeber zeigt Einstellungen auf Probe und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen schwerbehinderter Menschen in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 unabhängig von der Anzeigepflicht nach anderen Gesetzen dem Integrationsamt innerhalb von vier Tagen an.


§ 174 SGB IX – Außerordentliche Kündigung

(1) Die Vorschriften dieses Kapitels gelten mit Ausnahme von § 169 auch bei außerordentlicher Kündigung, soweit sich aus den folgenden Bestimmungen nichts Abweichendes ergibt.

(2) 1Die Zustimmung zur Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen beantragt werden; maßgebend ist der Eingang des Antrages bei dem Integrationsamt. 2Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.

(3) 1Das Integrationsamt trifft die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen vom Tag des Eingangs des Antrages an. 2Wird innerhalb dieser Frist eine Entscheidung nicht getroffen, gilt die Zustimmung als erteilt.

(4) Das Integrationsamt soll die Zustimmung erteilen, wenn die Kündigung aus einem Grund erfolgt, der nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht.

(5) Die Kündigung kann auch nach Ablauf der Frist des § 626 Absatz 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs erfolgen, wenn sie unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung erklärt wird.

(6) Schwerbehinderte Menschen, denen lediglich aus Anlass eines Streiks oder einer Aussperrung fristlos gekündigt worden ist, werden nach Beendigung des Streiks oder der Aussperrung wieder eingestellt.


§ 175 SGB IX – Erweiterter Beendigungsschutz

1Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen bedarf auch dann der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes, wenn sie im Falle des Eintritts einer teilweisen Erwerbsminderung, der Erwerbsminderung auf Zeit, der Berufsunfähigkeit oder der Erwerbsunfähigkeit auf Zeit ohne Kündigung erfolgt. 2Die Vorschriften dieses Kapitels über die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung gelten entsprechend.


§§ 151 - 241, Teil 3 - Besondere Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (Schwerbehindertenrecht)
§§ 176 - 183, Kapitel 5 - Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- und Präsidialrat, Schwerbehindertenvertretung, Inklusionsbeauftragter des Arbeitgebers

§ 176 SGB IX – Aufgaben des Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- und Präsidialrates

1Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- und Präsidialrat fördern die Eingliederung schwerbehinderter Menschen. 2Sie achten insbesondere darauf, dass die dem Arbeitgeber nach den §§ 154 , 155 und 164 bis 167 obliegenden Verpflichtungen erfüllt werden; sie wirken auf die Wahl der Schwerbehindertenvertretung hin.


§ 177 SGB IX – Wahl und Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung

(1) 1In Betrieben und Dienststellen, in denen wenigstens fünf schwerbehinderte Menschen nicht nur vorübergehend beschäftigt sind, werden eine Vertrauensperson und wenigstens ein stellvertretendes Mitglied gewählt, das die Vertrauensperson im Falle der Verhinderung vertritt. 2Ferner wählen bei Gerichten, denen mindestens fünf schwerbehinderte Richter oder Richterinnen angehören, diese einen Richter oder eine Richterin zu ihrer Schwerbehindertenvertretung. 3Satz 2 gilt entsprechend für Staatsanwälte oder Staatsanwältinnen, soweit für sie eine besondere Personalvertretung gebildet wird. 4Betriebe oder Dienststellen, die die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht erfüllen, können für die Wahl mit räumlich nahe liegenden Betrieben des Arbeitgebers oder gleichstufigen Dienststellen derselben Verwaltung zusammengefasst werden; soweit erforderlich, können Gerichte unterschiedlicher Gerichtszweige und Stufen zusammengefasst werden. 5Über die Zusammenfassung entscheidet der Arbeitgeber im Benehmen mit dem für den Sitz der Betriebe oder Dienststellen einschließlich Gerichten zuständigen Integrationsamt.

(2) Wahlberechtigt sind alle in dem Betrieb oder der Dienststelle beschäftigten schwerbehinderten Menschen.

(3) 1Wählbar sind alle in dem Betrieb oder der Dienststelle nicht nur vorübergehend Beschäftigten, die am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet haben und dem Betrieb oder der Dienststelle seit sechs Monaten angehören; besteht der Betrieb oder die Dienststelle weniger als ein Jahr, so bedarf es für die Wählbarkeit nicht der sechsmonatigen Zugehörigkeit. 2Nicht wählbar ist, wer kraft Gesetzes dem Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrat nicht angehören kann.

(4) In Dienststellen der Bundeswehr sind auch schwerbehinderte Soldatinnen und Soldaten wahlberechtigt und auch Soldatinnen und Soldaten wählbar.

(5) 1Die regelmäßigen Wahlen finden alle vier Jahre in der Zeit vom 1. Oktober bis 30. November statt. 2Außerhalb dieser Zeit finden Wahlen statt, wenn

  1. 1.

    das Amt der Schwerbehindertenvertretung vorzeitig erlischt und ein stellvertretendes Mitglied nicht nachrückt,

  2. 2.

    die Wahl mit Erfolg angefochten worden ist oder

  3. 3.

    eine Schwerbehindertenvertretung noch nicht gewählt ist.

3Hat außerhalb des für die regelmäßigen Wahlen festgelegten Zeitraumes eine Wahl der Schwerbehindertenvertretung stattgefunden, wird die Schwerbehindertenvertretung in dem auf die Wahl folgenden nächsten Zeitraum der regelmäßigen Wahlen neu gewählt. 4Hat die Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung zum Beginn des für die regelmäßigen Wahlen festgelegten Zeitraums noch nicht ein Jahr betragen, wird die Schwerbehindertenvertretung im übernächsten Zeitraum für regelmäßige Wahlen neu gewählt.

(6) 1Die Vertrauensperson und das stellvertretende Mitglied werden in geheimer und unmittelbarer Wahl nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl gewählt. 2Im Übrigen sind die Vorschriften über die Wahlanfechtung, den Wahlschutz und die Wahlkosten bei der Wahl des Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrates sinngemäß anzuwenden. 3In Betrieben und Dienststellen mit weniger als 50 wahlberechtigten schwerbehinderten Menschen wird die Vertrauensperson und das stellvertretende Mitglied im vereinfachten Wahlverfahren gewählt, sofern der Betrieb oder die Dienststelle nicht aus räumlich weit auseinanderliegenden Teilen besteht. 4Ist in einem Betrieb oder einer Dienststelle eine Schwerbehindertenvertretung nicht gewählt, so kann das für den Betrieb oder die Dienststelle zuständige Integrationsamt zu einer Versammlung schwerbehinderter Menschen zum Zwecke der Wahl eines Wahlvorstandes einladen.

(7) 1Die Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung beträgt vier Jahre. 2Sie beginnt mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses oder, wenn die Amtszeit der bisherigen Schwerbehindertenvertretung noch nicht beendet ist, mit deren Ablauf. 3Das Amt erlischt vorzeitig, wenn die Vertrauensperson es niederlegt, aus dem Arbeits-, Dienst- oder Richterverhältnis ausscheidet oder die Wählbarkeit verliert. 4Scheidet die Vertrauensperson vorzeitig aus dem Amt aus, rückt das mit der höchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Mitglied für den Rest der Amtszeit nach; dies gilt für das stellvertretende Mitglied entsprechend. 5Auf Antrag eines Viertels der wahlberechtigten schwerbehinderten Menschen kann der Widerspruchsausschuss bei dem Integrationsamt ( § 202 ) das Erlöschen des Amtes einer Vertrauensperson wegen grober Verletzung ihrer Pflichten beschließen.

(8) In Betrieben gilt § 21a des Betriebsverfassungsgesetzes entsprechend.


§ 178 SGB IX – Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung

(1) 1Die Schwerbehindertenvertretung fördert die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb oder die Dienststelle, vertritt ihre Interessen in dem Betrieb oder der Dienststelle und steht ihnen beratend und helfend zur Seite. 2Sie erfüllt ihre Aufgaben insbesondere dadurch, dass sie

  1. 1.

    darüber wacht, dass die zugunsten schwerbehinderter Menschen geltenden Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen und Verwaltungsanordnungen durchgeführt, insbesondere auch die dem Arbeitgeber nach den §§ 154 , 155 und 164 bis 167 obliegenden Verpflichtungen erfüllt werden,

  2. 2.

    Maßnahmen, die den schwerbehinderten Menschen dienen, insbesondere auch präventive Maßnahmen, bei den zuständigen Stellen beantragt,

  3. 3.

    Anregungen und Beschwerden von schwerbehinderten Menschen entgegennimmt und, falls sie berechtigt erscheinen, durch Verhandlung mit dem Arbeitgeber auf eine Erledigung hinwirkt; sie unterrichtet die schwerbehinderten Menschen über den Stand und das Ergebnis der Verhandlungen.

3Die Schwerbehindertenvertretung unterstützt Beschäftigte auch bei Anträgen an die nach § 152 Absatz 1 zuständigen Behörden auf Feststellung einer Behinderung, ihres Grades und einer Schwerbehinderung sowie bei Anträgen auf Gleichstellung an die Agentur für Arbeit. 4In Betrieben und Dienststellen mit in der Regel mehr als 100 beschäftigten schwerbehinderten Menschen kann sie nach Unterrichtung des Arbeitgebers das mit der höchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Mitglied zu bestimmten Aufgaben heranziehen. 5Ab jeweils 100 weiteren beschäftigten schwerbehinderten Menschen kann jeweils auch das mit der nächsthöheren Stimmenzahl gewählte Mitglied herangezogen werden. 6Die Heranziehung zu bestimmten Aufgaben schließt die Abstimmung untereinander ein.

(2) 1Der Arbeitgeber hat die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören; er hat ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen. 2Die Durchführung oder Vollziehung einer ohne Beteiligung nach Satz 1 getroffenen Entscheidung ist auszusetzen, die Beteiligung ist innerhalb von sieben Tagen nachzuholen; sodann ist endgültig zu entscheiden. 3Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne eine Beteiligung nach Satz 1 ausspricht, ist unwirksam. 4Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht auf Beteiligung am Verfahren nach § 164 Absatz 1 und beim Vorliegen von Vermittlungsvorschlägen der Bundesagentur für Arbeit nach § 164 Absatz 1 oder von Bewerbungen schwerbehinderter Menschen das Recht auf Einsicht in die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen und Teilnahme an Vorstellungsgesprächen.

(3) 1Der schwerbehinderte Mensch hat das Recht, bei Einsicht in die über ihn geführte Personalakte oder ihn betreffende Daten des Arbeitgebers die Schwerbehindertenvertretung hinzuzuziehen. 2Die Schwerbehindertenvertretung bewahrt über den Inhalt der Daten Stillschweigen, soweit sie der schwerbehinderte Mensch nicht von dieser Verpflichtung entbunden hat.

(4) 1Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht, an allen Sitzungen des Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrates und deren Ausschüssen sowie des Arbeitsschutzausschusses beratend teilzunehmen; sie kann beantragen, Angelegenheiten, die einzelne oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe besonders betreffen, auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung zu setzen. 2Erachtet sie einen Beschluss des Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrates als eine erhebliche Beeinträchtigung wichtiger Interessen schwerbehinderter Menschen oder ist sie entgegen Absatz 2 Satz 1 nicht beteiligt worden, wird auf ihren Antrag der Beschluss für die Dauer von einer Woche vom Zeitpunkt der Beschlussfassung an ausgesetzt; die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes und des Personalvertretungsrechts über die Aussetzung von Beschlüssen gelten entsprechend. 3Durch die Aussetzung wird eine Frist nicht verlängert. 4In den Fällen des § 21e Absatz 1  und  3 des Gerichtsverfassungsgesetzes ist die Schwerbehindertenvertretung, außer in Eilfällen, auf Antrag einer betroffenen schwerbehinderten Richterin oder eines schwerbehinderten Richters vor dem Präsidium des Gerichtes zu hören.

(5) Die Schwerbehindertenvertretung wird zu Besprechungen nach § 74 Absatz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes , § 65 des Bundespersonalvertretungsgesetzes sowie den entsprechenden Vorschriften des sonstigen Personalvertretungsrechts zwischen dem Arbeitgeber und den in Absatz 4 genannten Vertretungen hinzugezogen.

Absatz 5 geändert durch G vom 9. 6. 2021 (BGBl I S. 1614).

(6) 1Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht, mindestens einmal im Kalenderjahr eine Versammlung schwerbehinderter Menschen im Betrieb oder in der Dienststelle durchzuführen. 2Die für Betriebs- und Personalversammlungen geltenden Vorschriften finden entsprechende Anwendung.

(7) Sind in einer Angelegenheit sowohl die Schwerbehindertenvertretung der Richter und Richterinnen als auch die Schwerbehindertenvertretung der übrigen Bediensteten beteiligt, so handeln sie gemeinsam.

(8) Die Schwerbehindertenvertretung kann an Betriebs- und Personalversammlungen in Betrieben und Dienststellen teilnehmen, für die sie als Schwerbehindertenvertretung zuständig ist, und hat dort ein Rederecht, auch wenn die Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung nicht Angehörige des Betriebes oder der Dienststelle sind.


§ 179 SGB IX – Persönliche Rechte und Pflichten der Vertrauenspersonen der schwerbehinderten Menschen

(1) Die Vertrauenspersonen führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt.

(2) Die Vertrauenspersonen dürfen in der Ausübung ihres Amtes nicht behindert oder wegen ihres Amtes nicht benachteiligt oder begünstigt werden; dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung.

(3) 1Die Vertrauenspersonen besitzen gegenüber dem Arbeitgeber die gleiche persönliche Rechtsstellung, insbesondere den gleichen Kündigungs-, Versetzungs- und Abordnungsschutz, wie ein Mitglied des Betriebs-, Personal-, Staatsanwalts- oder Richterrates. 2Das stellvertretende Mitglied besitzt während der Dauer der Vertretung und der Heranziehung nach § 178 Absatz 1 Satz 4 und 5 die gleiche persönliche Rechtsstellung wie die Vertrauensperson, im Übrigen die gleiche Rechtsstellung wie Ersatzmitglieder der in Satz 1 genannten Vertretungen.

(4) 1Die Vertrauenspersonen werden von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts oder der Dienstbezüge befreit, wenn und soweit es zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. 2Sind in den Betrieben und Dienststellen in der Regel wenigstens 100 schwerbehinderte Menschen beschäftigt, wird die Vertrauensperson auf ihren Wunsch freigestellt; weitergehende Vereinbarungen sind zulässig. 3Satz 1 gilt entsprechend für die Teilnahme der Vertrauensperson und des mit der höchsten Stimmenzahl gewählten stellvertretenden Mitglieds sowie in den Fällen des § 178 Absatz 1 Satz 5 auch des jeweils mit der nächsthöheren Stimmenzahl gewählten weiteren stellvertretenden Mitglieds an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung erforderlich sind.

(5) 1Freigestellte Vertrauenspersonen dürfen von inner- oder außerbetrieblichen Maßnahmen der Berufsförderung nicht ausgeschlossen werden. 2Innerhalb eines Jahres nach Beendigung ihrer Freistellung ist ihnen im Rahmen der Möglichkeiten des Betriebes oder der Dienststelle Gelegenheit zu geben, eine wegen der Freistellung unterbliebene berufliche Entwicklung in dem Betrieb oder der Dienststelle nachzuholen. 3Für Vertrauenspersonen, die drei volle aufeinander folgende Amtszeiten freigestellt waren, erhöht sich der genannte Zeitraum auf zwei Jahre.

(6) Zum Ausgleich für ihre Tätigkeit, die aus betriebsbedingten oder dienstlichen Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, haben die Vertrauenspersonen Anspruch auf entsprechende Arbeits- oder Dienstbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts oder der Dienstbezüge.

(7) 1Die Vertrauenspersonen sind verpflichtet,

  1. 1.

    ihnen wegen ihres Amtes anvertraute oder sonst bekannt gewordene fremde Geheimnisse, namentlich zum persönlichen Lebensbereich gehörende Geheimnisse, nicht zu offenbaren und

  2. 2.

    ihnen wegen ihres Amtes bekannt gewordene und vom Arbeitgeber ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnete Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse nicht zu offenbaren und nicht zu verwerten.

2Diese Pflichten gelten auch nach dem Ausscheiden aus dem Amt. 3Sie gelten nicht gegenüber der Bundesagentur für Arbeit, den Integrationsämtern und den Rehabilitationsträgern, soweit deren Aufgaben den schwerbehinderten Menschen gegenüber es erfordern, gegenüber den Vertrauenspersonen in den Stufenvertretungen ( § 180 ) sowie gegenüber den in § 79 Absatz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes und den in den entsprechenden Vorschriften des Personalvertretungsrechts genannten Vertretungen, Personen und Stellen.

(8) 1Die durch die Tätigkeit der Schwerbehindertenvertretung entstehenden Kosten trägt der Arbeitgeber; für öffentliche Arbeitgeber gelten die Kostenregelungen für Personalvertretungen entsprechend. 2Das Gleiche gilt für die durch die Teilnahme der stellvertretenden Mitglieder an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen nach Absatz 4 Satz 3 entstehenden Kosten. 3Satz 1 umfasst auch eine Bürokraft für die Schwerbehindertenvertretung in erforderlichem Umfang.

(9) Die Räume und der Geschäftsbedarf, die der Arbeitgeber dem Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrat für dessen Sitzungen, Sprechstunden und laufende Geschäftsführung zur Verfügung stellt, stehen für die gleichen Zwecke auch der Schwerbehindertenvertretung zur Verfügung, soweit ihr hierfür nicht eigene Räume und sächliche Mittel zur Verfügung gestellt werden.


§ 180 SGB IX – Konzern-, Gesamt-, Bezirks- und Hauptschwerbehindertenvertretung

(1) 1Ist für mehrere Betriebe eines Arbeitgebers ein Gesamtbetriebsrat oder für den Geschäftsbereich mehrerer Dienststellen ein Gesamtpersonalrat errichtet, wählen die Schwerbehindertenvertretungen der einzelnen Betriebe oder Dienststellen eine Gesamtschwerbehindertenvertretung. 2Ist eine Schwerbehindertenvertretung nur in einem der Betriebe oder in einer der Dienststellen gewählt, nimmt sie die Rechte und Pflichten der Gesamtschwerbehindertenvertretung wahr.

(2) 1Ist für mehrere Unternehmen ein Konzernbetriebsrat errichtet, wählen die Gesamtschwerbehindertenvertretungen eine Konzernschwerbehindertenvertretung. 2Besteht ein Konzernunternehmen nur aus einem Betrieb, für den eine Schwerbehindertenvertretung gewählt ist, hat sie das Wahlrecht wie eine Gesamtschwerbehindertenvertretung.

(3) 1Für den Geschäftsbereich mehrstufiger Verwaltungen, bei denen ein Bezirks- oder Hauptpersonalrat gebildet ist, gilt Absatz 1 sinngemäß mit der Maßgabe, dass bei den Mittelbehörden von deren Schwerbehindertenvertretung und den Schwerbehindertenvertretungen der nachgeordneten Dienststellen eine Bezirksschwerbehindertenvertretung zu wählen ist. 2Bei den obersten Dienstbehörden ist von deren Schwerbehindertenvertretung und den Bezirksschwerbehindertenvertretungen des Geschäftsbereichs eine Hauptschwerbehindertenvertretung zu wählen; ist die Zahl der Bezirksschwerbehindertenvertretungen niedriger als zehn, sind auch die Schwerbehindertenvertretungen der nachgeordneten Dienststellen wahlberechtigt.

(4) 1Für Gerichte eines Zweiges der Gerichtsbarkeit, für die ein Bezirks- oder Hauptrichterrat gebildet ist, gilt Absatz 3 entsprechend. 2Sind in einem Zweig der Gerichtsbarkeit bei den Gerichten der Länder mehrere Schwerbehindertenvertretungen nach § 177 zu wählen und ist in diesem Zweig kein Hauptrichterrat gebildet, ist in entsprechender Anwendung von Absatz 3 eine Hauptschwerbehindertenvertretung zu wählen. 3Die Hauptschwerbehindertenvertretung nimmt die Aufgabe der Schwerbehindertenvertretung gegenüber dem Präsidialrat wahr.

(5) Für jede Vertrauensperson, die nach den Absätzen 1 bis 4 neu zu wählen ist, wird wenigstens ein stellvertretendes Mitglied gewählt.

(6) 1Die Gesamtschwerbehindertenvertretung vertritt die Interessen der schwerbehinderten Menschen in Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe oder Dienststellen des Arbeitgebers betreffen und von den Schwerbehindertenvertretungen der einzelnen Betriebe oder Dienststellen nicht geregelt werden können, sowie die Interessen der schwerbehinderten Menschen, die in einem Betrieb oder einer Dienststelle tätig sind, für die eine Schwerbehindertenvertretung nicht gewählt ist; dies umfasst auch Verhandlungen und den Abschluss entsprechender Inklusionsvereinbarungen. 2Satz 1 gilt entsprechend für die Konzern-, Bezirks- und Hauptschwerbehindertenvertretung sowie für die Schwerbehindertenvertretung der obersten Dienstbehörde, wenn bei einer mehrstufigen Verwaltung Stufenvertretungen nicht gewählt sind. 3Die nach Satz 2 zuständige Schwerbehindertenvertretung ist auch in persönlichen Angelegenheiten schwerbehinderter Menschen, über die eine übergeordnete Dienststelle entscheidet, zuständig; sie gibt der Schwerbehindertenvertretung der Dienststelle, die den schwerbehinderten Menschen beschäftigt, Gelegenheit zur Äußerung. 4Satz 3 gilt nicht in den Fällen, in denen der Personalrat der Beschäftigungsbehörde zu beteiligen ist.

(7) § 177 Absatz 3 bis 8 , § 178 Absatz 1 Satz 4 und 5 , Absatz 2 , 4 , 5  und  7 und § 179 gelten entsprechend, § 177 Absatz 5 mit der Maßgabe, dass die Wahl der Gesamt- und Bezirksschwerbehindertenvertretungen in der Zeit vom 1. Dezember bis 31. Januar, die der Konzern- und Hauptschwerbehindertenvertretungen in der Zeit vom 1. Februar bis 31. März stattfindet, § 177 Absatz 6 mit der Maßgabe, dass bei den Wahlen zu überörtlichen Vertretungen der zweite Halbsatz des Satzes 3 nicht gilt.

(8) § 178 Absatz 6 gilt für die Durchführung von Versammlungen der Vertrauens- und der Bezirksvertrauenspersonen durch die Gesamt-, Bezirks- oder Hauptschwerbehindertenvertretung entsprechend.


§ 181 SGB IX – Inklusionsbeauftragter des Arbeitgebers

1Der Arbeitgeber bestellt einen Inklusionsbeauftragten, der ihn in Angelegenheiten schwerbehinderter Menschen verantwortlich vertritt; falls erforderlich, können mehrere Inklusionsbeauftragte bestellt werden. 2Der Inklusionsbeauftragte soll nach Möglichkeit selbst ein schwerbehinderter Mensch sein. 3Der Inklusionsbeauftragte achtet vor allem darauf, dass dem Arbeitgeber obliegende Verpflichtungen erfüllt werden.


§ 182 SGB IX – Zusammenarbeit

(1) Arbeitgeber, Inklusionsbeauftragter des Arbeitgebers, Schwerbehindertenvertretung und Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrat arbeiten zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben in dem Betrieb oder der Dienststelle eng zusammen.

(2) 1Die in Absatz 1 genannten Personen und Vertretungen, die mit der Durchführung dieses Teils beauftragten Stellen und die Rehabilitationsträger unterstützen sich gegenseitig bei der Erfüllung ihrer Aufgaben. 2Vertrauensperson und Inklusionsbeauftragter des Arbeitgebers sind Verbindungspersonen zur Bundesagentur für Arbeit und zu dem Integrationsamt.


§ 183 SGB IX – Verordnungsermächtigung

Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates nähere Vorschriften über die Vorbereitung und Durchführung der Wahl der Schwerbehindertenvertretung und ihrer Stufenvertretungen zu erlassen.


§§ 151 - 241, Teil 3 - Besondere Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (Schwerbehindertenrecht)
§§ 184 - 191, Kapitel 6 - Durchführung der besonderen Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen

§ 184 SGB IX – Zusammenarbeit der Integrationsämter und der Bundesagentur für Arbeit

(1) Soweit die besonderen Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben nicht durch freie Entschließung der Arbeitgeber erfüllt werden, werden sie

  1. 1.

    in den Ländern von dem Amt für die Sicherung der Integration schwerbehinderter Menschen im Arbeitsleben (Integrationsamt) und

  2. 2.

    von der Bundesagentur für Arbeit

in enger Zusammenarbeit durchgeführt.

(2) Die den Rehabilitationsträgern nach den geltenden Vorschriften obliegenden Aufgaben bleiben unberührt.


§ 185 SGB IX – Aufgaben des Integrationsamtes

(1) 1Das Integrationsamt hat folgende Aufgaben:

  1. 1.

    die Erhebung und Verwendung der Ausgleichsabgabe,

  2. 2.

    den Kündigungsschutz,

  3. 3.

    die begleitende Hilfe im Arbeitsleben,

  4. 4.

    die zeitweilige Entziehung der besonderen Hilfen für schwerbehinderte Menschen ( § 200 ).

2Die Integrationsämter werden so ausgestattet, dass sie ihre Aufgaben umfassend und qualifiziert erfüllen können. 3Hierfür wird besonders geschultes Personal mit Fachkenntnissen des Schwerbehindertenrechts eingesetzt.

(2) 1Die begleitende Hilfe im Arbeitsleben wird in enger Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit und den übrigen Rehabilitationsträgern durchgeführt. 2Sie soll dahingehend wirken, dass die schwerbehinderten Menschen in ihrer sozialen Stellung nicht absinken, auf Arbeitsplätzen beschäftigt werden, auf denen sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse voll verwerten und weiterentwickeln können sowie durch Leistungen der Rehabilitationsträger und Maßnahmen der Arbeitgeber befähigt werden, sich am Arbeitsplatz und im Wettbewerb mit nichtbehinderten Menschen zu behaupten. 3Dabei gelten als Arbeitsplätze auch Stellen, auf denen Beschäftigte befristet oder als Teilzeitbeschäftigte in einem Umfang von mindestens 15 Stunden, in Inklusionsbetrieben mindestens zwölf Stunden wöchentlich beschäftigt werden. 4Die begleitende Hilfe im Arbeitsleben umfasst auch die nach den Umständen des Einzelfalles notwendige psychosoziale Betreuung schwerbehinderter Menschen. 5Das Integrationsamt kann bei der Durchführung der begleitenden Hilfen im Arbeitsleben Integrationsfachdienste einschließlich psychosozialer Dienste freier gemeinnütziger Einrichtungen und Organisationen beteiligen. 6Das Integrationsamt soll außerdem darauf Einfluss nehmen, dass Schwierigkeiten im Arbeitsleben verhindert oder beseitigt werden; es führt hierzu auch Schulungs- und Bildungsmaßnahmen für Vertrauenspersonen, Inklusionsbeauftragte der Arbeitgeber, Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- und Präsidialräte durch. 7Das Integrationsamt benennt in enger Abstimmung mit den Beteiligten des örtlichen Arbeitsmarktes Ansprechpartner, die in Handwerks- sowie in Industrie- und Handelskammern für die Arbeitgeber zur Verfügung stehen, um sie über Funktion und Aufgaben der Integrationsfachdienste aufzuklären, über Möglichkeiten der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben zu informieren und Kontakt zum Integrationsfachdienst herzustellen.

(3) Das Integrationsamt kann im Rahmen seiner Zuständigkeit für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln auch Geldleistungen erbringen, insbesondere

  1. 1.

    an schwerbehinderte Menschen

    1. a)

      für technische Arbeitshilfen,

    2. b)

      zum Erreichen des Arbeitsplatzes,

    3. c)

      zur Gründung und Erhaltung einer selbständigen beruflichen Existenz,

    4. d)

      zur Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung,

    5. e)

      zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten und

    6. f)

      in besonderen Lebenslagen,

  2. 2.

    an Arbeitgeber

    1. a)

      zur behinderungsgerechten Einrichtung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen für schwerbehinderte Menschen,

    2. b)

      für Zuschüsse zu Gebühren, insbesondere Prüfungsgebühren, bei der Berufsausbildung besonders betroffener schwerbehinderter Jugendlicher und junger Erwachsener,

    3. c)

      für Prämien und Zuschüsse zu den Kosten der Berufsausbildung behinderter Jugendlicher und junger Erwachsener, die für die Zeit der Berufsausbildung schwerbehinderten Menschen nach § 151 Absatz 4 gleichgestellt worden sind,

    4. d)

      für Prämien zur Einführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements und

    5. e)

      für außergewöhnliche Belastungen, die mit der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen im Sinne des § 155 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a bis d, von schwerbehinderten Menschen im Anschluss an eine Beschäftigung in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen oder im Sinne des § 158 Absatz 2 verbunden sind, vor allem, wenn ohne diese Leistungen das Beschäftigungsverhältnis gefährdet würde,

  3. 3.

    an Träger von Integrationsfachdiensten einschließlich psychosozialer Dienste freier gemeinnütziger Einrichtungen und Organisationen sowie an Träger von Inklusionsbetrieben,

  4. 4.

    zur Durchführung von Aufklärungs-, Schulungs- und Bildungsmaßnahmen,

  5. 5.

    nachrangig zur beruflichen Orientierung,

  6. 6.

    zur Deckung eines Teils der Aufwendungen für ein Budget für Arbeit oder eines Teils der Aufwendungen für ein Budget für Ausbildung.

Absatz 3 Nummer 6 geändert durch G vom 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2135).

(4) Schwerbehinderte Menschen haben im Rahmen der Zuständigkeit des Integrationsamtes aus den ihm aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehenden Mitteln Anspruch auf Übernahme der Kosten einer Berufsbegleitung nach § 55 Absatz 3 .

(5) 1Schwerbehinderte Menschen haben im Rahmen der Zuständigkeit des Integrationsamtes für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus den ihm aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehenden Mitteln Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz. 2Der Anspruch richtet sich auf die Übernahme der vollen Kosten, die für eine als notwendig festgestellte Arbeitsassistenz entstehen.

Absatz 5 Satz 2 angefügt durch G vom 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2135).

(6) 1Verpflichtungen anderer werden durch die Absätze 3 bis 5 nicht berührt. 2Leistungen der Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 dürfen, auch wenn auf sie ein Rechtsanspruch nicht besteht, nicht deshalb versagt werden, weil nach den besonderen Regelungen für schwerbehinderte Menschen entsprechende Leistungen vorgesehen sind; eine Aufstockung durch Leistungen des Integrationsamtes findet nicht statt.

(7) 1Die §§ 14 , 15 Absatz 1 , die §§ 16  und  17 gelten sinngemäß, wenn bei dem Integrationsamt eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben beantragt wird. 2Das Gleiche gilt, wenn ein Antrag bei einem Rehabilitationsträger gestellt und der Antrag von diesem nach § 16 Absatz 2 des Ersten Buches an das Integrationsamt weitergeleitet worden ist. 3Ist die unverzügliche Erbringung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich, so kann das Integrationsamt die Leistung vorläufig erbringen. 4Hat das Integrationsamt eine Leistung erbracht, für die ein anderer Träger zuständig ist, so erstattet dieser die auf die Leistung entfallenden Aufwendungen.

(8) 1Auf Antrag führt das Integrationsamt seine Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben als Persönliches Budget aus. 2 § 29 gilt entsprechend.

(9) Ein Antrag auf eine Leistung, auf die ein Anspruch besteht (Absätze 4 und 5), gilt sechs Wochen nach Eingang als genehmigt, wenn

  1. 1.

    das Integrationsamt bis dahin nicht über den Antrag entschieden hat und

  2. 2.

    die beantragte Leistung nach Art und Umfang im Antrag genau bezeichnet ist.

Absatz 9 angefügt durch G vom 6. 6. 2023 (BGBl 2023 I Nr. 146) (1. 1. 2024).


§ 185a SGB IX – Einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber

Eingefügt durch G vom 2. 6. 2021 (BGBl I S. 1387).

(1) Einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber informieren, beraten und unterstützen Arbeitgeber bei der Ausbildung, Einstellung und Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen.

(2) 1Die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber werden als begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus Mitteln der Ausgleichsabgabe finanziert. 2Sie haben die Aufgabe,

  1. 1.

    Arbeitgeber anzusprechen und diese für die Ausbildung, Einstellung und Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen zu sensibilisieren,

  2. 2.

    Arbeitgebern als trägerunabhängiger Lotse bei Fragen zur Ausbildung, Einstellung, Berufsbegleitung und Beschäftigungssicherung von schwerbehinderten Menschen zur Verfügung zu stehen und

  3. 3.

    Arbeitgeber bei der Stellung von Anträgen bei den zuständigen Leistungsträgern zu unterstützen.

(3) 1Die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber sind flächendeckend einzurichten. 2Sie sind trägerunabhängig.

(4) Die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber sollen

  1. 1.

    für Arbeitgeber schnell zu erreichen sein,

  2. 2.

    über fachlich qualifiziertes Personal verfügen, das mit den Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen sowie der Beratung von Arbeitgebern und ihren Bedürfnissen vertraut ist, sowie

  3. 3.

    in der Region gut vernetzt sein.

(5) 1Die Integrationsämter beauftragen die Integrationsfachdienste oder andere geeignete Träger, als Einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber tätig zu werden. 2Die Integrationsämter wirken darauf hin, dass die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber flächendeckend zur Verfügung stehen und mit Dritten, die aufgrund ihres fachlichen Hintergrunds über eine besondere Betriebsnähe verfügen, zusammenarbeiten.


§ 186 SGB IX – Beratender Ausschuss für behinderte Menschen bei dem Integrationsamt

(1) 1Bei jedem Integrationsamt wird ein Beratender Ausschuss für behinderte Menschen gebildet, der die Teilhabe der behinderten Menschen am Arbeitsleben fördert, das Integrationsamt bei der Durchführung der besonderen Regelungen für schwerbehinderte Menschen zur Teilhabe am Arbeitsleben unterstützt und bei der Vergabe der Mittel der Ausgleichsabgabe mitwirkt. 2Soweit die Mittel der Ausgleichsabgabe zur institutionellen Förderung verwendet werden, macht der Beratende Ausschuss Vorschläge für die Entscheidungen des Integrationsamtes.

(2) Der Ausschuss besteht aus zehn Mitgliedern, und zwar aus

  1. 1.

    zwei Mitgliedern, die die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vertreten,

  2. 2.

    zwei Mitgliedern, die die privaten und öffentlichen Arbeitgeber vertreten,

  3. 3.

    vier Mitgliedern, die die Organisationen behinderter Menschen vertreten,

  4. 4.

    einem Mitglied, das das jeweilige Land vertritt,

  5. 5.

    einem Mitglied, das die Bundesagentur für Arbeit vertritt.

(3) 1Für jedes Mitglied ist eine Stellvertreterin oder ein Stellvertreter zu berufen. 2Mitglieder und Stellvertreterinnen oder Stellvertreter sollen im Bezirk des Integrationsamtes ihren Wohnsitz haben.

(4) 1Das Integrationsamt beruft auf Vorschlag

  1. 1.

    der Gewerkschaften des jeweiligen Landes zwei Mitglieder,

  2. 2.

    der Arbeitgeberverbände des jeweiligen Landes ein Mitglied,

  3. 3.

    der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Behörde ein Mitglied,

  4. 4.

    der Organisationen behinderter Menschen des jeweiligen Landes, die nach der Zusammensetzung ihrer Mitglieder dazu berufen sind, die behinderten Menschen in ihrer Gesamtheit zu vertreten, vier Mitglieder.

2Die zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Behörde und die Bundesagentur für Arbeit berufen je ein Mitglied.


§ 187 SGB IX – Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit

(1) Die Bundesagentur für Arbeit hat folgende Aufgaben:

  1. 1.

    die Berufsberatung, Ausbildungsvermittlung und Arbeitsvermittlung schwerbehinderter Menschen einschließlich der Vermittlung von in Werkstätten für behinderte Menschen Beschäftigten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt,

  2. 2.

    die Beratung der Arbeitgeber bei der Besetzung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen mit schwerbehinderten Menschen,

  3. 3.

    die Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, insbesondere von schwerbehinderten Menschen,

    1. a)

      die wegen Art oder Schwere ihrer Behinderung oder sonstiger Umstände im Arbeitsleben besonders betroffen sind ( § 155 Absatz 1 ),

    2. b)

      die langzeitarbeitslos im Sinne des § 18 des Dritten Buches sind,

    3. c)

      die im Anschluss an eine Beschäftigung in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter ( § 60 ) oder einem Inklusionsbetrieb eingestellt werden,

    4. d)

      die als Teilzeitbeschäftigte eingestellt werden oder

    5. e)

      die zur Aus- oder Weiterbildung eingestellt werden,

  4. 4.

    im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen die besondere Förderung schwerbehinderter Menschen,

  5. 5.

    die Gleichstellung, deren Widerruf und Rücknahme,

  6. 6.

    die Durchführung des Anzeigeverfahrens ( § 163 Absatz 2  und  4 ),

  7. 7.

    die Überwachung der Erfüllung der Beschäftigungspflicht,

  8. 8.

    die Zulassung der Anrechnung und der Mehrfachanrechnung ( § 158 Absatz 2 , § 159 Absatz 1  und  2 ),

  9. 9.

    die Erfassung der Werkstätten für behinderte Menschen, ihre Anerkennung und die Aufhebung der Anerkennung.

(2) 1Die Bundesagentur für Arbeit übermittelt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales jährlich die Ergebnisse ihrer Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nach dessen näherer Bestimmung und fachlicher Weisung. 2Zu den Ergebnissen gehören Angaben über die Zahl der geförderten Arbeitgeber und schwerbehinderten Menschen, die insgesamt aufgewandten Mittel und die durchschnittlichen Förderungsbeträge. 3Die Bundesagentur für Arbeit veröffentlicht diese Ergebnisse.

(3) 1Die Bundesagentur für Arbeit führt befristete überregionale und regionale Arbeitsmarktprogramme zum Abbau der Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen, besonderer Gruppen schwerbehinderter Menschen, insbesondere schwerbehinderter Frauen, sowie zur Förderung des Ausbildungsplatzangebots für schwerbehinderte Menschen durch, die ihr durch Verwaltungsvereinbarung gemäß § 368 Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 des Dritten Buches unter Zuweisung der entsprechenden Mittel übertragen werden. 2Über den Abschluss von Verwaltungsvereinbarungen mit den Ländern ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu unterrichten.

(4) Die Bundesagentur für Arbeit richtet zur Durchführung der ihr in diesem Teil und der ihr im Dritten Buch zur Teilhabe behinderter und schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben übertragenen Aufgaben in allen Agenturen für Arbeit besondere Stellen ein; bei der personellen Ausstattung dieser Stellen trägt sie dem besonderen Aufwand bei der Beratung und Vermittlung des zu betreuenden Personenkreises sowie bei der Durchführung der sonstigen Aufgaben nach Absatz 1 Rechnung.

(5) Im Rahmen der Beratung der Arbeitgeber nach Absatz 1 Nummer 2 hat die Bundesagentur für Arbeit

  1. 1.

    dem Arbeitgeber zur Besetzung von Arbeitsplätzen geeignete arbeitslose oder arbeitssuchende schwerbehinderte Menschen unter Darlegung der Leistungsfähigkeit und der Auswirkungen der jeweiligen Behinderung auf die angebotene Stelle vorzuschlagen,

  2. 2.

    ihre Fördermöglichkeiten aufzuzeigen, soweit möglich und erforderlich, auch die entsprechenden Hilfen der Rehabilitationsträger und der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben durch die Integrationsämter.


§ 188 SGB IX – Beratender Ausschuss für behinderte Menschen bei der Bundesagentur für Arbeit

(1) Bei der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit wird ein Beratender Ausschuss für behinderte Menschen gebildet, der die Teilhabe der behinderten Menschen am Arbeitsleben durch Vorschläge fördert und die Bundesagentur für Arbeit bei der Durchführung der in diesem Teil und im Dritten Buch zur Teilhabe behinderter und schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben übertragenen Aufgaben unterstützt.

(2) Der Ausschuss besteht aus elf Mitgliedern, und zwar aus

  1. 1.

    zwei Mitgliedern, die die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vertreten,

  2. 2.

    zwei Mitgliedern, die die privaten und öffentlichen Arbeitgeber vertreten,

  3. 3.

    fünf Mitgliedern, die die Organisationen behinderter Menschen vertreten,

  4. 4.

    einem Mitglied, das die Integrationsämter vertritt,

  5. 5.

    einem Mitglied, das das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vertritt.

(3) Für jedes Mitglied ist eine Stellvertreterin oder ein Stellvertreter zu berufen.

(4) 1Der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit beruft die Mitglieder, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber vertreten, auf Vorschlag ihrer Gruppenvertreter im Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit. 2Er beruft auf Vorschlag der Organisationen behinderter Menschen, die nach der Zusammensetzung ihrer Mitglieder dazu berufen sind, die behinderten Menschen in ihrer Gesamtheit auf Bundesebene zu vertreten, die Mitglieder, die Organisationen der behinderten Menschen vertreten. 3Auf Vorschlag der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen beruft er das Mitglied, das die Integrationsämter vertritt, und auf Vorschlag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales das Mitglied, das dieses vertritt.


§ 189 SGB IX – Gemeinsame Vorschriften

(1) 1Die Beratenden Ausschüsse für behinderte Menschen ( §§ 186 ,  188 ) wählen aus den ihnen angehörenden Mitgliedern von Seiten der Arbeitnehmer, Arbeitgeber oder Organisationen behinderter Menschen jeweils für die Dauer eines Jahres eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden und eine Stellvertreterin oder einen Stellvertreter. 2Die Gewählten dürfen nicht derselben Gruppe angehören. 3Die Gruppen stellen in regelmäßig jährlich wechselnder Reihenfolge die Vorsitzende oder den Vorsitzenden und die Stellvertreterin oder den Stellvertreter. 4Die Reihenfolge wird durch die Beendigung der Amtszeit der Mitglieder nicht unterbrochen. 5Scheidet die Vorsitzende oder der Vorsitzende oder die Stellvertreterin oder der Stellvertreter aus, wird sie oder er neu gewählt.

(2) 1Die Beratenden Ausschüsse für behinderte Menschen sind beschlussfähig, wenn wenigstens die Hälfte der Mitglieder anwesend ist. 2Die Beschlüsse und Entscheidungen werden mit einfacher Stimmenmehrheit getroffen.

(3) 1Die Mitglieder der Beratenden Ausschüsse für behinderte Menschen üben ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus. 2Ihre Amtszeit beträgt vier Jahre.


§ 190 SGB IX – Übertragung von Aufgaben

(1) 1Die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle kann die Verlängerung der Gültigkeitsdauer der Ausweise nach § 152 Absatz 5 , für die eine Feststellung nach § 152 Absatz 1 nicht zu treffen ist, auf andere Behörden übertragen. 2Im Übrigen kann sie andere Behörden zur Aushändigung der Ausweise heranziehen.

(2) Die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle kann Aufgaben und Befugnisse des Integrationsamtes nach diesem Teil auf örtliche Fürsorgestellen übertragen oder die Heranziehung örtlicher Fürsorgestellen zur Durchführung der den Integrationsämtern obliegenden Aufgaben bestimmen.


§ 191 SGB IX – Verordnungsermächtigung

Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Voraussetzungen des Anspruchs nach § 49 Absatz 8 Nummer 3 und § 185 Absatz 5 sowie über die Dauer und Ausführung der Leistungen zu regeln.

Geändert durch G vom 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2135).


§§ 151 - 241, Teil 3 - Besondere Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (Schwerbehindertenrecht)
§§ 192 - 198, Kapitel 7 - Integrationsfachdienste

§ 192 SGB IX – Begriff und Personenkreis

(1) Integrationsfachdienste sind Dienste Dritter, die bei der Durchführung der Maßnahmen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben beteiligt werden.

(2) Schwerbehinderte Menschen im Sinne des Absatzes 1 sind insbesondere

  1. 1.

    schwerbehinderte Menschen mit einem besonderen Bedarf an arbeitsbegleitender Betreuung,

  2. 2.

    schwerbehinderte Menschen, die nach zielgerichteter Vorbereitung durch die Werkstatt für behinderte Menschen am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt teilhaben sollen und dabei auf aufwendige, personalintensive, individuelle arbeitsbegleitende Hilfen angewiesen sind sowie

  3. 3.

    schwerbehinderte Schulabgänger, die für die Aufnahme einer Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf die Unterstützung eines Integrationsfachdienstes angewiesen sind.

(3) Ein besonderer Bedarf an arbeits- und berufsbegleitender Betreuung ist insbesondere gegeben bei schwerbehinderten Menschen mit geistiger oder seelischer Behinderung oder mit einer schweren Körper-, Sinnes- oder Mehrfachbehinderung, die sich im Arbeitsleben besonders nachteilig auswirkt und allein oder zusammen mit weiteren vermittlungshemmenden Umständen (Alter, Langzeitarbeitslosigkeit, unzureichende Qualifikation, Leistungsminderung) die Teilhabe am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erschwert.

(4) 1Der Integrationsfachdienst kann im Rahmen der Aufgabenstellung nach Absatz 1 auch zur beruflichen Eingliederung von behinderten Menschen, die nicht schwerbehindert sind, tätig werden. 2Hierbei wird den besonderen Bedürfnissen seelisch behinderter oder von einer seelischen Behinderung bedrohter Menschen Rechnung getragen.


§ 193 SGB IX – Aufgaben

(1) Die Integrationsfachdienste können zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben (Aufnahme, Ausübung und Sicherung einer möglichst dauerhaften Beschäftigung) beteiligt werden, indem sie

  1. 1.

    die schwerbehinderten Menschen beraten, unterstützen und auf geeignete Arbeitsplätze vermitteln,

  2. 2.

    die Arbeitgeber informieren, beraten und ihnen Hilfe leisten.

(2) Zu den Aufgaben des Integrationsfachdienstes gehört es,

  1. 1.

    die Fähigkeiten der zugewiesenen schwerbehinderten Menschen zu bewerten und einzuschätzen und dabei ein individuelles Fähigkeits-, Leistungs- und Interessenprofil zur Vorbereitung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt in enger Kooperation mit den schwerbehinderten Menschen, dem Auftraggeber und der abgebenden Einrichtung der schulischen oder beruflichen Bildung oder Rehabilitation zu erarbeiten,

  2. 2.

    die Bundesagentur für Arbeit auf deren Anforderung bei der Berufsorientierung und Berufsberatung in den Schulen einschließlich der auf jeden einzelnen Jugendlichen bezogenen Dokumentation der Ergebnisse zu unterstützen,

  3. 3.

    die betriebliche Ausbildung schwerbehinderter, insbesondere seelisch und lernbehinderter, Jugendlicher zu begleiten,

  4. 4.

    geeignete Arbeitsplätze ( § 156 ) auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erschließen,

  5. 5.

    die schwerbehinderten Menschen auf die vorgesehenen Arbeitsplätze vorzubereiten,

  6. 6.

    die schwerbehinderten Menschen, solange erforderlich, am Arbeitsplatz oder beim Training der berufspraktischen Fähigkeiten am konkreten Arbeitsplatz zu begleiten,

  7. 7.

    mit Zustimmung des schwerbehinderten Menschen die Mitarbeiter im Betrieb oder in der Dienststelle über Art und Auswirkungen der Behinderung und über entsprechende Verhaltensregeln zu informieren und zu beraten,

  8. 8.

    eine Nachbetreuung, Krisenintervention oder psychosoziale Betreuung durchzuführen sowie

  9. 9.

    als Einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber zur Verfügung zu stehen, über die Leistungen für die Arbeitgeber zu informieren und für die Arbeitgeber diese Leistungen abzuklären,

  10. 10.

    in Zusammenarbeit mit den Rehabilitationsträgern und den Integrationsämtern die für den schwerbehinderten Menschen benötigten Leistungen zu klären und bei der Beantragung zu unterstützen.

Absatz 2 Nummer 9 neugefasst durch G vom 2. 6. 2021 (BGBl I S. 1387).


§ 194 SGB IX – Beauftragung und Verantwortlichkeit

(1) 1Die Integrationsfachdienste werden im Auftrag der Integrationsämter oder der Rehabilitationsträger tätig. 2Diese bleiben für die Ausführung der Leistung verantwortlich.

(2) Im Auftrag legt der Auftraggeber in Abstimmung mit dem Integrationsfachdienst Art, Umfang und Dauer des im Einzelfall notwendigen Einsatzes des Integrationsfachdienstes sowie das Entgelt fest.

(3) Der Integrationsfachdienst arbeitet insbesondere mit

  1. 1.

    den zuständigen Stellen der Bundesagentur für Arbeit,

  2. 2.

    dem Integrationsamt,

  3. 3.

    dem zuständigen Rehabilitationsträger, insbesondere den Berufshelfern der gesetzlichen Unfallversicherung,

  4. 4.

    dem Arbeitgeber, der Schwerbehindertenvertretung und den anderen betrieblichen Interessenvertretungen,

  5. 5.

    der abgebenden Einrichtung der schulischen oder beruflichen Bildung oder Rehabilitation mit ihren begleitenden Diensten und internen Integrationsfachkräften oder -diensten zur Unterstützung von Teilnehmenden an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben,

  6. 6.

    den Handwerks-, den Industrie- und Handelskammern sowie den berufsständigen Organisationen,

  7. 7.

    wenn notwendig, auch mit anderen Stellen und Personen,

eng zusammen.

(4) 1Näheres zur Beauftragung, Zusammenarbeit, fachlichen Leitung, Aufsicht sowie zur Qualitätssicherung und Ergebnisbeobachtung wird zwischen dem Auftraggeber und dem Träger des Integrationsfachdienstes vertraglich geregelt. 2Die Vereinbarungen sollen im Interesse finanzieller Planungssicherheit auf eine Dauer von mindestens drei Jahren abgeschlossen werden.

(5) Die Integrationsämter wirken darauf hin, dass die berufsbegleitenden und psychosozialen Dienste bei den von ihnen beauftragten Integrationsfachdiensten konzentriert werden.


§ 195 SGB IX – Fachliche Anforderungen

(1) Die Integrationsfachdienste müssen

  1. 1.

    nach der personellen, räumlichen und sächlichen Ausstattung in der Lage sein, ihre gesetzlichen Aufgaben wahrzunehmen,

  2. 2.

    über Erfahrungen mit dem zu unterstützenden Personenkreis ( § 192 Absatz 2 ) verfügen,

  3. 3.

    mit Fachkräften ausgestattet sein, die über eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und ausreichende Berufserfahrung verfügen, sowie

  4. 4.

    rechtlich oder organisatorisch und wirtschaftlich eigenständig sein.

(2) 1Der Personalbedarf eines Integrationsfachdienstes richtet sich nach den konkreten Bedürfnissen unter Berücksichtigung der Zahl der Betreuungs- und Beratungsfälle, des durchschnittlichen Betreuungs- und Beratungsaufwands, der Größe des regionalen Einzugsbereichs und der Zahl der zu beratenden Arbeitgeber. 2Den besonderen Bedürfnissen besonderer Gruppen schwerbehinderter Menschen, insbesondere schwerbehinderter Frauen, und der Notwendigkeit einer psychosozialen Betreuung soll durch eine Differenzierung innerhalb des Integrationsfachdienstes Rechnung getragen werden.

(3) 1Bei der Stellenbesetzung des Integrationsfachdienstes werden schwerbehinderte Menschen bevorzugt berücksichtigt. 2Dabei wird ein angemessener Anteil der Stellen mit schwerbehinderten Frauen besetzt.


§ 196 SGB IX – Finanzielle Leistungen

(1) 1Die Inanspruchnahme von Integrationsfachdiensten wird vom Auftraggeber vergütet. 2Die Vergütung für die Inanspruchnahme von Integrationsfachdiensten kann bei Beauftragung durch das Integrationsamt aus Mitteln der Ausgleichsabgabe erbracht werden.

(2) Die Bezahlung tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen kann bei der Beauftragung von Integrationsfachdiensten nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden.

(3) 1Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen vereinbart mit den Rehabilitationsträgern nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 unter Beteiligung der maßgeblichen Verbände, darunter der Bundesarbeitsgemeinschaft, in der sich die Integrationsfachdienste zusammengeschlossen haben, eine gemeinsame Empfehlung zur Inanspruchnahme der Integrationsfachdienste durch die Rehabilitationsträger, zur Zusammenarbeit und zur Finanzierung der Kosten, die dem Integrationsfachdienst bei der Wahrnehmung der Aufgaben der Rehabilitationsträger entstehen. 2 § 26 Absatz 7  und  8 gilt entsprechend.


§ 197 SGB IX – Ergebnisbeobachtung

(1) 1Der Integrationsfachdienst dokumentiert Verlauf und Ergebnis der jeweiligen Bemühungen um die Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben. 2Er erstellt jährlich eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse und legt diese den Auftraggebern nach deren näherer gemeinsamer Maßgabe vor. 3Diese Zusammenstellung soll insbesondere geschlechtsdifferenzierte Angaben enthalten zu

  1. 1.

    den Zu- und Abgängen an Betreuungsfällen im Kalenderjahr,

  2. 2.

    dem Bestand an Betreuungsfällen,

  3. 3.

    der Zahl der abgeschlossenen Fälle, differenziert nach Aufnahme einer Ausbildung, einer befristeten oder unbefristeten Beschäftigung, einer Beschäftigung in einem Integrationsprojekt oder in einer Werkstatt für behinderte Menschen.

(2) Der Integrationsfachdienst dokumentiert auch die Ergebnisse seiner Bemühungen zur Unterstützung der Bundesagentur für Arbeit und die Begleitung der betrieblichen Ausbildung nach § 193 Absatz 2 Nummer 2 und 3 unter Einbeziehung geschlechtsdifferenzierter Daten und Besonderheiten sowie der Art der Behinderung.

Absatz 2 geändert durch G vom 30. 11. 2019 (BGBl I S. 1948).


§ 198 SGB IX – Verordnungsermächtigung

(1) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über den Begriff und die Aufgaben des Integrationsfachdienstes, die für sie geltenden fachlichen Anforderungen und die finanziellen Leistungen zu regeln.

(2) Vereinbaren die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen und die Rehabilitationsträger nicht innerhalb von sechs Monaten, nachdem das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sie dazu aufgefordert hat, eine gemeinsame Empfehlung nach § 196 Absatz 3 oder ändern sie die unzureichend gewordene Empfehlung nicht innerhalb dieser Frist, kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Regelungen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates erlassen.


§§ 151 - 241, Teil 3 - Besondere Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (Schwerbehindertenrecht)
§§ 199 - 200, Kapitel 8 - Beendigung der Anwendung der besonderen Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter und gleichgestellter behinderter Menschen

§ 199 SGB IX – Beendigung der Anwendung der besonderen Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen

(1) Die besonderen Regelungen für schwerbehinderte Menschen werden nicht angewendet nach dem Wegfall der Voraussetzungen nach § 2 Absatz 2 ; wenn sich der Grad der Behinderung auf weniger als 50 verringert, jedoch erst am Ende des dritten Kalendermonats nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des die Verringerung feststellenden Bescheides.

(2) 1Die besonderen Regelungen für gleichgestellte behinderte Menschen werden nach dem Widerruf oder der Rücknahme der Gleichstellung nicht mehr angewendet. 2Der Widerruf der Gleichstellung ist zulässig, wenn die Voraussetzungen nach § 2 Absatz 3 in Verbindung mit § 151 Absatz 2 weggefallen sind. 3Er wird erst am Ende des dritten Kalendermonats nach Eintritt seiner Unanfechtbarkeit wirksam.

(3) Bis zur Beendigung der Anwendung der besonderen Regelungen für schwerbehinderte Menschen und ihnen gleichgestellte behinderte Menschen werden die behinderten Menschen dem Arbeitgeber auf die Zahl der Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen angerechnet.


§ 200 SGB IX – Entziehung der besonderen Hilfen für schwerbehinderte Menschen

(1) 1Einem schwerbehinderten Menschen, der einen zumutbaren Arbeitsplatz ohne berechtigten Grund zurückweist oder aufgibt oder sich ohne berechtigten Grund weigert, an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben teilzunehmen, oder sonst durch sein Verhalten seine Teilhabe am Arbeitsleben schuldhaft vereitelt, kann das Integrationsamt im Benehmen mit der Bundesagentur für Arbeit die besonderen Hilfen für schwerbehinderte Menschen zeitweilig entziehen. 2Dies gilt auch für gleichgestellte behinderte Menschen.

(2) 1Vor der Entscheidung über die Entziehung wird der schwerbehinderte Mensch gehört. 2In der Entscheidung wird die Frist bestimmt, für die sie gilt. 3Die Frist läuft vom Tag der Entscheidung an und beträgt nicht mehr als sechs Monate. 4Die Entscheidung wird dem schwerbehinderten Menschen bekannt gegeben.


§§ 151 - 241, Teil 3 - Besondere Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (Schwerbehindertenrecht)
§§ 201 - 204, Kapitel 9 - Widerspruchsverfahren

§ 201 SGB IX – Widerspruch

(1) 1Den Widerspruchsbescheid nach § 73 der Verwaltungsgerichtsordnung erlässt bei Verwaltungsakten der Integrationsämter und bei Verwaltungsakten der örtlichen Fürsorgestellen ( § 190 Absatz 2 ) der Widerspruchsausschuss bei dem Integrationsamt ( § 202 ). 2Des Vorverfahrens bedarf es auch, wenn den Verwaltungsakt ein Integrationsamt erlassen hat, das bei einer obersten Landesbehörde besteht.

(2) Den Widerspruchsbescheid nach § 85 des Sozialgerichtsgesetzes erlässt bei Verwaltungsakten, welche die Bundesagentur für Arbeit auf Grund dieses Teils erlässt, der Widerspruchsausschuss der Bundesagentur für Arbeit.


§ 202 SGB IX – Widerspruchsausschuss bei dem Integrationsamt

(1) Bei jedem Integrationsamt besteht ein Widerspruchsausschuss aus sieben Mitgliedern, und zwar aus zwei Mitgliedern, die schwerbehinderte Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen sind, zwei Mitgliedern, die Arbeitgeber sind, einem Mitglied, das das Integrationsamt vertritt, einem Mitglied, das die Bundesagentur für Arbeit vertritt, einer Vertrauensperson schwerbehinderter Menschen.

(2) Für jedes Mitglied wird ein Stellvertreter oder eine Stellvertreterin berufen.

(3) 1Das Integrationsamt beruft auf Vorschlag der Organisationen behinderter Menschen des jeweiligen Landes die Mitglieder, die Arbeitnehmer sind, auf Vorschlag der jeweils für das Land zuständigen Arbeitgeberverbände die Mitglieder, die Arbeitgeber sind, sowie die Vertrauensperson. 2Die zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Behörde beruft das Mitglied, das das Integrationsamt vertritt. 3Die Bundesagentur für Arbeit beruft das Mitglied, das sie vertritt. 4Entsprechendes gilt für die Berufung des Stellvertreters oder der Stellvertreterin des jeweiligen Mitglieds.

(4) 1In Kündigungsangelegenheiten schwerbehinderter Menschen, die bei einer Dienststelle oder in einem Betrieb beschäftigt sind, der zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung gehört, treten an die Stelle der Mitglieder, die Arbeitgeber sind, Angehörige des öffentlichen Dienstes. 2Dem Integrationsamt werden ein Mitglied und sein Stellvertreter oder seine Stellvertreterin von den von der Bundesregierung bestimmten Bundesbehörden benannt. 3Eines der Mitglieder, die schwerbehinderte Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen sind, muss dem öffentlichen Dienst angehören.

(5) 1Die Amtszeit der Mitglieder der Widerspruchsausschüsse beträgt vier Jahre. 2Die Mitglieder der Ausschüsse üben ihre Tätigkeit unentgeltlich aus.


§ 203 SGB IX – Widerspruchsausschüsse der Bundesagentur für Arbeit

(1) Die Bundesagentur für Arbeit richtet Widerspruchsausschüsse ein, die aus sieben Mitgliedern bestehen, und zwar aus zwei Mitgliedern, die schwerbehinderte Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen sind, zwei Mitgliedern, die Arbeitgeber sind, einem Mitglied, das das Integrationsamt vertritt, einem Mitglied, das die Bundesagentur für Arbeit vertritt, einer Vertrauensperson schwerbehinderter Menschen.

(2) Für jedes Mitglied wird ein Stellvertreter oder eine Stellvertreterin berufen.

(3) 1Die Bundesagentur für Arbeit beruft

  1. 1.

    die Mitglieder, die Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen sind, auf Vorschlag der jeweils zuständigen Organisationen behinderter Menschen, der im Benehmen mit den jeweils zuständigen Gewerkschaften, die für die Vertretung der Arbeitnehmerinteressen wesentliche Bedeutung haben, gemacht wird,

  2. 2.

    die Mitglieder, die Arbeitgeber sind, auf Vorschlag der jeweils zuständigen Arbeitgeberverbände, soweit sie für die Vertretung von Arbeitgeberinteressen wesentliche Bedeutung haben, sowie

  3. 3.

    das Mitglied, das die Bundesagentur für Arbeit vertritt, und

  4. 4.

    die Vertrauensperson.

2Die zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Behörde beruft das Mitglied, das das Integrationsamt vertritt. 3Entsprechendes gilt für die Berufung des Stellvertreters oder der Stellvertreterin des jeweiligen Mitglieds.

(4) § 202 Absatz 5 gilt entsprechend.


§ 204 SGB IX – Verfahrensvorschriften

(1) Für den Widerspruchsausschuss bei dem Integrationsamt ( § 202 ) und die Widerspruchsausschüsse bei der Bundesagentur für Arbeit ( § 203 ) gilt § 189 Absatz 1  und  2 entsprechend.

(2) Im Widerspruchsverfahren nach Kapitel 4 werden der Arbeitgeber und der schwerbehinderte Mensch vor der Entscheidung gehört; in den übrigen Fällen verbleibt es bei der Anhörung des Widerspruchsführers.

(3) 1Die Mitglieder der Ausschüsse können wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. 2Über die Ablehnung entscheidet der Ausschuss, dem das Mitglied angehört.


§§ 151 - 241, Teil 3 - Besondere Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (Schwerbehindertenrecht)
§§ 205 - 214, Kapitel 10 - Sonstige Vorschriften

§ 205 SGB IX – Vorrang der schwerbehinderten Menschen

Verpflichtungen zur bevorzugten Einstellung und Beschäftigung bestimmter Personenkreise nach anderen Gesetzen entbinden den Arbeitgeber nicht von der Verpflichtung zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nach den besonderen Regelungen für schwerbehinderte Menschen.


§ 206 SGB IX – Arbeitsentgelt und Dienstbezüge

(1) 1Bei der Bemessung des Arbeitsentgelts und der Dienstbezüge aus einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis werden Renten und vergleichbare Leistungen, die wegen der Behinderung bezogen werden, nicht berücksichtigt. 2Die völlige oder teilweise Anrechnung dieser Leistungen auf das Arbeitsentgelt oder die Dienstbezüge ist unzulässig.

(2) Absatz 1 gilt nicht für Zeiträume, in denen die Beschäftigung tatsächlich nicht ausgeübt wird und die Vorschriften über die Zahlung der Rente oder der vergleichbaren Leistung eine Anrechnung oder ein Ruhen vorsehen, wenn Arbeitsentgelt oder Dienstbezüge gezahlt werden.


§ 207 SGB IX – Mehrarbeit

Schwerbehinderte Menschen werden auf ihr Verlangen von Mehrarbeit freigestellt.


§ 208 SGB IX – Zusatzurlaub

(1) 1Schwerbehinderte Menschen haben Anspruch auf einen bezahlten zusätzlichen Urlaub von fünf Arbeitstagen im Urlaubsjahr; verteilt sich die regelmäßige Arbeitszeit des schwerbehinderten Menschen auf mehr oder weniger als fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche, erhöht oder vermindert sich der Zusatzurlaub entsprechend. 2Soweit tarifliche, betriebliche oder sonstige Urlaubsregelungen für schwerbehinderte Menschen einen längeren Zusatzurlaub vorsehen, bleiben sie unberührt.

(2) 1Besteht die Schwerbehinderteneigenschaft nicht während des gesamten Kalenderjahres, so hat der schwerbehinderte Mensch für jeden vollen Monat der im Beschäftigungsverhältnis vorliegenden Schwerbehinderteneigenschaft einen Anspruch auf ein Zwölftel des Zusatzurlaubs nach Absatz 1 Satz 1. 2Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, sind auf volle Urlaubstage aufzurunden. 3Der so ermittelte Zusatzurlaub ist dem Erholungsurlaub hinzuzurechnen und kann bei einem nicht im ganzen Kalenderjahr bestehenden Beschäftigungsverhältnis nicht erneut gemindert werden.

(3) Wird die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nach § 152 Absatz 1  und  2 rückwirkend festgestellt, finden auch für die Übertragbarkeit des Zusatzurlaubs in das nächste Kalenderjahr die dem Beschäftigungsverhältnis zugrunde liegenden urlaubsrechtlichen Regelungen Anwendung.


§ 209 SGB IX – Nachteilsausgleich

(1) Die Vorschriften über Hilfen für behinderte Menschen zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile oder Mehraufwendungen (Nachteilsausgleich) werden so gestaltet, dass sie unabhängig von der Ursache der Behinderung der Art oder Schwere der Behinderung Rechnung tragen.

(2) Nachteilsausgleiche, die auf Grund bisher geltender Rechtsvorschriften erfolgen, bleiben unberührt.


§ 210 SGB IX – Beschäftigung schwerbehinderter Menschen in Heimarbeit

(1) Schwerbehinderte Menschen, die in Heimarbeit beschäftigt oder diesen gleichgestellt sind ( § 1 Absatz 1  und  2 des Heimarbeitsgesetzes ) und in der Hauptsache für den gleichen Auftraggeber arbeiten, werden auf die Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen dieses Auftraggebers angerechnet.

(2) 1Für in Heimarbeit beschäftigte und diesen gleichgestellte schwerbehinderte Menschen wird die in § 29 Absatz 2 des Heimarbeitsgesetzes festgelegte Kündigungsfrist von zwei Wochen auf vier Wochen erhöht; die Vorschrift des § 29 Absatz 7 des Heimarbeitsgesetzes ist sinngemäß anzuwenden. 2Der besondere Kündigungsschutz schwerbehinderter Menschen im Sinne des Kapitels 4 gilt auch für die in Satz 1 genannten Personen.

(3) 1Die Bezahlung des zusätzlichen Urlaubs der in Heimarbeit beschäftigten oder diesen gleichgestellten schwerbehinderten Menschen erfolgt nach den für die Bezahlung ihres sonstigen Urlaubs geltenden Berechnungsgrundsätzen. 2Sofern eine besondere Regelung nicht besteht, erhalten die schwerbehinderten Menschen als zusätzliches Urlaubsgeld 2 Prozent des in der Zeit vom 1. Mai des vergangenen bis zum 30. April des laufenden Jahres verdienten Arbeitsentgelts ausschließlich der Unkostenzuschläge.

(4) 1Schwerbehinderte Menschen, die als fremde Hilfskräfte eines Hausgewerbetreibenden oder eines Gleichgestellten beschäftigt werden ( § 2 Absatz 6 des Heimarbeitsgesetzes ) können auf Antrag eines Auftraggebers auch auf dessen Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen angerechnet werden, wenn der Arbeitgeber in der Hauptsache für diesen Auftraggeber arbeitet. 2Wird einem schwerbehinderten Menschen im Sinne des Satzes 1, dessen Anrechnung die Bundesagentur für Arbeit zugelassen hat, durch seinen Arbeitgeber gekündigt, weil der Auftraggeber die Zuteilung von Arbeit eingestellt oder die regelmäßige Arbeitsmenge erheblich herabgesetzt hat, erstattet der Auftraggeber dem Arbeitgeber die Aufwendungen für die Zahlung des regelmäßigen Arbeitsverdienstes an den schwerbehinderten Menschen bis zur rechtmäßigen Beendigung seines Arbeitsverhältnisses.

(5) Werden fremde Hilfskräfte eines Hausgewerbetreibenden oder eines Gleichgestellten ( § 2 Absatz 6 des Heimarbeitsgesetzes ) einem Auftraggeber gemäß Absatz 4 auf seine Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen angerechnet, erstattet der Auftraggeber die dem Arbeitgeber nach Absatz 3 entstehenden Aufwendungen.

(6) Die den Arbeitgeber nach § 163 Absatz 1  und  5 treffenden Verpflichtungen gelten auch für Personen, die Heimarbeit ausgeben.


§ 211 SGB IX – Schwerbehinderte Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter, Soldatinnen und Soldaten

(1) Die besonderen Vorschriften und Grundsätze für die Besetzung der Beamtenstellen sind unbeschadet der Geltung dieses Teils auch für schwerbehinderte Beamtinnen und Beamte so zu gestalten, dass die Einstellung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen gefördert und ein angemessener Anteil schwerbehinderter Menschen unter den Beamten und Beamtinnen erreicht wird.

(2) Absatz 1 gilt für Richterinnen und Richter entsprechend.

(3) 1Für die persönliche Rechtsstellung schwerbehinderter Soldatinnen und Soldaten gelten die §§ 2 , 152 , 176 bis 182 , 199 Absatz 1 sowie die §§ 206 , 208 , 209 und 228 bis 230 . 2Im Übrigen gelten für Soldatinnen und Soldaten die Vorschriften über die persönliche Rechtsstellung der schwerbehinderten Menschen, soweit sie mit den Besonderheiten des Dienstverhältnisses vereinbar sind.


§ 212 SGB IX – Unabhängige Tätigkeit

Soweit zur Ausübung einer unabhängigen Tätigkeit eine Zulassung erforderlich ist, soll schwerbehinderten Menschen, die eine Zulassung beantragen, bei fachlicher Eignung und Erfüllung der sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen die Zulassung bevorzugt erteilt werden.


§ 213 SGB IX – Geheimhaltungspflicht

(1) Die Beschäftigten der Integrationsämter, der Bundesagentur für Arbeit, der Rehabilitationsträger sowie der von diesen Stellen beauftragten Integrationsfachdienste und die Mitglieder der Ausschüsse und des Beirates für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ( § 86 ) und ihre Stellvertreterinnen oder Stellvertreter sowie zur Durchführung ihrer Aufgaben hinzugezogene Sachverständige sind verpflichtet,

  1. 1.

    über ihnen wegen ihres Amtes oder Auftrages bekannt gewordene persönliche Verhältnisse und Angelegenheiten von Beschäftigten auf Arbeitsplätzen für schwerbehinderte Menschen, die ihrer Bedeutung oder ihrem Inhalt nach einer vertraulichen Behandlung bedürfen, Stillschweigen zu bewahren und

  2. 2.

    ihnen wegen ihres Amtes oder Auftrages bekannt gewordene und vom Arbeitgeber ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnete Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse nicht zu offenbaren und nicht zu verwerten.

(2) 1Diese Pflichten gelten auch nach dem Ausscheiden aus dem Amt oder nach Beendigung des Auftrages. 2Sie gelten nicht gegenüber der Bundesagentur für Arbeit, den Integrationsämtern und den Rehabilitationsträgern, soweit deren Aufgaben gegenüber schwerbehinderten Menschen es erfordern, gegenüber der Schwerbehindertenvertretung sowie gegenüber den in § 79 Absatz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes und den in den entsprechenden Vorschriften des Personalvertretungsrechts genannten Vertretungen, Personen und Stellen.


§ 214 SGB IX – Statistik

(1) 1Über schwerbehinderte Menschen wird alle zwei Jahre eine Bundesstatistik durchgeführt. 2Sie umfasst die folgenden Erhebungsmerkmale:

  1. 1.

    die Zahl der schwerbehinderten Menschen mit gültigem Ausweis,

  2. 2.

    die schwerbehinderten Menschen nach Geburtsjahr, Geschlecht, Staatsangehörigkeit und Wohnort,

  3. 3.

    Art, Ursache und Grad der Behinderung.

(2) Hilfsmerkmale sind:

  1. 1.

    Name, Anschrift, Telefonnummer und Adresse für elektronische Post der nach Absatz 3 Satz 2 auskunftspflichtigen Behörden,

  2. 2.

    Name und Kontaktdaten der für Rückfragen zur Verfügung stehenden Personen,

  3. 3.

    die Signiernummern für das Versorgungsamt und für das Berichtsland.

(3) 1Für die Erhebung besteht Auskunftspflicht. 2Auskunftspflichtig sind die nach § 152 Absatz 1  und  5 zuständigen Behörden. 3Die Angaben zu Absatz 2 Nummer 2 sind freiwillig.


§§ 151 - 241, Teil 3 - Besondere Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (Schwerbehindertenrecht)
§§ 215 - 218, Kapitel 11 - Inklusionsbetriebe

§ 215 SGB IX – Begriff und Personenkreis

(1) Inklusionsbetriebe sind rechtlich und wirtschaftlich selbständige Unternehmen oder unternehmensinterne oder von öffentlichen Arbeitgebern im Sinne des § 154 Absatz 2 geführte Betriebe oder Abteilungen zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, deren Teilhabe an einer sonstigen Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf Grund von Art oder Schwere der Behinderung oder wegen sonstiger Umstände voraussichtlich trotz Ausschöpfens aller Fördermöglichkeiten und des Einsatzes von Integrationsfachdiensten auf besondere Schwierigkeiten stößt.

(2) Schwerbehinderte Menschen nach Absatz 1 sind insbesondere

  1. 1.

    schwerbehinderte Menschen mit geistiger oder seelischer Behinderung oder mit einer schweren Körper-, Sinnes- oder Mehrfachbehinderung, die sich im Arbeitsleben besonders nachteilig auswirkt und allein oder zusammen mit weiteren vermittlungshemmenden Umständen die Teilhabe am allgemeinen Arbeitsmarkt außerhalb eines Inklusionsbetriebes erschwert oder verhindert,

  2. 2.

    schwerbehinderte Menschen, die nach zielgerichteter Vorbereitung in einer Werkstatt für behinderte Menschen oder in einer psychiatrischen Einrichtung für den Übergang in einen Betrieb oder eine Dienststelle auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in Betracht kommen und auf diesen Übergang vorbereitet werden sollen,

  3. 3.

    schwerbehinderte Menschen nach Beendigung einer schulischen Bildung, die nur dann Aussicht auf eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt haben, wenn sie zuvor in einem Inklusionsbetrieb an berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen teilnehmen und dort beschäftigt und weiterqualifiziert werden, sowie

  4. 4.

    schwerbehinderte Menschen, die langzeitarbeitslos im Sinne des § 18 des Dritten Buches sind.

(3) 1Inklusionsbetriebe beschäftigen mindestens 30 Prozent schwerbehinderte Menschen im Sinne von Absatz 1. 2Der Anteil der schwerbehinderten Menschen soll in der Regel 50 Prozent nicht übersteigen.

(4) Auf die Quoten nach Absatz 3 wird auch die Anzahl der psychisch kranken beschäftigten Menschen angerechnet, die behindert oder von Behinderung bedroht sind und deren Teilhabe an einer sonstigen Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf Grund von Art oder Schwere der Behinderung oder wegen sonstiger Umstände auf besondere Schwierigkeiten stößt.


§ 216 SGB IX – Aufgaben

1Die Inklusionsbetriebe bieten den schwerbehinderten Menschen Beschäftigung, Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung und arbeitsbegleitende Betreuung an, soweit erforderlich auch Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung oder Gelegenheit zur Teilnahme an entsprechenden außerbetrieblichen Maßnahmen sowie geeignete Maßnahmen zur Vorbereitung auf eine Beschäftigung in einem Inklusionsbetrieb. 2Satz 1 gilt entsprechend für psychisch kranke Menschen im Sinne des § 215 Absatz 4 .

Satz 1 geändert durch G vom 6. 6. 2023 (BGBl 2023 I Nr. 146) (14. 6. 2023).


§ 217 SGB IX – Finanzielle Leistungen

(1) Inklusionsbetriebe können aus Mitteln der Ausgleichsabgabe Leistungen für Aufbau, Erweiterung, Modernisierung und Ausstattung einschließlich einer betriebswirtschaftlichen Beratung und für besonderen Aufwand erhalten.

(2) Die Finanzierung von Leistungen nach § 216 Satz 2 erfolgt durch den zuständigen Rehabilitationsträger.


§ 218 SGB IX – Verordnungsermächtigung

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über den Begriff und die Aufgaben der Inklusionsbetriebe, die für sie geltenden fachlichen Anforderungen, die Aufnahmevoraussetzungen und die finanziellen Leistungen zu regeln.


§§ 151 - 241, Teil 3 - Besondere Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (Schwerbehindertenrecht)
§§ 219 - 227, Kapitel 12 - Werkstätten für behinderte Menschen

§ 219 SGB IX – Begriff und Aufgaben der Werkstatt für behinderte Menschen

(1) 1Die Werkstatt für behinderte Menschen ist eine Einrichtung zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben im Sinne des Kapitels 10 des Teils 1 und zur Eingliederung in das Arbeitsleben. 2Sie hat denjenigen behinderten Menschen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können,

  1. 1.

    eine angemessene berufliche Bildung und eine Beschäftigung zu einem ihrer Leistung angemessenen Arbeitsentgelt aus dem Arbeitsergebnis anzubieten und

  2. 2.

    zu ermöglichen, ihre Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu entwickeln, zu erhöhen oder wiederzugewinnen und dabei ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln.

3Sie fördert den Übergang geeigneter Personen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch geeignete Maßnahmen. 4Sie verfügt über ein möglichst breites Angebot an Berufsbildungs- und Arbeitsplätzen sowie über qualifiziertes Personal und einen begleitenden Dienst. 5Zum Angebot an Berufsbildungs- und Arbeitsplätzen gehören ausgelagerte Plätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. 6Die ausgelagerten Arbeitsplätze werden zum Zwecke des Übergangs und als dauerhaft ausgelagerte Plätze angeboten.

(2) 1Die Werkstatt steht allen behinderten Menschen im Sinne des Absatzes 1 unabhängig von Art oder Schwere der Behinderung offen, sofern erwartet werden kann, dass sie spätestens nach Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen werden. 2Dies ist nicht der Fall bei behinderten Menschen, bei denen trotz einer der Behinderung angemessenen Betreuung eine erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung zu erwarten ist oder das Ausmaß der erforderlichen Betreuung und Pflege die Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich oder sonstige Umstände ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Arbeitsbereich dauerhaft nicht zulassen.

(3) 1Behinderte Menschen, die die Voraussetzungen für eine Beschäftigung in einer Werkstatt nicht erfüllen, sollen in Einrichtungen oder Gruppen betreut und gefördert werden, die der Werkstatt angegliedert sind. 2Die Betreuung und Förderung kann auch gemeinsam mit den Werkstattbeschäftigten in der Werkstatt erfolgen. 3Die Betreuung und Förderung soll auch Angebote zur Orientierung auf Beschäftigung enthalten.


§ 220 SGB IX – Aufnahme in die Werkstätten für behinderte Menschen

(1) 1Anerkannte Werkstätten nehmen diejenigen behinderten Menschen aus ihrem Einzugsgebiet auf, die die Aufnahmevoraussetzungen gemäß § 219 Absatz 2 erfüllen, wenn Leistungen durch die Rehabilitationsträger gewährleistet sind; die Möglichkeit zur Aufnahme in eine andere anerkannte Werkstatt nach Maßgabe des § 104 oder entsprechender Regelungen bleibt unberührt. 2Die Aufnahme erfolgt unabhängig von

  1. 1.

    der Ursache der Behinderung,

  2. 2.

    der Art der Behinderung, wenn in dem Einzugsgebiet keine besondere Werkstatt für behinderte Menschen für diese Behinderungsart vorhanden ist, und

  3. 3.

    der Schwere der Behinderung, der Minderung der Leistungsfähigkeit und einem besonderen Bedarf an Förderung, begleitender Betreuung oder Pflege.

Absatz 1 Satz 1 geändert durch G vom 2. 6. 2021 (BGBl I S. 1387).

(2) Behinderte Menschen werden in der Werkstatt beschäftigt, solange die Aufnahmevoraussetzungen nach Absatz 1 vorliegen.

(3) Leistungsberechtigte Menschen mit Behinderungen, die aus einer Werkstatt für behinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt übergegangen sind oder bei einem anderen Leistungsanbieter oder mit Hilfe des Budgets für Arbeit oder des Budgets für Ausbildung am Arbeitsleben teilnehmen, haben einen Anspruch auf Aufnahme in eine Werkstatt für behinderte Menschen.

Absatz 3 geändert durch G vom 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2135).


§ 221 SGB IX – Rechtsstellung und Arbeitsentgelt behinderter Menschen

(1) Behinderte Menschen im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten stehen, wenn sie nicht Arbeitnehmer sind, zu den Werkstätten in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis, soweit sich aus dem zugrunde liegenden Sozialleistungsverhältnis nichts anderes ergibt.

(2) 1Die Werkstätten zahlen aus ihrem Arbeitsergebnis an die im Arbeitsbereich beschäftigten behinderten Menschen ein Arbeitsentgelt, das sich aus einem Grundbetrag in Höhe des Ausbildungsgeldes, das die Bundesagentur für Arbeit nach den für sie geltenden Vorschriften behinderten Menschen im Berufsbildungsbereich leistet, und einem leistungsangemessenen Steigerungsbetrag zusammensetzt. 2Der Steigerungsbetrag bemisst sich nach der individuellen Arbeitsleistung der behinderten Menschen, insbesondere unter Berücksichtigung von Arbeitsmenge und Arbeitsgüte.

Absatz 2 Satz 1 geändert durch G vom 8. 7. 2019 (BGBl I S. 1025).

(3) Der Inhalt des arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnisses wird unter Berücksichtigung des zwischen den behinderten Menschen und dem Rehabilitationsträger bestehenden Sozialleistungsverhältnisses durch Werkstattverträge zwischen den behinderten Menschen und dem Träger der Werkstatt näher geregelt.

(4) Hinsichtlich der Rechtsstellung der Teilnehmer an Maßnahmen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich gilt § 52 entsprechend.

(5) Ist ein volljähriger behinderter Mensch gemäß Absatz 1 in den Arbeitsbereich einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen im Sinne des § 219 aufgenommen worden und war er zu diesem Zeitpunkt geschäftsunfähig, so gilt der von ihm geschlossene Werkstattvertrag in Ansehung einer bereits bewirkten Leistung und deren Gegenleistung, soweit diese in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen, als wirksam.

(6) War der volljährige behinderte Mensch bei Abschluss eines Werkstattvertrages geschäftsunfähig, so kann der Träger einer Werkstatt das Werkstattverhältnis nur unter den Voraussetzungen für gelöst erklären, unter denen ein wirksamer Vertrag seitens des Trägers einer Werkstatt gekündigt werden kann.

(7) Die Lösungserklärung durch den Träger einer Werkstatt bedarf der schriftlichen Form und ist zu begründen.


§ 222 SGB IX – Mitbestimmung, Mitwirkung, Frauenbeauftragte

(1) 1Die in § 221 Absatz 1 genannten behinderten Menschen bestimmen und wirken unabhängig von ihrer Geschäftsfähigkeit durch Werkstatträte in den ihre Interessen berührenden Angelegenheiten der Werkstatt mit. 2Die Werkstatträte berücksichtigen die Interessen der im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich der Werkstätten tätigen behinderten Menschen in angemessener und geeigneter Weise, solange für diese eine Vertretung nach § 52 nicht besteht.

(2) Ein Werkstattrat wird in Werkstätten gewählt; er setzt sich aus mindestens drei Mitgliedern zusammen.

(3) Wahlberechtigt zum Werkstattrat sind alle in § 221 Absatz 1 genannten behinderten Menschen; von ihnen sind die behinderten Menschen wählbar, die am Wahltag seit mindestens sechs Monaten in der Werkstatt beschäftigt sind.

(4) 1Die Werkstätten für behinderte Menschen unterrichten die Personen, die behinderte Menschen gesetzlich vertreten oder mit ihrer Betreuung beauftragt sind, einmal im Kalenderjahr in einer Eltern- und Betreuerversammlung in angemessener Weise über die Angelegenheiten der Werkstatt, auf die sich die Mitwirkung erstreckt, und hören sie dazu an. 2In den Werkstätten kann im Einvernehmen mit dem Träger der Werkstatt ein Eltern- und Betreuerbeirat errichtet werden, der die Werkstatt und den Werkstattrat bei ihrer Arbeit berät und durch Vorschläge und Stellungnahmen unterstützt.

(5) 1Behinderte Frauen im Sinne des § 221 Absatz 1 wählen in jeder Werkstatt eine Frauenbeauftragte und eine Stellvertreterin. 2In Werkstätten mit mehr als 700 wahlberechtigten Frauen wird eine zweite Stellvertreterin gewählt, in Werkstätten mit mehr als 1.000 wahlberechtigten Frauen werden bis zu drei Stellvertreterinnen gewählt.


§ 223 SGB IX – Anrechnung von Aufträgen auf die Ausgleichsabgabe

(1) 1Arbeitgeber, die durch Aufträge an anerkannte Werkstätten für behinderte Menschen zur Beschäftigung behinderter Menschen beitragen, können 50 Prozent des auf die Arbeitsleistung der Werkstatt entfallenden Rechnungsbetrages solcher Aufträge (Gesamtrechnungsbetrag abzüglich Materialkosten) auf die Ausgleichsabgabe anrechnen. 2Dabei wird die Arbeitsleistung des Fachpersonals zur Arbeits- und Berufsförderung berücksichtigt, nicht hingegen die Arbeitsleistung sonstiger nichtbehinderter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. 3Bei Weiterveräußerung von Erzeugnissen anderer anerkannter Werkstätten für behinderte Menschen wird die von diesen erbrachte Arbeitsleistung berücksichtigt. 4Die Werkstätten bestätigen das Vorliegen der Anrechnungsvoraussetzungen in der Rechnung.

(2) Voraussetzung für die Anrechnung ist, dass

  1. 1.

    die Aufträge innerhalb des Jahres, in dem die Verpflichtung zur Zahlung der Ausgleichsabgabe entsteht, von der Werkstatt für behinderte Menschen ausgeführt und vom Auftraggeber bis spätestens 31. März des Folgejahres vergütet werden und

  2. 2.

    es sich nicht um Aufträge handelt, die Träger einer Gesamteinrichtung an Werkstätten für behinderte Menschen vergeben, die rechtlich unselbständige Teile dieser Einrichtung sind.

(3) Bei der Vergabe von Aufträgen an Zusammenschlüsse anerkannter Werkstätten für behinderte Menschen gilt Absatz 2 entsprechend.


§ 224 SGB IX – Vergabe von Aufträgen durch die öffentliche Hand

(1) 1Aufträge der öffentlichen Hand, die von anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen ausgeführt werden können, werden bevorzugt diesen Werkstätten angeboten; zudem können Werkstätten für behinderte Menschen nach Maßgabe der allgemeinen Verwaltungsvorschriften nach Satz 2 beim Zuschlag und den Zuschlagskriterien bevorzugt werden. 2Die Bundesregierung erlässt mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften zur Vergabe von Aufträgen durch die öffentliche Hand.

Absatz 1 Satz 1 geändert und Satz 2 neugefasst durch G vom 2. 6. 2021 (BGBl I S. 1387).

(2) Absatz 1 gilt auch für Inklusionsbetriebe.


§ 225 SGB IX – Anerkennungsverfahren

1Werkstätten für behinderte Menschen, die eine Vergünstigung im Sinne dieses Kapitels in Anspruch nehmen wollen, bedürfen der Anerkennung. 2Die Entscheidung über die Anerkennung trifft auf Antrag die Bundesagentur für Arbeit im Einvernehmen mit dem Träger der Eingliederungshilfe. 3Die Bundesagentur für Arbeit führt ein Verzeichnis der anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen. 4In dieses Verzeichnis werden auch Zusammenschlüsse anerkannter Werkstätten für behinderte Menschen aufgenommen.

Satz 2 geändert durch G vom 17. 7. 2017 (BGBl I S. 2541).


§ 226 SGB IX – Blindenwerkstätten

Die §§ 223  und  224 sind auch zugunsten von auf Grund des Blindenwarenvertriebsgesetzes anerkannten Blindenwerkstätten anzuwenden.


§ 227 SGB IX – Verordnungsermächtigungen

(1) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über den Begriff und die Aufgaben der Werkstatt für behinderte Menschen, die Aufnahmevoraussetzungen, die fachlichen Anforderungen, insbesondere hinsichtlich der Wirtschaftsführung, sowie des Begriffs und der Verwendung des Arbeitsergebnisses sowie das Verfahren zur Anerkennung als Werkstatt für behinderte Menschen.

(2) 1Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates im Einzelnen die Errichtung, Zusammensetzung und Aufgaben des Werkstattrats, die Fragen, auf die sich Mitbestimmung und Mitwirkung erstrecken, einschließlich Art und Umfang der Mitbestimmung und Mitwirkung, die Vorbereitung und Durchführung der Wahl, einschließlich der Wahlberechtigung und der Wählbarkeit, die Amtszeit sowie die Geschäftsführung des Werkstattrats einschließlich des Erlasses einer Geschäftsordnung und der persönlichen Rechte und Pflichten der Mitglieder des Werkstattrats und der Kostentragung. 2In der Rechtsverordnung werden auch Art und Umfang der Beteiligung von Frauenbeauftragten, die Vorbereitung und Durchführung der Wahl einschließlich der Wahlberechtigung und der Wählbarkeit, die Amtszeit, die persönlichen Rechte und die Pflichten der Frauenbeauftragten und ihrer Stellvertreterinnen sowie die Kostentragung geregelt. 3Die Rechtsverordnung kann darüber hinaus bestimmen, dass die in ihr getroffenen Regelungen keine Anwendung auf Religionsgemeinschaften und ihre Einrichtungen finden, soweit sie eigene gleichwertige Regelungen getroffen haben.


§§ 151 - 241, Teil 3 - Besondere Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (Schwerbehindertenrecht)
§§ 228 - 237, Kapitel 13 - Unentgeltliche Beförderung schwerbehinderter Menschen im öffentlichen Personenverkehr

§ 228 SGB IX – Unentgeltliche Beförderung, Anspruch auf Erstattung der Fahrgeldausfälle

(1) 1Schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, werden von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 152 Absatz 5 im Nahverkehr im Sinne des § 230 Absatz 1 unentgeltlich befördert; die unentgeltliche Beförderung verpflichtet zur Zahlung eines tarifmäßigen Zuschlages bei der Benutzung zuschlagpflichtiger Züge des Nahverkehrs. 2Voraussetzung ist, dass der Ausweis mit einer gültigen Wertmarke versehen ist.

(2) 1Die Wertmarke wird gegen Entrichtung eines Betrages von 80 Euro für ein Jahr oder 40 Euro für ein halbes Jahr ausgegeben. 2Der Betrag erhöht sich in entsprechender Anwendung des § 160 Absatz 3 jeweils zu dem Zeitpunkt, zu dem die nächste Neubestimmung der Beträge der Ausgleichsabgabe erfolgt.  (1) 3Liegt dieser Zeitpunkt innerhalb der Gültigkeitsdauer einer bereits ausgegebenen Wertmarke, ist der höhere Betrag erst im Zusammenhang mit der Ausgabe der darauffolgenden Wertmarke zu entrichten. 4Abweichend von § 160 Absatz 3 Satz 4 sind die sich ergebenden Beträge auf den nächsten vollen Eurobetrag aufzurunden. 5Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gibt den Erhöhungsbetrag und die sich nach entsprechender Anwendung des § 160 Absatz 3 Satz 3 ergebenden Beträge im Bundesanzeiger bekannt.

(3) 1Wird die für ein Jahr ausgegebene Wertmarke vor Ablauf eines halben Jahres ihrer Gültigkeitsdauer zurückgegeben, wird auf Antrag die Hälfte der Gebühr erstattet. 2Entsprechendes gilt für den Fall, dass der schwerbehinderte Mensch vor Ablauf eines halben Jahres der Gültigkeitsdauer der für ein Jahr ausgegebenen Wertmarke verstirbt.

(4) Auf Antrag wird eine für ein Jahr gültige Wertmarke, ohne dass der Betrag nach Absatz 2 in seiner jeweiligen Höhe zu entrichten ist, an schwerbehinderte Menschen ausgegeben,

  1. 1.

    die blind im Sinne des § 72 Absatz 5 des Zwölften Buches oder entsprechender Vorschriften oder hilflos im Sinne des § 33b des Einkommensteuergesetzes oder entsprechender Vorschriften sind oder

  2. 2.

    die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch oder für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches , dem Achten oder dem Vierzehnten Buch erhalten oder

  3. 3.

    die am 1. Oktober 1979 die Voraussetzungen nach § 2 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 und Absatz 3 des Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung von Kriegs- und Wehrdienstbeschädigten sowie von anderen Behinderten im Nahverkehr vom 27. August 1965 ( BGBl. I S. 978 ), das zuletzt durch Artikel 41 des Zuständigkeitsanpassungs-Gesetzes vom 18. März 1975 ( BGBl. I S. 705 ) geändert worden ist, erfüllten, solange ein Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 70 festgestellt ist oder von mindestens 50 festgestellt ist und sie infolge der Schädigung erheblich gehbehindert sind; das Gleiche gilt für schwerbehinderte Menschen, die diese Voraussetzungen am 1. Oktober 1979 nur deshalb nicht erfüllt haben, weil sie ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu diesem Zeitpunkt in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet hatten.

Absatz 4 Nummer 2 geändert durch G vom 12. 12. 2019 (BGBl I S. 2652) (1. 1. 2024).

(5) 1Die Wertmarke wird nicht ausgegeben, solange eine Kraftfahrzeugsteuerermäßigung nach § 3a Absatz 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes in Anspruch genommen wird. 2Die Ausgabe der Wertmarken erfolgt auf Antrag durch die nach § 152 Absatz 5 zuständigen Behörden. 3Die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle kann die Aufgaben nach den Absätzen 2 bis 4 ganz oder teilweise auf andere Behörden übertragen. 4Für Streitigkeiten in Zusammenhang mit der Ausgabe der Wertmarke gilt § 51 Absatz 1 Nummer 7 des Sozialgerichtsgesetzes entsprechend.

(6) Absatz 1 gilt im Nah- und Fernverkehr im Sinne des § 230 , ohne dass die Voraussetzung des Absatzes 1 Satz 2 erfüllt sein muss, für die Beförderung

  1. 1.

    einer Begleitperson eines schwerbehinderten Menschen im Sinne des Absatzes 1, wenn die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson nachgewiesen und dies im Ausweis des schwerbehinderten Menschen eingetragen ist, und

  2. 2.

    des Handgepäcks, eines mitgeführten Krankenfahrstuhles, soweit die Beschaffenheit des Verkehrsmittels dies zulässt, sonstiger orthopädischer Hilfsmittel und eines Führhundes; das Gleiche gilt für einen Hund, den ein schwerbehinderter Mensch mitführt, in dessen Ausweis die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson nachgewiesen ist, sowie für einen nach § 12e Absatz 4 des Behindertengleichstellungsgesetzes gekennzeichneten Assistenzhund.

Absatz 6 Nummer 2 geändert durch G vom 2. 6. 2021 (BGBl I S. 1387).

(7) 1Die durch die unentgeltliche Beförderung nach den Absätzen 1 bis 6 entstehenden Fahrgeldausfälle werden nach Maßgabe der §§ 231 bis 233 erstattet. 2Die Erstattungen sind aus dem Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. L 315 vom 3.12.2007, S. 1) ausgenommen.

(1) Red. Anm.:

Nach Nummer 2 der Bekanntmachung über die Anpassung der Ausgleichsabgabe (§ 160 Absatz 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch [SGB IX]), der Eigenbeteiligung für die unentgeltliche Beförderung (§ 228 Absatz 2 Satz 2 SGB IX), der übernahmefähigen Kinderbetreuungskosten (§ 74 Absatz 3 Satz 3 SGB IX) und der Finanzierung der Werkstatträte Deutschland (§ 39 Absatz 4 Satz 1 der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung) vom 19. November 2020 (BAnz AT 30.11.2020 B1) beträgt die Eigenbeteiligung für die unentgeltliche Beförderung schwerbehinderter Menschen ab dem 1. Januar 2021 91 Euro für ein Jahr oder 46 Euro für ein halbes Jahr.


§ 229 SGB IX – Persönliche Voraussetzungen

(1) 1In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. 2Der Nachweis der erheblichen Beeinträchtigung in der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr kann bei schwerbehinderten Menschen mit einem Grad der Behinderung von wenigstens 80 nur mit einem Ausweis mit halbseitigem orangefarbenem Flächenaufdruck und eingetragenem Merkzeichen "G" geführt werden, dessen Gültigkeit frühestens mit dem 1. April 1984 beginnt, oder auf dem ein entsprechender Änderungsvermerk eingetragen ist.

(2) 1Zur Mitnahme einer Begleitperson sind schwerbehinderte Menschen berechtigt, die bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung regelmäßig auf Hilfe angewiesen sind. 2Die Feststellung bedeutet nicht, dass die schwerbehinderte Person, wenn sie nicht in Begleitung ist, eine Gefahr für sich oder für andere darstellt.

(3) 1Schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung sind Personen mit einer erheblichen mobilitätsbezogenen Teilhabebeeinträchtigung, die einem Grad der Behinderung von mindestens 80 entspricht. 2Eine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung liegt vor, wenn sich die schwerbehinderten Menschen wegen der Schwere ihrer Beeinträchtigung dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. 3Hierzu zählen insbesondere schwerbehinderte Menschen, die auf Grund der Beeinträchtigung der Gehfähigkeit und Fortbewegung - dauerhaft auch für sehr kurze Entfernungen - aus medizinischer Notwendigkeit auf die Verwendung eines Rollstuhls angewiesen sind. 4Verschiedenste Gesundheitsstörungen (insbesondere Störungen bewegungsbezogener, neuromuskulärer oder mentaler Funktionen, Störungen des kardiovaskulären oder Atmungssystems) können die Gehfähigkeit erheblich beeinträchtigen. 5Diese sind als außergewöhnliche Gehbehinderung anzusehen, wenn nach versorgungsärztlicher Feststellung die Auswirkung der Gesundheitsstörungen sowie deren Kombination auf die Gehfähigkeit dauerhaft so schwer ist, dass sie der unter Satz 1 genannten Beeinträchtigung gleich kommt.


§ 230 SGB IX – Nah- und Fernverkehr

(1) Nahverkehr im Sinne dieses Gesetzes ist der öffentliche Personenverkehr mit

  1. 1.

    Straßenbahnen und Obussen im Sinne des Personenbeförderungsgesetzes ,

  2. 2.

    Kraftfahrzeugen im Linienverkehr nach den §§ 42  und  43 des Personenbeförderungsgesetzes auf Linien, bei denen die Mehrzahl der Beförderungen eine Strecke von 50 Kilometern nicht übersteigt, es sei denn, dass bei den Verkehrsformen nach § 43 des Personenbeförderungsgesetzes die Genehmigungsbehörde auf die Einhaltung der Vorschriften über die Beförderungsentgelte gemäß § 45 Absatz 3 des Personenbeförderungsgesetzes ganz oder teilweise verzichtet hat,

  3. 3.

    S-Bahnen in der 2. Wagenklasse,

  4. 4.

    Eisenbahnen in der 2. Wagenklasse in Zügen und auf Strecken und Streckenabschnitten, die in ein von mehreren Unternehmern gebildetes, mit den unter Nummer 1, 2 oder 7 genannten Verkehrsmitteln zusammenhängendes Liniennetz mit einheitlichen oder verbundenen Beförderungsentgelten einbezogen sind,

  5. 5.

    Eisenbahnen des Bundes in der 2. Wagenklasse in Zügen, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Nahverkehr zu befriedigen (Züge des Nahverkehrs),

  6. 6.

    sonstigen Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs im Sinne von § 2 Absatz 1 und § 3 Absatz 1 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes in der 2. Wagenklasse auf Strecken, bei denen die Mehrzahl der Beförderungen eine Strecke von 50 Kilometern nicht überschreitet,

  7. 7.

    Wasserfahrzeugen im Linien-, Fähr- und Übersetzverkehr, wenn dieser der Beförderung von Personen im Orts- und Nachbarschaftsbereich dient und Ausgangs- und Endpunkt innerhalb dieses Bereiches liegen; Nachbarschaftsbereich ist der Raum zwischen benachbarten Gemeinden, die, ohne unmittelbar aneinander grenzen zu müssen, durch einen stetigen, mehr als einmal am Tag durchgeführten Verkehr wirtschaftlich und verkehrsmäßig verbunden sind.

(2) Fernverkehr im Sinne dieses Gesetzes ist der öffentliche Personenverkehr mit

  1. 1.

    Kraftfahrzeugen im Linienverkehr nach § 42a Satz 1 des Personenbeförderungsgesetzes ,

  2. 2.

    Eisenbahnen, ausgenommen der Sonderzugverkehr,

  3. 3.

    Wasserfahrzeugen im Fähr- und Übersetzverkehr, sofern keine Häfen außerhalb des Geltungsbereiches dieses Buches angelaufen werden, soweit der Verkehr nicht Nahverkehr im Sinne des Absatzes 1 ist.

(3) Die Unternehmer, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, weisen im öffentlichen Personenverkehr nach Absatz 1 Nummer 2, 5, 6 und 7 im Fahrplan besonders darauf hin, inwieweit eine Pflicht zur unentgeltlichen Beförderung nach § 228 Absatz 1 nicht besteht.


§ 231 SGB IX – Erstattung der Fahrgeldausfälle im Nahverkehr

(1) Die Fahrgeldausfälle im Nahverkehr werden nach einem Prozentsatz der von den Unternehmern oder den Nahverkehrsorganisationen im Sinne des § 233 Absatz 2 nachgewiesenen Fahrgeldeinnahmen im Nahverkehr erstattet.

(2) 1Fahrgeldeinnahmen im Sinne dieses Kapitels sind alle Erträge aus dem Fahrkartenverkauf. 2Sie umfassen auch Erträge aus der Beförderung von Handgepäck, Krankenfahrstühlen, sonstigen orthopädischen Hilfsmitteln, Tieren sowie aus erhöhten Beförderungsentgelten.

(3) Werden in einem von mehreren Unternehmern gebildeten zusammenhängenden Liniennetz mit einheitlichen oder verbundenen Beförderungsentgelten die Erträge aus dem Fahrkartenverkauf zusammengefasst und dem einzelnen Unternehmer anteilmäßig nach einem vereinbarten Verteilungsschlüssel zugewiesen, so ist der zugewiesene Anteil Ertrag im Sinne des Absatzes 2.

(4) 1Der Prozentsatz im Sinne des Absatzes 1 wird für jedes Land von der Landesregierung oder der von ihr bestimmten Behörde für jeweils ein Jahr bekannt gemacht. 2Bei der Berechnung des Prozentsatzes ist von folgenden Zahlen auszugehen:

  1. 1.

    der Zahl der in dem Land in dem betreffenden Kalenderjahr ausgegebenen Wertmarken und der Hälfte der in dem Land am Jahresende in Umlauf befindlichen gültigen Ausweise im Sinne des § 228 Absatz 1 von schwerbehinderten Menschen, die das sechste Lebensjahr vollendet haben und bei denen die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson im Ausweis eingetragen ist; Wertmarken mit einer Gültigkeitsdauer von einem halben Jahr und Wertmarken für ein Jahr, die vor Ablauf eines halben Jahres ihrer Gültigkeitsdauer zurückgegeben werden, werden zur Hälfte gezählt,

  2. 2.

    der in den jährlichen Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes zum Ende des Vorjahres nachgewiesenen Zahl der Wohnbevölkerung in dem Land abzüglich der Zahl der Kinder, die das sechste Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und der Zahlen nach Nummer 1.

3Der Prozentsatz ist nach folgender Formel zu berechnen:

nach Nummer 1 errechnete Zahl 
__________________________________________________________× 100
nach Nummer 2 errechnete Zahl 

4Bei der Festsetzung des Prozentsatzes sich ergebende Bruchteile von 0,005 und mehr werden auf ganze Hundertstel aufgerundet, im Übrigen abgerundet.

Absatz 4 Satz 3 neugefasst durch G vom 17. 7. 2017 (BGBl I S. 2541).

(5) 1Weist ein Unternehmen durch Verkehrszählung nach, dass das Verhältnis zwischen den nach diesem Kapitel unentgeltlich beförderten Fahrgästen und den sonstigen Fahrgästen den nach Absatz 4 festgesetzten Prozentsatz um mindestens ein Drittel übersteigt, wird neben dem sich aus der Berechnung nach Absatz 4 ergebenden Erstattungsbetrag auf Antrag der nachgewiesene, über dem Drittel liegende Anteil erstattet. 2Die Länder können durch Rechtsverordnung bestimmen, dass die Verkehrszählung durch Dritte auf Kosten des Unternehmens zu erfolgen hat.

(6) Absatz 5 gilt nicht in Fällen des § 233 Absatz 2 .


§ 232 SGB IX – Erstattung der Fahrgeldausfälle im Fernverkehr

(1) Die Fahrgeldausfälle im Fernverkehr werden nach einem Prozentsatz der von den Unternehmern nachgewiesenen Fahrgeldeinnahmen im Fernverkehr erstattet.

(2) 1Der maßgebende Prozentsatz wird vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen und dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur für jeweils zwei Jahre bekannt gemacht. 2Bei der Berechnung des Prozentsatzes ist von folgenden, für das letzte Jahr vor Beginn des Zweijahreszeitraumes vorliegenden Zahlen auszugehen:

  1. 1.

    der Zahl der im Geltungsbereich dieses Gesetzes am Jahresende in Umlauf befindlichen gültigen Ausweise nach § 228 Absatz 1 , auf denen die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson eingetragen ist, abzüglich 25 Prozent,

  2. 2.

    der in den jährlichen Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes zum Jahresende nachgewiesenen Zahl der Wohnbevölkerung im Geltungsbereich dieses Gesetzes abzüglich der Zahl der Kinder, die das vierte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und der nach Nummer 1 ermittelten Zahl.

3Der Prozentsatz ist nach folgender Formel zu berechnen:

nach Nummer 1 errechnete Zahl 
__________________________________________________________× 100
nach Nummer 2 errechnete Zahl 

4 § 231 Absatz 4 letzter Satz gilt entsprechend.

Absatz 2 Satz 3 neugefasst durch G vom 17. 7. 2017 (BGBl I S. 2541).

Zu § 232: Der für die Erstattung der Fahrgeldausfälle im Fernverkehr maßgebende Prozentsatz beträgt für die Kalenderjahre 2023 und 2024 1,90 Prozent. (vgl. Bek. vom 21. 3. 2024, BAnz AT 09.04.2024 B1).


§ 233 SGB IX – Erstattungsverfahren

(1) 1Die Fahrgeldausfälle werden auf Antrag des Unternehmers erstattet. 2Bei einem von mehreren Unternehmern gebildeten zusammenhängenden Liniennetz mit einheitlichen oder verbundenen Beförderungsentgelten können die Anträge auch von einer Gemeinschaftseinrichtung dieser Unternehmer für ihre Mitglieder gestellt werden. 3Der Antrag ist innerhalb von drei Jahren nach Ablauf des Abrechnungsjahres zu stellen, und zwar für den Nahverkehr nach § 234 Satz 1 Nummer 1 und für den Fernverkehr an das Bundesverwaltungsamt, für den übrigen Nahverkehr bei den in Absatz 4 bestimmten Behörden.

(2) Haben sich in einem Bundesland mehrere Aufgabenträger des öffentlichen Personennahverkehrs auf lokaler oder regionaler Ebene zu Verkehrsverbünden zusammengeschlossen und erhalten die im Zuständigkeitsbereich dieser Aufgabenträger öffentlichen Personennahverkehr betreibenden Verkehrsunternehmen für ihre Leistungen ein mit diesen Aufgabenträgern vereinbartes Entgelt (Bruttoprinzip), können anstelle der antrags- und erstattungsberechtigten Verkehrsunternehmen auch die Nahverkehrsorganisationen Antrag auf Erstattung der in ihrem jeweiligen Gebiet entstandenen Fahrgeldausfälle stellen, sofern die Verkehrsunternehmen hierzu ihr Einvernehmen erteilt haben.

(3) 1Die Unternehmer oder die Nahverkehrsorganisationen im Sinne des Absatzes 2 erhalten auf Antrag Vorauszahlungen für das laufende Kalenderjahr in Höhe von insgesamt 80 Prozent des zuletzt für ein Jahr festgesetzten Erstattungsbetrages. 2Die Vorauszahlungen werden je zur Hälfte am 15. Juli und am 15. November gezahlt. 3Der Antrag auf Vorauszahlungen gilt zugleich als Antrag im Sinne des Absatzes 1. 4Die Vorauszahlungen sind zurückzuzahlen, wenn Unterlagen, die für die Berechnung der Erstattung erforderlich sind, nicht bis zum 31. Dezember des dritten auf die Vorauszahlung folgenden Kalenderjahres vorgelegt sind. 5In begründeten Ausnahmefällen kann die Rückforderung der Vorauszahlungen ausgesetzt werden.

(4) 1Die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle legt die Behörden fest, die über die Anträge auf Erstattung und Vorauszahlung entscheiden und die auf den Bund und das Land entfallenden Beträge auszahlen. 2 § 11 Absatz 2 bis 4 des Personenbeförderungsgesetzes gilt entsprechend.

(5) Erstreckt sich der Nahverkehr auf das Gebiet mehrerer Länder, entscheiden die nach Landesrecht zuständigen Landesbehörden dieser Länder darüber, welcher Teil der Fahrgeldeinnahmen jeweils auf den Bereich ihres Landes entfällt.

(6) Die Unternehmen im Sinne des § 234 Satz 1 Nummer 1 legen ihren Anträgen an das Bundesverwaltungsamt den Anteil der nachgewiesenen Fahrgeldeinnahmen im Nahverkehr zugrunde, der auf den Bereich des jeweiligen Landes entfällt; für den Nahverkehr von Eisenbahnen des Bundes im Sinne des § 230 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 bestimmt sich dieser Teil nach dem Anteil der Zugkilometer, die von einer Eisenbahn des Bundes mit Zügen des Nahverkehrs im jeweiligen Land erbracht werden.

(7) 1Hinsichtlich der Erstattungen gemäß § 231 für den Nahverkehr nach § 234 Satz 1 Nummer 1 und gemäß § 232 sowie der entsprechenden Vorauszahlungen nach Absatz 3 wird dieses Kapitel in bundeseigener Verwaltung ausgeführt. 2Die Verwaltungsaufgaben des Bundes erledigt das Bundesverwaltungsamt nach fachlichen Weisungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales in eigener Zuständigkeit.

(8) 1Für das Erstattungsverfahren gelten das Verwaltungsverfahrensgesetz und die entsprechenden Gesetze der Länder. 2Bei Streitigkeiten über die Erstattungen und die Vorauszahlungen ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben.


§ 234 SGB IX – Kostentragung

1Der Bund trägt die Aufwendungen für die unentgeltliche Beförderung

  1. 1.

    im Nahverkehr, soweit Unternehmen, die sich überwiegend in der Hand des Bundes oder eines mehrheitlich dem Bund gehörenden Unternehmens befinden (auch in Verkehrsverbünden), erstattungsberechtigte Unternehmer sind sowie

  2. 2.

    im Fernverkehr für die Begleitperson und die mitgeführten Gegenstände im Sinne des § 228 Absatz 6 .

2Die Länder tragen die Aufwendungen für die unentgeltliche Beförderung im übrigen Nahverkehr.


§ 235 SGB IX – Einnahmen aus Wertmarken

1Von den durch die Ausgabe der Wertmarken erzielten jährlichen Einnahmen erhält der Bund einen Anteil von 27 Prozent. 2Dieser ist unter Berücksichtigung der in der Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni eines Kalenderjahres eingegangenen Einnahmen zum 15. Juli und unter Berücksichtigung der vom 1. Juli bis 31. Dezember eines Kalenderjahres eingegangenen Einnahmen zum 15. Januar des darauffolgenden Kalenderjahres an den Bund abzuführen.


§ 236 SGB IX – Erfassung der Ausweise

1Die für die Ausstellung der Ausweise nach § 152 Absatz 5 zuständigen Behörden erfassen

  1. 1.

    die am Jahresende im Umlauf befindlichen gültigen Ausweise, getrennt nach Art und besonderen Eintragungen,

  2. 2.

    die im Kalenderjahr ausgegebenen Wertmarken, unterteilt nach der jeweiligen Gültigkeitsdauer und die daraus erzielten Einnahmen

als Grundlage für die nach § 231 Absatz 4 Satz 2 Nummer 1 und § 232 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 zu ermittelnde Zahl der Ausweise und Wertmarken. 2Die zuständigen obersten Landesbehörden teilen dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales das Ergebnis der Erfassung nach Satz 1 spätestens bis zum 31. März des Jahres mit, in dem die Prozentsätze festzusetzen sind.


§ 237 SGB IX – Verordnungsermächtigungen

(1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung auf Grund des § 153 Absatz 1 nähere Vorschriften über die Gestaltung der Wertmarken, ihre Verbindung mit dem Ausweis und Vermerke über ihre Gültigkeitsdauer zu erlassen.

(2) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung festzulegen, welche Zuggattungen von Eisenbahnen des Bundes zu den Zügen des Nahverkehrs im Sinne des § 230 Absatz 1 Nummer 5 und zu den zuschlagpflichtigen Zügen des Nahverkehrs im Sinne des § 228 Absatz 1 Satz 1 zweiter Halbsatz zählen.


§§ 151 - 241, Teil 3 - Besondere Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (Schwerbehindertenrecht)
§§ 237a - 241, Kapitel 14 - Straf-, Bußgeld- und Schlussvorschriften

§ 237a SGB IX – Strafvorschriften

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen § 179 Absatz 7 Satz 1 Nummer 2, auch in Verbindung mit Satz 2 oder § 180 Absatz 7 , ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis verwertet.

(2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt.


§ 237b SGB IX – Strafvorschriften

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen § 179 Absatz 7 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2 oder § 180 Absatz 7 , ein dort genanntes Geheimnis offenbart.

(2) Handelt der Täter gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.

(3) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt.


§ 238 SGB IX – Bußgeldvorschriften

(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig

  1. 1.

    (weggefallen)

  2. 2.

    entgegen § 163 Absatz 1 ein Verzeichnis nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht in der vorgeschriebenen Weise führt oder nicht oder nicht rechtzeitig vorlegt,

  3. 3.

    entgegen § 163 Absatz 2 Satz 1 oder Absatz 4 eine Anzeige nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig erstattet,

  4. 4.

    entgegen § 163 Absatz 5 eine Auskunft nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erteilt,

  5. 5.

    entgegen § 163 Absatz 7 Einblick in den Betrieb oder die Dienststelle nicht oder nicht rechtzeitig gibt,

  6. 6.

    entgegen § 163 Absatz 8 eine dort bezeichnete Person nicht oder nicht rechtzeitig benennt,

  7. 7.

    entgegen § 164 Absatz 1 Satz 4 oder 9 eine dort bezeichnete Vertretung oder einen Beteiligten nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig unterrichtet oder

  8. 8.

    entgegen § 178 Absatz 2 Satz 1 erster Halbsatz die Schwerbehindertenvertretung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig unterrichtet oder nicht oder nicht rechtzeitig anhört.

Absatz 1 Nummer 1 gestrichen durch G vom 6. 6. 2023 (BGBl 2023 I Nr. 146) (1. 1. 2024).

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu zehntausend Euro geahndet werden.

(3) Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Absatz 1 Nummer 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist die Bundesagentur für Arbeit.

(4) 1Die Geldbußen fließen in die Kasse der Verwaltungsbehörde, die den Bußgeldbescheid erlassen hat. 2 § 66 des Zehnten Buches gilt entsprechend.

(5) 1Die nach Absatz 4 Satz 1 zuständige Kasse trägt abweichend von § 105 Absatz 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten die notwendigen Auslagen. 2Sie ist auch ersatzpflichtig im Sinne des § 110 Absatz 4 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten .


§ 239 SGB IX – Stadtstaatenklausel

(1) 1Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg wird ermächtigt, die Schwerbehindertenvertretung für Angelegenheiten, die mehrere oder alle Dienststellen betreffen, in der Weise zu regeln, dass die Schwerbehindertenvertretungen aller Dienststellen eine Gesamtschwerbehindertenvertretung wählen. 2Für die Wahl gilt § 177 Absatz 2 , 3 , 6  und  7 entsprechend.

(2) § 180 Absatz 6 Satz 1 gilt entsprechend.


§ 240 SGB IX – Sonderregelung für den Bundesnachrichtendienst und den Militärischen Abschirmdienst

(1) Für den Bundesnachrichtendienst gilt dieses Gesetz mit folgenden Abweichungen:

  1. 1.

    Der Bundesnachrichtendienst gilt vorbehaltlich der Nummer 3 als einheitliche Dienststelle.

  2. 2.

    Für den Bundesnachrichtendienst gelten die Pflichten zur Vorlage des nach § 163 Absatz 1 zu führenden Verzeichnisses, zur Anzeige nach § 163 Absatz 2 und zur Gewährung von Einblick nach § 163 Absatz 7 nicht. 2Die Anzeigepflicht nach § 173 Absatz 4 gilt nur für die Beendigung von Probearbeitsverhältnissen.

  3. 3.

    1Als Dienststelle im Sinne des Kapitels 5 gelten auch Teile und Stellen des Bundesnachrichtendienstes, die nicht zu seiner Zentrale gehören. 2 § 177 Absatz 1 Satz 4 und 5 sowie § 180 sind nicht anzuwenden. 3In den Fällen des § 180 Absatz 6 ist die Schwerbehindertenvertretung der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes zuständig. 4Im Falle des § 177 Absatz 6 Satz 4 lädt der Leiter oder die Leiterin der Dienststelle ein. 5Die Schwerbehindertenvertretung ist in den Fällen nicht zu beteiligen, in denen die Beteiligung der Personalvertretung nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz ausgeschlossen ist. 6Der Leiter oder die Leiterin des Bundesnachrichtendienstes kann anordnen, dass die Schwerbehindertenvertretung nicht zu beteiligen ist, Unterlagen nicht vorgelegt oder Auskünfte nicht erteilt werden dürfen, wenn und soweit dies aus besonderen nachrichtendienstlichen Gründen geboten ist. 7Die Rechte und Pflichten der Schwerbehindertenvertretung ruhen, wenn die Rechte und Pflichten der Personalvertretung ruhen. 8 § 179 Absatz 7 Satz 3 ist nach Maßgabe der Sicherheitsbestimmungen des Bundesnachrichtendienstes anzuwenden. 9 § 182 Absatz 2 gilt nur für die in § 182 Absatz 1 genannten Personen und Vertretungen der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes.

  4. 4.

    1Im Widerspruchsausschuss bei dem Integrationsamt ( § 202 ) und in den Widerspruchsausschüssen bei der Bundesagentur für Arbeit ( § 203 ) treten in Angelegenheiten schwerbehinderter Menschen, die beim Bundesnachrichtendienst beschäftigt sind, an die Stelle der Mitglieder, die Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen und Arbeitgeber sind ( § 202 Absatz 1 und § 203 Absatz 1 ), Angehörige des Bundesnachrichtendienstes, an die Stelle der Schwerbehindertenvertretung die Schwerbehindertenvertretung der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes. 2Sie werden dem Integrationsamt und der Bundesagentur für Arbeit vom Leiter oder von der Leiterin des Bundesnachrichtendienstes benannt. 3Die Mitglieder der Ausschüsse müssen nach den dafür geltenden Bestimmungen ermächtigt sein, Kenntnis von Verschlusssachen des in Betracht kommenden Geheimhaltungsgrades zu erhalten.

  5. 5.

    Über Rechtsstreitigkeiten, die auf Grund dieses Buches im Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes entstehen, entscheidet im ersten und letzten Rechtszug der oberste Gerichtshof des zuständigen Gerichtszweiges.

(2) Der Militärische Abschirmdienst mit seinem Geschäftsbereich gilt als einheitliche Dienststelle.


§ 241 SGB IX – Übergangsregelung

(1) Abweichend von § 154 Absatz 1 beträgt die Pflichtquote für die in § 154 Absatz 2 Nummer 1 und 4 genannten öffentlichen Arbeitgeber des Bundes weiterhin 6 Prozent, wenn sie am 31. Oktober 1999 auf mindestens 6 Prozent der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen beschäftigt hatten.

(2) Eine auf Grund des Schwerbehindertengesetzes getroffene bindende Feststellung über das Vorliegen einer Behinderung, eines Grades der Behinderung und das Vorliegen weiterer gesundheitlicher Merkmale gelten als Feststellungen nach diesem Buch.

(3) Die nach § 56 Absatz 2 des Schwerbehindertengesetzes erlassenen allgemeinen Richtlinien sind bis zum Erlass von allgemeinen Verwaltungsvorschriften nach § 224 weiter anzuwenden, auch auf Inklusionsbetriebe.

Absatz 3 geändert durch G vom 2. 6. 2021 (BGBl I S. 1387).

(4) Auf Erstattungen nach Kapitel 13 dieses Teils ist § 231 für bis zum 31. Dezember 2004 entstandene Fahrgeldausfälle in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung anzuwenden.

(5) Soweit noch keine Verordnung nach § 153 Absatz 2 erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Absatz 1 des Bundesversorgungsgesetzes und der auf Grund des § 30 Absatz 16 des Bundesversorgungsgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend.

(6) Bestehende Integrationsvereinbarungen im Sinne des § 83 in der bis zum 30. Dezember 2016 geltenden Fassung gelten als Inklusionsvereinbarungen fort.

Absatz 6 neugefasst durch G vom 17. 7. 2017 (BGBl I S. 2541).

(7) 1Die nach § 22 in der am 31. Dezember 2017 geltenden Fassung bis zu diesem Zeitpunkt errichteten gemeinsamen Servicestellen bestehen längstens bis zum 31. Dezember 2018. 2Für die Aufgaben der nach Satz 1 im Jahr 2018 bestehenden gemeinsamen Servicestellen gilt § 22 in der am 31. Dezember 2017 geltenden Fassung entsprechend.

(8) Bis zum 31. Dezember 2019 treten an die Stelle der Träger der Eingliederungshilfe als Rehabilitationsträger im Sinne dieses Buches die Träger der Sozialhilfe nach § 3 des Zwölften Buches , soweit sie zur Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach § 8 Nummer 4 des Zwölften Buches bestimmt sind.

Absatz 8 angefügt durch G vom 17. 7. 2017 (BGBl I S. 2541).

(9) Das Inkrafttreten der bei einer Beschäftigungsquote von 0 Prozent zu zahlenden Ausgleichsabgabe gilt nicht als Neubestimmung der Ausgleichsabgabe im Sinne des § 160 Absatz 3 Satz 2 .

Absatz 9 neugefasst durch G vom 6. 6. 2023 (BGBl 2023 I Nr. 146) (1. 1. 2024).

(10) Für Personen, die Leistungen nach dem Soldatenversorgungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. September 2009 ( BGBl. I S. 3054 ), das zuletzt durch Artikel 19 des Gesetzes vom 4. August 2019 (BGBl. I S. 1147) geändert worden ist, in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Januar 1982 ( BGBl. I S. 21 ), das zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 13. Juni 2019 (BGBl. I S. 793) geändert worden ist, erhalten, gelten die Vorschriften des § 6 Absatz 1 Nummer 5, des § 16 Absatz 6, des § 18 Absatz 7, des § 63 Absatz 1 Nummer 4 und Absatz 2 Nummer 2, des § 64 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 2 Satz 2, des § 65 Absatz 1 Nummer 4, Absatz 2 Nummer 4, Absatz 5 Nummer 2, Absatz 6 und 7, des § 66 Absatz 1 Satz 4, der §§ 69, 70 Absatz 1, des § 71 Absatz 1 Satz 1, des § 152 Absatz 1 Satz 1 und 4, des § 228 Absatz 4 Nummer 2 und des § 241 Absatz 5 in der am 31. Dezember 2023 geltenden Fassung weiter.

Absatz 10 angefügt durch G vom 12. 12. 2019 (BGBl I S. 2652) (1. 1. 2024).


Strafprozessordnung (StPO) 
Bundesrecht
Titel: Strafprozessordnung (StPO) 
Normgeber: Bund
Amtliche Abkürzung: StPO
Gliederungs-Nr.: 312-2
Normtyp: Gesetz

Strafprozessordnung (StPO)  (1)

In der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 ( BGBl. I S. 1074 ,  1319 )

Zuletzt geändert durch Artikel 16 des Gesetzes vom 6. Mai 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 149)

Inhaltsübersicht §§
  
Erstes Buch  
Allgemeine Vorschriften  
  
  
Erster Abschnitt  
Sachliche Zuständigkeit der Gerichte  
  
Anwendbarkeit des Gerichtsverfassungsgesetzes 1
Verbindung und Trennung von Strafsachen 2
Begriff des Zusammenhanges 3
Verbindung und Trennung rechtshängiger Strafsachen 4
Maßgebendes Verfahren 5
Prüfung der sachlichen Zuständigkeit 6
Zuständigkeit besonderer Strafkammern 6a
  
Zweiter Abschnitt  
Gerichtsstand  
  
Gerichtsstand des Tatortes 7
Gerichtsstand des Wohnsitzes oder Aufenthaltsortes 8
Gerichtsstand des Ergreifungsortes 9
Gerichtsstand bei Auslandstaten auf Schiffen oder in Luftfahrzeugen 10
Gerichtsstand bei Auslandstaten im Bereich des Meeres 10a
Gerichtsstand bei Auslandstaten exterritorialer Deutscher und deutscher Beamter 11
Gerichtsstand bei Auslandstaten von Soldaten in besonderer Auslandsverwendung 11a
Zusammentreffen mehrerer Gerichtsstände 12
Gerichtsstand bei zusammenhängenden Strafsachen 13
Zuständigkeitsbestimmung durch den Bundesgerichtshof 13a
Zuständigkeitsbestimmung durch das gemeinschaftliche obere Gericht 14
Gerichtsstand kraft Übertragung bei Hinderung des zuständigen Gerichts 15
Prüfung der örtlichen Zuständigkeit; Einwand der Unzuständigkeit 16
(weggefallen) 17
(weggefallen) 18
Zuständigkeitsbestimmung bei Zuständigkeitsstreit 19
Untersuchungshandlungen eines unzuständigen Gerichts 20
Befugnisse bei Gefahr im Verzug 21
  
Dritter Abschnitt  
Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen  
  
Ausschließung von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes 22
Ausschließung eines Richters wegen Mitwirkung an der angefochtenen Entscheidung 23
Ablehnung eines Richters; Besorgnis der Befangenheit 24
Ablehnungszeitpunkt 25
Ablehnungsverfahren 26
Verwerfung eines unzulässigen Ablehnungsantrags 26a
Entscheidung über einen zulässigen Ablehnungsantrag 27
Rechtsmittel 28
Verfahren nach Ablehnung eines Richters 29
Ablehnung eines Richters bei Selbstanzeige und von Amts wegen 30
Schöffen, Urkundsbeamte 31
  
Vierter Abschnitt  
Aktenführung und Kommunikation im Verfahren  
  
Elektronische Aktenführung; Verordnungsermächtigungen 32
Elektronischer Rechtsverkehr mit Strafverfolgungsbehörden und Gerichten; Verordnungsermächtigungen 32a
Erstellung und Übermittlung strafverfolgungsbehördlicher und gerichtlicher elektronischer Dokumente; Verordnungsermächtigung 32b
Elektronische Formulare; Verordnungsermächtigung 32c
Pflicht zur elektronischen Übermittlung 32d
Übertragung von Dokumenten zu Aktenführungszwecken 32e
Form der Gewährung von Akteneinsicht; Verordnungsermächtigung 32f
  
Abschnitt 4a  
Gerichtliche Entscheidungen  
  
Gewährung rechtlichen Gehörs vor einer Entscheidung 33
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Nichtgewährung rechtlichen Gehörs 33a
Begründung anfechtbarer und ablehnender Entscheidungen 34
Eintritt der Rechtskraft bei Verwerfung eines Rechtsmittels durch Beschluss 34a
Bekanntmachung 35
Rechtsmittelbelehrung 35a
  
Abschnitt 4b  
Verfahren bei Zustellungen  
  
Zustellung und Vollstreckung 36
Zustellungsverfahren 37
Unmittelbare Ladung 38
(weggefallen) 39
Öffentliche Zustellung 40
Zustellungen an die Staatsanwaltschaft 41
  
Fünfter Abschnitt  
Fristen und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand  
  
Berechnung von Tagesfristen 42
Berechnung von Wochen- und Monatsfristen 43
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Fristversäumung 44
Anforderungen an einen Wiedereinsetzungsantrag 45
Zuständigkeit; Rechtsmittel 46
Keine Vollstreckungshemmung 47
  
Sechster Abschnitt  
Zeugen  
  
Zeugenpflichten; Ladung 48
Besonders schutzbedürftige Zeugen; Beschleunigungsgebot 48a
Vernehmung des Bundespräsidenten 49
Vernehmung von Abgeordneten und Mitgliedern einer Regierung 50
Folgen des Ausbleibens eines Zeugen 51
Zeugnisverweigerungsrecht der Angehörigen des Beschuldigten 52
Zeugnisverweigerungsrecht der Berufsgeheimnisträger 53
Zeugnisverweigerungsrecht der mitwirkenden Personen 53a
Aussagegenehmigung für Angehörige des öffentlichen Dienstes 54
Auskunftsverweigerungsrecht 55
Glaubhaftmachung des Verweigerungsgrundes 56
Belehrung 57
Vernehmung; Gegenüberstellung 58
Aufzeichnung der Vernehmung in Bild und Ton 58a
Vernehmung im Wege der Bild- und Tonübertragung 58b
Vereidigung 59
Vereidigungsverbote 60
Recht zur Eidesverweigerung 61
Vereidigung im vorbereitenden Verfahren 62
Vereidigung bei Vernehmung durch den beauftragten oder ersuchten Richter 63
Eidesformel 64
Eidesgleiche Bekräftigung der Wahrheit von Aussagen 65
Eidesleistung bei Hör- oder Sprachbehinderung 66
Berufung auf einen früheren Eid 67
Vernehmung zur Person; Beschränkung von Angaben, Zeugenschutz 68
Beschränkung des Fragerechts aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes 68a
Zeugenbeistand 68b
Vernehmung zur Sache 69
Folgen unberechtigter Zeugnis- oder Eidesverweigerung 70
Zeugenentschädigung 71
  
Siebter Abschnitt  
Sachverständige und Augenschein  
  
Anwendung der Vorschriften über Zeugen auf Sachverständige 72
Auswahl des Sachverständigen 73
Ablehnung des Sachverständigen 74
Pflicht des Sachverständigen zur Erstattung des Gutachtens 75
Gutachtenverweigerungsrecht des Sachverständigen 76
Ausbleiben oder unberechtigte Gutachtenverweigerung des Sachverständigen 77
Richterliche Leitung der Tätigkeit des Sachverständigen 78
Vereidigung des Sachverständigen 79
Vorbereitung des Gutachtens durch weitere Aufklärung 80
Vorbereitung des Gutachtens im Vorverfahren 80a
Unterbringung des Beschuldigten zur Vorbereitung eines Gutachtens 81
Körperliche Untersuchung des Beschuldigten; Zulässigkeit körperlicher Eingriffe 81a
Erkennungsdienstliche Maßnahmen bei dem Beschuldigten 81b
Untersuchung anderer Personen 81c
Durchführung körperlicher Untersuchungen durch Personen gleichen Geschlechts 81d
Molekulargenetische Untersuchung 81e
Verfahren bei der molekulargenetischen Untersuchung 81f
DNA-Identitätsfeststellung 81g
DNA-Reihenuntersuchung 81h
Form der Erstattung eines Gutachtens im Vorverfahren 82
Anordnung einer neuen Begutachtung 83
Sachverständigenvergütung 84
Sachverständige Zeugen 85
Richterlicher Augenschein 86
Leichenschau, Leichenöffnung, Ausgrabung der Leiche 87
Identifizierung des Verstorbenen vor Leichenöffnung 88
Umfang der Leichenöffnung 89
Öffnung der Leiche eines Neugeborenen 90
Untersuchung der Leiche bei Verdacht einer Vergiftung 91
Gutachten bei Verdacht einer Geld- oder Wertzeichenfälschung 92
Schriftgutachten 93
  
Achter Abschnitt  
Ermittlungsmaßnahmen  
  
Sicherstellung und Beschlagnahme von Gegenständen zu Beweiszwecken 94
Herausgabepflicht 95
Zurückstellung der Benachrichtigung des Beschuldigten; Offenbarungsverbot 95a
Amtlich verwahrte Schriftstücke 96
Beschlagnahmeverbot 97
Verfahren bei der Beschlagnahme 98
Rasterfahndung 98a
Verfahren bei der Rasterfahndung 98b
Maschineller Abgleich mit vorhandenen Daten 98c
Postbeschlagnahme und Auskunftsverlangen 99
Verfahren bei der Postbeschlagnahme und Auskunftsverlangen 100
Telekommunikationsüberwachung 100a
Online-Durchsuchung 100b
Akustische Wohnraumüberwachung 100c
Kernbereich privater Lebensgestaltung; Zeugnisverweigerungsberechtigte 100d
Verfahren bei Maßnahmen nach den §§ 100a bis 100c 100e
Akustische Überwachung außerhalb von Wohnraum 100f
Erhebung von Verkehrsdaten 100g
Weitere Maßnahmen außerhalb von Wohnraum 100h
Technische Ermittlungsmaßnahmen bei Mobilfunkendgeräten 100i
Bestandsdatenauskunft 100j
Erhebung von Nutzungsdaten bei digitalen Diensten 100k
Verfahrensregelungen bei verdeckten Maßnahmen 101
Gerichtliche Entscheidung; Datenkennzeichnung und -auswertung; Benachrichtigungspflichten bei Verkehrs- und Nutzungsdaten 101a
Statistische Erfassung; Berichtspflichten 101b
Durchsuchung bei Beschuldigten 102
Durchsuchung bei anderen Personen 103
Durchsuchung von Räumen zur Nachtzeit 104
Verfahren bei der Durchsuchung 105
Hinzuziehung des Inhabers eines Durchsuchungsobjekts 106
Durchsuchungsbescheinigung; Beschlagnahmeverzeichnis 107
Beschlagnahme anderer Gegenstände 108
Kenntlichmachung beschlagnahmter Gegenstände 109
Durchsicht von Papieren und elektronischen Speichermedien 110
Verdeckter Ermittler 110a
Verfahren beim Einsatz eines Verdeckten Ermittlers 110b
Befugnisse des Verdeckten Ermittlers 110c
Besonderes Verfahren bei Einsätzen zur Ermittlung von Straftaten nach den §§ 176e und 184b des Strafgesetzbuches 110d
Errichtung von Kontrollstellen an öffentlich zugänglichen Orten 111
Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis 111a
Beschlagnahme zur Sicherung der Einziehung oder Unbrauchbarmachung 111b
Vollziehung der Beschlagnahme 111c
Wirkung der Vollziehung der Beschlagnahme; Rückgabe beweglicher Sachen 111d
Vermögensarrest zur Sicherung der Wertersatzeinziehung 111e
Vollziehung des Vermögensarrestes 111f
Aufhebung der Vollziehung des Vermögensarrestes 111g
Wirkung der Vollziehung des Vermögensarrestes 111h
Insolvenzverfahren 111i
Verfahren bei der Anordnung der Beschlagnahme und des Vermögensarrestes 111j
Verfahren bei der Vollziehung der Beschlagnahme und des Vermögensarrestes 111k
Mitteilungen 111l
Verwaltung beschlagnahmter oder gepfändeter Gegenstände 111m
Herausgabe beweglicher Sachen 111n
Verfahren bei der Herausgabe 111o
Notveräußerung 111p
Beschlagnahme von Verkörperungen eines Inhalts und Vorrichtungen 111q
  
Neunter Abschnitt  
Verhaftung und vorläufige Festnahme  
  
Voraussetzungen der Untersuchungshaft; Haftgründe 112
Haftgrund der Wiederholungsgefahr 112a
Untersuchungshaft bei leichteren Taten 113
Haftbefehl 114
Aushändigung des Haftbefehls; Übersetzung 114a
Belehrung des verhafteten Beschuldigten 114b
Benachrichtigung von Angehörigen 114c
Mitteilungen an die Vollzugsanstalt 114d
Übermittlung von Erkenntnissen durch die Vollzugsanstalt 114e
Vorführung vor den zuständigen Richter 115
Vorführung vor den Richter des nächsten Amtsgerichts 115a
Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls 116
Aussetzung gegen Sicherheitsleistung 116a
Verhältnis von Untersuchungshaft zu anderen freiheitsentziehenden Maßnahmen 116b
Haftprüfung 117
Verfahren bei der Haftprüfung 118
Mündliche Verhandlung bei der Haftprüfung 118a
Anwendung von Rechtsmittelvorschriften 118b
Haftgrundbezogene Beschränkungen während der Untersuchungshaft 119
Gerichtliche Entscheidung über eine Maßnahme der Vollzugsbehörde 119a
Aufhebung des Haftbefehls 120
Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate 121
Besondere Haftprüfung durch das Oberlandesgericht 122
Höchstdauer der Untersuchungshaft bei Wiederholungsgefahr 122a
Aufhebung der Vollzugsaussetzung dienender Maßnahmen 123
Verfall der geleisteten Sicherheit 124
Zuständigkeit für den Erlass des Haftbefehls 125
Zuständigkeit für weitere gerichtliche Entscheidungen 126
Einstweilige Unterbringung 126a
Vorläufige Festnahme 127
Absehen von der Anordnung oder Aufrechterhaltung der vorläufigen Festnahme 127a
Vorläufige Festnahme und Haftbefehl bei beschleunigtem Verfahren 127b
Vorführung bei vorläufiger Festnahme 128
Vorführung bei vorläufiger Festnahme nach Anklageerhebung 129
Haftbefehl vor Stellung eines Strafantrags 130
  
Abschnitt 9a  
Weitere Maßnahmen zur Sicherstellung der Strafverfolgung und Strafvollstreckung  
  
Ausschreibung zur Festnahme 131
Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung 131a
Veröffentlichung von Abbildungen des Beschuldigten oder Zeugen 131b
Anordnung und Bestätigung von Fahndungsmaßnahmen 131c
Sicherheitsleistung, Zustellungsbevollmächtigter 132
  
Abschnitt 9b  
Vorläufiges Berufsverbot  
  
Anordnung und Aufhebung eines vorläufigen Berufsverbots 132a
  
Zehnter Abschnitt  
Vernehmung des Beschuldigten  
  
Ladung 133
Vorführung 134
Sofortige Vernehmung 135
Vernehmung 136
Verbotene Vernehmungsmethoden; Beweisverwertungsverbote 136a
  
Elfter Abschnitt  
Verteidigung  
  
Recht des Beschuldigten auf Hinzuziehung eines Verteidigers 137
Wahlverteidiger 138
Ausschließung des Verteidigers 138a
Ausschließung bei Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland 138b
Zuständigkeit für die Ausschließungsentscheidung 138c
Verfahren bei Ausschließung des Verteidigers 138d
Übertragung der Verteidigung auf einen Referendar 139
Notwendige Verteidigung 140
Zeitpunkt der Bestellung eines Pflichtverteidigers 141
Vernehmungen und Gegenüberstellungen vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers 141a
Zuständigkeit und Bestellungsverfahren 142
Dauer und Aufhebung der Bestellung 143
Verteidigerwechsel 143a
Zusätzliche Pflichtverteidiger 144
Ausbleiben oder Weigerung des Pflichtverteidigers 145
Zustellungen an den Verteidiger 145a
Verbot der Mehrfachverteidigung 146
Zurückweisung eines Wahlverteidigers 146a
Akteneinsichtsrecht, Besichtigungsrecht; Auskunftsrecht des Beschuldigten 147
Kommunikation des Beschuldigten mit dem Verteidiger 148
Durchführung von Überwachungsmaßnahmen 148a
Zulassung von Beiständen 149
(weggefallen) 150
  
Zweites Buch  
Verfahren im ersten Rechtszug  
  
Erster Abschnitt  
Öffentliche Klage  
  
Anklagegrundsatz 151
Anklagebehörde; Legalitätsgrundsatz 152
Landesgesetzliche Vorschriften über die Strafverfolgung von Abgeordneten 152a
Absehen von der Verfolgung bei Geringfügigkeit 153
Absehen von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen 153a
Absehen von der Verfolgung bei möglichem Absehen von Strafe 153b
Absehen von der Verfolgung bei Auslandstaten 153c
Absehen von der Verfolgung bei Staatsschutzdelikten wegen überwiegender öffentlicher Interessen 153d
Absehen von der Verfolgung bei Staatsschutzdelikten wegen tätiger Reue 153e
Absehen von der Verfolgung bei Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch 153f
Teileinstellung bei mehreren Taten 154
Beschränkung der Verfolgung 154a
Absehen von der Verfolgung bei Auslieferung und Ausweisung 154b
Absehen von der Verfolgung des Opfers einer Nötigung oder Erpressung 154c
Verfolgung bei zivil- oder verwaltungsrechtlicher Vorfrage 154d
Absehen von der Verfolgung bei falscher Verdächtigung oder Beleidigung 154e
Einstellung des Verfahrens bei vorübergehenden Hindernissen 154f
Umfang der gerichtlichen Untersuchung und Entscheidung 155
Täter-Opfer-Ausgleich 155a
Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs 155b
Anklagerücknahme 156
Bezeichnung als Angeschuldigter oder Angeklagter 157
  
Zweiter Abschnitt  
Vorbereitung der öffentlichen Klage  
  
Strafanzeige; Strafantrag 158
Anzeigepflicht bei Leichenfund und Verdacht auf unnatürlichen Tod 159
Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung 160
Maßnahmen bei zeugnisverweigerungsberechtigten Berufsgeheimnisträgern 160a
Erörterung des Verfahrensstands mit den Verfahrensbeteiligten 160b
Allgemeine Ermittlungsbefugnis der Staatsanwaltschaft 161
Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen durch die Staatsanwaltschaft 161a
Ermittlungsrichter 162
Aufgaben der Polizei im Ermittlungsverfahren 163
Vernehmung des Beschuldigten 163a
Maßnahmen zur Identitätsfeststellung 163b
Freiheitsentziehung zur Identitätsfeststellung 163c
Speicherung und Abgleich von Daten aus Kontrollen 163d
Ausschreibung zur Beobachtung bei polizeilichen Kontrollen 163e
Längerfristige Observation 163f
Automatische Kennzeichenerfassung 163g
Festnahme von Störern 164
Richterliche Untersuchungshandlungen bei Gefahr im Verzug 165
Beweisanträge des Beschuldigten bei richterlichen Vernehmungen 166
Weitere Verfügung der Staatsanwaltschaft 167
Protokoll über richterliche Untersuchungshandlungen 168
Art der Protokollierung; Aufzeichnungen 168a
Protokoll über ermittlungsbehördliche Untersuchungshandlungen 168b
Anwesenheitsrecht bei richterlichen Vernehmungen 168c
Anwesenheitsrecht bei Einnahme eines richterlichen Augenscheins 168d
Vernehmung von Zeugen getrennt von Anwesenheitsberechtigten 168e
Ermittlungsrichter des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofes 169
Vermerk über den Abschluss der Ermittlungen 169a
Entscheidung über eine Anklageerhebung 170
Einstellungsbescheid 171
Beschwerde des Verletzten; Klageerzwingungsverfahren 172
Verfahren des Gerichts nach Antragstellung 173
Verwerfung des Antrags 174
Anordnung der Anklageerhebung 175
Sicherheitsleistung durch den Antragsteller 176
Kosten 177
  
Dritter Abschnitt  
(weggefallen) 178 bis 197
  
Vierter Abschnitt  
Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens  
  
(weggefallen) 198
Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens 199
Inhalt der Anklageschrift 200
Übermittlung der Anklageschrift 201
Anordnung ergänzender Beweiserhebungen 202
Erörterung des Verfahrensstands mit den Verfahrensbeteiligten 202a
Eröffnungsbeschluss 203
Nichteröffnungsbeschluss 204
Einstellung des Verfahrens bei vorübergehenden Hindernissen 205
Keine Bindung an Anträge 206
Einstellung des Verfahrens bei Verfahrenshindernis 206a
Einstellung des Verfahrens wegen Gesetzesänderung 206b
Inhalt des Eröffnungsbeschlusses 207
(weggefallen) 208
Eröffnungszuständigkeit 209
Besondere funktionelle Zuständigkeiten 209a
Rechtsmittel gegen den Eröffnungs- oder Ablehnungsbeschluss 210
Wiederaufnahme nach Ablehnungsbeschluss 211
  
Fünfter Abschnitt  
Vorbereitung der Hauptverhandlung  
  
Erörterung des Verfahrensstands mit den Verfahrensbeteiligten 212
Bestimmung eines Termins zur Hauptverhandlung 213
Ladungen durch den Vorsitzenden; Herbeischaffung der Beweismittel 214
Zustellung des Eröffnungsbeschlusses 215
Ladung des Angeklagten 216
Ladungsfrist 217
Ladung des Verteidigers 218
Beweisanträge des Angeklagten 219
Unmittelbare Ladung durch den Angeklagten 220
Herbeischaffung von Beweismitteln von Amts wegen 221
Namhaftmachung von Zeugen und Sachverständigen 222
Mitteilung der Besetzung des Gerichts 222a
Besetzungseinwand 222b
Vernehmungen durch beauftragte oder ersuchte Richter 223
Benachrichtigung der Beteiligten über den Termin 224
Einnahme des richterlichen Augenscheins durch beauftragte oder ersuchte Richter 225
Zuständigkeitsänderung vor der Hauptverhandlung 225a
  
Sechster Abschnitt  
Hauptverhandlung  
  
Ununterbrochene Gegenwart 226
Mehrere Staatsanwälte und Verteidiger 227
Aussetzung und Unterbrechung 228
Höchstdauer einer Unterbrechung 229
Ausbleiben des Angeklagten 230
Anwesenheitspflicht des Angeklagten 231
Herbeiführung der Verhandlungsunfähigkeit durch den Angeklagten 231a
Fortsetzung nach Entfernung des Angeklagten zur Aufrechterhaltung der Ordnung 231b
Beurlaubung einzelner Angeklagter und ihrer Pflichtverteidiger 231c
Durchführung der Hauptverhandlung trotz Ausbleibens des Angeklagten 232
Entbindung des Angeklagten von der Pflicht zum Erscheinen 233
Vertretung des abwesenden Angeklagten 234
Befugnisse des Verteidigers bei Vertretung des abwesenden Angeklagten 234a
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Verhandlung ohne den Angeklagten 235
Anordnung des persönlichen Erscheinens des Angeklagten 236
Verbindung mehrerer Strafsachen 237
Verhandlungsleitung 238
Kreuzverhör 239
Fragerecht 240
Zurückweisung von Fragen durch den Vorsitzenden 241
Vernehmung minderjähriger Zeugen durch den Vorsitzenden 241a
Entscheidung über die Zulässigkeit von Fragen 242
Gang der Hauptverhandlung 243
Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen 244
Umfang der Beweisaufnahme; präsente Beweismittel 245
Ablehnung von Beweisanträgen wegen Verspätung 246
Vernehmung eines Sachverständigen vor Entscheidung über eine Unterbringung 246a
Entfernung des Angeklagten bei Vernehmung von Mitangeklagten und Zeugen 247
Anordnung einer audiovisuellen Vernehmung von Zeugen 247a
Entlassung der Zeugen und Sachverständigen 248
Führung des Urkundenbeweises durch Verlesung; Selbstleseverfahren 249
Grundsatz der persönlichen Vernehmung 250
Urkundenbeweis durch Verlesung von Protokollen 251
Verbot der Protokollverlesung nach Zeugnisverweigerung 252
Protokollverlesung zur Gedächtnisunterstützung 253
Verlesung eines richterlichen Protokolls bei Geständnis oder Widersprüchen 254
Protokollierung der Verlesung 255
Vorführung einer aufgezeichneten Zeugenvernehmung 255a
Verlesung der Erklärungen von Behörden und Sachverständigen 256
Befragung des Angeklagten und Erklärungsrechte nach einer Beweiserhebung 257
Form von Anträgen und Anregungen zu Verfahrensfragen 257a
Erörterung des Verfahrensstands mit den Verfahrensbeteiligten 257b
Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten 257c
Schlussvorträge; Recht des letzten Wortes 258
Dolmetscher 259
Urteil 260
Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung 261
Entscheidung zivilrechtlicher Vorfragen 262
Abstimmung 263
Gegenstand des Urteils 264
Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage 265
Befragung des Angeklagten vor Erteilung von Auflagen oder Weisungen 265a
Nachtragsanklage 266
Urteilsgründe 267
Urteilsverkündung 268
Aussetzung der Vollstreckung von Strafen oder Maßregeln zur Bewährung 268a
Beschluss über die Fortdauer der Untersuchungshaft 268b
Belehrung bei Anordnung eines Fahrverbots 268c
Belehrung bei vorbehaltener Sicherungsverwahrung 268d
Verbot der Verweisung bei Zuständigkeit eines Gerichts niederer Ordnung 269
Verweisung bei Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung 270
Hauptverhandlungsprotokoll 271
Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls 272
Beurkundung der Hauptverhandlung 273
Beweiskraft des Protokolls 274
Absetzungsfrist und Form des Urteils 275
  
Siebter Abschnitt  
Entscheidung über die im Urteil vorbehaltene oder die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung  
  
Einleitung des Verfahrens; Hauptverhandlung; Unterbringungsbefehl 275a
  
Achter Abschnitt  
Verfahren gegen Abwesende  
  
Begriff der Abwesenheit 276
(weggefallen) 277
(weggefallen) 278
(weggefallen) 279
(weggefallen) 280
(weggefallen) 281
(weggefallen) 282
(weggefallen) 283
(weggefallen) 284
Beweissicherungszweck 285
Vertretung von Abwesenden 286
Benachrichtigung von Abwesenden 287
Öffentliche Aufforderung zum Erscheinen oder zur Aufenthaltsortsanzeige 288
Beweisaufnahme durch beauftragte oder ersuchte Richter 289
Vermögensbeschlagnahme 290
Bekanntmachung der Beschlagnahme 291
Wirkung der Bekanntmachung 292
Aufhebung der Beschlagnahme 293
Verfahren nach Anklageerhebung 294
Sicheres Geleit 295
  
Drittes Buch  
Rechtsmittel  
  
Erster Abschnitt  
Allgemeine Vorschriften  
  
Rechtsmittelberechtigte 296
Einlegung durch den Verteidiger 297
Einlegung durch den gesetzlichen Vertreter 298
Abgabe von Erklärungen bei Freiheitsentzug 299
Falschbezeichnung eines zulässigen Rechtsmittels 300
Wirkung eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft 301
Zurücknahme und Verzicht 302
Zustimmungserfordernis bei Zurücknahme 303
  
Zweiter Abschnitt  
Beschwerde  
  
Zulässigkeit 304
Nicht der Beschwerde unterliegende Entscheidungen 305
Beschwerde gegen Strafaussetzungsbeschluss 305a
Einlegung; Abhilfeverfahren 306
Keine Vollzugshemmung 307
Befugnisse des Beschwerdegerichts 308
Entscheidung 309
Weitere Beschwerde 310
Sofortige Beschwerde 311
Nachträgliche Anhörung des Gegners 311a
  
Dritter Abschnitt  
Berufung  
  
Zulässigkeit 312
Annahmeberufung bei geringen Geldstrafen und Geldbußen 313
Form und Frist 314
Berufung und Wiedereinsetzungsantrag 315
Hemmung der Rechtskraft 316
Berufungsbegründung 317
Berufungsbeschränkung 318
Verspätete Einlegung 319
Aktenübermittlung an die Staatsanwaltschaft 320
Aktenübermittlung an das Berufungsgericht 321
Verwerfung ohne Hauptverhandlung 322
Entscheidung über die Annahme der Berufung 322a
Vorbereitung der Berufungshauptverhandlung 323
Gang der Berufungshauptverhandlung 324
Verlesung von Urkunden 325
Schlussvorträge 326
Umfang der Urteilsprüfung 327
Inhalt des Berufungsurteils 328
Ausbleiben des Angeklagten; Vertretung in der Berufungshauptverhandlung 329
Maßnahmen bei Berufung des gesetzlichen Vertreters 330
Verbot der Verschlechterung 331
Anwendbarkeit der Vorschriften über die erstinstanzliche Hauptverhandlung 332
  
Vierter Abschnitt  
Revision  
  
Zulässigkeit 333
(weggefallen) 334
Sprungrevision 335
Überprüfung der dem Urteil vorausgegangenen Entscheidungen 336
Revisionsgründe 337
Absolute Revisionsgründe 338
Rechtsnormen zugunsten des Angeklagten 339
Revision gegen Berufungsurteile bei Vertretung des Angeklagten 340
Form und Frist 341
Revision und Wiedereinsetzungsantrag 342
Hemmung der Rechtskraft 343
Revisionsbegründung 344
Revisionsbegründungsfrist 345
Verspätete oder formwidrige Einlegung 346
Zustellung; Gegenerklärung; Vorlage der Akten an das Revisionsgericht 347
Unzuständigkeit des Gerichts 348
Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss 349
Revisionshauptverhandlung 350
Gang der Revisionshauptverhandlung 351
Umfang der Urteilsprüfung 352
Aufhebung des Urteils und der Feststellungen 353
Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung 354
Entscheidung bei Gesetzesänderung 354a
Verweisung an das zuständige Gericht 355
Urteilsverkündung 356
Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei einer Revisionsentscheidung 356a
Revisionserstreckung auf Mitverurteilte 357
Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung 358
  
Viertes Buch  
Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens  
  
Wiederaufnahme zugunsten des Verurteilten 359
Keine Hemmung der Vollstreckung 360
Wiederaufnahme nach Vollstreckung oder Tod des Verurteilten 361
Wiederaufnahme zuungunsten des Verurteilten 362
Unzulässigkeit 363
Behauptung einer Straftat 364
Bestellung eines Verteidigers für das Wiederaufnahmeverfahren 364a
Bestellung eines Verteidigers für die Vorbereitung des Wiederaufnahmeverfahrens 364b
Geltung der allgemeinen Vorschriften über Rechtsmittel für den Antrag 365
Inhalt und Form des Antrags 366
Zuständigkeit des Gerichts; Entscheidung ohne mündliche Verhandlung 367
Verwerfung wegen Unzulässigkeit 368
Beweisaufnahme 369
Entscheidung über die Begründetheit 370
Freisprechung ohne erneute Hauptverhandlung 371
Sofortige Beschwerde 372
Urteil nach erneuter Hauptverhandlung; Verbot der Schlechterstellung 373
Verfahren bei Strafbefehl 373a
  
Fünftes Buch  
Beteiligung des Verletzten am Verfahren  
  
Erster Abschnitt  
Definition  
  
Begriff des Verletzten 373b
  
Zweiter Abschnitt  
Privatklage  
  
Zulässigkeit; Privatklageberechtigte 374
Mehrere Privatklageberechtigte 375
Anklageerhebung bei Privatklagedelikten 376
Beteiligung der Staatsanwaltschaft; Übernahme der Verfolgung 377
Beistand und Vertreter des Privatklägers 378
Sicherheitsleistung; Prozesskostenhilfe 379
Gebührenvorschuss 379a
Erfolgloser Sühneversuch als Zulässigkeitsvoraussetzung 380
Erhebung der Privatklage 381
Mitteilung der Privatklage an den Beschuldigten 382
Eröffnungs- oder Zurückweisungsbeschluss; Einstellung bei geringer Schuld 383
Weiteres Verfahren 384
Stellung des Privatklägers; Ladung; Akteneinsicht 385
Ladung von Zeugen und Sachverständigen 386
Vertretung in der Hauptverhandlung 387
Widerklage 388
Einstellung durch Urteil bei Verdacht eines Offizialdelikts 389
Rechtsmittel des Privatklägers 390
Rücknahme der Privatklage; Verwerfung bei Versäumung; Wiedereinsetzung 391
Wirkung der Rücknahme 392
Tod des Privatklägers 393
Bekanntmachung an den Beschuldigten 394
  
Dritter Abschnitt  
Nebenklage  
  
Befugnis zum Anschluss als Nebenkläger 395
Anschlusserklärung; Entscheidung über die Befugnis zum Anschluss 396
Verfahrensrechte des Nebenklägers 397
Bestellung eines Beistands; Prozesskostenhilfe 397a
Gemeinschaftliche Nebenklagevertretung 397b
Fortgang des Verfahrens bei Anschluss 398
Bekanntmachung und Anfechtbarkeit früherer Entscheidungen 399
Rechtsmittelbefugnis des Nebenklägers 400
Einlegung eines Rechtsmittels durch den Nebenkläger 401
Widerruf der Anschlusserklärung; Tod des Nebenklägers 402
  
Vierter Abschnitt  
Adhäsionsverfahren  
  
Geltendmachung eines Anspruchs im Adhäsionsverfahren 403
Antrag; Prozesskostenhilfe 404
Vergleich 405
Entscheidung über den Antrag im Strafurteil; Absehen von einer Entscheidung 406
Rechtsmittel 406a
Vollstreckung 406b
Wiederaufnahme des Verfahrens 406c
  
Vierter Abschnitt  
Sonstige Befugnisse des Verletzten  
  
Auskunft über den Stand des Verfahrens 406d
Akteneinsicht 406e
Verletztenbeistand 406f
Psychosoziale Prozessbegleitung 406g
Beistand des nebenklageberechtigten Verletzten 406h
Unterrichtung des Verletzten über seine Befugnisse im Strafverfahren 406i
Unterrichtung des Verletzten über seine Befugnisse außerhalb des Strafverfahrens 406j
Weitere Informationen 406k
Befugnisse von Angehörigen und Erben von Verletzten 406l
  
Sechstes Buch  
Besondere Arten des Verfahrens  
  
Erster Abschnitt  
Verfahren bei Strafbefehlen  
  
Zulässigkeit 407
Richterliche Entscheidung über einen Strafbefehlsantrag 408
Strafbefehlsantrag nach Eröffnung des Hauptverfahrens 408a
Bestellung eines Verteidigers bei beantragter Freiheitsstrafe 408b
Inhalt des Strafbefehls 409
Einspruch; Form und Frist des Einspruchs; Rechtskraft 410
Verwerfung wegen Unzulässigkeit; Termin zur Hauptverhandlung 411
Ausbleiben des Angeklagten; Einspruchsverwerfung 412
  
Zweiter Abschnitt  
Sicherungsverfahren  
  
Zulässigkeit 413
Verfahren; Antragsschrift 414
Hauptverhandlung ohne Beschuldigten 415
Übergang in das Strafverfahren 416
  
Abschnitt 2a  
Beschleunigtes Verfahren  
  
Zulässigkeit 417
Durchführung der Hauptverhandlung 418
Entscheidung des Gerichts; Strafmaß 419
Beweisaufnahme 420
  
Dritter Abschnitt  
Verfahren bei Einziehung und Vermögensbeschlagnahme  
  
Absehen von der Einziehung 421
Abtrennung der Einziehung 422
Einziehung nach Abtrennung 423
Einziehungsbeteiligte am Strafverfahren 424
Absehen von der Verfahrensbeteiligung 425
Anhörung von möglichen Einziehungsbeteiligten im vorbereitenden Verfahren 426
Befugnisse des Einziehungsbeteiligten im Hauptverfahren 427
Vertretung des Einziehungsbeteiligten 428
Terminsnachricht an den Einziehungsbeteiligten 429
Stellung in der Hauptverhandlung 430
Rechtsmittelverfahren 431
Einziehung durch Strafbefehl 432
Nachverfahren 433
Entscheidung im Nachverfahren 434
Selbständiges Einziehungsverfahren 435
Entscheidung im selbständigen Einziehungsverfahren 436
Besondere Regelungen für das selbständige Einziehungsverfahren 437
Nebenbetroffene am Strafverfahren 438
Der Einziehung gleichstehende Rechtsfolgen 439
(weggefallen) 440 bis 442
Vermögensbeschlagnahme 443
  
Vierter Abschnitt  
Verfahren bei Festsetzung von Geldbußen gegen juristische Personen und Personenvereinigungen  
  
Verfahren 444
(weggefallen) 445
(weggefallen) 446
(weggefallen) 447
(weggefallen) 448
  
Siebentes Buch  
Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens  
  
Erster Abschnitt  
Strafvollstreckung  
  
Vollstreckbarkeit 449
Anrechnung von Untersuchungshaft und Führerscheinentziehung 450
Anrechnung einer im Ausland erlittenen Freiheitsentziehung 450a
Vollstreckungsbehörde 451
Begnadigungsrecht 452
Nachträgliche Entscheidung über Strafaussetzung zur Bewährung oder Verwarnung mit Strafvorbehalt 453
Belehrung bei Strafaussetzung oder Verwarnung mit Strafvorbehalt 453a
Bewährungsüberwachung 453b
Vorläufige Maßnahmen vor Widerruf der Aussetzung 453c
Aussetzung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung 454
Beginn der Bewährungszeit; Aufhebung der Aussetzung des Strafrestes 454a
Vollstreckungsreihenfolge bei Freiheits- und Ersatzfreiheitsstrafen; Unterbrechung 454b
Strafausstand wegen Vollzugsuntauglichkeit 455
Strafausstand aus Gründen der Vollzugsorganisation 455a
Vorübergehender Aufschub 456
Absehen von Vollstreckung bei Auslieferung, Überstellung oder Ausweisung 456a
(weggefallen) 456b
Aufschub und Aussetzung des Berufsverbotes 456c
Ermittlungshandlungen; Vorführungsbefehl, Vollstreckungshaftbefehl 457
Gerichtliche Entscheidungen bei Strafvollstreckung 458
Vollstreckung der Geldstrafe; Anwendung des Justizbeitreibungsgesetzes 459
Bewilligung von Zahlungserleichterungen 459a
Anrechnung von Teilbeträgen 459b
Beitreibung der Geldstrafe 459c
Unterbleiben der Vollstreckung einer Geldstrafe 459d
Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe 459e
Unterbleiben der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe 459f
Vollstreckung von Nebenfolgen 459g
Entschädigung 459h
Mitteilungen 459i
Verfahren bei Rückübertragung und Herausgabe 459j
Verfahren bei Auskehrung des Verwertungserlöses 459k
Ansprüche des Betroffenen 459l
Entschädigung in sonstigen Fällen 459m
Zahlungen auf Wertersatzeinziehung 459n
Einwendungen gegen vollstreckungsrechtliche Entscheidungen 459o
Nachträgliche Gesamtstrafenbildung 460
Anrechnung des Aufenthalts in einem Krankenhaus 461
Verfahren bei gerichtlichen Entscheidungen; sofortige Beschwerde 462
Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer und des erstinstanzlichen Gerichts 462a
Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung 463
Zuständigkeit und Befugnisse der Aufsichtsstellen 463a
Beschlagnahme von Führerscheinen 463b
Öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung 463c
Gerichtshilfe 463d
Mündliche Anhörung im Wege der Bild- und Tonübertragung 463e
  
Zweiter Abschnitt  
Kosten des Verfahrens  
  
Kosten- und Auslagenentscheidung; sofortige Beschwerde 464
Kosten des Verfahrens; notwendige Auslagen 464a
Kostenfestsetzung 464b
Kosten bei Bestellung eines Dolmetschers oder Übersetzers für den Angeschuldigten 464c
Verteilung der Auslagen nach Bruchteilen 464d
Kostentragungspflicht des Verurteilten 465
Haftung Mitverurteilter für Auslagen als Gesamtschuldner 466
Kosten und notwendige Auslagen bei Freispruch, Nichteröffnung und Einstellung 467
Auslagen der Staatskasse bei Einstellung nach Anklagerücknahme 467a
Kosten bei Straffreierklärung 468
Kostentragungspflicht des Anzeigenden bei leichtfertiger oder vorsätzlicher Erstattung einer unwahren Anzeige 469
Kosten bei Zurücknahme des Strafantrags 470
Kosten bei Privatklage 471
Notwendige Auslagen des Nebenklägers 472
Kosten und notwendige Auslagen bei Adhäsionsverfahren 472a
Kosten und notwendige Auslagen bei Nebenbeteiligung 472b
Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung 473
Kosten und notwendige Auslagen bei gesonderter Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Ermittlungsmaßnahme 473a
  
Achtes Buch  
Schutz und Verwendung von Daten  
  
Erster Abschnitt  
Erteilung von Auskünften und Akteneinsicht, sonstige Verwendung von Daten für verfahrensübergreifende Zwecke  
  
Auskünfte und Akteneinsicht für Justizbehörden und andere öffentliche Stellen 474
Auskünfte und Akteneinsicht für Privatpersonen und sonstige Stellen 475
Auskünfte und Akteneinsicht zu Forschungszwecken 476
Datenübermittlung von Amts wegen 477
Form der Datenübermittlung 478
Übermittlungsverbote und Verwendungsbeschränkungen 479
Entscheidung über die Datenübermittlung 480
Verwendung personenbezogener Daten für polizeiliche Zwecke 481
Mitteilung des Aktenzeichens und des Verfahrensausgangs an die Polizei 482
  
Zweiter Abschnitt  
Regelungen über die Datenverarbeitung  
  
Datenverarbeitung für Zwecke des Strafverfahrens 483
Datenverarbeitung für Zwecke künftiger Strafverfahren; Verordnungsermächtigung 484
Datenverarbeitung für Zwecke der Vorgangsverwaltung 485
Gemeinsame Dateisysteme 486
Übermittlung gespeicherter Daten; Auskunft 487
Automatisierte Verfahren für Datenübermittlungen 488
Löschung und Einschränkung der Verarbeitung von Daten 489
Errichtungsanordnung für automatisierte Dateisysteme 490
Auskunft an betroffene Personen 491
  
Dritter Abschnitt  
Länderübergreifendes staatsanwaltschaftliches Verfahrensregister  
  
Zentrales staatsanwaltschaftliches Verfahrensregister 492
Automatisiertes Verfahren für Datenübermittlungen 493
Berichtigung, Löschung und Einschränkung der Verarbeitung von Daten; Verordnungsermächtigung 494
Auskunft an betroffene Personen 495
  
Vierter Abschnitt  
Schutz personenbezogener Daten in einer elektronischen Akte; Verwendung personenbezogener Daten aus elektronischen Akten  
  
Verwendung personenbezogener Daten in einer elektronischen Akte 496
Datenverarbeitung im Auftrag 497
Verwendung personenbezogener Daten aus elektronischen Akten 498
Löschung elektronischer Aktenkopien 499
  
Fünfter Abschnitt  
Anwendbarkeit des Bundesdatenschutzgesetzes  
  
Entsprechende Anwendung 500
(1) Red. Anm.:

Nach Nummer 3 der Bekanntmachung zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/800 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für Kinder, die Verdächtige oder beschuldigte Personen in Strafverfahren sind vom 27. Februar 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 69) wird die Richtlinie (EU) 2016/800 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für Kinder, die Verdächtige oder beschuldigte Personen in Strafverfahren sind (ABl. L 132 vom 21.5.2016, S. 1) ergänzend zu dem Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren vom 9. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2146) sowie dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2128) umgesetzt durch die §§ 35a , 58 Absatz 2 , die §§ 58a , 81a , 81b , 114b , 114e , 116 , 117 , 118 , 118a , 118b , 121 , 122 , 126a , 136 , 137 , 140 , 148 , 161 , 163 , 163a , 168 , 168a , 168b Absatz 3 , § 168c Absatz 1 , die §§ 201 , 216 , 217 , 230 Absatz 1 , die §§ 231 ff. , 243 Absatz 5 , die §§ 247 , 257 Absatz 1 , § 258 Absatz 1 , § 275a Absatz 6 , die §§ 285 , 304 ff. , 310 Absatz 1 , die §§ 332 , 333 ff. , 338 Nummer 5 sowie § 464a der Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), die zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 26. Juli 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 203) geändert worden ist.


§§ 1 - 150, Erstes Buch - Allgemeine Vorschriften
§§ 1 - 6a, Erster Abschnitt - Sachliche Zuständigkeit der Gerichte

§ 1 StPO – Anwendbarkeit des Gerichtsverfassungsgesetzes

Die sachliche Zuständigkeit der Gerichte wird durch das Gesetz über die Gerichtsverfassung bestimmt.

Zu § 1: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 2 StPO – Verbindung und Trennung von Strafsachen

(1) 1Zusammenhängende Strafsachen, die einzeln zur Zuständigkeit von Gerichten verschiedener Ordnung gehören würden, können verbunden bei dem Gericht anhängig gemacht werden, dem die höhere Zuständigkeit beiwohnt. 2Zusammenhängende Strafsachen, von denen einzelne zur Zuständigkeit besonderer Strafkammern nach § 74 Abs. 2 sowie den §§ 74a und 74c des Gerichtsverfassungsgesetzes gehören würden, können verbunden bei der Strafkammer anhängig gemacht werden, der nach § 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes der Vorrang zukommt.

(2) Aus Gründen der Zweckmäßigkeit kann durch Beschluss dieses Gerichts die Trennung der verbundenen Strafsachen angeordnet werden.

Zu § 2: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 3 StPO – Begriff des Zusammenhanges

Ein Zusammenhang ist vorhanden, wenn eine Person mehrerer Straftaten beschuldigt wird oder wenn bei einer Tat mehrere Personen als Täter, Teilnehmer oder der Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei beschuldigt werden.

Zu § 3: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 10. 12. 2015 (BGBl I S. 2218).


§ 4 StPO – Verbindung und Trennung rechtshängiger Strafsachen

(1) Eine Verbindung zusammenhängender oder eine Trennung verbundener Strafsachen kann auch nach Eröffnung des Hauptverfahrens auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten oder von Amts wegen durch gerichtlichen Beschluss angeordnet werden.

(2) 1Zuständig für den Beschluss ist das Gericht höherer Ordnung, wenn die übrigen Gerichte zu seinem Bezirk gehören. 2Fehlt ein solches Gericht, so entscheidet das gemeinschaftliche obere Gericht.

Zu § 4: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 5 StPO – Maßgebendes Verfahren

Für die Dauer der Verbindung ist der Straffall, der zur Zuständigkeit des Gerichts höherer Ordnung gehört, für das Verfahren maßgebend.

Zu § 5: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 6 StPO – Prüfung der sachlichen Zuständigkeit

Das Gericht hat seine sachliche Zuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen.

Zu § 6: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 6a StPO – Zuständigkeit besonderer Strafkammern

1Die Zuständigkeit besonderer Strafkammern nach den Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes ( § 74 Abs. 2 , §§ 74a , 74c des Gerichtsverfassungsgesetzes ) prüft das Gericht bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens von Amts wegen. 2Danach darf es seine Unzuständigkeit nur auf Einwand des Angeklagten beachten. 3Der Angeklagte kann den Einwand nur bis zum Beginn seiner Vernehmung zur Sache in der Hauptverhandlung geltend machen.

Zu § 6a: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§§ 1 - 150, Erstes Buch - Allgemeine Vorschriften
§§ 7 - 21, Zweiter Abschnitt - Gerichtsstand

§ 7 StPO – Gerichtsstand des Tatortes

(1) Der Gerichtsstand ist bei dem Gericht begründet, in dessen Bezirk die Straftat begangen ist.

(2) 1Wird die Straftat durch den Inhalt einer im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes erschienenen Druckschrift verwirklicht, so ist als das nach Absatz 1 zuständige Gericht nur das Gericht anzusehen, in dessen Bezirk die Druckschrift erschienen ist. 2Jedoch ist in den Fällen der Beleidigung, sofern die Verfolgung im Wege der Privatklage stattfindet, auch das Gericht, in dessen Bezirk die Druckschrift verbreitet worden ist, zuständig, wenn in diesem Bezirk die beleidigte Person ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Zu § 7: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 8 StPO – Gerichtsstand des Wohnsitzes oder Aufenthaltsortes

(1) Der Gerichtsstand ist auch bei dem Gericht begründet, in dessen Bezirk der Angeschuldigte zur Zeit der Erhebung der Klage seinen Wohnsitz hat.

Zu § 8: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).

(2) Hat der Angeschuldigte keinen Wohnsitz im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes, so wird der Gerichtsstand auch durch den gewöhnlichen Aufenthaltsort und, wenn ein solcher nicht bekannt ist, durch den letzten Wohnsitz bestimmt.


§ 9 StPO – Gerichtsstand des Ergreifungsortes

Der Gerichtsstand ist auch bei dem Gericht begründet, in dessen Bezirk der Beschuldigte ergriffen worden ist.

Zu § 9: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 10 StPO – Gerichtsstand bei Auslandstaten auf Schiffen oder in Luftfahrzeugen

(1) Ist die Straftat auf einem Schiff, das berechtigt ist, die Bundesflagge zu führen, außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes begangen, so ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Heimathafen oder der Hafen im Geltungsbereich dieses Gesetzes liegt, den das Schiff nach der Tat zuerst erreicht.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für Luftfahrzeuge, die berechtigt sind, das Staatszugehörigkeitszeichen der Bundesrepublik Deutschland zu führen.

Zu § 10: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 10a StPO – Gerichtsstand bei Auslandstaten im Bereich des Meeres

Ist für eine Straftat, die außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes im Bereich des Meeres begangen wird, ein Gerichtsstand nicht begründet, so ist Hamburg Gerichtsstand; zuständiges Amtsgericht ist das Amtsgericht Hamburg.

Zu § 10a: Geändert durch G vom 2. 8. 1993 (BGBl I S. 1407) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 11 StPO – Gerichtsstand bei Auslandstaten exterritorialer Deutscher und deutscher Beamter

(1) 1Deutsche, die das Recht der Exterritorialität genießen, sowie die im Ausland angestellten Beamten des Bundes oder eines deutschen Landes behalten hinsichtlich des Gerichtsstandes den Wohnsitz, den sie im Inland hatten. 2Wenn sie einen solchen Wohnsitz nicht hatten, so gilt der Sitz der Bundesregierung als ihr Wohnsitz.

(2) Auf Wahlkonsuln sind diese Vorschriften nicht anzuwenden.

Zu § 11: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 11a StPO – Gerichtsstand bei Auslandstaten von Soldaten in besonderer Auslandsverwendung

Wird eine Straftat außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes von Soldatinnen oder Soldaten der Bundeswehr in besonderer Auslandsverwendung ( § 62 Absatz 1 des Soldatengesetzes ) begangen, so ist der Gerichtsstand bei dem für die Stadt Kempten zuständigen Gericht begründet.

Zu § 11a: Eingefügt durch G vom 21. 1. 2013 (BGBl I S. 89), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 12 StPO – Zusammentreffen mehrerer Gerichtsstände

(1) Unter mehreren nach den Vorschriften der §§ 7 bis 11a und 13a zuständigen Gerichten gebührt dem der Vorzug, das die Untersuchung zuerst eröffnet hat.

(2) Jedoch kann die Untersuchung und Entscheidung einem anderen der zuständigen Gerichte durch das gemeinschaftliche obere Gericht übertragen werden.

Zu § 12: Geändert durch G vom 21. 1. 2013 (BGBl I S. 89) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 13 StPO – Gerichtsstand bei zusammenhängenden Strafsachen

(1) Für zusammenhängende Strafsachen, die einzeln nach den Vorschriften der §§ 7 bis 11 zur Zuständigkeit verschiedener Gerichte gehören würden, ist ein Gerichtsstand bei jedem Gericht begründet, das für eine der Strafsachen zuständig ist.

(2) 1Sind mehrere zusammenhängende Strafsachen bei verschiedenen Gerichten anhängig gemacht worden, so können sie sämtlich oder zum Teil durch eine den Anträgen der Staatsanwaltschaft entsprechende Vereinbarung dieser Gerichte bei einem unter ihnen verbunden werden. 2Kommt eine solche Vereinbarung nicht zu Stande, so entscheidet, wenn die Staatsanwaltschaft oder ein Angeschuldigter hierauf anträgt, das gemeinschaftliche obere Gericht darüber, ob und bei welchem Gericht die Verbindung einzutreten hat.

(3) In gleicher Weise kann die Verbindung wieder aufgehoben werden.

Zu § 13: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 13a StPO – Zuständigkeitsbestimmung durch den Bundesgerichtshof

Fehlt es im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes an einem zuständigen Gericht oder ist dieses nicht ermittelt, so bestimmt der Bundesgerichtshof das zuständige Gericht.

Zu § 13a: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 14 StPO – Zuständigkeitsbestimmung durch das gemeinschaftliche obere Gericht

Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit, so bestimmt das gemeinschaftliche obere Gericht das Gericht, das sich der Untersuchung und Entscheidung zu unterziehen hat.

Zu § 14: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 15 StPO – Gerichtsstand kraft Übertragung bei Hinderung des zuständigen Gerichts

Ist das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Falle an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert oder ist von der Verhandlung vor diesem Gericht eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu besorgen, so hat das zunächst obere Gericht die Untersuchung und Entscheidung dem gleichstehenden Gericht eines anderen Bezirks zu übertragen.

Zu § 15: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 16 StPO – Prüfung der örtlichen Zuständigkeit; Einwand der Unzuständigkeit

(1) 1Das Gericht prüft seine örtliche Zuständigkeit bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens von Amts wegen. 2Danach darf es seine Unzuständigkeit nur auf Einwand des Angeklagten aussprechen. 3Der Angeklagte kann den Einwand nur bis zum Beginn seiner Vernehmung zur Sache in der Hauptverhandlung geltend machen.

(2) Ist Anklage von der Europäischen Staatsanwaltschaft erhoben worden, so prüft das Gericht auf Einwand des Angeklagten auch, ob die Europäische Staatsanwaltschaft gemäß Artikel 36 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2017/1939 des Rates vom 12. Oktober 2017 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) (ABl. L 283 vom 31.10.2017, S. 1) befugt ist, vor einem Gericht im Geltungsbereich dieses Gesetzes Anklage zu erheben. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.

Zu § 16: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 10. 7. 2020 (BGBl I S. 1648).


§ 17 StPO

(weggefallen)


§ 18 StPO

(weggefallen)


§ 19 StPO – Zuständigkeitsbestimmung bei Zuständigkeitsstreit

Haben mehrere Gerichte, von denen eines das zuständige ist, durch Entscheidungen, die nicht mehr anfechtbar sind, ihre Unzuständigkeit ausgesprochen, so bezeichnet das gemeinschaftliche obere Gericht das zuständige Gericht.

Zu § 19: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 20 StPO – Untersuchungshandlungen eines unzuständigen Gerichts

Die einzelnen Untersuchungshandlungen eines unzuständigen Gerichts sind nicht schon dieser Unzuständigkeit wegen ungültig.

Zu § 20: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 21 StPO – Befugnisse bei Gefahr im Verzug

Ein unzuständiges Gericht hat sich den innerhalb seines Bezirks vorzunehmenden Untersuchungshandlungen zu unterziehen, bei denen Gefahr im Verzug ist.

Zu § 21: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§§ 1 - 150, Erstes Buch - Allgemeine Vorschriften
§§ 22 - 31, Dritter Abschnitt - Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen

§ 22 StPO – Ausschließung von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes

Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen,

  1. 1.
    wenn er selbst durch die Straftat verletzt ist;
  2. 2.
    wenn er Ehegatte, Lebenspartner, Vormund oder Betreuer des Beschuldigten oder des Verletzten ist oder gewesen ist;
  3. 3.
    wenn er mit dem Beschuldigten oder mit dem Verletzten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war;
  4. 4.
    wenn er in der Sache als Beamter der Staatsanwaltschaft, als Polizeibeamter, als Anwalt des Verletzten oder als Verteidiger tätig gewesen ist;
  5. 5.
    wenn er in der Sache als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist.

Zu § 22: Geändert durch G vom 12. 9. 1990 (BGBl I S. 2002), 16. 2. 2001 (BGBl I S. 266) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 23 StPO – Ausschließung eines Richters wegen Mitwirkung an der angefochtenen Entscheidung

(1) Ein Richter, der bei einer durch ein Rechtsmittel angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, ist von der Mitwirkung bei der Entscheidung in einem höheren Rechtszug kraft Gesetzes ausgeschlossen.

(2) 1Ein Richter, der bei einer durch einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, ist von der Mitwirkung bei Entscheidungen im Wiederaufnahmeverfahren kraft Gesetzes ausgeschlossen. 2Ist die angefochtene Entscheidung in einem höheren Rechtszug ergangen, so ist auch der Richter ausgeschlossen, der an der ihr zu Grunde liegenden Entscheidung in einem unteren Rechtszug mitgewirkt hat. 3Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die Mitwirkung bei Entscheidungen zur Vorbereitung eines Wiederaufnahmeverfahrens.

Zu § 23: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 24 StPO – Ablehnung eines Richters; Besorgnis der Befangenheit

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) 1Das Ablehnungsrecht steht der Staatsanwaltschaft, dem Privatkläger und dem Beschuldigten zu. 2Den zur Ablehnung Berechtigten sind auf Verlangen die zur Mitwirkung bei der Entscheidung berufenen Gerichtspersonen namhaft zu machen.

Zu § 24: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 25 StPO – Ablehnungszeitpunkt

(1) 1Die Ablehnung eines erkennenden Richters wegen Besorgnis der Befangenheit ist bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse, in der Hauptverhandlung über die Berufung oder die Revision bis zum Beginn des Vortrags des Berichterstatters, zulässig. 2Ist die Besetzung des Gerichts nach § 222a Absatz 1 Satz 2 schon vor Beginn der Hauptverhandlung mitgeteilt worden, so muss das Ablehnungsgesuch unverzüglich angebracht werden. 3Alle Ablehnungsgründe sind gleichzeitig vorzubringen.

(2) 1Im Übrigen darf ein Richter nur abgelehnt werden, wenn

  1. 1.
    die Umstände, auf welche die Ablehnung gestützt wird, erst später eingetreten oder dem zur Ablehnung Berechtigten erst später bekannt geworden sind und
  2. 2.
    die Ablehnung unverzüglich geltend gemacht wird.

2Nach dem letzten Wort des Angeklagten ist die Ablehnung nicht mehr zulässig.

Zu § 25: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2121).


§ 26 StPO – Ablehnungsverfahren

(1) 1Das Ablehnungsgesuch ist bei dem Gericht, dem der Richter angehört, anzubringen; es kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. 2Das Gericht kann dem Antragsteller aufgeben, ein in der Hauptverhandlung angebrachtes Ablehnungsgesuch innerhalb einer angemessenen Frist schriftlich zu begründen.

(2) 1Der Ablehnungsgrund und in den Fällen des § 25 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 die Voraussetzungen des rechtzeitigen Vorbringens sind glaubhaft zu machen. 2Der Eid ist als Mittel der Glaubhaftmachung ausgeschlossen. 3Zur Glaubhaftmachung kann auf das Zeugnis des abgelehnten Richters Bezug genommen werden.

(3) Der abgelehnte Richter hat sich über den Ablehnungsgrund dienstlich zu äußern.

Zu § 26: Geändert durch G vom 28. 10. 1994 (BGBl I S. 3186), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202) und 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2121).


§ 26a StPO – Verwerfung eines unzulässigen Ablehnungsantrags

(1) Das Gericht verwirft die Ablehnung eines Richters als unzulässig, wenn

  1. 1.
    die Ablehnung verspätet ist,
  2. 2.
    ein Grund zur Ablehnung oder ein Mittel zur Glaubhaftmachung nicht oder nicht innerhalb der nach § 26 Absatz 1 Satz 2 bestimmten Frist angegeben wird oder
  3. 3.
    durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen.

(2) 1Das Gericht entscheidet über die Verwerfung nach Absatz 1, ohne dass der abgelehnte Richter ausscheidet. 2Im Falle des Absatzes 1 Nr. 3 bedarf es eines einstimmigen Beschlusses und der Angabe der Umstände, welche den Verwerfungsgrund ergeben. 3Wird ein beauftragter oder ein ersuchter Richter, ein Richter im vorbereitenden Verfahren oder ein Strafrichter abgelehnt, so entscheidet er selbst darüber, ob die Ablehnung als unzulässig zu verwerfen ist.

Zu § 26a: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202).


§ 27 StPO – Entscheidung über einen zulässigen Ablehnungsantrag

(1) Wird die Ablehnung nicht als unzulässig verworfen, so entscheidet über das Ablehnungsgesuch das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung.

(2) Wird ein richterliches Mitglied der erkennenden Strafkammer abgelehnt, so entscheidet die Strafkammer in der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung vorgeschriebenen Besetzung.

(3) 1Wird ein Richter beim Amtsgericht abgelehnt, so entscheidet ein anderer Richter dieses Gerichts. 2Einer Entscheidung bedarf es nicht, wenn der Abgelehnte das Ablehnungsgesuch für begründet hält.

(4) Wird das zur Entscheidung berufene Gericht durch Ausscheiden des abgelehnten Mitglieds beschlussunfähig, so entscheidet das zunächst obere Gericht.

Zu § 27: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 28 StPO – Rechtsmittel

(1) Der Beschluss, durch den die Ablehnung für begründet erklärt wird, ist nicht anfechtbar.

(2) 1Gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen wird, ist sofortige Beschwerde zulässig. 2Betrifft die Entscheidung einen erkennenden Richter, so kann sie nur zusammen mit dem Urteil angefochten werden.

Zu § 28: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 29 StPO – Verfahren nach Ablehnung eines Richters

(1) Ein abgelehnter Richter hat vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten.

(2) 1Die Durchführung der Hauptverhandlung gestattet keinen Aufschub; sie findet bis zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters statt. 2Entscheidungen, die auch außerhalb der Hauptverhandlung ergehen können, dürfen nur dann unter Mitwirkung des abgelehnten Richters getroffen werden, wenn sie keinen Aufschub gestatten.

(3) 1Über die Ablehnung ist spätestens vor Ablauf von zwei Wochen und stets vor Urteilsverkündung zu entscheiden. 2Die zweiwöchige Frist für die Entscheidung über die Ablehnung beginnt

  1. 1.

    mit dem Tag, an dem das Ablehnungsgesuch angebracht wird, wenn ein Richter vor oder während der Hauptverhandlung abgelehnt wird,

  2. 2.

    mit dem Tag des Eingangs der schriftlichen Begründung, wenn das Gericht dem Antragsteller gemäß § 26 Absatz 1 Satz 2 aufgegeben hat, das Ablehnungsgesuch innerhalb der vom Gericht bestimmten Frist schriftlich zu begründen.

3Findet der übernächste Verhandlungstag erst nach Ablauf von zwei Wochen statt, so kann über die Ablehnung spätestens bis zu dessen Beginn entschieden werden.

(4) 1Wird die Ablehnung für begründet erklärt und muss die Hauptverhandlung nicht deshalb ausgesetzt werden, so ist ihr nach der Anbringung des Ablehnungsgesuchs liegender Teil zu wiederholen. 2Dies gilt nicht für solche Teile der Hauptverhandlung, deren Wiederholung nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand möglich ist.

Zu § 29: Neugefasst durch G vom 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2121).


§ 30 StPO – Ablehnung eines Richters bei Selbstanzeige und von Amts wegen

Das für die Erledigung eines Ablehnungsgesuchs zuständige Gericht hat auch dann zu entscheiden, wenn ein solches Gesuch nicht angebracht ist, ein Richter aber von einem Verhältnis Anzeige macht, das seine Ablehnung rechtfertigen könnte, oder wenn aus anderer Veranlassung Zweifel darüber entstehen, ob ein Richter kraft Gesetzes ausgeschlossen ist.

Zu § 30: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 31 StPO – Schöffen, Urkundsbeamte

(1) Die Vorschriften dieses Abschnitts gelten für Schöffen sowie für Urkundsbeamte der Geschäftsstelle und andere als Protokollführer zugezogene Personen entsprechend.

(2) 1Die Entscheidung trifft der Vorsitzende. 2Bei der großen Strafkammer und beim Schwurgericht entscheiden die richterlichen Mitglieder. 3Ist der Protokollführer einem Richter beigegeben, so entscheidet dieser über die Ablehnung oder Ausschließung.

Zu § 31: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§§ 1 - 150, Erstes Buch - Allgemeine Vorschriften
§§ 32 - 32f, Vierter Abschnitt - Aktenführung und Kommunikation im Verfahren

§ 32 StPO – Elektronische Aktenführung; Verordnungsermächtigungen

(1) 1Die Akten können elektronisch geführt werden. 2Die Bundesregierung und die Landesregierungen bestimmen jeweils für ihren Bereich durch Rechtsverordnung den Zeitpunkt, von dem an die Akten elektronisch geführt werden. 3Sie können die Einführung der elektronischen Aktenführung dabei auf einzelne Gerichte oder Strafverfolgungsbehörden oder auf allgemein bestimmte Verfahren beschränken und bestimmen, dass Akten, die in Papierform angelegt wurden, auch nach Einführung der elektronischen Aktenführung in Papierform weitergeführt werden; wird von der Beschränkungsmöglichkeit Gebrauch gemacht, kann in der Rechtsverordnung bestimmt werden, dass durch Verwaltungsvorschrift, die öffentlich bekanntzumachen ist, geregelt wird, in welchen Verfahren die Akten elektronisch zu führen sind. 4Die Ermächtigung kann durch Rechtsverordnung auf die zuständigen Bundes- oder Landesministerien übertragen werden.

(2) 1Die Bundesregierung und die Landesregierungen bestimmen jeweils für ihren Bereich durch Rechtsverordnung die für die elektronische Aktenführung geltenden organisatorischen und dem Stand der Technik entsprechenden technischen Rahmenbedingungen einschließlich der einzuhaltenden Anforderungen des Datenschutzes, der Datensicherheit und der Barrierefreiheit. 2Sie können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die zuständigen Bundes- oder Landesministerien übertragen.

(3) 1Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die für die Übermittlung elektronischer Akten zwischen Strafverfolgungsbehörden und Gerichten geltenden Standards. 2Sie kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates auf die zuständigen Bundesministerien übertragen.

Zu § 32: Eingefügt durch G vom 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208).


§ 32a StPO – Elektronischer Rechtsverkehr mit Strafverfolgungsbehörden und Gerichten; Verordnungsermächtigungen

(1) Elektronische Dokumente können bei Strafverfolgungsbehörden und Gerichten nach Maßgabe der folgenden Absätze eingereicht werden.

(2) 1Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch die Strafverfolgungsbehörde oder das Gericht geeignet sein. 2Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates technische Rahmenbedingungen für die Übermittlung und die Eignung zur Bearbeitung durch die Strafverfolgungsbehörde oder das Gericht.

(3) Ein Dokument, das schriftlich abzufassen, zu unterschreiben oder zu unterzeichnen ist, muss als elektronisches Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden.

(4) 1Sichere Übermittlungswege sind

  1. 1.

    der Postfach- und Versanddienst eines De-Mail-Kontos, wenn der Absender bei Versand der Nachricht sicher im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 2 des De-Mail-Gesetzes angemeldet ist und er sich die sichere Anmeldung gemäß § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes bestätigen lässt,

  2. 2.

    der Übermittlungsweg zwischen den besonderen elektronischen Anwaltspostfächern nach den §§ 31a und 31b der Bundesrechtsanwaltsordnung oder einem entsprechenden, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle der Behörde oder des Gerichts,

  3. 3.

    der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten Postfach einer Behörde oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts und der elektronischen Poststelle der Behörde oder des Gerichts,

  4. 4.

    der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten elektronischen Postfach einer natürlichen oder juristischen Person oder einer sonstigen Vereinigung und der elektronischen Poststelle der Behörde oder des Gerichts,

  5. 5.

    der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens genutzten Postfach- und Versanddienst eines Nutzerkontos im Sinne des § 2 Absatz 5 des Onlinezugangsgesetzes und der elektronischen Poststelle der Behörde oder des Gerichts,

  6. 6.

    sonstige bundeseinheitliche Übermittlungswege, die durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt werden, bei denen die Authentizität und Integrität der Daten sowie die Barrierefreiheit gewährleistet sind.

2Das Nähere zu den Übermittlungswegen gemäß Satz 1 Nummer 3 bis 5 regelt die Rechtsverordnung nach Absatz 2 Satz 2.

(5) 1Ein elektronisches Dokument ist eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung der Behörde oder des Gerichts gespeichert ist. 2Dem Absender ist eine automatisierte Bestätigung über den Zeitpunkt des Eingangs zu erteilen.

(6) 1Ist ein elektronisches Dokument für die Bearbeitung durch die Behörde oder das Gericht nicht geeignet, ist dies dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs und auf die geltenden technischen Rahmenbedingungen unverzüglich mitzuteilen. 2Das elektronische Dokument gilt als zum Zeitpunkt seiner früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer für die Behörde oder für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt.

Zu § 32a: Eingefügt durch G vom 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208), geändert durch G vom 17. 12. 2018 (BGBl I S. 2571), 7. 7. 2021 (BGBl I S. 2363) und 5. 10. 2021 (BGBl I S. 4607).


§ 32b StPO – Erstellung und Übermittlung strafverfolgungsbehördlicher und gerichtlicher elektronischer Dokumente; Verordnungsermächtigung

(1) 1Wird ein strafverfolgungsbehördliches oder gerichtliches Dokument als elektronisches Dokument erstellt, müssen ihm alle verantwortenden Personen ihre Namen hinzufügen. 2Ein Dokument, das zu unterschreiben oder zu unterzeichnen ist, muss darüber hinaus mit einer qualifizierten elektronischen Signatur aller verantwortenden Personen versehen sein.

(2) Ein elektronisches Dokument ist zu den Akten gebracht, sobald es von einer verantwortenden Person oder auf deren Veranlassung in der elektronischen Akte gespeichert ist.

(3) 1Werden die Akten elektronisch geführt, sollen Strafverfolgungsbehörden und Gerichte einander Dokumente als elektronisches Dokument übermitteln. 2Die Anklageschrift, der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls außerhalb einer Hauptverhandlung, die Berufung und ihre Begründung, die Revision, ihre Begründung und die Gegenerklärung sowie als elektronisches Dokument erstellte gerichtliche Entscheidungen sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. 3Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, ist die Übermittlung in Papierform zulässig; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen.

(4) 1Abschriften und beglaubigte Abschriften können in Papierform oder als elektronisches Dokument erteilt werden. 2Elektronische beglaubigte Abschriften müssen mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der beglaubigenden Person versehen sein. 3Wird eine beglaubigte Abschrift in Papierform durch Übertragung eines elektronischen Dokuments erstellt, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist oder auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht wurde, muss der Beglaubigungsvermerk das Ergebnis der Prüfung der Authentizität und Integrität des elektronischen Dokuments enthalten.

(5) 1Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die für die Erstellung elektronischer Dokumente und deren Übermittlung zwischen Strafverfolgungsbehörden und Gerichten geltenden Standards. 2Sie kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates auf die zuständigen Bundesministerien übertragen.

Zu § 32b: Eingefügt durch G vom 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208), geändert durch G vom 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 32c StPO – Elektronische Formulare; Verordnungsermächtigung

1Die Bundesregierung kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates elektronische Formulare einführen. 2Die Rechtsverordnung kann bestimmen, dass die in den Formularen enthaltenen Angaben ganz oder teilweise in strukturierter maschinenlesbarer Form zu übermitteln sind. 3Die Formulare sind auf einer in der Rechtsverordnung zu bestimmenden Kommunikationsplattform im Internet zur Nutzung bereitzustellen. 4Die Rechtsverordnung kann bestimmen, dass eine Identifikation des Formularverwenders abweichend von § 32a Absatz 3 durch Nutzung des elektronischen Identitätsnachweises nach § 18 des Personalausweisgesetzes , § 12 des eID-Karte-Gesetzes oder § 78 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erfolgen kann. 5Die Bundesregierung kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates auf die zuständigen Bundesministerien übertragen.

Zu § 32c: Eingefügt durch G vom 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208), geändert durch G vom 21. 6. 2019 (BGBl I S. 846, 1626).


§ 32d StPO – Pflicht zur elektronischen Übermittlung

1Verteidiger und Rechtsanwälte sollen den Strafverfolgungsbehörden und Gerichten Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument übermitteln. 2Die Berufung und ihre Begründung, die Revision, ihre Begründung und die Gegenerklärung sowie die Privatklage und die Anschlusserklärung bei der Nebenklage müssen sie als elektronisches Dokument übermitteln. 3Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, ist die Übermittlung in Papierform zulässig. 4Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen.

Zu § 32d: Eingefügt durch G vom 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208).


§ 32e StPO – Übertragung von Dokumenten zu Aktenführungszwecken

(1) 1Dokumente, die nicht der Form entsprechen, in der die Akte geführt wird (Ausgangsdokumente), sind in die entsprechende Form zu übertragen. 2Ausgangsdokumente, die als Beweismittel sichergestellt sind, können in die entsprechende Form übertragen werden.

(2) Bei der Übertragung ist nach dem Stand der Technik sicherzustellen, dass das übertragene Dokument mit dem Ausgangsdokument bildlich und inhaltlich übereinstimmt.

(3) 1Bei der Übertragung eines nicht elektronischen Ausgangsdokuments in ein elektronisches Dokument ist dieses mit einem Übertragungsnachweis zu versehen, der das bei der Übertragung angewandte Verfahren und die bildliche und inhaltliche Übereinstimmung dokumentiert. 2Wird ein von den verantwortenden Personen handschriftlich unterzeichnetes staatsanwaltschaftliches oder gerichtliches Schriftstück übertragen, so ist der Übertragungsnachweis vom Urkundsbeamten der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen. 3Bei der Übertragung eines mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen oder auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereichten elektronischen Ausgangsdokuments ist in den Akten zu vermerken, welches Ergebnis die Prüfung der Authentizität und Integrität des Ausgangsdokuments erbracht hat.

(4) 1Ausgangsdokumente, die nicht als Beweismittel sichergestellt sind, müssen während des laufenden Verfahrens im Anschluss an die Übertragung mindestens sechs Monate lang gespeichert oder aufbewahrt werden. 2Ist das Verfahren abgeschlossen oder ist Verjährung eingetreten, dürfen Ausgangsdokumente, die nicht als Beweismittel sichergestellt sind, längstens bis zum Ablauf des zweiten auf den Abschluss des Verfahrens folgenden Kalenderjahres gespeichert oder aufbewahrt werden.

(5) 1Ausgangsdokumente, die nicht als Beweismittel sichergestellt sind, können unter denselben Voraussetzungen wie sichergestellte Beweisstücke besichtigt werden. 2Zur Besichtigung ist berechtigt, wer befugt ist, die Akten einzusehen.

Zu § 32e: Eingefügt durch G vom 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208), geändert durch G vom 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 32f StPO – Form der Gewährung von Akteneinsicht; Verordnungsermächtigung

(1) 1Einsicht in elektronische Akten wird durch Bereitstellen des Inhalts der Akte zum Abruf oder durch Übermittlung des Inhalts der Akte auf einem sicheren Übermittlungsweg gewährt. 2Auf besonderen Antrag wird Akteneinsicht durch Einsichtnahme in die elektronischen Akten in Diensträumen gewährt. 3Ein Aktenausdruck oder ein Datenträger mit dem Inhalt der elektronischen Akten wird auf besonders zu begründenden Antrag nur übermittelt, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat. 4Stehen der Akteneinsicht in der nach Satz 1 vorgesehenen Form wichtige Gründe entgegen, kann die Akteneinsicht in der nach den Sätzen 2 und 3 vorgesehenen Form auch ohne Antrag gewährt werden.

(2) 1Einsicht in Akten, die in Papierform vorliegen, wird durch Einsichtnahme in die Akten in Diensträumen gewährt. 2Die Akteneinsicht kann, soweit nicht wichtige Gründe entgegenstehen, auch durch Bereitstellen des Inhalts der Akten zum Abruf, durch Übermittlung des Inhalts der Akte auf einem sicheren Übermittlungsweg oder durch Bereitstellen einer Aktenkopie zur Mitnahme gewährt werden. 3Auf besonderen Antrag werden einem Verteidiger oder Rechtsanwalt, soweit nicht wichtige Gründe entgegenstehen, die Akten zur Einsichtnahme in seine Geschäftsräume oder in seine Wohnung mitgegeben.

(3) Entscheidungen über die Form der Gewährung von Akteneinsicht nach den Absätzen 1 und 2 sind nicht anfechtbar.

(4) 1Durch technische und organisatorische Maßnahmen ist zu gewährleisten, dass Dritte im Rahmen der Akteneinsicht keine Kenntnis vom Akteninhalt nehmen können. 2Der Name der Person, der Akteneinsicht gewährt wird, soll durch technische Maßnahmen in abgerufenen Akten und auf übermittelten elektronischen Dokumenten nach dem Stand der Technik dauerhaft erkennbar gemacht werden.

(5) 1Personen, denen Akteneinsicht gewährt wird, dürfen Akten, Dokumente, Ausdrucke oder Abschriften, die ihnen nach Absatz 1 oder 2 überlassen worden sind, weder ganz noch teilweise öffentlich verbreiten oder sie Dritten zu verfahrensfremden Zwecken übermitteln oder zugänglich machen. 2Nach Absatz 1 oder 2 erlangte personenbezogene Daten dürfen sie nur zu dem Zweck verwenden, für den die Akteneinsicht gewährt wurde. 3Für andere Zwecke dürfen sie diese Daten nur verwenden, wenn dafür Auskunft oder Akteneinsicht gewährt werden dürfte. 4Personen, denen Akteneinsicht gewährt wird, sind auf die Zweckbindung hinzuweisen.

(6) 1Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die für die Einsicht in elektronische Akten geltenden Standards. 2Sie kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates auf die zuständigen Bundesministerien übertragen.

Zu § 32f: Eingefügt durch G vom 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208), geändert durch G vom 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§§ 1 - 150, Erstes Buch - Allgemeine Vorschriften
§§ 33 - 35a, Abschnitt 4a - Gerichtliche Entscheidungen

§ 33 StPO – Gewährung rechtlichen Gehörs vor einer Entscheidung

(1) Eine Entscheidung des Gerichts, die im Laufe einer Hauptverhandlung ergeht, wird nach Anhörung der Beteiligten erlassen.

(2) Eine Entscheidung des Gerichts, die außerhalb einer Hauptverhandlung ergeht, wird nach schriftlicher oder mündlicher Erklärung der Staatsanwaltschaft erlassen.

(3) Bei einer in Absatz 2 bezeichneten Entscheidung ist ein anderer Beteiligter zu hören, bevor zu seinem Nachteil Tatsachen oder Beweisergebnisse, zu denen er noch nicht gehört worden ist, verwertet werden.

(4) 1Bei Anordnung der Untersuchungshaft, der Beschlagnahme oder anderer Maßnahmen ist Absatz 3 nicht anzuwenden, wenn die vorherige Anhörung den Zweck der Anordnung gefährden würde. 2Vorschriften, welche die Anhörung der Beteiligten besonders regeln, werden durch Absatz 3 nicht berührt.

Zu § 33: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 33a StPO – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Nichtgewährung rechtlichen Gehörs

1Hat das Gericht in einem Beschluss den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt und steht ihm gegen den Beschluss keine Beschwerde und kein anderer Rechtsbehelf zu, versetzt es, sofern der Beteiligte dadurch noch beschwert ist, von Amts wegen oder auf Antrag insoweit das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand. 2 § 47 gilt entsprechend.

Zu § 33a: Neugefasst durch G vom 9. 12. 2004 (BGBl I S. 3220), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 34 StPO – Begründung anfechtbarer und ablehnender Entscheidungen

Die durch ein Rechtsmittel anfechtbaren Entscheidungen sowie die, durch welche ein Antrag abgelehnt wird, sind mit Gründen zu versehen.

Zu § 34: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 34a StPO – Eintritt der Rechtskraft bei Verwerfung eines Rechtsmittels durch Beschluss

Führt nach rechtzeitiger Einlegung eines Rechtsmittels ein Beschluss unmittelbar die Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung herbei, so gilt die Rechtskraft als mit Ablauf des Tages der Beschlussfassung eingetreten.

Zu § 34a: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 35 StPO – Bekanntmachung

(1) 1Entscheidungen, die in Anwesenheit der davon betroffenen Person ergehen, werden ihr durch Verkündung bekannt gemacht. 2Auf Verlangen ist ihr eine Abschrift zu erteilen.

(2) 1Andere Entscheidungen werden durch Zustellung bekannt gemacht. 2Wird durch die Bekanntmachung der Entscheidung keine Frist in Lauf gesetzt, so genügt formlose Mitteilung.

(3) Dem nicht auf freiem Fuß Befindlichen ist das zugestellte Schriftstück auf Verlangen vorzulesen.

Zu § 35: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 35a StPO – Rechtsmittelbelehrung

1Bei der Bekanntmachung einer Entscheidung, die durch ein befristetes Rechtsmittel angefochten werden kann, ist der Betroffene über die Möglichkeiten der Anfechtung und die dafür vorgeschriebenen Fristen und Formen zu belehren. 2Bei der Bekanntmachung eines Urteils ist der Angeklagte auch über die Rechtsfolgen des § 40 Absatz 3 und des § 350 Absatz 2 sowie, wenn gegen das Urteil Berufung zulässig ist, über die Rechtsfolgen der §§ 329  und  330 zu belehren. 3Ist einem Urteil eine Verständigung ( § 257c ) vorausgegangen, ist der Betroffene auch darüber zu belehren, dass er in jedem Fall frei in seiner Entscheidung ist, ein Rechtsmittel einzulegen.

Zu § 35a: Geändert durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2353), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 17. 12. 2018 (BGBl I S. 2571).


§§ 1 - 150, Erstes Buch - Allgemeine Vorschriften
§§ 36 - 41a, Abschnitt 4b - Verfahren bei Zustellungen

§ 36 StPO – Zustellung und Vollstreckung

(1) 1Die Zustellung von Entscheidungen ordnet der Vorsitzende an. 2Die Geschäftsstelle sorgt dafür, dass die Zustellung bewirkt wird.

(2) 1Entscheidungen, die der Vollstreckung bedürfen, sind der Staatsanwaltschaft zu übergeben, die das Erforderliche veranlasst. 2Dies gilt nicht für Entscheidungen, welche die Ordnung in den Sitzungen betreffen.

Zu § 36: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 37 StPO – Zustellungsverfahren

(1) Für das Verfahren bei Zustellungen gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend.

(2) Wird die für einen Beteiligten bestimmte Zustellung an mehrere Empfangsberechtigte bewirkt, so richtet sich die Berechnung einer Frist nach der zuletzt bewirkten Zustellung.

(3) 2Ist einem Prozessbeteiligten gemäß § 187 Absatz 1 und 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes eine Übersetzung des Urteils zur Verfügung zu stellen, so ist das Urteil zusammen mit der Übersetzung zuzustellen. 3Die Zustellung an die übrigen Prozessbeteiligten erfolgt in diesen Fällen gleichzeitig mit der Zustellung nach Satz 1.

Zu § 37: Geändert durch G vom 11. 1. 1993 (BGBl I S. 50), 25. 6. 2001 (BGBl I S. 1206), 2. 7. 2013 (BGBl I S. 1938) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 38 StPO – Unmittelbare Ladung

Die bei dem Strafverfahren beteiligten Personen, denen die Befugnis beigelegt ist, Zeugen und Sachverständige unmittelbar zu laden, haben mit der Zustellung der Ladung den Gerichtsvollzieher zu beauftragen.

Zu § 38: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 39 StPO

(weggefallen)


§ 40 StPO – Öffentliche Zustellung

(1) 1Kann eine Zustellung an einen Beschuldigten, dem eine Ladung zur Hauptverhandlung noch nicht zugestellt war, nicht in der vorgeschriebenen Weise im Inland bewirkt werden und erscheint die Befolgung der für Zustellungen im Ausland bestehenden Vorschriften unausführbar oder voraussichtlich erfolglos, so ist die öffentliche Zustellung zulässig. 2Die Zustellung gilt als erfolgt, wenn seit dem Aushang der Benachrichtigung zwei Wochen vergangen sind.

(2) War die Ladung zur Hauptverhandlung dem Angeklagten schon vorher zugestellt, dann ist die öffentliche Zustellung an ihn zulässig, wenn sie nicht in der vorgeschriebenen Weise im Inland bewirkt werden kann.

(3) Die öffentliche Zustellung ist im Verfahren über eine vom Angeklagten eingelegte Berufung oder Revision bereits zulässig, wenn eine Zustellung nicht unter einer Anschrift möglich ist, unter der letztmals zugestellt wurde oder die der Angeklagte zuletzt angegeben hat.

Zu § 40: Geändert durch G vom 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 17. 12. 2018 (BGBl I S. 2571).


§ 41 StPO – Zustellungen an die Staatsanwaltschaft

1Zustellungen an die Staatsanwaltschaft erfolgen durch elektronische Übermittlung ( § 32b Absatz 3 ) oder durch Vorlegung der Urschrift des zuzustellenden Schriftstücks. 2Wenn mit der Zustellung der Lauf einer Frist beginnt und die Zustellung durch Vorlegung der Urschrift erfolgt, so ist der Tag der Vorlegung von der Staatsanwaltschaft auf der Urschrift zu vermerken. 3Bei elektronischer Übermittlung muss der Zeitpunkt des Eingangs ( § 32a Absatz 5 Satz 1 ) aktenkundig sein.

Zu § 41: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208).


§ 41a StPO

(weggefallen)


§§ 1 - 150, Erstes Buch - Allgemeine Vorschriften
§§ 42 - 47, Fünfter Abschnitt - Fristen und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 42 StPO – Berechnung von Tagesfristen

Bei der Berechnung einer Frist, die nach Tagen bestimmt ist, wird der Tag nicht mitgerechnet, auf den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, nach dem der Anfang der Frist sich richten soll.

Zu § 42: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 43 StPO – Berechnung von Wochen- und Monatsfristen

(1) Eine Frist, die nach Wochen oder Monaten bestimmt ist, endet mit Ablauf des Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat; fehlt dieser Tag in dem letzten Monat, so endet die Frist mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

(2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

Zu § 43: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 44 StPO – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Fristversäumung

1War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. 2Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den §§ 35a Satz 1 und 2 , § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.

Zu § 44: Geändert durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2353) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 45 StPO – Anforderungen an einen Wiedereinsetzungsantrag

(1) 1Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. 2Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei dem Gericht gestellt wird, das über den Antrag entscheidet.

(2) 1Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. 2Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. 3Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

Zu § 45: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 46 StPO – Zuständigkeit; Rechtsmittel

(1) Über den Antrag entscheidet das Gericht, das bei rechtzeitiger Handlung zur Entscheidung in der Sache selbst berufen gewesen wäre.

(2) Die dem Antrag stattgebende Entscheidung unterliegt keiner Anfechtung.

(3) Gegen die den Antrag verwerfende Entscheidung ist sofortige Beschwerde zulässig.

Zu § 46: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 47 StPO – Keine Vollstreckungshemmung

(1) Durch den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird die Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung nicht gehemmt.

(2) Das Gericht kann jedoch einen Aufschub der Vollstreckung anordnen.

(3) 1Durchbricht die Wiedereinsetzung die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung, werden Haft- und Unterbringungsbefehle sowie sonstige Anordnungen, die zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft bestanden haben, wieder wirksam. 2Bei einem Haft- oder Unterbringungsbefehl ordnet das die Wiedereinsetzung gewährende Gericht dessen Aufhebung an, wenn sich ohne weiteres ergibt, dass dessen Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. 3Anderenfalls hat das nach § 126 Abs. 2 zuständige Gericht unverzüglich eine Haftprüfung durchzuführen.

Zu § 47: Geändert durch G vom 22. 12. 2006 (BGBl I S. 3416) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§§ 1 - 150, Erstes Buch - Allgemeine Vorschriften
§§ 48 - 71, Sechster Abschnitt - Zeugen

§ 48 StPO – Zeugenpflichten; Ladung

(1) 2Zeugen sind verpflichtet, zu dem zu ihrer Vernehmung bestimmten Termin vor dem Richter zu erscheinen. 3Sie haben die Pflicht auszusagen, wenn keine im Gesetz zugelassene Ausnahme vorliegt.

(2) Die Ladung der Zeugen geschieht unter Hinweis auf verfahrensrechtliche Bestimmungen, die dem Interesse des Zeugen dienen, auf vorhandene Möglichkeiten der Zeugenbetreuung und auf die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens.

Zu § 48: Neugefasst durch G vom 24. 6. 2004 (BGBl I S. 1354), geändert durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2280), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 21. 12. 2015 (BGBl I S. 2525) und 16. 6. 2021 (BGBl I S. 1810).


§ 48a StPO – Besonders schutzbedürftige Zeugen; Beschleunigungsgebot

(1) 1Ist der Zeuge zugleich der Verletzte, so sind die ihn betreffenden Verhandlungen, Vernehmungen und sonstigen Untersuchungshandlungen stets unter Berücksichtigung seiner besonderen Schutzbedürftigkeit durchzuführen. 2Insbesondere ist zu prüfen,

  1. 1.

    ob die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für das Wohl des Zeugen Maßnahmen nach den §§ 168e  oder  247a erfordert,

  2. 2.

    ob überwiegende schutzwürdige Interessen des Zeugen den Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 171b Absatz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes erfordern und

  3. 3.

    inwieweit auf nicht unerlässliche Fragen zum persönlichen Lebensbereich des Zeugen nach § 68a Absatz 1 verzichtet werden kann.

3Dabei sind die persönlichen Verhältnisse des Zeugen sowie Art und Umstände der Straftat zu berücksichtigen.

(2) Bei Taten zum Nachteil eines minderjährigen Verletzten müssen die ihn betreffenden Verhandlungen, Vernehmungen und sonstigen Untersuchungshandlungen besonders beschleunigt durchgeführt werden, soweit dies unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Zeugen sowie der Art und Umstände der Straftat zu seinem Schutz oder zur Vermeidung von Beweisverlusten geboten ist.

Zu § 48a: Eingefügt durch G vom 16. 6. 2021 (BGBl I S. 1810).


§ 49 StPO – Vernehmung des Bundespräsidenten

1Der Bundespräsident ist in seiner Wohnung zu vernehmen. 2Zur Hauptverhandlung wird er nicht geladen. 3Das Protokoll über seine gerichtliche Vernehmung ist in der Hauptverhandlung zu verlesen.

Zu § 49: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 50 StPO – Vernehmung von Abgeordneten und Mitgliedern einer Regierung

(1) Die Mitglieder des Bundestages, des Bundesrates, eines Landtages oder einer zweiten Kammer sind während ihres Aufenthaltes am Sitz der Versammlung dort zu vernehmen.

(2) Die Mitglieder der Bundesregierung oder einer Landesregierung sind an ihrem Amtssitz oder, wenn sie sich außerhalb ihres Amtssitzes aufhalten, an ihrem Aufenthaltsort zu vernehmen.

(3) Zu einer Abweichung von den vorstehenden Vorschriften bedarf es

  1.  

    für die Mitglieder eines in Absatz 1 genannten Organs der Genehmigung dieses Organs,

    für die Mitglieder der Bundesregierung der Genehmigung der Bundesregierung,

    für die Mitglieder einer Landesregierung der Genehmigung der Landesregierung.

(4) 1Die Mitglieder der in Absatz 1 genannten Organe der Gesetzgebung und die Mitglieder der Bundesregierung oder einer Landesregierung werden, wenn sie außerhalb der Hauptverhandlung vernommen worden sind, zu dieser nicht geladen. 2Das Protokoll über ihre richterliche Vernehmung ist in der Hauptverhandlung zu verlesen.

Zu § 50: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 51 StPO – Folgen des Ausbleibens eines Zeugen

(1) 1Einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, werden die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt. 2Zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt. 3Auch ist die zwangsweise Vorführung des Zeugen zulässig; § 135 gilt entsprechend. 4Im Falle wiederholten Ausbleibens kann das Ordnungsmittel noch einmal festgesetzt werden.

(2) 1Die Auferlegung der Kosten und die Festsetzung eines Ordnungsmittels unterbleiben, wenn das Ausbleiben des Zeugen rechtzeitig genügend entschuldigt wird. 2Erfolgt die Entschuldigung nach Satz 1 nicht rechtzeitig, so unterbleibt die Auferlegung der Kosten und die Festsetzung eines Ordnungsmittels nur dann, wenn glaubhaft gemacht wird, dass den Zeugen an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft. 3Wird der Zeuge nachträglich genügend entschuldigt, so werden die getroffenen Anordnungen unter den Voraussetzungen des Satzes 2 aufgehoben.

(3) Die Befugnis zu diesen Maßregeln steht auch dem Richter im Vorverfahren sowie dem beauftragten und ersuchten Richter zu.

Zu § 51: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 52 StPO – Zeugnisverweigerungsrecht der Angehörigen des Beschuldigten

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

  1. 1.
    der Verlobte des Beschuldigten;
  2. 2.
    der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
  3. 2a.
    der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
  4. 3.
    wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) 1Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. 2Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das Gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) 1Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. 2Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

Zu § 52: Geändert durch G vom 12. 9. 1990 (BGBl I S. 2002), 16. 2. 2001 (BGBl I S. 266), 15. 12. 2004 (BGBl I S. 3396), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 18. 12. 2018 (BGBl I S. 2639).


§ 53 StPO – Zeugnisverweigerungsrecht der Berufsgeheimnisträger

(1) 1Zur Verweigerung des Zeugnisses sind ferner berechtigt

  1. 1.

    Geistliche über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden oder bekannt geworden ist;

  2. 2.

    Verteidiger des Beschuldigten über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekannt geworden ist;

  3. 3.

    Rechtsanwälte und Kammerrechtsbeistände, Patentanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberater und Steuerbevollmächtigte, Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Apotheker und Hebammen über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekannt geworden ist; für Syndikusrechtsanwälte ( § 46 Absatz 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung ) und Syndikuspatentanwälte ( § 41a Absatz 2 der Patentanwaltsordnung ) gilt dies vorbehaltlich des § 53a nicht hinsichtlich dessen, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;

  4. 3a.

    Mitglieder oder Beauftragte einer anerkannten Beratungsstelle nach den §§ 3  und  8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekannt geworden ist;

  5. 3b.

    Berater für Fragen der Betäubungsmittelabhängigkeit in einer Beratungsstelle, die eine Behörde oder eine Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannt oder bei sich eingerichtet hat, über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekannt geworden ist;

  6. 4.

    Mitglieder des Deutschen Bundestages, der Bundesversammlung, des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland oder eines Landtages über Personen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Mitglieder dieser Organe oder denen sie in dieser Eigenschaft Tatsachen anvertraut haben, sowie über diese Tatsachen selbst;

  7. 5.

    Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von Druckwerken, Rundfunksendungen, Filmberichten oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informations- und Kommunikationsdiensten berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben.

2Die in Satz 1 Nr. 5 genannten Personen dürfen das Zeugnis verweigern über die Person des Verfassers oder Einsenders von Beiträgen und Unterlagen oder des sonstigen Informanten sowie über die ihnen im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilungen, über deren Inhalt sowie über den Inhalt selbst erarbeiteter Materialien und den Gegenstand berufsbezogener Wahrnehmungen. 3Dies gilt nur, soweit es sich um Beiträge, Unterlagen, Mitteilungen und Materialien für den redaktionellen Teil oder redaktionell aufbereitete Informations- und Kommunikationsdienste handelt.

(2) 1Die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 bis 3b Genannten dürfen das Zeugnis nicht verweigern, wenn sie von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden sind. 2Die Berechtigung zur Zeugnisverweigerung der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 Genannten über den Inhalt selbst erarbeiteter Materialien und den Gegenstand entsprechender Wahrnehmungen entfällt, wenn die Aussage zur Aufklärung eines Verbrechens beitragen soll oder wenn Gegenstand der Untersuchung

  1. 1.

    eine Straftat des Friedensverrats und der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaats oder des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit ( §§ 80a , 85 , 87 , 88 , 95 , auch in Verbindung mit § 97b , §§ 97a , 98 bis 100a des Strafgesetzbuches ),

  2. 2.

    eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174 bis 174c , 176a , 176b , 177 Absatz 2 Nummer 1 des Strafgesetzbuches oder

  3. 3.

    eine Geldwäsche nach § 261 des Strafgesetzbuches , deren Vortat mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist,

ist und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. 3Der Zeuge kann jedoch auch in diesen Fällen die Aussage verweigern, soweit sie zur Offenbarung der Person des Verfassers oder Einsenders von Beiträgen und Unterlagen oder des sonstigen Informanten oder der ihm im Hinblick auf seine Tätigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 gemachten Mitteilungen oder deren Inhalts führen würde.

Zu § 53: Geändert durch G vom 23. 7. 1992 (BGBl I S. 1366), 27. 7. 1992 (BGBl I S. 1398), 21. 8. 1995 (BGBl I S. 1050), 16. 6. 1998 (BGBl I S. 1311), 31. 8. 1998 (BGBl I S. 2585), 15. 2. 2002 (BGBl I S. 682), 26. 6. 2009 (BGBl I S. 1597), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 21. 12. 2015 (BGBl I S. 2517), 4. 11. 2016 (BGBl I S. 2460), 30. 10. 2017 (BGBl I S. 3618), 15. 11. 2019 (BGBl I S. 1604), 9. 3. 2021 (BGBl I S. 1604) und 16. 6. 2021 (BGBl I S. 1810).


§ 53a StPO – Zeugnisverweigerungsrecht der mitwirkenden Personen

(1) 1Den Berufsgeheimnisträgern nach § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 4 stehen die Personen gleich, die im Rahmen

  1. 1.

    eines Vertragsverhältnisses einschließlich der gemeinschaftlichen Berufsausübung,

  2. 2.

    einer berufsvorbereitenden Tätigkeit oder

  3. 3.

    einer sonstigen Hilfstätigkeit

an deren beruflicher Tätigkeit mitwirken. 2Über die Ausübung des Rechts dieser Personen, das Zeugnis zu verweigern, entscheiden die Berufsgeheimnisträger, es sei denn, dass diese Entscheidung in absehbarer Zeit nicht herbeigeführt werden kann.

(2) Die Entbindung von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit ( § 53 Absatz 2 Satz 1 ) gilt auch für die nach Absatz 1 mitwirkenden Personen.

Zu § 53a: Neugefasst durch G vom 30. 10. 2017 (BGBl I S. 3618), geändert durch G vom 7. 7. 2021 (BGBl I S. 2363).


§ 54 StPO – Aussagegenehmigung für Angehörige des öffentlichen Dienstes

(1) Für die Vernehmung von Richtern, Beamten und anderen Personen des öffentlichen Dienstes als Zeugen über Umstände, auf die sich ihre Pflicht zur Amtsverschwiegenheit bezieht, und für die Genehmigung zur Aussage gelten die besonderen beamtenrechtlichen Vorschriften.

(2) Für die Mitglieder der Bundestages, eines Landtages, der Bundes- oder einer Landesregierung sowie für die Angestellten einer Fraktion des Bundestages und eines Landtages gelten die für sie maßgebenden besonderen Vorschriften.

(3) Der Bundespräsident kann das Zeugnis verweigern, wenn die Ablegung des Zeugnisses dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde.

(4) Diese Vorschriften gelten auch, wenn die vorgenannten Personen nicht mehr im öffentlichen Dienst oder Angestellte einer Fraktion sind oder ihre Mandate beendet sind, soweit es sich um Tatsachen handelt, die sich während ihrer Dienst-, Beschäftigungs- oder Mandatszeit ereignet haben oder ihnen während ihrer Dienst-, Beschäftigungs- oder Mandatszeit zur Kenntnis gelangt sind.

Zu § 54: Geändert durch G vom 4. 11. 1994 (BGBl I S. 3346) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 55 StPO – Auskunftsverweigerungsrecht

(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.

Zu § 55: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 56 StPO – Glaubhaftmachung des Verweigerungsgrundes

1Die Tatsache, auf die der Zeuge die Verweigerung des Zeugnisses in den Fällen der §§ 52 , 53 und 55 stützt, ist auf Verlangen glaubhaft zu machen. 2Es genügt die eidliche Versicherung des Zeugen.

Zu § 55: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 57 StPO – Belehrung

1Vor der Vernehmung werden die Zeugen zur Wahrheit ermahnt und über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage belehrt. 2Auf die Möglichkeit der Vereidigung werden sie hingewiesen. 3Im Fall der Vereidigung sind sie über die Bedeutung des Eides und darüber zu belehren, dass der Eid mit oder ohne religiöse Beteuerung geleistet werden kann.

Zu § 57: Neugefasst durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2280), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 58 StPO – Vernehmung; Gegenüberstellung

(1) Die Zeugen sind einzeln und in Abwesenheit der später zu hörenden Zeugen zu vernehmen.

(2) 1Eine Gegenüberstellung mit anderen Zeugen oder mit dem Beschuldigten im Vorverfahren ist zulässig, wenn es für das weitere Verfahren geboten erscheint. 2Bei einer Gegenüberstellung mit dem Beschuldigten ist dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet. 3Von dem Termin ist der Verteidiger vorher zu benachrichtigen. 4Auf die Verlegung eines Termins wegen Verhinderung hat er keinen Anspruch. 5Hat der Beschuldigte keinen Verteidiger, so ist er darauf hinzuweisen, dass er in den Fällen des § 140 die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann.

Zu § 58: Geändert durch G vom 24. 6. 2004 (BGBl I S. 1354), 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2280), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 27. 8. 2017 (BGBl I S. 3295) und 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2128).


§ 58a StPO – Aufzeichnung der Vernehmung in Bild und Ton

(1) 1Die Vernehmung eines Zeugen kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden. 2Sie soll nach Würdigung der dafür jeweils maßgeblichen Umstände aufgezeichnet werden und als richterliche Vernehmung erfolgen, wenn

  1. 1.

    damit die schutzwürdigen Interessen von Personen unter 18 Jahren sowie von Personen, die als Kinder oder Jugendliche durch eine der in § 255a Absatz 2 genannten Straftaten verletzt worden sind, besser gewahrt werden können oder

  2. 2.

    zu besorgen ist, dass der Zeuge in der Hauptverhandlung nicht vernommen werden kann und die Aufzeichnung zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist.

3Die Vernehmung muss nach Würdigung der dafür jeweils maßgeblichen Umstände aufgezeichnet werden und als richterliche Vernehmung erfolgen, wenn damit die schutzwürdigen Interessen von Personen, die durch Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung ( §§ 174 bis 184j des Strafgesetzbuches ) verletzt worden sind, besser gewahrt werden können und der Zeuge der Bild-Ton-Aufzeichnung vor der Vernehmung zugestimmt hat.

(2) 1Die Verwendung der Bild-Ton-Aufzeichnung ist nur für Zwecke der Strafverfolgung und nur insoweit zulässig, als dies zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. 2 § 101 Abs. 8 gilt entsprechend. 3Die §§ 147 ,  406e sind entsprechend anzuwenden, mit der Maßgabe, dass den zur Akteneinsicht Berechtigten Kopien der Aufzeichnung überlassen werden können. 4Die Kopien dürfen weder vervielfältigt noch weitergegeben werden. 5Sie sind an die Staatsanwaltschaft herauszugeben, sobald kein berechtigtes Interesse an der weiteren Verwendung besteht. 6Die Überlassung der Aufzeichnung oder die Herausgabe von Kopien an andere als die vorbezeichneten Stellen bedarf der Einwilligung des Zeugen.

(3) 1Widerspricht der Zeuge der Überlassung einer Kopie der Aufzeichnung seiner Vernehmung nach Absatz 2 Satz 3, so tritt an deren Stelle die Überlassung des Protokolls an die zur Akteneinsicht Berechtigten nach Maßgabe der §§ 147 ,  406e . 2Das Recht zur Besichtigung der Aufzeichnung nach Maßgabe der §§ 147 ,  406e bleibt unberührt. 3Der Zeuge ist auf sein Widerspruchsrecht nach Satz 1 hinzuweisen.

Zu § 58a: Eingefügt durch G vom 30. 4. 1998 (BGBl I S. 820), geändert durch G vom 24. 6. 2004 (BGBl I S. 1354), 21. 12. 2007 (BGBl I S. 3198), 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2280), 26. 6. 2013 (BGBl I S. 1805), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208), 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2121) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 58b StPO – Vernehmung im Wege der Bild- und Tonübertragung

Die Vernehmung eines Zeugen außerhalb der Hauptverhandlung kann in der Weise erfolgen, dass dieser sich an einem anderen Ort als die vernehmende Person aufhält und die Vernehmung zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Zeuge aufhält, und in das Vernehmungszimmer übertragen wird.

Zu § 58b: Eingefügt durch G vom 25. 4. 2013 (BGBl I S. 935), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 59 StPO – Vereidigung

(1) 1Zeugen werden nur vereidigt, wenn es das Gericht wegen der ausschlaggebenden Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einer wahren Aussage nach seinem Ermessen für notwendig hält. 2Der Grund dafür, dass der Zeuge vereidigt wird, braucht im Protokoll nicht angegeben zu werden, es sei denn, der Zeuge wird außerhalb der Hauptverhandlung vernommen.

(2) 1Die Vereidigung der Zeugen erfolgt einzeln und nach ihrer Vernehmung. 2Soweit nichts anderes bestimmt ist, findet sie in der Hauptverhandlung statt.

Zu § 59: Neugefasst durch G vom 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 60 StPO – Vereidigungsverbote

Von der Vereidigung ist abzusehen

  1. 1.
    bei Personen, die zur Zeit der Vernehmung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder die wegen mangelnder Verstandesreife oder wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung vom Wesen und der Bedeutung des Eides keine genügende Vorstellung haben;
  2. 2.
    bei Personen, die der Tat, welche den Gegenstand der Untersuchung bildet, oder der Beteiligung an ihr oder der Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig oder deswegen bereits verurteilt sind.

Zu § 60: Geändert durch G vom 12. 9. 1990 (BGBl I S. 2002), 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2280), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 10. 12. 2015 (BGBl I S. 2218).


§ 61 StPO – Recht zur Eidesverweigerung

Die in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen des Beschuldigten haben das Recht, die Beeidigung des Zeugnisses zu verweigern; darüber sind sie zu belehren.

Zu § 61: Neugefasst durch G vom 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 62 StPO – Vereidigung im vorbereitenden Verfahren

Im vorbereitenden Verfahren ist die Vereidigung zulässig, wenn

  1. 1.
    Gefahr im Verzug ist oder
  2. 2.
    der Zeuge voraussichtlich am Erscheinen in der Hauptverhandlung verhindert sein wird

und die Voraussetzungen des § 59 Abs. 1 vorliegen.

Zu § 62: Neugefasst durch G vom 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 63 StPO – Vereidigung bei Vernehmung durch den beauftragten oder ersuchten Richter

Wird ein Zeuge durch einen beauftragten oder ersuchten Richter vernommen, muss die Vereidigung, soweit sie zulässig ist, erfolgen, wenn es in dem Auftrag oder in dem Ersuchen des Gerichts verlangt wird.

Zu § 63: Neugefasst durch G vom 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 64 StPO – Eidesformel

(1) Der Eid mit religiöser Beteuerung wird in der Weise geleistet, dass der Richter an den Zeugen die Worte richtet:

"Sie schwören bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, dass Sie nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen haben"

und der Zeuge hierauf die Worte spricht:

"Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe".

(2) Der Eid ohne religiöse Beteuerung wird in der Weise geleistet, dass der Richter an den Zeugen die Worte richtet:

"Sie schwören, dass Sie nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen haben"

und der Zeuge hierauf die Worte spricht:

"Ich schwöre es".

(3) Gibt ein Zeuge an, dass er als Mitglied einer Religions- oder Bekenntnisgemeinschaft eine Beteuerungsformel dieser Gemeinschaft verwenden wolle, so kann er diese dem Eid anfügen.

(4) Der Schwörende soll bei der Eidesleistung die rechte Hand erheben.

Zu § 64: Neugefasst durch G vom 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 65 StPO – Eidesgleiche Bekräftigung der Wahrheit von Aussagen

(1) 1Gibt ein Zeuge an, dass er aus Glaubens- oder Gewissensgründen keinen Eid leisten wolle, so hat er die Wahrheit der Aussage zu bekräftigen. 2Die Bekräftigung steht dem Eid gleich; hierauf ist der Zeuge hinzuweisen.

(2) Die Wahrheit der Aussage wird in der Weise bekräftigt, dass der Richter an den Zeugen die Worte richtet:

"Sie bekräftigen im Bewusstsein Ihrer Verantwortung vor Gericht, dass Sie nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen haben"

und der Zeuge hierauf spricht:

"Ja".

(3) § 64 Abs. 3 gilt entsprechend.

Zu § 65: Neugefasst durch G vom 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 66 StPO – Eidesleistung bei Hör- oder Sprachbehinderung

(1) 1Eine hör- oder sprachbehinderte Person leistet den Eid nach ihrer Wahl mittels Nachsprechens der Eidesformel, mittels Abschreibens und Unterschreibens der Eidesformel oder mit Hilfe einer die Verständigung ermöglichenden Person, die vom Gericht hinzuzuziehen ist. 2Das Gericht hat die geeigneten technischen Hilfsmittel bereitzustellen. 3Die hör- oder sprachbehinderte Person ist auf ihr Wahlrecht hinzuweisen.

(2) Das Gericht kann eine schriftliche Eidesleistung verlangen oder die Hinzuziehung einer die Verständigung ermöglichenden Person anordnen, wenn die hör- oder sprachbehinderte Person von ihrem Wahlrecht nach Absatz 1 keinen Gebrauch gemacht hat oder eine Eidesleistung in der nach Absatz 1 gewählten Form nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist.

(3) Die §§ 64 und 65 gelten entsprechend.

Zu § 66: Eingefügt durch G vom 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 67 StPO – Berufung auf einen früheren Eid

Wird der Zeuge, nachdem er eidlich vernommen worden ist, in demselben Vorverfahren oder in demselben Hauptverfahren nochmals vernommen, so kann der Richter statt der nochmaligen Vereidigung den Zeugen die Richtigkeit seiner Aussage unter Berufung auf den früher geleisteten Eid versichern lassen.

Zu § 67: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 68 StPO – Vernehmung zur Person; Beschränkung von Angaben, Zeugenschutz

(1) 1Die Vernehmung beginnt damit, dass der Zeuge über Vornamen, Nachnamen, Geburtsnamen, Alter, Beruf und vollständige Anschrift befragt wird. 2In richterlichen Vernehmungen in Anwesenheit des Beschuldigten und in der Hauptverhandlung wird außer bei Zweifeln über die Identität des Zeugen nicht die vollständige Anschrift, sondern nur dessen Wohn- oder Aufenthaltsort abgefragt. 3Ein Zeuge, der Wahrnehmungen in amtlicher Eigenschaft gemacht hat, kann statt der vollständigen Anschrift den Dienstort angeben.

(2) 1Einem Zeugen soll zudem gestattet werden, statt der vollständigen Anschrift seinen Geschäfts- oder Dienstort oder eine andere ladungsfähige Anschrift anzugeben, wenn ein begründeter Anlass zu der Besorgnis besteht, dass durch die Angabe der vollständigen Anschrift Rechtsgüter des Zeugen oder einer anderen Person gefährdet werden oder dass auf Zeugen oder eine andere Person in unlauterer Weise eingewirkt werden wird. 2In richterlichen Vernehmungen in Anwesenheit des Beschuldigten und in der Hauptverhandlung soll dem Zeugen gestattet werden, seinen Wohn- oder Aufenthaltsort nicht anzugeben, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 bei dessen Angabe vorliegen.

(3) 1Besteht ein begründeter Anlass zu der Besorgnis, dass durch die Offenbarung der Identität oder des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Zeugen Leben, Leib oder Freiheit des Zeugen oder einer anderen Person gefährdet wird, so kann ihm gestattet werden, Angaben zur Person nicht oder nur über eine frühere Identität zu machen. 2Er hat jedoch in der Hauptverhandlung auf Befragen anzugeben, in welcher Eigenschaft ihm die Tatsachen, die er bekundet, bekannt geworden sind. 3Ist dem Zeugen unter den Voraussetzungen des Satzes 1 gestattet worden, Angaben zur Person nicht oder nur über eine frühere Identität zu machen, darf er sein Gesicht entgegen § 176 Absatz 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes ganz oder teilweise verhüllen.

(4) 1Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Voraussetzungen der Absätze 2 oder 3 vorliegen, ist der Zeuge auf die dort vorgesehenen Befugnisse hinzuweisen. 2Im Fall des Absatzes 2 soll der Zeuge bei der Benennung einer ladungsfähigen Anschrift unterstützt werden. 3Die Unterlagen, die die Feststellung des Wohn- oder Aufenthaltsortes, der vollständigen Anschrift oder der Identität des Zeugen gewährleisten, werden bei der Staatsanwaltschaft verwahrt. 4Zu den Akten sind sie erst zu nehmen, wenn die Besorgnis der Gefährdung entfällt. 5Wurde dem Zeugen eine Beschränkung seiner Angaben nach Absatz 2 Satz 1 gestattet, veranlasst die Staatsanwaltschaft von Amts wegen bei der Meldebehörde eine Auskunftssperre nach § 51 Absatz 1 des Bundesmeldegesetzes , wenn der Zeuge zustimmt.

(5) 1Die Absätze 2 bis 4 gelten auch nach Abschluss der Zeugenvernehmung. 2Soweit dem Zeugen gestattet wurde, Daten nicht anzugeben, ist bei Auskünften aus und Einsichtnahmen in Akten sicherzustellen, dass diese Daten anderen Personen nicht bekannt werden, es sei denn, dass eine Gefährdung im Sinne der Absätze 2 und 3 ausgeschlossen erscheint.

Zu § 68: Neugefasst durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2280), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2121) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 68a StPO – Beschränkung des Fragerechts aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes

(1) Fragen nach Tatsachen, die dem Zeugen oder einer Person, die im Sinne des § 52 Abs. 1 sein Angehöriger ist, zur Unehre gereichen können oder deren persönlichen Lebensbereich betreffen, sollen nur gestellt werden, wenn es unerlässlich ist.

(2) 1Fragen nach Umständen, die die Glaubwürdigkeit des Zeugen in der vorliegenden Sache betreffen, insbesondere nach seinen Beziehungen zu dem Beschuldigten oder der verletzten Person, sind zu stellen, soweit dies erforderlich ist. 2Der Zeuge soll nach Vorstrafen nur gefragt werden, wenn ihre Feststellung notwendig ist, um über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Nr. 2 zu entscheiden oder um seine Glaubwürdigkeit zu beurteilen.

Zu § 68a: Geändert durch G vom 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198), 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2280) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 68b StPO – Zeugenbeistand

(1) 1Zeugen können sich eines anwaltlichen Beistands bedienen. 2Einem zur Vernehmung des Zeugen erschienenen anwaltlichen Beistand ist die Anwesenheit gestattet. 3Er kann von der Vernehmung ausgeschlossen werden, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass seine Anwesenheit die geordnete Beweiserhebung nicht nur unwesentlich beeinträchtigen würde. 4Dies wird in der Regel der Fall sein, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass

  1. 1.

    der Beistand an der zu untersuchenden Tat oder an einer mit ihr im Zusammenhang stehenden Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei beteiligt ist,

  2. 2.

    das Aussageverhalten des Zeugen dadurch beeinflusst wird, dass der Beistand nicht nur den Interessen des Zeugen verpflichtet erscheint, oder

  3. 3.

    der Beistand die bei der Vernehmung erlangten Erkenntnisse für Verdunkelungshandlungen im Sinne des § 112 Absatz 2 Nummer 3 nutzt oder in einer den Untersuchungszweck gefährdenden Weise weitergibt.

(2) 1Einem Zeugen, der bei seiner Vernehmung keinen anwaltlichen Beistand hat und dessen schutzwürdigen Interessen nicht auf andere Weise Rechnung getragen werden kann, ist für deren Dauer ein solcher beizuordnen, wenn besondere Umstände vorliegen, aus denen sich ergibt, dass der Zeuge seine Befugnisse bei seiner Vernehmung nicht selbst wahrnehmen kann. 2 § 142 Absatz 5 Satz 1 und 3 gilt entsprechend.

(3) 1Entscheidungen nach Absatz 1 Satz 3 und Absatz 2 Satz 1 sind unanfechtbar. 2Ihre Gründe sind aktenkundig zu machen, soweit dies den Untersuchungszweck nicht gefährdet.

Zu § 68b: Neugefasst durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2280), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 10. 12. 2015 (BGBl I S. 2218) und 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2128).


§ 69 StPO – Vernehmung zur Sache

(1) 1Der Zeuge ist zu veranlassen, das, was ihm von dem Gegenstand seiner Vernehmung bekannt ist, im Zusammenhang anzugeben. 2Vor seiner Vernehmung ist dem Zeugen der Gegenstand der Untersuchung und die Person des Beschuldigten, sofern ein solcher vorhanden ist, zu bezeichnen.

(2) 1Zur Aufklärung und zur Vervollständigung der Aussage sowie zur Erforschung des Grundes, auf dem das Wissen des Zeugen beruht, sind nötigenfalls weitere Fragen zu stellen. 2Zeugen, die durch die Straftat verletzt sind, ist insbesondere Gelegenheit zu geben, sich zu den Auswirkungen, die die Tat auf sie hatte, zu äußern.

(3) Die Vorschrift des § 136a gilt für die Vernehmung des Zeugen entsprechend.

Zu § 69: Geändert durch G vom 26. 6. 2013 (BGBl I S. 1805) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 70 StPO – Folgen unberechtigter Zeugnis- oder Eidesverweigerung

(1) 1Wird das Zeugnis oder die Eidesleistung ohne gesetzlichen Grund verweigert, so werden dem Zeugen die durch die Weigerung verursachten Kosten auferlegt. 2Zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt.

(2) Auch kann zur Erzwingung des Zeugnisses die Haft angeordnet werden, jedoch nicht über die Zeit der Beendigung des Verfahrens in dem Rechtszug, auch nicht über die Zeit von sechs Monaten hinaus.

(3) Die Befugnis zu diesen Maßregeln steht auch dem Richter im Vorverfahren sowie dem beauftragten und ersuchten Richter zu.

(4) Sind die Maßregeln erschöpft, so können sie in demselben oder in einem anderen Verfahren, das dieselbe Tat zum Gegenstand hat, nicht wiederholt werden.

Zu § 70: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 71 StPO – Zeugenentschädigung

Der Zeuge wird nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz entschädigt.

Zu § 71: Geändert durch G vom 5. 5. 2004 (BGBl I S. 718) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§§ 1 - 150, Erstes Buch - Allgemeine Vorschriften
§§ 72 - 93, Siebter Abschnitt - Sachverständige und Augenschein

§ 72 StPO – Anwendung der Vorschriften über Zeugen auf Sachverständige

Auf Sachverständige ist der sechste Abschnitt über Zeugen entsprechend anzuwenden, soweit nicht in den nachfolgenden Paragrafen abweichende Vorschriften getroffen sind.

Zu § 72: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 73 StPO – Auswahl des Sachverständigen

(1) 1Die Auswahl der zuzuziehenden Sachverständigen und die Bestimmung ihrer Anzahl erfolgt durch den Richter. 2Er soll mit diesen eine Absprache treffen, innerhalb welcher Frist die Gutachten erstattet werden können.

(2) Sind für gewisse Arten von Gutachten Sachverständige öffentlich bestellt, so sollen andere Personen nur dann gewählt werden, wenn besondere Umstände es fordern.

Zu § 73: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 74 StPO – Ablehnung des Sachverständigen

(1) 1Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. 2Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, dass der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist.

(2) 1Das Ablehnungsrecht steht der Staatsanwaltschaft, dem Privatkläger und dem Beschuldigten zu. 2Die ernannten Sachverständigen sind den zur Ablehnung Berechtigten namhaft zu machen, wenn nicht besondere Umstände entgegenstehen.

(3) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; der Eid ist als Mittel der Glaubhaftmachung ausgeschlossen.

Zu § 74: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 75 StPO – Pflicht des Sachverständigen zur Erstattung des Gutachtens

(1) Der zum Sachverständigen Ernannte hat der Ernennung Folge zu leisten, wenn er zur Erstattung von Gutachten der erforderten Art öffentlich bestellt ist oder wenn er die Wissenschaft, die Kunst oder das Gewerbe, deren Kenntnis Voraussetzung der Begutachtung ist, öffentlich zum Erwerb ausübt oder wenn er zu ihrer Ausübung öffentlich bestellt oder ermächtigt ist.

(2) Zur Erstattung des Gutachtens ist auch der verpflichtet, welcher sich hierzu vor Gericht bereit erklärt hat.

Zu § 75: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 76 StPO – Gutachtenverweigerungsrecht des Sachverständigen

(1) 1Dieselben Gründe, die einen Zeugen berechtigen, das Zeugnis zu verweigern, berechtigen einen Sachverständigen zur Verweigerung des Gutachtens. 2Auch aus anderen Gründen kann ein Sachverständiger von der Verpflichtung zur Erstattung des Gutachtens entbunden werden.

(2) 1Für die Vernehmung von Richtern, Beamten und anderen Personen des öffentlichen Dienstes als Sachverständige gelten die besonderen beamtenrechtlichen Vorschriften. 2Für die Mitglieder der Bundes- oder einer Landesregierung gelten die für sie maßgebenden besonderen Vorschriften.

Zu § 76: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 77 StPO – Ausbleiben oder unberechtigte Gutachtenverweigerung des Sachverständigen

(1) 1Im Falle des Nichterscheinens oder der Weigerung eines zur Erstattung des Gutachtens verpflichteten Sachverständigen wird diesem auferlegt, die dadurch verursachten Kosten zu ersetzen. 2Zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt. 3Im Falle wiederholten Ungehorsams kann neben der Auferlegung der Kosten das Ordnungsgeld noch einmal festgesetzt werden.

(2) 1Weigert sich ein zur Erstattung des Gutachtens verpflichteter Sachverständiger, nach § 73 Abs. 1 Satz 2 eine angemessene Frist abzusprechen, oder versäumt er die abgesprochene Frist, so kann gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt werden. 2Der Festsetzung des Ordnungsgeldes muss eine Androhung unter Setzung einer Nachfrist vorausgehen. 3Im Falle wiederholter Fristversäumnis kann das Ordnungsgeld noch einmal festgesetzt werden.

Zu § 77: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 78 StPO – Richterliche Leitung der Tätigkeit des Sachverständigen

Der Richter hat, soweit ihm dies erforderlich erscheint, die Tätigkeit der Sachverständigen zu leiten.

Zu § 78: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 79 StPO – Vereidigung des Sachverständigen

(1) Der Sachverständige kann nach dem Ermessen des Gerichts vereidigt werden.

(2) Der Eid ist nach Erstattung des Gutachtens zu leisten; er geht dahin, dass der Sachverständige das Gutachten unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen erstattet habe.

(3) Ist der Sachverständige für die Erstattung von Gutachten der betreffenden Art im Allgemeinen vereidigt, so genügt die Berufung auf den geleisteten Eid.

Zu § 79: Geändert durch G vom 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 80 StPO – Vorbereitung des Gutachtens durch weitere Aufklärung

(1) Dem Sachverständigen kann auf sein Verlangen zur Vorbereitung des Gutachtens durch Vernehmung von Zeugen oder des Beschuldigten weitere Aufklärung verschafft werden.

(2) Zu demselben Zweck kann ihm gestattet werden, die Akten einzusehen, der Vernehmung von Zeugen oder des Beschuldigten beizuwohnen und an sie unmittelbar Fragen zu stellen.

Zu § 80: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 80a StPO – Vorbereitung des Gutachtens im Vorverfahren

Ist damit zu rechnen, dass die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus, einer Entziehungsanstalt oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet werden wird, so soll schon im Vorverfahren einem Sachverständigen Gelegenheit zur Vorbereitung des in der Hauptverhandlung zu erstattenden Gutachtens gegeben werden.

Zu § 80a: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 81 StPO – Unterbringung des Beschuldigten zur Vorbereitung eines Gutachtens

(1) Zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten kann das Gericht nach Anhörung eines Sachverständigen und des Verteidigers anordnen, dass der Beschuldigte in ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus gebracht und dort beobachtet wird.

(2) 1Das Gericht trifft die Anordnung nach Absatz 1 nur, wenn der Beschuldigte der Tat dringend verdächtig ist. 2Das Gericht darf diese Anordnung nicht treffen, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(3) Im vorbereitenden Verfahren entscheidet das Gericht, das für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständig wäre.

(4) 1Gegen den Beschluss ist sofortige Beschwerde zulässig. 2Sie hat aufschiebende Wirkung.

(5) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach Absatz 1 darf die Dauer von insgesamt sechs Wochen nicht überschreiten.

Zu § 81: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 81a StPO – Körperliche Untersuchung des Beschuldigten; Zulässigkeit körperlicher Eingriffe

(1) 1Eine körperliche Untersuchung des Beschuldigten darf zur Feststellung von Tatsachen angeordnet werden, die für das Verfahren von Bedeutung sind. 2Zu diesem Zweck sind Entnahmen von Blutproben und andere körperliche Eingriffe, die von einem Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu Untersuchungszwecken vorgenommen werden, ohne Einwilligung des Beschuldigten zulässig, wenn kein Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist.

(2) 1Die Anordnung steht dem Richter, bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung auch der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen ( § 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes ) zu. 2Die Entnahme einer Blutprobe bedarf abweichend von Satz 1 keiner richterlichen Anordnung, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Straftat nach § 315a Absatz 1 Nummer 1 , Absatz 2  und  3 , § 315c Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a , Absatz 2  und  3 oder § 316 des Strafgesetzbuchs begangen worden ist.

(3) Dem Beschuldigten entnommene Blutproben oder sonstige Körperzellen dürfen nur für Zwecke des der Entnahme zugrundeliegenden oder eines anderen anhängigen Strafverfahrens verwendet werden; sie sind unverzüglich zu vernichten, sobald sie hierfür nicht mehr erforderlich sind.

Zu § 81a: Geändert durch G vom 17. 3. 1997 (BGBl I S. 534), 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202).


§ 81b StPO – Erkennungsdienstliche Maßnahmen bei dem Beschuldigten

(1) Soweit es für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden.

(2) 1Über die Fälle des Absatzes 1 hinaus sind die Fingerabdrücke des Beschuldigten für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 zur Einrichtung eines zentralisierten Systems für die Ermittlung der Mitgliedstaaten, in denen Informationen zu Verurteilungen von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen (ECRIS-TCN) vorliegen, zur Ergänzung des Europäischen Strafregisterinformationssystems und zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1726 (ABl. L 135 vom 22.5.2019, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2019/818 (ABl. L 135 vom 22.5.2019, S. 85) geändert worden ist, auch gegen dessen Willen aufzunehmen, sofern

  1. 1.

    es sich bei dem Beschuldigten um einen Drittstaatsangehörigen im Sinne des Artikels 3 Nummer 7 der Verordnung (EU) 2019/816 handelt,

  2. 2.

    der Beschuldigte rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe verurteilt oder gegen ihn rechtskräftig allein eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,

  3. 3.

    keine Fingerabdrücke des Beschuldigten vorhanden sind, die im Rahmen eines Strafverfahrens aufgenommen worden sind, und

  4. 4.

    die entsprechende Eintragung im Bundeszentralregister noch nicht getilgt ist.

2Wenn auf Grund bestimmter Tatsachen und bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte sich dieser Maßnahme entziehen werde, dann dürfen die Fingerabdrücke abweichend von Satz 1 Nummer 2 bereits vor der Rechtskraft der Entscheidung aufgenommen werden.

(3) Für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 sind die nach Absatz 1 für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens, die nach Absatz 2 oder die nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen Fingerabdrücke an das Bundeskriminalamt zu übermitteln.

(4) 1Für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 darf das Bundeskriminalamt die nach den Absätzen 1 und 2 sowie die nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen und ihm übermittelten Fingerabdrücke verarbeiten. 2Bei den nach Absatz 1 für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens, den nach Absatz 2 Satz 2 und den nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen Fingerabdrücken ist eine über die Speicherung hinausgehende Verarbeitung nach Satz 1 unzulässig, solange die Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist. 3Die Verarbeitung nach Satz 1 ist ferner unzulässig, wenn

  1. 1.

    der Beschuldigte rechtskräftig freigesprochen wurde,

  2. 2.

    das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wurde oder

  3. 3.

    die alleinige Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung gegen den Beschuldigten rechtskräftig unterbleibt.

4Satz 3 gilt entsprechend in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2, wenn der Beschuldigte rechtskräftig zu einer anderen Strafe als Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe verurteilt wurde. 5Ist die Verarbeitung der Fingerabdrücke nach Satz 3 oder 4 unzulässig, so sind die Fingerabdrücke zu löschen.

(5) 1Für die Verarbeitung für andere Zwecke als die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 gelten die §§ 481 bis 485 . 2Die Verarbeitung der nach Absatz 2 Satz 2 aufgenommenen Fingerabdrücke ist jedoch erst zulässig, wenn die Entscheidung rechtskräftig und die Verarbeitung für die Erstellung eines Datensatzes nicht nach Absatz 4 Satz 3 oder 4 unzulässig ist. 3Die übrigen Bestimmungen über die Verarbeitung der nach Absatz 1 oder 2 oder nach § 163b aufgenommenen Fingerabdrücke bleiben unberührt.

Zu § 81b: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 10. 8. 2021 (BGBl I S. 3420).


§ 81c StPO – Untersuchung anderer Personen

(1) Andere Personen als Beschuldigte dürfen, wenn sie als Zeugen in Betracht kommen, ohne ihre Einwilligung nur untersucht werden, soweit zur Erforschung der Wahrheit festgestellt werden muss, ob sich an ihrem Körper eine bestimmte Spur oder Folge einer Straftat befindet.

(2) 1Bei anderen Personen als Beschuldigten sind Untersuchungen zur Feststellung der Abstammung und die Entnahme von Blutproben ohne Einwilligung des zu Untersuchenden zulässig, wenn kein Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten und die Maßnahme zur Erforschung der Wahrheit unerlässlich ist. 2Die Untersuchungen und die Entnahme von Blutproben dürfen stets nur von einem Arzt vorgenommen werden.

(3) 1Untersuchungen oder Entnahmen von Blutproben können aus den gleichen Gründen wie das Zeugnis verweigert werden. 2Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung ihres Weigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so entscheidet der gesetzliche Vertreter; § 52 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 gilt entsprechend. 3Ist der gesetzliche Vertreter von der Entscheidung ausgeschlossen ( § 52 Abs. 2 Satz 2 ) oder aus sonstigen Gründen an einer rechtzeitigen Entscheidung gehindert und erscheint die sofortige Untersuchung oder Entnahme von Blutproben zur Beweissicherung erforderlich, so sind diese Maßnahmen nur auf besondere Anordnung des Gerichts und, wenn dieses nicht rechtzeitig erreichbar ist, der Staatsanwaltschaft zulässig. 4Der die Maßnahmen anordnende Beschluss ist unanfechtbar. 5Die nach Satz 3 erhobenen Beweise dürfen im weiteren Verfahren nur mit Einwilligung des hierzu befugten gesetzlichen Vertreters verwertet werden.

(4) Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 sind unzulässig, wenn sie dem Betroffenen bei Würdigung aller Umstände nicht zugemutet werden können.

(5) 1Die Anordnung steht dem Gericht, bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung auch der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen ( § 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes ) zu; Absatz 3 Satz 3 bleibt unberührt. 2 § 81a Abs. 3 gilt entsprechend.

(6) 1Bei Weigerung des Betroffenen gilt die Vorschrift des § 70 entsprechend. 2Unmittelbarer Zwang darf nur auf besondere Anordnung des Richters angewandt werden. 3Die Anordnung setzt voraus, dass der Betroffene trotz Festsetzung eines Ordnungsgeldes bei der Weigerung beharrt oder dass Gefahr im Verzuge ist.

Zu § 81c: Geändert durch G vom 12. 9. 1990 (BGBl I S. 2002), 17. 3. 1997 (BGBl I S. 534), 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198), 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2280) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 81d StPO – Durchführung körperlicher Untersuchungen durch Personen gleichen Geschlechts

(1) 1Kann die körperliche Untersuchung das Schamgefühl verletzen, so wird sie von einer Person gleichen Geschlechts oder von einer Ärztin oder einem Arzt vorgenommen. 2Bei berechtigtem Interesse soll dem Wunsch, die Untersuchung einer Person oder einem Arzt bestimmten Geschlechts zu übertragen, entsprochen werden. 3Auf Verlangen der betroffenen Person soll eine Person des Vertrauens zugelassen werden. 4Die betroffene Person ist auf die Regelungen der Sätze 2 und 3 hinzuweisen.

(2) Diese Vorschrift gilt auch dann, wenn die betroffene Person in die Untersuchung einwilligt.

Zu § 81d: Neugefasst durch G vom 24. 6. 2004 (BGBl I S. 1354), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 81e StPO – Molekulargenetische Untersuchung

(1) 1An dem durch Maßnahmen nach § 81a Absatz 1 oder § 81c erlangten Material dürfen mittels molekulargenetischer Untersuchung das DNA-Identifizierungsmuster, die Abstammung und das Geschlecht der Person festgestellt und diese Feststellungen mit Vergleichsmaterial abgeglichen werden, soweit dies zur Erforschung des Sachverhalts erforderlich ist. 2Andere Feststellungen dürfen nicht erfolgen; hierauf gerichtete Untersuchungen sind unzulässig.

(2) 1Nach Absatz 1 zulässige Untersuchungen dürfen auch an aufgefundenem, sichergestelltem oder beschlagnahmtem Material durchgeführt werden. 2Ist unbekannt, von welcher Person das Spurenmaterial stammt, dürfen zusätzlich Feststellungen über die Augen-, Haar- und Hautfarbe sowie das Alter der Person getroffen werden. 3Absatz 1 Satz 2 und § 81a Abs. 3 erster Halbsatz gelten entsprechend. 4Ist bekannt, von welcher Person das Material stammt, gilt § 81f Absatz 1 entsprechend.

Zu § 81e: Eingefügt durch G vom 17. 3. 1997 (BGBl I S. 534), geändert durch G vom 27. 12. 2003 (BGBl I S. 3007), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202) und 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2121).


§ 81f StPO – Verfahren bei der molekulargenetischen Untersuchung  1)

1) Red. Anm.:

Nach Artikel 3 des Gesetzes zur Novellierung der forensischen DNA-Analyse vom 12. August 2005 (BGBl. I S. 2360) wird das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit nach Artikel 2 Abs. 2 des Grundgesetzes durch dieses Gesetz eingeschränkt.

(1) 1Untersuchungen nach § 81e Abs. 1 dürfen ohne schriftliche Einwilligung der betroffenen Person nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen ( § 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes ) angeordnet werden. 2Die einwilligende Person ist darüber zu belehren, für welchen Zweck die zu erhebenden Daten verwendet werden.

(2) 1Mit der Untersuchung nach § 81e sind in der schriftlichen Anordnung Sachverständige zu beauftragen, die öffentlich bestellt oder nach dem Verpflichtungsgesetz verpflichtet oder Amtsträger sind, die der ermittlungsführenden Behörde nicht angehören oder einer Organisationseinheit dieser Behörde angehören, die von der ermittlungsführenden Dienststelle organisatorisch und sachlich getrennt ist. 2Diese haben durch technische und organisatorische Maßnahmen zu gewährleisten, dass unzulässige molekulargenetische Untersuchungen und unbefugte Kenntnisnahme Dritter ausgeschlossen sind. 3Dem Sachverständigen ist das Untersuchungsmaterial ohne Mitteilung des Namens, der Anschrift und des Geburtstages und -monats der betroffenen Person zu übergeben. 4Ist der Sachverständige eine nichtöffentliche Stelle, finden die Vorschriften der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) und des Bundesdatenschutzgesetzes auch dann Anwendung, wenn die personenbezogenen Daten nicht automatisiert verarbeitet und die Daten nicht in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen.

Zu § 81f: Eingefügt durch G vom 17. 3. 1997 (BGBl I S. 534), geändert durch G vom 6. 8. 2002 (BGBl I S. 3018), 12. 8. 2005 (BGBl I S. 2360), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724).


§ 81g StPO – DNA-Identitätsfeststellung  1)

1) Red. Anm.:

Nach Artikel 3 des Gesetzes zur Novellierung der forensischen DNA-Analyse vom 12. August 2005 (BGBl. I S. 2360) wird das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit nach Artikel 2 Abs. 2 des Grundgesetzes durch dieses Gesetz eingeschränkt.

(1) 1Ist der Beschuldigte einer Straftat von erheblicher Bedeutung oder einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung verdächtig, dürfen ihm zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren Körperzellen entnommen und zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters sowie des Geschlechts molekulargenetisch untersucht werden, wenn wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn künftig Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung zu führen sind. 2Die wiederholte Begehung sonstiger Straftaten kann im Unrechtsgehalt einer Straftat von erheblicher Bedeutung gleichstehen.

(2) 1Die entnommenen Körperzellen dürfen nur für die in Absatz 1 genannte molekulargenetische Untersuchung verwendet werden; sie sind unverzüglich zu vernichten, sobald sie hierfür nicht mehr erforderlich sind. 2Bei der Untersuchung dürfen andere Feststellungen als diejenigen, die zur Ermittlung des DNA-Identifizierungsmusters sowie des Geschlechts erforderlich sind, nicht getroffen werden; hierauf gerichtete Untersuchungen sind unzulässig.

(3) 1Die Entnahme der Körperzellen darf ohne schriftliche Einwilligung des Beschuldigten nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen ( § 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes ) angeordnet werden. 2Die molekulargenetische Untersuchung der Körperzellen darf ohne schriftliche Einwilligung des Beschuldigten nur durch das Gericht angeordnet werden. 3Die einwilligende Person ist darüber zu belehren, für welchen Zweck die zu erhebenden Daten verwendet werden. 4 § 81f Abs. 2 gilt entsprechend. 5In der schriftlichen Begründung des Gerichts sind einzelfallbezogen darzulegen

  1. 1.
    die für die Beurteilung der Erheblichkeit der Straftat bestimmenden Tatsachen,
  2. 2.
    die Erkenntnisse, auf Grund derer Grund zu der Annahme besteht, dass gegen den Beschuldigten künftig Strafverfahren zu führen sein werden, sowie
  3. 3.
    die Abwägung der jeweils maßgeblichen Umstände.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend, wenn die betroffene Person wegen der Tat rechtskräftig verurteilt oder nur wegen

  1. 1.
    erwiesener oder nicht auszuschließender Schuldunfähigkeit,
  2. 2.
    auf Geisteskrankheit beruhender Verhandlungsunfähigkeit oder
  3. 3.
    fehlender oder nicht auszuschließender fehlender Verantwortlichkeit ( § 3 des Jugendgerichtsgesetzes )

nicht verurteilt worden ist und die entsprechende Eintragung im Bundeszentralregister oder Erziehungsregister noch nicht getilgt ist.

(5) 1Die erhobenen Daten dürfen beim Bundeskriminalamt gespeichert und nach Maßgabe des Bundeskriminalamtgesetzes verwendet werden. 2Das Gleiche gilt

  1. 1.
    unter den in Absatz 1 genannten Voraussetzungen für die nach § 81e Abs. 1 erhobenen Daten eines Beschuldigten sowie
  2. 2.
    für die nach § 81e Abs. 2 Satz 1 erhobenen Daten.

3Die Daten dürfen nur für Zwecke eines Strafverfahrens, der Gefahrenabwehr und der internationalen Rechtshilfe hierfür übermittelt werden. 4Im Fall des Satzes 2 Nr. 1 ist der Beschuldigte unverzüglich von der Speicherung zu benachrichtigen und darauf hinzuweisen, dass er die gerichtliche Entscheidung beantragen kann.

Zu § 81g: Eingefügt durch G vom 7. 9. 1998 (BGBl I S. 2646), geändert durch G vom 27. 12. 2003 (BGBl I S. 3007), 12. 8. 2005 (BGBl I S. 2360), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2121).


§ 81h StPO – DNA-Reihenuntersuchung  1)

1) Red. Anm.:

Nach Artikel 3 des Gesetzes zur Novellierung der forensischen DNA-Analyse vom 12. August 2005 (BGBl. I S. 2360) wird das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit nach Artikel 2 Abs. 2 des Grundgesetzes durch dieses Gesetz eingeschränkt.

(1) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, dass ein Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung begangen worden ist, dürfen Personen, die bestimmte, auf den Täter vermutlich zutreffende Prüfungsmerkmale erfüllen, mit ihrer schriftlichen Einwilligung

  1. 1.
    Körperzellen entnommen,
  2. 2.
    diese zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters und des Geschlechts molekulargenetisch untersucht und
  3. 3.
    die festgestellten DNA-Identifizierungsmuster mit den DNA-Identifizierungsmustern von Spurenmaterial automatisiert abgeglichen werden,

soweit dies zur Feststellung erforderlich ist, ob das Spurenmaterial von diesen Personen oder von ihren Verwandten in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grad stammt, und die Maßnahme insbesondere im Hinblick auf die Anzahl der von ihr betroffenen Personen nicht außer Verhältnis zur Schwere der Tat steht.

(2) 1Eine Maßnahme nach Absatz 1 bedarf der gerichtlichen Anordnung. 2Diese ergeht schriftlich. 3Sie muss die betroffenen Personen anhand bestimmter Prüfungsmerkmale bezeichnen und ist zu begründen. 4Einer vorherigen Anhörung der betroffenen Personen bedarf es nicht. 5Die Entscheidung, mit der die Maßnahme angeordnet wird, ist nicht anfechtbar.

(3) 1Für die Durchführung der Maßnahme gilt § 81f Absatz 2 entsprechend. 2Die entnommenen Körperzellen sind unverzüglich zu vernichten, sobald sie für die Untersuchung nach Absatz 1 nicht mehr benötigt werden. 3Soweit die Aufzeichnungen über die durch die Maßnahme festgestellten DNA-Identifizierungsmuster zur Erforschung des Sachverhalts nicht mehr erforderlich sind, sind sie unverzüglich zu löschen. 4Die Vernichtung und die Löschung sind zu dokumentieren.

(4) 1Die betroffenen Personen sind schriftlich darüber zu belehren, dass die Maßnahme nur mit ihrer Einwilligung durchgeführt werden darf. 2Vor Erteilung der Einwilligung sind sie schriftlich auch darauf hinzuweisen, dass

  1. 1.

    die entnommenen Körperzellen ausschließlich zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters, der Abstammung und des Geschlechts untersucht werden und dass sie unverzüglich vernichtet werden, sobald sie hierfür nicht mehr erforderlich sind,

  2. 2.

    das Untersuchungsergebnis mit den DNA-Identifizierungsmustern von Spurenmaterial automatisiert daraufhin abgeglichen wird, ob das Spurenmaterial von ihnen oder von ihren Verwandten in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grad stammt,

  3. 3.

    das Ergebnis des Abgleichs zu Lasten der betroffenen Person oder mit ihr in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandter Personen verwertet werden darf und

  4. 4.

    die festgestellten DNA-Identifizierungsmuster nicht zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren beim Bundeskriminalamt gespeichert werden.

Zu § 81h: Eingefügt durch G vom 12. 8. 2005 (BGBl I S. 2360), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202).


§ 82 StPO – Form der Erstattung eines Gutachtens im Vorverfahren

Im Vorverfahren hängt es von der Anordnung des Richters ab, ob die Sachverständigen ihr Gutachten schriftlich oder mündlich zu erstatten haben.

Zu § 82: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 83 StPO – Anordnung einer neuen Begutachtung

(1) Der Richter kann eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen, wenn er das Gutachten für ungenügend erachtet.

(2) Der Richter kann die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist.

(3) In wichtigeren Fällen kann das Gutachten einer Fachbehörde eingeholt werden.

Zu § 83: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 84 StPO – Sachverständigenvergütung

Der Sachverständige erhält eine Vergütung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz .

Zu § 84: Neugefasst durch G vom 5. 5. 2004 (BGBl I S. 718), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 85 StPO – Sachverständige Zeugen

Soweit zum Beweis vergangener Tatsachen oder Zustände, zu deren Wahrnehmung eine besondere Sachkunde erforderlich war, sachkundige Personen zu vernehmen sind, gelten die Vorschriften über den Zeugenbeweis.

Zu § 85: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 86 StPO – Richterlicher Augenschein

Findet die Einnahme eines richterlichen Augenscheins statt, so ist im Protokoll der vorgefundene Sachbestand festzustellen und darüber Auskunft zu geben, welche Spuren oder Merkmale, deren Vorhandensein nach der besonderen Beschaffenheit des Falles vermutet werden konnte, gefehlt haben.

Zu § 86: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 87 StPO – Leichenschau, Leichenöffnung, Ausgrabung der Leiche

(1) 1Die Leichenschau wird von der Staatsanwaltschaft, auf Antrag der Staatsanwaltschaft auch vom Richter, unter Zuziehung eines Arztes vorgenommen. 2Ein Arzt wird nicht zugezogen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts offensichtlich entbehrlich ist.

(2) 1Die Leichenöffnung wird von zwei Ärzten vorgenommen. 2Einer der Ärzte muss Gerichtsarzt oder Leiter eines öffentlichen gerichtsmedizinischen oder pathologischen Instituts oder ein von diesem beauftragter Arzt des Instituts mit gerichtsmedizinischen Fachkenntnissen sein. 3Dem Arzt, welcher den Verstorbenen in der dem Tod unmittelbar vorausgegangenen Krankheit behandelt hat, ist die Leichenöffnung nicht zu übertragen. 4Er kann jedoch aufgefordert werden, der Leichenöffnung beizuwohnen, um aus der Krankheitsgeschichte Aufschlüsse zu geben. 5Die Staatsanwaltschaft kann an der Leichenöffnung teilnehmen. 6Auf ihren Antrag findet die Leichenöffnung im Beisein des Richters statt.

(3) Zur Besichtigung oder Öffnung einer schon beerdigten Leiche ist ihre Ausgrabung statthaft.

(4) 1Die Leichenöffnung und die Ausgrabung einer beerdigten Leiche werden vom Richter angeordnet; die Staatsanwaltschaft ist zu der Anordnung befugt, wenn der Untersuchungserfolg durch Verzögerung gefährdet würde. 2Wird die Ausgrabung angeordnet, so ist zugleich die Benachrichtigung eines Angehörigen des Toten anzuordnen, wenn der Angehörige ohne besondere Schwierigkeiten ermittelt werden kann und der Untersuchungszweck durch die Benachrichtigung nicht gefährdet wird.

Zu § 87: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 88 StPO – Identifizierung des Verstorbenen vor Leichenöffnung

(1) 1Vor der Leichenöffnung soll die Identität des Verstorbenen festgestellt werden. 2Zu diesem Zweck können insbesondere Personen, die den Verstorbenen gekannt haben, befragt und Maßnahmen erkennungsdienstlicher Art durchgeführt werden. 3Zur Feststellung der Identität und des Geschlechts sind die Entnahme von Körperzellen und deren molekulargenetische Untersuchung zulässig; für die molekulargenetische Untersuchung gilt § 81f Abs. 2 entsprechend.

(2) Ist ein Beschuldigter vorhanden, so soll ihm die Leiche zur Anerkennung vorgezeigt werden.

Zu § 88: Neugefasst durch G vom 27. 12. 2003 (BGBl I S. 3007), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 89 StPO – Umfang der Leichenöffnung

Die Leichenöffnung muss sich, soweit der Zustand der Leiche dies gestattet, stets auf die Öffnung der Kopf-, Brust- und Bauchhöhle erstrecken.

Zu § 89: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 90 StPO – Öffnung der Leiche eines Neugeborenen

Bei Öffnung der Leiche eines neugeborenen Kindes ist die Untersuchung insbesondere auch darauf zu richten, ob es nach oder während der Geburt gelebt hat und ob es reif oder wenigstens fähig gewesen ist, das Leben außerhalb des Mutterleibes fortzusetzen.

Zu § 90: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 91 StPO – Untersuchung der Leiche bei Verdacht einer Vergiftung

(1) Liegt der Verdacht einer Vergiftung vor, so ist die Untersuchung der in der Leiche oder sonst gefundenen verdächtigen Stoffe durch einen Chemiker oder durch eine für solche Untersuchungen bestehende Fachbehörde vorzunehmen.

(2) Es kann angeordnet werden, dass diese Untersuchung unter Mitwirkung oder Leitung eines Arztes stattzufinden hat.

Zu § 91: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 92 StPO – Gutachten bei Verdacht einer Geld- oder Wertzeichenfälschung

(1) 1Liegt der Verdacht einer Geld- oder Wertzeichenfälschung vor, so sind das Geld oder die Wertzeichen erforderlichenfalls der Behörde vorzulegen, von der echtes Geld oder echte Wertzeichen dieser Art in Umlauf gesetzt werden. 2Das Gutachten dieser Behörde ist über die Unechtheit oder Verfälschung sowie darüber einzuholen, in welcher Art die Fälschung mutmaßlich begangen worden ist.

(2) Handelt es sich um Geld oder Wertzeichen eines fremden Währungsgebietes, so kann an Stelle des Gutachtens der Behörde des fremden Währungsgebietes das einer deutschen erfordert werden.

Zu § 92: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 93 StPO – Schriftgutachten

Zur Ermittlung der Echtheit oder Unechtheit eines Schriftstücks sowie zur Ermittlung seines Urhebers kann eine Schriftvergleichung unter Zuziehung von Sachverständigen vorgenommen werden.

Zu § 93: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§§ 1 - 150, Erstes Buch - Allgemeine Vorschriften
§§ 94 - 111q, Achter Abschnitt - Ermittlungsmaßnahmen

§ 94 StPO – Sicherstellung und Beschlagnahme von Gegenständen zu Beweiszwecken

(1) Gegenstände, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können, sind in Verwahrung zu nehmen oder in anderer Weise sicherzustellen.

(2) Befinden sich die Gegenstände in dem Gewahrsam einer Person und werden sie nicht freiwillig herausgegeben, so bedarf es der Beschlagnahme.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Führerscheine, die der Einziehung unterliegen.

(4) Die Herausgabe beweglicher Sachen richtet sich nach den §§ 111n  und  111o .

Zu § 94: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 95 StPO – Herausgabepflicht

(1) Wer einen Gegenstand der vorbezeichneten Art in seinem Gewahrsam hat, ist verpflichtet, ihn auf Erfordern vorzulegen und auszuliefern.

(2) 1Im Falle der Weigerung können gegen ihn die in § 70 bestimmten Ordnungs- und Zwangsmittel festgesetzt werden. 2Das gilt nicht bei Personen, die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt sind.

Zu § 95: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 95a StPO – Zurückstellung der Benachrichtigung des Beschuldigten; Offenbarungsverbot

(1) Bei der gerichtlichen Anordnung oder Bestätigung der Beschlagnahme eines Gegenstandes, den eine nicht beschuldigte Person im Gewahrsam hat, kann die Benachrichtigung des von der Beschlagnahme betroffenen Beschuldigten zurückgestellt werden, solange sie den Untersuchungszweck gefährden würde, wenn

  1. 1.

    bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass der Beschuldigte als Täter oder Teilnehmer eine Straftat von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung, insbesondere eine in § 100a Absatz 2 bezeichnete Straftat, begangen, in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht, oder durch eine Straftat vorbereitet hat und

  2. 2.

    die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre.

(2) 1Die Zurückstellung der Benachrichtigung des Beschuldigten nach Absatz 1 darf nur durch das Gericht angeordnet werden. 2Die Zurückstellung ist auf höchstens sechs Monate zu befristen. 3Eine Verlängerung der Anordnung durch das Gericht um jeweils nicht mehr als drei Monate ist zulässig, wenn die Voraussetzungen der Anordnung fortbestehen.

(3) 1Wird binnen drei Tagen nach der nichtgerichtlichen Beschlagnahme eines Gegenstandes, den eine unverdächtige Person im Gewahrsam hat, die gerichtliche Bestätigung der Beschlagnahme sowie die Zurückstellung der Benachrichtigung des Beschuldigten nach Absatz 1 beantragt, kann von einer Belehrung des von der Beschlagnahme betroffenen Beschuldigten nach § 98 Absatz 2 Satz 5 abgesehen werden. 2Im Verfahren nach § 98 Absatz 2 bedarf es der vorherigen Anhörung des Beschuldigten durch das Gericht ( § 33 Absatz 3 ) nicht.

(4) 1Die nach Absatz 1 zurückgestellte Benachrichtigung des Beschuldigten erfolgt, sobald dies ohne Gefährdung des Untersuchungszweckes möglich ist. 2Bei der Benachrichtigung ist der Beschuldigte auf die Möglichkeit des nachträglichen Rechtsschutzes nach Absatz 5 und die dafür vorgesehene Frist hinzuweisen.

(5) 1Der Beschuldigte kann bei dem für die Anordnung der Maßnahme zuständigen Gericht auch nach Beendigung der Zurückstellung nach Absatz 1 bis zu zwei Wochen nach seiner Benachrichtigung nach Absatz 4 die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme, der Art und Weise ihres Vollzugs und der Zurückstellung der Benachrichtigung beantragen. 2Gegen die gerichtliche Entscheidung ist die sofortige Beschwerde statthaft. 3Ist die öffentliche Klage erhoben und der Angeklagte benachrichtigt worden, entscheidet über den Antrag das mit der Sache befasste Gericht in der das Verfahren abschließenden Entscheidung.

(6) 1Wird die Zurückstellung der Benachrichtigung des Beschuldigten nach Absatz 1 angeordnet, kann unter Würdigung aller Umstände und nach Abwägung der Interessen der Beteiligten im Einzelfall zugleich angeordnet werden, dass der Betroffene für die Dauer der Zurückstellung gegenüber dem Beschuldigten und Dritten die Beschlagnahme sowie eine ihr vorausgehende Durchsuchung nach den §§ 103  und  110 oder Herausgabeanordnung nach § 95 nicht offenbaren darf. 2Absatz 2 gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass bei Gefahr im Verzug auch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen ( § 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes ) die Anordnung nach Satz 1 treffen können, wenn nach Absatz 3 von der Belehrung abgesehen und die gerichtliche Bestätigung der Beschlagnahme und die Zurückstellung der Benachrichtigung des Beschuldigten beantragt wird. 3Treffen die Staatsanwaltschaft oder ihre Ermittlungspersonen eine solche Anordnung, ist die gerichtliche Bestätigung binnen drei Tagen zu beantragen.

(7) Im Falle des Verstoßes gegen das Offenbarungsverbot des Absatzes 6 gilt § 95 Absatz 2 entsprechend.

Zu § 95a: Eingefügt durch G vom 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 96 StPO – Amtlich verwahrte Schriftstücke

1Die Vorlegung oder Auslieferung von Akten oder anderen in amtlicher Verwahrung befindlichen Schriftstücken durch Behörden und öffentliche Beamte darf nicht gefordert werden, wenn deren oberste Dienstbehörde erklärt, dass das Bekannt werden des Inhalts dieser Akten oder Schriftstücke dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde. 2Satz 1 gilt entsprechend für Akten und sonstige Schriftstücke, die sich im Gewahrsam eines Mitglieds des Bundestages oder eines Landtages beziehungsweise eines Angestellten einer Fraktion des Bundestages oder eines Landtages befinden, wenn die für die Erteilung einer Aussagegenehmigung zuständige Stelle eine solche Erklärung abgegeben hat.

Zu § 96: Geändert durch G vom 4. 11. 1994 (BGBl I S. 3346) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 97 StPO – Beschlagnahmeverbot

(1) Der Beschlagnahme unterliegen nicht

  1. 1.

    schriftliche Mitteilungen zwischen dem Beschuldigten und den Personen, die nach § 52 oder § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3b das Zeugnis verweigern dürfen;

  2. 2.

    Aufzeichnungen, welche die in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3b Genannten über die ihnen vom Beschuldigten anvertrauten Mitteilungen oder über andere Umstände gemacht haben, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht erstreckt;

  3. 3.

    andere Gegenstände einschließlich der ärztlichen Untersuchungsbefunde, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht der in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3b Genannten erstreckt.

(2) 1Diese Beschränkungen gelten nur, wenn die Gegenstände im Gewahrsam der zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten sind, es sei denn, es handelt sich um eine elektronische Gesundheitskarte im Sinne des § 291a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch . 2Die Beschränkungen der Beschlagnahme gelten nicht, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass die zeugnisverweigerungsberechtigte Person an der Tat oder an einer Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei beteiligt ist, oder wenn es sich um Gegenstände handelt, die durch eine Straftat hervorgebracht oder zur Begehung einer Straftat gebraucht oder bestimmt sind oder die aus einer Straftat herrühren.

(3) Die Absätze 1 und 2 sind entsprechend anzuwenden, soweit die Personen, die nach § 53a Absatz 1 Satz 1 an der beruflichen Tätigkeit der in § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3b genannten Personen mitwirken, das Zeugnis verweigern dürfen.

(4) 1Soweit das Zeugnisverweigerungsrecht der in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 genannten Personen reicht, ist die Beschlagnahme von Gegenständen unzulässig. 2Dieser Beschlagnahmeschutz erstreckt sich auch auf Gegenstände, die von den in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 genannten Personen den an ihrer Berufstätigkeit nach § 53a Absatz 1 Satz 1 mitwirkenden Personen anvertraut sind. 3Satz 1 gilt entsprechend, soweit die Personen, die nach § 53a Absatz 1 Satz 1 an der beruflichen Tätigkeit der in § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 genannten Personen mitwirken, das Zeugnis verweigern dürften.

(5) 1Soweit das Zeugnisverweigerungsrecht der in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 genannten Personen reicht, ist die Beschlagnahme von Verkörperungen eines Inhalts ( § 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches ), die sich im Gewahrsam dieser Personen oder der Redaktion, des Verlages, der Druckerei oder der Rundfunkanstalt befinden, unzulässig. 2Absatz 2 Satz 2 und § 160a Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend, die Beteiligungsregelung in Absatz 2 Satz 2 jedoch nur dann, wenn die bestimmten Tatsachen einen dringenden Verdacht der Beteiligung begründen; die Beschlagnahme ist jedoch auch in diesen Fällen nur zulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der Grundrechte aus Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht und die Erforschung des Sachverhaltes oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.

Zu § 97: Geändert durch G vom 23. 7. 1992 (BGBl I S. 1366), 27. 7. 1992 (BGBl I S. 1398), 16. 6. 1998 (BGBl I S. 1311), 15. 2. 2002 (BGBl I S. 682), 14. 11. 2003 (BGBl I S. 2190), 21. 12. 2007 (BGBl I S. 3198), 26. 6. 2009 (BGBl I S. 1597), 25. 6. 2012 (BGBl I S. 1374), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 10. 12. 2015 (BGBl I S. 2218), 30. 10. 2017 (BGBl I S. 3618), 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724) und 30. 11. 2020 (BGBl I S. 2600).


§ 98 StPO – Verfahren bei der Beschlagnahme

(1) 1Beschlagnahmen dürfen nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen ( § 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes ) angeordnet werden. 2Die Beschlagnahme nach § 97 Abs. 5 Satz 2 in den Räumen einer Redaktion, eines Verlages, einer Druckerei oder einer Rundfunkanstalt darf nur durch das Gericht angeordnet werden.

(2) 1Der Beamte, der einen Gegenstand ohne gerichtliche Anordnung beschlagnahmt hat, soll binnen drei Tagen die gerichtliche Bestätigung beantragen, wenn bei der Beschlagnahme weder der davon Betroffene noch ein erwachsener Angehöriger anwesend war oder wenn der Betroffene und im Falle seiner Abwesenheit ein erwachsener Angehöriger des Betroffenen gegen die Beschlagnahme ausdrücklichen Widerspruch erhoben hat. 2Der Betroffene kann jederzeit die gerichtliche Entscheidung beantragen. 3Die Zuständigkeit des Gerichts bestimmt sich nach § 162 . 4Der Betroffene kann den Antrag auch bei dem Amtsgericht einreichen, in dessen Bezirk die Beschlagnahme stattgefunden hat; dieses leitet den Antrag dem zuständigen Gericht zu. 5Der Betroffene ist über seine Rechte zu belehren.

(3) Ist nach erhobener öffentlicher Klage die Beschlagnahme durch die Staatsanwaltschaft oder eine ihrer Ermittlungspersonen erfolgt, so ist binnen drei Tagen dem Gericht von der Beschlagnahme Anzeige zu machen; die beschlagnahmten Gegenstände sind ihm zur Verfügung zu stellen.

(4) 1Wird eine Beschlagnahme in einem Dienstgebäude oder einer nicht allgemein zugänglichen Einrichtung oder Anlage der Bundeswehr erforderlich, so wird die vorgesetzte Dienststelle der Bundeswehr um ihre Durchführung ersucht. 2Die ersuchende Stelle ist zur Mitwirkung berechtigt. 3Des Ersuchens bedarf es nicht, wenn die Beschlagnahme in Räumen vorzunehmen ist, die ausschließlich von anderen Personen als Soldaten bewohnt werden.

Zu § 98: Geändert durch G vom 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198), 21. 12. 2007 (BGBl I S. 3198), 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2274) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 98a StPO – Rasterfahndung

(1) 1Liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Straftat von erheblicher Bedeutung

  1. 1.
    auf dem Gebiet des unerlaubten Betäubungsmittel- oder Waffenverkehrs, der Geld- oder Wertzeichenfälschung,
  2. 2.
    auf dem Gebiet des Staatsschutzes ( §§ 74a , 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes ),
  3. 3.
    auf dem Gebiet der gemeingefährlichen Straftaten,
  4. 4.
    gegen Leib oder Leben, die sexuelle Selbstbestimmung oder die persönliche Freiheit,
  5. 5.
    gewerbs- oder gewohnheitsmäßig oder
  6. 6.
    von einem Bandenmitglied oder in anderer Weise organisiert

begangen worden ist, so dürfen, unbeschadet §§ 94 , 110 , 161 , personenbezogene Daten von Personen, die bestimmte, auf den Täter vermutlich zutreffende Prüfungsmerkmale erfüllen, mit anderen Daten maschinell abgeglichen werden, um Nichtverdächtige auszuschließen oder Personen festzustellen, die weitere für die Ermittlungen bedeutsame Prüfungsmerkmale erfüllen. 2Die Maßnahme darf nur angeordnet werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre.

(2) Zu dem in Absatz 1 bezeichneten Zweck hat die speichernde Stelle die für den Abgleich erforderlichen Daten aus den Datenbeständen auszusondern und den Strafverfolgungsbehörden zu übermitteln.

(3) 1Soweit die zu übermittelnden Daten von anderen Daten nur mit unverhältnismäßigem Aufwand getrennt werden können, sind auf Anordnung auch die anderen Daten zu übermitteln. 2Ihre Nutzung ist nicht zulässig.

(4) Auf Anforderung der Staatsanwaltschaft hat die speichernde Stelle die Stelle, die den Abgleich durchführt, zu unterstützen.

(5) § 95 Abs. 2 gilt entsprechend.

Zu § 98a: Eingefügt durch G vom 15. 7. 1992 (BGBl I S. 1302), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332)


§ 98b StPO – Verfahren bei der Rasterfahndung

(1) 1Der Abgleich und die Übermittlung der Daten dürfen nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft angeordnet werden. 2Hat die Staatsanwaltschaft die Anordnung getroffen, so beantragt sie unverzüglich die gerichtliche Bestätigung. 3Die Anordnung tritt außer Kraft, wenn sie nicht binnen drei Werktagen vom Gericht bestätigt wird. 4Die Anordnung ergeht schriftlich. 5Sie muss den zur Übermittlung Verpflichteten bezeichnen und ist auf die Daten und Prüfungsmerkmale zu beschränken, die für den Einzelfall benötigt werden. 6Die Übermittlung von Daten, deren Verwendung besondere bundesgesetzliche oder entsprechende landesgesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen, darf nicht angeordnet werden. 7Die §§ 96 , 97 , 98 Abs. 1 Satz 2 gelten entsprechend.

(2) Ordnungs- und Zwangsmittel ( § 95 Abs. 2 ) dürfen nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft angeordnet werden; die Festsetzung von Haft bleibt dem Gericht vorbehalten.

(3) 1Sind die Daten auf Datenträgern übermittelt worden, so sind diese nach Beendigung des Abgleichs unverzüglich zurückzugeben. 2Personenbezogene Daten, die auf andere Datenträger übertragen wurden, sind unverzüglich zu löschen, sobald sie für das Strafverfahren nicht mehr benötigt werden.

(4) Nach Beendigung einer Maßnahme nach § 98a ist die Stelle zu unterrichten, die für die Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften über den Datenschutz bei öffentlichen Stellen zuständig ist.

Zu § 98b: Eingefügt durch G vom 15. 7. 1992 (BGBl I S. 1302), geändert durch G vom 21. 12. 2007 (BGBl I S. 3198) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 98c StPO – Maschineller Abgleich mit vorhandenen Daten

1Zur Aufklärung einer Straftat oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes einer Person, nach der für Zwecke eines Strafverfahrens gefahndet wird, dürfen personenbezogene Daten aus einem Strafverfahren mit anderen zur Strafverfolgung oder Strafvollstreckung oder zur Gefahrenabwehr gespeicherten Daten maschinell abgeglichen werden. 2Entgegenstehende besondere bundesgesetzliche oder entsprechende landesgesetzliche Verwendungsregelungen bleiben unberührt.

Zu § 98c: Eingefügt durch G vom 15. 7. 1992 (BGBl I S. 1302), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 99 StPO – Postbeschlagnahme und Auskunftsverlangen

(1) Zulässig ist die Beschlagnahme der an den Beschuldigten gerichteten Postsendungen und Telegramme, die sich im Gewahrsam von Personen oder Unternehmen befinden, die geschäftsmäßig Post- oder Telekommunikationsdienste erbringen oder daran mitwirken. Ebenso ist eine Beschlagnahme von Postsendungen und Telegrammen zulässig, bei denen aus vorliegenden Tatsachen zu schließen ist, dass sie von dem Beschuldigten herrühren oder für ihn bestimmt sind und dass ihr Inhalt für die Untersuchung Bedeutung hat.

(2) 1Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 ist es auch zulässig, von Personen oder Unternehmen, die geschäftsmäßig Postdienste erbringen oder daran mitwirken, Auskunft über Postsendungen zu verlangen, die an den Beschuldigten gerichtet sind, von ihm herrühren oder für ihn bestimmt sind. 2Die Auskunft umfasst ausschließlich die aufgrund von Rechtsvorschriften außerhalb des Strafrechts erhobenen Daten, sofern sie Folgendes betreffen:

  1. 1.

    Namen und Anschriften von Absendern, Empfängern und, soweit abweichend, von denjenigen Personen, welche die jeweilige Postsendung eingeliefert oder entgegengenommen haben,

  2. 2.

    Art des in Anspruch genommenen Postdienstes,

  3. 3.

    Maße und Gewicht der jeweiligen Postsendung,

  4. 4.

    die vom Postdienstleister zugeteilte Sendungsnummer der jeweiligen Postsendung sowie, sofern der Empfänger eine Abholstation mit Selbstbedienungs-Schließfächern nutzt, dessen persönliche Postnummer,

  5. 5.

    Zeit- und Ortsangaben zum jeweiligen Postsendungsverlauf sowie

  6. 6.

    Bildaufnahmen von der Postsendung, die zu Zwecken der Erbringung der Postdienstleistung erstellt wurden.

3Auskunft über den Inhalt der Postsendung darf darüber hinaus nur verlangt werden, wenn die in Satz 1 bezeichneten Personen oder Unternehmen davon auf rechtmäßige Weise Kenntnis erlangt haben. 4Auskunft nach den Sätzen 2 und 3 müssen sie auch über solche Postsendungen erteilen, die sich noch nicht oder nicht mehr in ihrem Gewahrsam befinden.

Zu § 99: Neugefasst durch G vom 17. 12. 1997 (BGBl I S. 3108), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 100 StPO – Verfahren bei der Postbeschlagnahme und Auskunftsverlangen

(1) Zur Anordnung der Maßnahmen nach § 99 ist nur das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch die Staatsanwaltschaft befugt.

(2) Anordnungen der Staatsanwaltschaft nach Absatz 1 treten, auch wenn sie eine Auslieferung nach § 99 Absatz 1 oder eine Auskunftserteilung nach § 99 Absatz 2 noch nicht zur Folge gehabt haben, außer Kraft, wenn sie nicht binnen drei Werktagen gerichtlich bestätigt werden.

(3) 1Die Öffnung der ausgelieferten Postsendungen steht dem Gericht zu. 2Es kann diese Befugnis der Staatsanwaltschaft übertragen, soweit dies erforderlich ist, um den Untersuchungserfolg nicht durch Verzögerung zu gefährden. 3Die Übertragung ist nicht anfechtbar; sie kann jederzeit widerrufen werden. 4Solange eine Anordnung nach Satz 2 nicht ergangen ist, legt die Staatsanwaltschaft die ihr ausgelieferten Postsendungen sofort, und zwar verschlossene Postsendungen ungeöffnet, dem Gericht vor.

(4) 1Über eine von der Staatsanwaltschaft verfügte Maßnahme nach § 99 entscheidet das nach § 98 zuständige Gericht. 2Über die Öffnung einer ausgelieferten Postsendung entscheidet das Gericht, das die Beschlagnahme angeordnet oder bestätigt hat.

(5) 1Postsendungen, deren Öffnung nicht angeordnet worden ist, sind unverzüglich an den vorgesehenen Empfänger weiterzuleiten. 2Dasselbe gilt, soweit nach der Öffnung die Zurückbehaltung nicht erforderlich ist.

(6) Der Teil einer zurückbehaltenen Postsendung, dessen Vorenthaltung nicht mit Rücksicht auf die Untersuchung geboten erscheint, ist dem vorgesehenen Empfänger abschriftlich mitzuteilen.

Zu § 100: Geändert durch G vom 21. 12. 2007 (BGBl I S. 3198), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 100a StPO – Telekommunikationsüberwachung

(1) 1Auch ohne Wissen der Betroffenen darf die Telekommunikation überwacht und aufgezeichnet werden, wenn

  1. 1.

    bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine in Absatz 2 bezeichnete schwere Straftat begangen, in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht, oder durch eine Straftat vorbereitet hat,

  2. 2.

    die Tat auch im Einzelfall schwer wiegt und

  3. 3.

    die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre.

2Die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation darf auch in der Weise erfolgen, dass mit technischen Mitteln in von dem Betroffenen genutzte informationstechnische Systeme eingegriffen wird, wenn dies notwendig ist, um die Überwachung und Aufzeichnung insbesondere in unverschlüsselter Form zu ermöglichen. 3Auf dem informationstechnischen System des Betroffenen gespeicherte Inhalte und Umstände der Kommunikation dürfen überwacht und aufgezeichnet werden, wenn sie auch während des laufenden Übertragungsvorgangs im öffentlichen Telekommunikationsnetz in verschlüsselter Form hätten überwacht und aufgezeichnet werden können.

(2) Schwere Straftaten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 sind:

  1. 1.

    aus dem Strafgesetzbuch :

    1. a)

      Straftaten des Friedensverrats, des Hochverrats und der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates sowie des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit nach den §§ 80a bis 82 , 84 bis 86 , 87 bis 89a , 89c Absatz 1 bis 4 , 94 bis 100a ,

    2. b)

      Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern nach § 108e ,

    3. c)

      Straftaten gegen die Landesverteidigung nach den §§ 109d bis 109h ,

    4. d)

      Straftaten gegen die öffentliche Ordnung nach § 127 Absatz 3  und  4 sowie den §§ 129 bis 130 ,

    5. e)

      Geld- und Wertzeichenfälschung nach den §§ 146  und  151 , jeweils auch in Verbindung mit § 152 , sowie nach § 152a Abs. 3 und § 152b Abs. 1 bis 4 ,

    6. f)

      Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den Fällen der §§ 176 , 176c , 176d und, unter den in § 177 Absatz 6 Satz 2 Nummer 2 genannten Voraussetzungen, des § 177 ,

    7. g)

      Verbreitung, Erwerb und Besitz kinder- und jugendpornographischer Inhalte nach § 184b , § 184c Absatz 2 ,

    8. h)

      Mord und Totschlag nach den §§ 211  und  212 ,

    9. i)

      Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232 , 232a Absatz 1 bis 5 , den §§ 232b , 233 Absatz 2 , den §§ 233a , 234 , 234a , 239a  und  239b ,

    10. j)

      Bandendiebstahl nach § 244 Abs. 1 Nr. 2 , Wohnungseinbruchdiebstahl nach § 244 Absatz 4 und schwerer Bandendiebstahl nach § 244a ,

    11. k)

      Straftaten des Raubes und der Erpressung nach den §§ 249 bis 255 ,

    12. l)

      gewerbsmäßige Hehlerei, Bandenhehlerei und gewerbsmäßige Bandenhehlerei nach den §§ 260  und  260a ,

    13. m)

      Geldwäsche nach § 261 , wenn die Vortat eine der in den Nummern 1 bis 11 genannten schweren Straftaten ist,

    14. n)

      Betrug und Computerbetrug unter den in § 263 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Falle des § 263 Abs. 5 , jeweils auch in Verbindung mit § 263a Abs. 2 ,

    15. o)

      Subventionsbetrug unter den in § 264 Abs. 2 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Falle des § 264 Abs. 3 in Verbindung mit § 263 Abs. 5 ,

    16. p)

      Sportwettbetrug und Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben unter den in § 265e Satz 2 genannten Voraussetzungen,

    17. q)

      Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt unter den in § 266a Absatz 4 Satz 2 Nummer 4 genannten Voraussetzungen,

    18. r)

      Straftaten der Urkundenfälschung unter den in § 267 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Fall des § 267 Abs. 4 , jeweils auch in Verbindung mit § 268 Abs. 5 oder § 269 Abs. 3 , sowie nach § 275 Abs. 2 und § 276 Abs. 2 ,

    19. s)

      Bankrott unter den in § 283a Satz 2 genannten Voraussetzungen,

    20. t)

      Straftaten gegen den Wettbewerb nach § 298 und, unter den in § 300 Satz 2 genannten Voraussetzungen, nach § 299 ,

    21. u)

      gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c , 307 Abs. 1 bis 3 , des § 308 Abs. 1 bis 3 , des § 309 Abs. 1 bis 4 , des § 310 Abs. 1 , der §§ 313 , 314 , 315 Abs. 3 , des § 315b Abs. 3 sowie der §§ 316a  und  316c ,

    22. v)

      Bestechlichkeit und Bestechung nach den §§ 332  und  334 ,

  2. 2.

    aus der Abgabenordnung :

    1. a)

      Steuerhinterziehung unter den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 genannten Voraussetzungen, sofern der Täter als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach § 370 Absatz 1 verbunden hat, handelt, oder unter den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 5 genannten Voraussetzungen,

    2. b)

      gewerbsmäßiger, gewaltsamer und bandenmäßiger Schmuggel nach § 373 ,

    3. c)

      Steuerhehlerei im Falle des § 374 Abs. 2 ,

  3. 3.

    aus dem Anti-Doping-Gesetz :

    Straftaten nach § 4 Absatz 4 Nummer 2 Buchstabe b ,

  4. 4.

    aus dem Asylgesetz :

    1. a)

      Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84 Abs. 3 ,

    2. b)

      gewerbs- und bandenmäßige Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84a ,

  5. 5.

    aus dem Aufenthaltsgesetz :

    1. a)

      Einschleusen von Ausländern und Personen, auf die das Freizügigkeitsgesetz/EU Anwendung findet, nach § 96 Absatz 1 , 2 und 4 ,

    2. b)

      Einschleusen mit Todesfolge und gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen nach § 97 ,

  6. 5a.

    aus dem Ausgangsstoffgesetz :

    Straftaten nach § 13 Absatz 3 ,

  7. 6.

    aus dem Außenwirtschaftsgesetz :

    vorsätzliche Straftaten nach den §§ 17 und 18 des Außenwirtschaftsgesetzes ,

  8. 7.

    aus dem Betäubungsmittelgesetz :

    1. a)

      Straftaten nach einer in § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 in Bezug genommenen Vorschrift unter den dort genannten Voraussetzungen,

    2. b)

      Straftaten nach den §§ 29a , 30 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 sowie den §§ 30a und 30b ,

  9. 7a.

    aus dem Konsumcannabisgesetz:

    1. a)

      Straftaten nach einer in § 34 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 in Bezug genommenen Vorschrift unter den dort genannten Voraussetzungen,

    2. b)

      Straftaten nach § 34 Absatz 4 ,

  10. 7b.

    aus dem Medizinal-Cannabisgesetz:

    1. a)

      Straftaten nach einer in § 25 Absatz 4 Satz 2 Nummer 1 in Bezug genommenen Vorschrift unter den dort genannten Voraussetzungen,

    2. b)

      Straftaten nach § 25 Absatz 5 ,

  11. 8.

    aus dem Grundstoffüberwachungsgesetz :

    Straftaten nach § 19 Abs. 1 unter den in § 19 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen,

  12. 9.

    aus dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen :

    1. a)

      Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3 und § 20 Abs. 1 und 2 sowie § 20a Abs. 1 bis 3 , jeweils auch in Verbindung mit § 21 ,

    2. b)

      Straftaten nach § 22a Abs. 1 bis 3 ,

  13. 9a.

    aus dem Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz :

    Straftaten nach § 4 Absatz 3 Nummer 1 Buchstabe a ,

  14. 10.

    aus dem Völkerstrafgesetzbuch :

    1. a)

      Völkermord nach § 6 ,

    2. b)

      Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 7 ,

    3. c)

      Kriegsverbrechen nach den §§ 8 bis 12 ,

    4. d)

      Verbrechen der Aggression nach § 13 ,

  15. 11.

    aus dem Waffengesetz :

    1. a)

      Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 ,

    2. b)

      Straftaten nach § 52 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Buchstabe c und d sowie Abs. 5 und 6 .

(3) Die Anordnung darf sich nur gegen den Beschuldigten oder gegen Personen richten, von denen auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für den Beschuldigten bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgeg.ennehmen oder weitergeben oder dass der Beschuldigte ihren Anschluss oder ihr informationstechnisches System benutzt.

(4) 1Auf Grund der Anordnung einer Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation hat jeder, der Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und ihren im Polizeidienst tätigen Ermittlungspersonen ( § 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes ) diese Maßnahmen zu ermöglichen und die erforderlichen Auskünfte unverzüglich zu erteilen. 2Ob und in welchem Umfang hierfür Vorkehrungen zu treffen sind, bestimmt sich nach dem Telekommunikationsgesetz und der Telekommunikations-Überwachungsverordnung. 3 § 95 Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) 1Bei Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 2 und 3 ist technisch sicherzustellen, dass

  1. 1.

    ausschließlich überwacht und aufgezeichnet werden können:

    1. a)

      die laufende Telekommunikation (Absatz 1 Satz 2), oder

    2. b)

      Inhalte und Umstände der Kommunikation, die ab dem Zeitpunkt der Anordnung nach § 100e Absatz 1 auch während des laufenden Übertragungsvorgangs im öffentlichen Telekommunikationsnetz hätten überwacht und aufgezeichnet werden können (Absatz 1 Satz 3),

  2. 2.

    an dem informationstechnischen System nur Veränderungen vorgenommen werden, die für die Datenerhebung unerlässlich sind, und

  3. 3.

    die vorgenommenen Veränderungen bei Beendigung der Maßnahme, soweit technisch möglich, automatisiert rückgängig gemacht werden.

2Das eingesetzte Mittel ist nach dem Stand der Technik gegen unbefugte Nutzung zu schützen. 3Kopierte Daten sind nach dem Stand der Technik gegen Veränderung, unbefugte Löschung und unbefugte Kenntnisnahme zu schützen.

(6) Bei jedem Einsatz des technischen Mittels sind zu protokollieren

  1. 1.

    die Bezeichnung des technischen Mittels und der Zeitpunkt seines Einsatzes,

  2. 2.

    die Angaben zur Identifizierung des informationstechnischen Systems und die daran vorgenommenen nicht nur flüchtigen Veränderungen,

  3. 3.

    die Angaben, die die Feststellung der erhobenen Daten ermöglichen, und

  4. 4.

    die Organisationseinheit, die die Maßnahme durchführt.

Zu § 100a: Neugefasst durch G vom 21. 12. 2007 (BGBl I S. 3198), geändert durch G vom 11. 3. 2008 (BGBl I S. 306), 31. 10. 2008 (BGBl I S. 2149), 30. 7. 2009 (BGBl I S. 2437), 6. 6. 2013 (BGBl I S. 1482), 23. 4. 2014 (BGBl I S. 410), 21. 1. 2015 (BGBl I S. 10), 12. 6. 2015 (BGBl I S. 926), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 20. 10. 2015 (BGBl I S. 1722), 20. 11. 2015 (BGBl I S. 2025), 10. 12. 2015 (BGBl I S. 2210), 11. 10. 2016 (BGBl I S. 2226), 4. 11. 2016 (BGBl I S. 2460), 21. 11. 2016 (BGBl I S. 2615), 22. 12. 2016 (BGBl I S. 3150), 11. 4. 2017 (BGBl I S. 815), 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202), 11. 7. 2019 (BGBl I S. 1066), 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2121), 30. 11. 2020 (BGBl I S. 2600), 3. 12. 2020 (BStBl I S. 2678), 9. 3. 2021 (BGBl I S. 1604), 16. 6. 2021 (BGBl I S. 1810), 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099), 12. 8. 2021 (BGBl I S. 3544), 21. 2. 2024 (BGBl 2024 I Nr. 54) (27. 2. 2024) und 27. 3. 2024 (BGBl 2024 I Nr. 109) (1. 4. 2024).


§ 100b StPO – Online-Durchsuchung

(1) Auch ohne Wissen des Betroffenen darf mit technischen Mitteln in ein von dem Betroffenen genutztes informationstechnisches System eingegriffen und dürfen Daten daraus erhoben werden (Online-Durchsuchung), wenn

  1. 1.

    bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine in Absatz 2 bezeichnete besonders schwere Straftat begangen oder in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht hat,

  2. 2.

    die Tat auch im Einzelfall besonders schwer wiegt und

  3. 3.

    die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre.

(2) Besonders schwere Straftaten im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 sind:

  1. 1.

    aus dem Strafgesetzbuch :

    1. a)

      Straftaten des Hochverrats und der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates sowie des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit nach den §§ 81 , 82 , 89a , 89c Absatz 1 bis 4 , nach den §§ 94 , 95 Absatz 3 und § 96 Absatz 1 , jeweils auch in Verbindung mit § 97b , sowie nach den §§ 97a , 98 Absatz 1 Satz 2 , § 99 Absatz 2 und den §§ 100 , 100a Absatz 4 ,

    2. b)

      Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet in den Fällen des § 127 Absatz 3 und 4 , sofern der Zweck der Handelsplattform im Internet darauf ausgerichtet ist, in den Buchstaben a und c bis o sowie in den Nummern 2 bis 10 genannte besonders schwere Straftaten zu ermöglichen oder zu fördern,

    3. c)

      Bildung krimineller Vereinigungen nach § 129 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 5 Satz 3 und Bildung terroristischer Vereinigungen nach § 129a Absatz 1 , 2 , 4 , 5 Satz 1 erste Alternative , jeweils auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1 ,

    4. d)

      Geld- und Wertzeichenfälschung nach den §§ 146  und  151 , jeweils auch in Verbindung mit § 152 , sowie nach § 152a Absatz 3 und § 152b Absatz 1 bis 4 ,

    5. e)

      Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den Fällen des § 176 Absatz 1 und der §§ 176c , 176d und, unter den in § 177 Absatz 6 Satz 2 Nummer 2 genannten Voraussetzungen, des § 177 ,

    6. f)

      Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Inhalte in den Fällen des § 184b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 ,

    7. g)

      Mord und Totschlag nach den §§ 211 ,  212 ,

    8. h)

      Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 232 Absatz 2  und  3 , des § 232a Absatz 1 , 3 , 4 und 5 zweiter Halbsatz , des § 232b Absatz 1  und  3 sowie Absatz 4 , dieser in Verbindung mit § 232a Absatz 4 und 5 zweiter Halbsatz , des § 233 Absatz 2 , des § 233a Absatz 1 , 3 und 4 zweiter Halbsatz , der §§ 234 und 234a Absatz 1  und  2 sowie der §§ 239a  und  239b ,

    9. i)

      Bandendiebstahl nach § 244 Absatz 1 Nummer 2 und schwerer Bandendiebstahl nach § 244a ,

    10. j)

      schwerer Raub und Raub mit Todesfolge nach § 250 Absatz 1 oder Absatz 2 , § 251 ,

    11. k)

      räuberische Erpressung nach § 255 und besonders schwerer Fall einer Erpressung nach § 253 unter den in § 253 Absatz 4 Satz 2 genannten Voraussetzungen,

    12. l)

      gewerbsmäßige Hehlerei, Bandenhehlerei und gewerbsmäßige Bandenhehlerei nach den §§ 260 ,  260a ,

    13. m)

      besonders schwerer Fall der Geldwäsche nach § 261 unter den in § 261 Absatz 5 Satz 2 genannten Voraussetzungen, wenn die Vortat eine der in den Nummern 1 bis 7 genannten besonders schweren Straftaten ist,

    14. n)

      Computerbetrug in den Fällen des § 263a Absatz 2 in Verbindung mit § 263 Absatz 5 ,

    15. o)

      besonders schwerer Fall der Bestechlichkeit und Bestechung nach § 335 Absatz 1 unter den in § 335 Absatz 2 Nummer 1 bis 3 genannten Voraussetzungen,

  2. 2.

    aus dem Asylgesetz :

    1. a)

      Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84 Absatz 3 ,

    2. b)

      gewerbs- und bandenmäßige Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84a Absatz 1 ,

  3. 3.

    aus dem Aufenthaltsgesetz :

    1. a)

      Einschleusen von Ausländern nach § 96 Absatz 2 ,

    2. b)

      Einschleusen mit Todesfolge oder gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen nach § 97 ,

  4. 4.

    aus dem Außenwirtschaftsgesetz :

    1. a)

      Straftaten nach § 17 Absatz 1 , 2  und  3 , jeweils auch in Verbindung mit Absatz 6  oder  7 ,

    2. b)

      Straftaten nach § 18 Absatz 7  und  8 , jeweils auch in Verbindung mit Absatz 10 ,

  5. 5.

    aus dem Betäubungsmittelgesetz :

    1. a)

      besonders schwerer Fall einer Straftat nach § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 , Absatz 3 unter der in § 29 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 genannten Voraussetzung,

    2. b)

      eine Straftat nach den §§ 29a , 30 Absatz 1 Nummer 1, 2, 4 , § 30a ,

  6. 5a.

    aus dem Konsumcannabisgesetz:
    Straftaten nach § 34 Absatz 4 Nummer 1, 3 oder Nummer 4 ,

  7. 5b.

    aus dem Medizinal-Cannabisgesetz:
    Straftaten nach § 25 Absatz 5 Nummer 1, 3 oder Nummer 4 ,

  8. 6.

    aus dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen :

    1. a)

      eine Straftat nach § 19 Absatz 2 oder § 20 Absatz 1 , jeweils auch in Verbindung mit § 21 ,

    2. b)

      besonders schwerer Fall einer Straftat nach § 22a Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 ,

  9. 7.

    aus dem Grundstoffüberwachungsgesetz :

    Straftaten nach § 19 Absatz 3 ,

  10. 8.

    aus dem Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz :

    Straftaten nach § 4 Absatz 3 Nummer 1 ,

  11. 9.

    aus dem Völkerstrafgesetzbuch :

    1. a)

      Völkermord nach § 6 ,

    2. b)

      Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 7 ,

    3. c)

      Kriegsverbrechen nach den §§ 8 bis 12 ,

    4. d)

      Verbrechen der Aggression nach § 13 ,

  12. 10.

    aus dem Waffengesetz :

    1. a)

      besonders schwerer Fall einer Straftat nach § 51 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 ,

    2. b)

      besonders schwerer Fall einer Straftat nach § 52 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 5 .

(3) 1Die Maßnahme darf sich nur gegen den Beschuldigten richten. 2Ein Eingriff in informationstechnische Systeme anderer Personen ist nur zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass

  1. 1.

    der in der Anordnung nach § 100e Absatz 3 bezeichnete Beschuldigte informationstechnische Systeme der anderen Person benutzt, und

  2. 2.

    die Durchführung des Eingriffs in informationstechnische Systeme des Beschuldigten allein nicht zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Mitbeschuldigten führen wird.

2Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn andere Personen unvermeidbar betroffen werden.

(4) § 100a Absatz 5  und  6 gilt mit Ausnahme von Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 entsprechend.

Zu § 100b: Neugefasst durch G vom 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202), geändert durch G vom 30. 11. 2020 (BGBl I S. 2600), 9. 3. 2021 (BGBl I S. 1604), 16. 6. 2021 (BGBl I S. 1810), 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099), 12. 8. 2021 (BGBl I S. 3544) und 27. 3. 2024 (BGBl 2024 I Nr. 109) (1. 4. 2024).


§ 100c StPO – Akustische Wohnraumüberwachung

(1) Auch ohne Wissen der Betroffenen darf das in einer Wohnung nichtöffentlich gesprochene Wort mit technischen Mitteln abgehört und aufgezeichnet werden, wenn

  1. 1.
    bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine in § 100b Absatz 2 bezeichnete besonders schwere Straftat begangen oder in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht hat,
  2. 2.
    die Tat auch im Einzelfall besonders schwer wiegt,
  3. 3.
    auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass durch die Überwachung Äußerungen des Beschuldigten erfasst werden, die für die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Mitbeschuldigten von Bedeutung sind, und
  4. 4.
    die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Mitbeschuldigten auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre.

(2) 1Die Maßnahme darf sich nur gegen den Beschuldigten richten und nur in Wohnungen des Beschuldigten durchgeführt werden. 2In Wohnungen anderer Personen ist die Maßnahme nur zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass

  1. 1.
    der in der Anordnung nach § 100e Absatz 3 bezeichnete Beschuldigte sich dort aufhält und
  2. 2.
    die Maßnahme in Wohnungen des Beschuldigten allein nicht zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Mitbeschuldigten führen wird.

3Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn andere Personen unvermeidbar betroffen werden.

Zu § 100c: Neugefasst durch G vom 24. 6. 2005 (BGBl I S. 1841), geändert durch G vom 21. 12. 2007 (BGBl I S. 3198), 30. 7. 2009 (BGBl I S. 2437), 21. 1. 2015 (BGBl I S. 10), 12. 6. 2015 (BGBl I S. 926), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 20. 10. 2015 (BGBl I S. 1722), 20. 11. 2015 (BGBl I S. 2025), 11. 10. 2016 (BGBl I S. 2226), 4. 11. 2016 (BGBl I S. 2460), 22. 12. 2016 (BGBl I S. 3150), 17. 7. 2017 (BGBl I S. 2440) und 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202).


§ 100d StPO – Kernbereich privater Lebensgestaltung; Zeugnisverweigerungsberechtigte

(1) Liegen tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass durch eine Maßnahme nach den §§ 100a bis 100c allein Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt werden, ist die Maßnahme unzulässig.

(2) 1Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung, die durch eine Maßnahme nach den §§ 100a bis 100c erlangt wurden, dürfen nicht verwertet werden. 2Aufzeichnungen über solche Erkenntnisse sind unverzüglich zu löschen. 3Die Tatsache ihrer Erlangung und Löschung ist zu dokumentieren.

(3) 1Bei Maßnahmen nach § 100b ist, soweit möglich, technisch sicherzustellen, dass Daten, die den Kernbereich privater Lebensgestaltung betreffen, nicht erhoben werden. 2Erkenntnisse, die durch Maßnahmen nach § 100b erlangt wurden und den Kernbereich privater Lebensgestaltung betreffen, sind unverzüglich zu löschen oder von der Staatsanwaltschaft dem anordnenden Gericht zur Entscheidung über die Verwertbarkeit und Löschung der Daten vorzulegen. 3Die Entscheidung des Gerichts über die Verwertbarkeit ist für das weitere Verfahren bindend.

(4) 1Maßnahmen nach § 100c dürfen nur angeordnet werden, soweit auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass durch die Überwachung Äußerungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, nicht erfasst werden. 2Das Abhören und Aufzeichnen ist unverzüglich zu unterbrechen, wenn sich während der Überwachung Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Äußerungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, erfasst werden. 3Ist eine Maßnahme unterbrochen worden, so darf sie unter den in Satz 1 genannten Voraussetzungen fortgeführt werden. 4Im Zweifel hat die Staatsanwaltschaft über die Unterbrechung oder Fortführung der Maßnahme unverzüglich eine Entscheidung des Gerichts herbeizuführen; § 100e Absatz 5 gilt entsprechend. 5Auch soweit für bereits erlangte Erkenntnisse ein Verwertungsverbot nach Absatz 2 in Betracht kommt, hat die Staatsanwaltschaft unverzüglich eine Entscheidung des Gerichts herbeizuführen. 6Absatz 3 Satz 3 gilt entsprechend.

(5) 1In den Fällen des § 53 sind Maßnahmen nach den §§ 100b  und  100c unzulässig; ergibt sich während oder nach Durchführung der Maßnahme, dass ein Fall des § 53 vorliegt, gilt Absatz 2 entsprechend. 2In den Fällen der §§ 52  und  53a dürfen aus Maßnahmen nach den §§ 100b  und  100c gewonnene Erkenntnisse nur verwertet werden, wenn dies unter Berücksichtigung der Bedeutung des zugrunde liegenden Vertrauensverhältnisses nicht außer Verhältnis zum Interesse an der Erforschung des Sachverhalts oder der Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten steht. 3 § 160a Absatz 4 gilt entsprechend.

Zu § 100d: Neugefasst durch G vom 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202, 3630).


§ 100e StPO – Verfahren bei Maßnahmen nach den §§ 100a bis 100c

(1) 1Maßnahmen nach § 100a dürfen nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch das Gericht angeordnet werden. 2Bei Gefahr im Verzug kann die Anordnung auch durch die Staatsanwaltschaft getroffen werden. 3Soweit die Anordnung der Staatsanwaltschaft nicht binnen drei Werktagen von dem Gericht bestätigt wird, tritt sie außer Kraft. 4Die Anordnung ist auf höchstens drei Monate zu befristen. 5Eine Verlängerung um jeweils nicht mehr als drei Monate ist zulässig, soweit die Voraussetzungen der Anordnung unter Berücksichtigung der gewonnenen Ermittlungsergebnisse fortbestehen.

(2) 1Maßnahmen nach den §§ 100b  und  100c dürfen nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch die in § 74a Absatz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannte Kammer des Landgerichts angeordnet werden, in dessen Bezirk die Staatsanwaltschaft ihren Sitz hat. 2Bei Gefahr im Verzug kann diese Anordnung auch durch den Vorsitzenden getroffen werden. 3Dessen Anordnung tritt außer Kraft, wenn sie nicht binnen drei Werktagen von der Strafkammer bestätigt wird. 4Die Anordnung ist auf höchstens einen Monat zu befristen. 5Eine Verlängerung um jeweils nicht mehr als einen Monat ist zulässig, soweit die Voraussetzungen unter Berücksichtigung der gewonnenen Ermittlungsergebnisse fortbestehen. 6Ist die Dauer der Anordnung auf insgesamt sechs Monate verlängert worden, so entscheidet über weitere Verlängerungen das Oberlandesgericht.

(3) 1Die Anordnung ergeht schriftlich. 2In ihrer Entscheidungsformel sind anzugeben:

  1. 1.

    soweit möglich, der Name und die Anschrift des Betroffenen, gegen den sich die Maßnahme richtet,

  2. 2.

    der Tatvorwurf, auf Grund dessen die Maßnahme angeordnet wird,

  3. 3.

    Art, Umfang, Dauer und Endzeitpunkt der Maßnahme,

  4. 4.

    die Art der durch die Maßnahme zu erhebenden Informationen und ihre Bedeutung für das Verfahren,

  5. 5.

    bei Maßnahmen nach § 100a die Rufnummer oder eine andere Kennung des zu überwachenden Anschlusses oder des Endgerätes, sofern sich nicht aus bestimmten Tatsachen ergibt, dass diese zugleich einem anderen Endgerät zugeordnet ist; im Fall des § 100a Absatz 1 Satz 2 und 3 eine möglichst genaue Bezeichnung des informationstechnischen Systems, in das eingegriffen werden soll,

  6. 6.

    bei Maßnahmen nach § 100b eine möglichst genaue Bezeichnung des informationstechnischen Systems, aus dem Daten erhoben werden sollen,

  7. 7.

    bei Maßnahmen nach § 100c die zu überwachende Wohnung oder die zu überwachenden Wohnräume.

(4) 1In der Begründung der Anordnung oder Verlängerung von Maßnahmen nach den §§ 100a bis 100c sind deren Voraussetzungen und die wesentlichen Abwägungsgesichtspunkte darzulegen. 2Insbesondere sind einzelfallbezogen anzugeben:

  1. 1.

    die bestimmten Tatsachen, die den Verdacht begründen,

  2. 2.

    die wesentlichen Erwägungen zur Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme,

  3. 3.

    bei Maßnahmen nach § 100c die tatsächlichen Anhaltspunkte im Sinne des § 100d Absatz 4 Satz 1 .

(5) 1Liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor, so sind die auf Grund der Anordnung ergriffenen Maßnahmen unverzüglich zu beenden. 2Das anordnende Gericht ist nach Beendigung der Maßnahme über deren Ergebnisse zu unterrichten. 3Bei Maßnahmen nach den §§ 100b  und  100c ist das anordnende Gericht auch über den Verlauf zu unterrichten. 4Liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor, so hat das Gericht den Abbruch der Maßnahme anzuordnen, sofern der Abbruch nicht bereits durch die Staatsanwaltschaft veranlasst wurde. 5Die Anordnung des Abbruchs einer Maßnahme nach den §§ 100b  und  100c kann auch durch den Vorsitzenden erfolgen.

(6) Die durch Maßnahmen nach den §§ 100b  und  100c erlangten und verwertbaren personenbezogenen Daten dürfen für andere Zwecke nach folgenden Maßgaben verwendet werden:

  1. 1.

    Die Daten dürfen in anderen Strafverfahren ohne Einwilligung der insoweit überwachten Personen nur zur Aufklärung einer Straftat, auf Grund derer Maßnahmen nach § 100b oder § 100c angeordnet werden könnten, oder zur Ermittlung des Aufenthalts der einer solchen Straftat beschuldigten Person verwendet werden.

  2. 2.

    1Die Verwendung der Daten, auch solcher nach § 100d Absatz 5 Satz 1 zweiter Halbsatz , zu Zwecken der Gefahrenabwehr ist nur zur Abwehr einer im Einzelfall bestehenden Lebensgefahr oder einer dringenden Gefahr für Leib oder Freiheit einer Person, für die Sicherheit oder den Bestand des Staates oder für Gegenstände von bedeutendem Wert, die der Versorgung der Bevölkerung dienen, von kulturell herausragendem Wert oder in § 305 des Strafgesetzbuches genannt sind, zulässig. 2Die Daten dürfen auch zur Abwehr einer im Einzelfall bestehenden dringenden Gefahr für sonstige bedeutende Vermögenswerte verwendet werden. 3Sind die Daten zur Abwehr der Gefahr oder für eine vorgerichtliche oder gerichtliche Überprüfung der zur Gefahrenabwehr getroffenen Maßnahmen nicht mehr erforderlich, so sind Aufzeichnungen über diese Daten von der für die Gefahrenabwehr zuständigen Stelle unverzüglich zu löschen. 4Die Löschung ist aktenkundig zu machen. 5Soweit die Löschung lediglich für eine etwaige vorgerichtliche oder gerichtliche Überprüfung zurückgestellt ist, dürfen die Daten nur für diesen Zweck verwendet werden; für eine Verwendung zu anderen Zwecken sind sie zu sperren.

  3. 3.

    Sind verwertbare personenbezogene Daten durch eine entsprechende polizeirechtliche Maßnahme erlangt worden, dürfen sie in einem Strafverfahren ohne Einwilligung der insoweit überwachten Personen nur zur Aufklärung einer Straftat, auf Grund derer die Maßnahmen nach § 100b oder § 100c angeordnet werden könnten, oder zur Ermittlung des Aufenthalts der einer solchen Straftat beschuldigten Person verwendet werden.

Zu § 100e: Neugefasst durch G vom 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202).


§ 100f StPO – Akustische Überwachung außerhalb von Wohnraum

(1) Auch ohne Wissen der betroffenen Personen darf außerhalb von Wohnungen das nichtöffentlich gesprochene Wort mit technischen Mitteln abgehört und aufgezeichnet werden, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine in § 100a Abs. 2 bezeichnete, auch im Einzelfall schwerwiegende Straftat begangen oder in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht hat, und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.

(2) 1Die Maßnahme darf sich nur gegen einen Beschuldigten richten. 2Gegen andere Personen darf die Maßnahme nur angeordnet werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie mit einem Beschuldigten in Verbindung stehen oder eine solche Verbindung hergestellt wird, die Maßnahme zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten führen wird und dies auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.

(3) Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.

(4) § 100d Absatz 1 und 2 sowie § 100e Absatz 1 , 3 , 5 Satz 1 gelten entsprechend.

Zu § 100f: Neugefasst durch G vom 21. 12. 2007 (BGBl I S. 3198), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202) und 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724).


§ 100g StPO – Erhebung von Verkehrsdaten

(1) 1Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, dass jemand als Täter oder Teilnehmer

  1. 1.

    eine Straftat von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung, insbesondere eine in § 100a Absatz 2 bezeichnete Straftat, begangen hat, in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht hat oder durch eine Straftat vorbereitet hat oder

  2. 2.

    eine Straftat mittels Telekommunikation begangen hat,

so dürfen Verkehrsdaten ( §§ 9  und  12 des Telekommunikation-Digitale-Dienste-Datenschutz-Gesetzes und § 2a Absatz 1 des Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben ) erhoben werden, soweit dies für die Erforschung des Sachverhalts erforderlich ist und die Erhebung der Daten in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht. 2Im Fall des Satzes 1 Nummer 2 ist die Maßnahme nur zulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos wäre. 3Die Erhebung gespeicherter (retrograder) Standortdaten ist nach diesem Absatz nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 zulässig. 4Im Übrigen ist die Erhebung von Standortdaten nur für künftig anfallende Verkehrsdaten oder in Echtzeit und nur im Fall des Satzes 1 Nummer 1 zulässig, soweit sie für die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten erforderlich ist.

(2) 1Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine der in Satz 2 bezeichneten besonders schweren Straftaten begangen hat oder in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, eine solche Straftat zu begehen versucht hat, und wiegt die Tat auch im Einzelfall besonders schwer, dürfen die nach § 176 des Telekommunikationsgesetzes gespeicherten Verkehrsdaten erhoben werden, soweit die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre und die Erhebung der Daten in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht. 2Besonders schwere Straftaten im Sinne des Satzes 1 sind:

  1. 1.

    aus dem Strafgesetzbuch :

    1. a)

      Straftaten des Hochverrats und der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates sowie des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit nach den §§ 81 , 82 , 89a , nach den §§ 94 , 95 Absatz 3 und § 96 Absatz 1 , jeweils auch in Verbindung mit § 97b , sowie nach den §§ 97a , 98 Absatz 1 Satz 2 , § 99 Absatz 2 und den §§ 100 , 100a Absatz 4 ,

    2. b)

      besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs nach § 125a sowie Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet in den Fällen des § 127 Absatz 3 und 4 ,

    3. c)

      Bildung krimineller Vereinigungen nach § 129 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 5 Satz 3 sowie Bildung terroristischer Vereinigungen nach § 129a Absatz 1 , 2 , 4 , 5 Satz 1 erste Alternative , jeweils auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1 ,

    4. d)

      Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den Fällen der §§ 176 , 176c , 176d und, unter den in § 177 Absatz 6 Satz 2 Nummer 2 genannten Voraussetzungen, des § 177 ,

    5. e)

      Verbreitung, Erwerb und Besitz kinder- und jugendpornographischer Inhalte in den Fällen des § 184b Absatz 1 Satz 1 , Absatz 2 und 3 sowie des § 184c Absatz 2 ,

    6. f)

      Mord und Totschlag nach den §§ 211 und 212 ,

    7. g)

      Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen der §§ 234 , 234a Absatz 1 , 2 , §§ 239a , 239b und Zwangsprostitution und Zwangsarbeit nach § 232a Absatz 3 , 4 oder 5 zweiter Halbsatz , § 232b Absatz 3 oder 4 in Verbindung mit § 232a Absatz 4 oder 5 zweiter Halbsatz und Ausbeutung unter Ausnutzung einer Freiheitsberaubung nach § 233a Absatz 3 oder 4 zweiter Halbsatz ,

    8. h)

      Einbruchdiebstahl in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung nach § 244 Absatz 4 , schwerer Bandendiebstahl nach § 244a Absatz 1 , schwerer Raub nach § 250 Absatz 1 oder Absatz 2 , Raub mit Todesfolge nach § 251 , räuberische Erpressung nach § 255 und besonders schwerer Fall einer Erpressung nach § 253 unter den in § 253 Absatz 4 Satz 2 genannten Voraussetzungen, gewerbsmäßige Bandenhehlerei nach § 260a Absatz 1 , besonders schwerer Fall der Geldwäsche nach § 261 unter den in § 261 Absatz 5 Satz 2 genannten Voraussetzungen, wenn die Vortat eine der in den Nummern 1 bis 8 genannten besonders schweren Straftaten ist,

    9. i)

      gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c , 307 Absatz 1 bis 3 , des § 308 Absatz 1 bis 3 , des § 309 Absatz 1 bis 4 , des § 310 Absatz 1 , der §§ 313 , 314 , 315 Absatz 3 , des § 315b Absatz 3 sowie der §§ 316a und 316c ,

  2. 2.

    aus dem Aufenthaltsgesetz :

    1. a)

      Einschleusen von Ausländern nach § 96 Absatz 2 ,

    2. b)

      Einschleusen mit Todesfolge oder gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen nach § 97 ,

  3. 3.

    aus dem Außenwirtschaftsgesetz :

    Straftaten nach § 17 Absatz 1 bis 3 und § 18 Absatz 7 und 8 ,

  4. 4.

    aus dem Betäubungsmittelgesetz :

    1. a)

      besonders schwerer Fall einer Straftat nach § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 , Absatz 3 unter der in § 29 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 genannten Voraussetzung,

    2. b)

      eine Straftat nach den §§ 29a , 30 Absatz 1 Nummer 1, 2, 4 , § 30a ,

  5. 5.

    aus dem Grundstoffüberwachungsgesetz :

    eine Straftat nach § 19 Absatz 1 unter den in § 19 Absatz 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen,

  6. 6.

    aus dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen :

    1. a)

      eine Straftat nach § 19 Absatz 2 oder § 20 Absatz 1 , jeweils auch in Verbindung mit § 21 ,

    2. b)

      besonders schwerer Fall einer Straftat nach § 22a Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 ,

  7. 7.

    aus dem Völkerstrafgesetzbuch :

    1. a)

      Völkermord nach § 6 ,

    2. b)

      Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 7 ,

    3. c)

      Kriegsverbrechen nach den §§ 8 bis 12 ,

    4. d)

      Verbrechen der Aggression nach § 13 ,

  8. 8.

    aus dem Waffengesetz :

    1. a)

      besonders schwerer Fall einer Straftat nach § 51 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 ,

    2. b)

      besonders schwerer Fall einer Straftat nach § 52 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 5 .

(3) 1Die Erhebung aller in einer Funkzelle angefallenen Verkehrsdaten (Funkzellenabfrage) ist nur zulässig,

  1. 1.

    wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 erfüllt sind,

  2. 2.

    soweit die Erhebung der Daten in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht und

  3. 3.

    soweit die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.

2Auf nach § 176 des Telekommunikationsgesetzes gespeicherte Verkehrsdaten darf für eine Funkzellenabfrage nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 zurückgegriffen werden.

(4) 1Die Erhebung von Verkehrsdaten nach Absatz 2, auch in Verbindung mit Absatz 3 Satz 2, die sich gegen eine der in § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 5 genannten Personen richtet und die voraussichtlich Erkenntnisse erbringen würde, über die diese das Zeugnis verweigern dürfte, ist unzulässig. 2Dennoch erlangte Erkenntnisse dürfen nicht verwendet werden. 3Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu löschen. 4Die Tatsache ihrer Erlangung und der Löschung der Aufzeichnungen ist aktenkundig zu machen. 5Die Sätze 2 bis 4 gelten entsprechend, wenn durch eine Ermittlungsmaßnahme, die sich nicht gegen eine in § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 5 genannte Person richtet, von dieser Person Erkenntnisse erlangt werden, über die sie das Zeugnis verweigern dürfte. 6 § 160a Absatz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Erfolgt die Erhebung von Verkehrsdaten nicht beim Erbringer von Telekommunikationsdiensten, bestimmt sie sich nach Abschluss des Kommunikationsvorgangs nach den allgemeinen Vorschriften.

Zu § 100g: Neugefasst durch G vom 10. 12. 2015 (BGBl I S. 2218), geändert durch G vom 11. 10. 2016 (BGBl I S. 2226), 4. 11. 2016 (BGBl I S. 2460), 22. 12. 2016 (BGBl I S. 3150), 17. 7. 2017 (BGBl I S. 2440), 17. 7. 2017 (BGBl I S. 2442), 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724), 30. 11. 2020 (BGBl I S. 2600), 9. 3. 2021 (BGBl I S. 1604), 16. 6. 2021 (BGBl I S. 1810), 23. 6. 2021 (BGBl I S. 1858), 12. 8. 2021 (BGBl I S. 3544) und 6. 5. 2024 (BGBl 2024 I Nr. 149) (14. 5. 2024).


§ 100h StPO – Weitere Maßnahmen außerhalb von Wohnraum

(1) 1Auch ohne Wissen der betroffenen Personen dürfen außerhalb von Wohnungen

  1. 1.

    Bildaufnahmen hergestellt werden,

  2. 2.

    sonstige besondere für Observationszwecke bestimmte technische Mittel verwendet werden,

wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten auf andere Weise weniger erfolgversprechend oder erschwert wäre. 2Eine Maßnahme nach Satz 1 Nr. 2 ist nur zulässig, wenn Gegenstand der Untersuchung eine Straftat von erheblicher Bedeutung ist.

(2) 1Die Maßnahmen dürfen sich nur gegen einen Beschuldigten richten. 2Gegen andere Personen sind

  1. 1.

    Maßnahmen nach Absatz 1 Nr. 1 nur zulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten auf andere Weise erheblich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert wäre,

  2. 2.

    Maßnahmen nach Absatz 1 Nr. 2 nur zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie mit einem Beschuldigten in Verbindung stehen oder eine solche Verbindung hergestellt wird, die Maßnahme zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten führen wird und dies auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.

(3) Die Maßnahmen dürfen auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar mitbetroffen werden.

(4) § 100d Absatz 1 und 2 gilt entsprechend.

Zu § 100h: Neugefasst durch G vom 21. 12. 2007 (BGBl I S. 3198), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724).


§ 100i StPO – Technische Ermittlungsmaßnahmen bei Mobilfunkendgeräten

(1) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine Straftat von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung, insbesondere eine in § 100a Abs. 2 bezeichnete Straftat, begangen hat, in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht hat oder durch eine Straftat vorbereitet hat, so dürfen durch technische Mittel

  1. 1.

    die Gerätenummer eines Mobilfunkendgerätes und die Kartennummer der darin verwendeten Karte sowie

  2. 2.

    der Standort eines Mobilfunkendgerätes

ermittelt werden, soweit dies für die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten erforderlich ist.

(2) 1Personenbezogene Daten Dritter dürfen anlässlich solcher Maßnahmen nur erhoben werden, wenn dies aus technischen Gründen zur Erreichung des Zwecks nach Absatz 1 unvermeidbar ist. 2Über den Datenabgleich zur Ermittlung der gesuchten Geräte- und Kartennummer hinaus dürfen sie nicht verwendet werden und sind nach Beendigung der Maßnahme unverzüglich zu löschen.

(3) 1 § 100a Abs. 3 und § 100e Absatz 1 Satz 1 bis 3 , Absatz 3 Satz 1 und Absatz 5 Satz 1 gelten entsprechend. 2Die Anordnung ist auf höchstens sechs Monate zu befristen. 3Eine Verlängerung um jeweils nicht mehr als sechs weitere Monate ist zulässig, soweit die in Absatz 1 bezeichneten Voraussetzungen fortbestehen.

Zu § 100i: Neugefasst durch G vom 21. 12. 2007 (BGBl I S. 3198), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202).


§ 100j StPO – Bestandsdatenauskunft

(1) 1Soweit dies für die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten erforderlich ist, darf Auskunft verlangt werden

  1. 1.

    über Bestandsdaten gemäß § 3 Nummer 6 des Telekommunikationsgesetzes und über die nach § 172 des Telekommunikationsgesetzes erhobenen Daten ( § 174 Absatz 1 Satz 1 des Telekommunikationsgesetzes ) von demjenigen, der geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, und

  2. 2.

    über Bestandsdaten gemäß § 2 Absatz 2 Nummer 2 des Telekommunikation-Digitale-Dienste-Datenschutz-Gesetzes ( § 22 Absatz 1 Satz 1 des Telekommunikation-Digitale-Dienste-Datenschutz-Gesetzes) von demjenigen, der geschäftsmäßig eigene oder fremde digitale Dienste zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt.

2Bezieht sich das Auskunftsverlangen nach Satz 1 Nummer 1 auf Daten, mittels derer der Zugriff auf Endgeräte oder auf Speichereinrichtungen, die in diesen Endgeräten oder hiervon räumlich getrennt eingesetzt werden, geschützt wird ( § 174 Absatz 1 Satz 2 des Telekommunikationsgesetzes ), darf die Auskunft nur verlangt werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Nutzung der Daten vorliegen. 3Bezieht sich das Auskunftsverlangen nach Satz 1 Nummer 2 auf als Bestandsdaten erhobene Passwörter oder andere Daten, mittels derer der Zugriff auf Endgeräte oder auf Speichereinrichtungen, die in diesen Endgeräten oder hiervon räumlich getrennt eingesetzt werden, geschützt wird ( § 23 des Telekommunikation-Digitale-Dienste-Datenschutz-Gesetzes), darf die Auskunft nur verlangt werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für ihre Nutzung zur Verfolgung einer besonders schweren Straftat nach § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, c, e, f, g, h oder m, Nummer 3 Buchstabe b erste Alternative oder Nummer 5, 5a, 5b, 6, 9 oder 10 vorliegen.

(2) 1Die Auskunft nach Absatz 1 darf auch anhand einer zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesenen Internetprotokoll-Adresse verlangt werden ( § 174 Absatz 1 Satz 3 , § 177 Absatz 1 Nummer 3 des Telekommunikationsgesetzes und § 22 Absatz 1 Satz 3 und 4 des Telekommunikation-Digitale-Dienste-Datenschutz-Gesetzes). 2Das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Auskunftsverlangen nach Satz 1 ist aktenkundig zu machen.

(3) 1Auskunftsverlangen nach Absatz 1 Satz 2 und 3 dürfen nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch das Gericht angeordnet werden. 2Im Fall von Auskunftsverlangen nach Absatz 1 Satz 2 kann die Anordnung bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft oder ihre Ermittlungspersonen ( § 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes ) getroffen werden. 3In diesem Fall ist die gerichtliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. 4Die Sätze 1 bis 3 finden bei Auskunftsverlangen nach Absatz 1 Satz 2 keine Anwendung, wenn die betroffene Person vom Auskunftsverlangen bereits Kenntnis hat oder haben muss oder wenn die Nutzung der Daten bereits durch eine gerichtliche Entscheidung gestattet wird. 5Das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 4 ist aktenkundig zu machen.  (1)

(4) 1Die betroffene Person ist in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 und 3 und des Absatzes 2 über die Beauskunftung zu benachrichtigen. 2Die Benachrichtigung erfolgt, soweit und sobald hierdurch der Zweck der Auskunft nicht vereitelt wird. 3Sie unterbleibt, wenn ihr überwiegende schutzwürdige Belange Dritter oder der betroffenen Person selbst entgegenstehen. 4Wird die Benachrichtigung nach Satz 2 zurückgestellt oder nach Satz 3 von ihr abgesehen, sind die Gründe aktenkundig zu machen.

(5) 1Auf Grund eines Auskunftsverlangens nach Absatz 1 oder 2 hat derjenige, der geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste oder Telemediendienste erbringt oder daran mitwirkt, die zur Auskunftserteilung erforderlichen Daten unverzüglich zu übermitteln. 2 § 95 Absatz 2 gilt entsprechend.

Zu § 100j: Eingefügt durch G vom 20. 6. 2013 (BGBl I S. 1602), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 10. 12. 2015 (BGBl I S. 2218), 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724), 30. 3. 2021 (BGBl I S. 448, 1380), 23. 6. 2021 (BGBl I S. 1858), 23. 6. 2021 (BGBl I S. 1982), 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099), 12. 8. 2021 (BGBl I S. 3544), 27. 3. 2024 (BGBl 2024 I Nr. 109) (1. 4. 2024) und 6. 5. 2024 (BGBl 2024 I Nr. 149) (14. 5. 2024).

(1) Red. Anm.:

Nach Artikel 16 Nummer 3 Buchstabe b) des Gesetzes vom 6. Mai 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 149) soll in Absatz 3 das Wort "Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetzes“ durch das Wort "Telekommunikation-Digitale-Dienste-Datenschutz-Gesetzes“ ersetzt werden. Diese Änderung ist nicht durchführbar.


§ 100k StPO – Erhebung von Nutzungsdaten bei digitalen Diensten

(1) 1Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine Straftat von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung, insbesondere eine in § 100a Absatz 2 bezeichnete Straftat, begangen hat, in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht hat oder durch eine Straftat vorbereitet hat, dürfen von demjenigen, der geschäftsmäßig eigene oder fremde digitale Dienste zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt, Nutzungsdaten ( § 2 Absatz 2 Nummer 3 des Telekommunikation-Digitale-Dienste-Datenschutz-Gesetzes erhoben werden, soweit dies für die Erforschung des Sachverhalts erforderlich ist und die Erhebung der Daten in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht. 2Die Erhebung gespeicherter (retrograder) Standortdaten ist nur unter den Voraussetzungen von § 100g Absatz 2 zulässig. 3Im Übrigen ist die Erhebung von Standortdaten nur für künftig anfallende Nutzungsdaten oder in Echtzeit zulässig, soweit sie für die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten erforderlich ist.

(2) 1Soweit die Straftat nicht von Absatz 1 erfasst wird, dürfen Nutzungsdaten auch dann erhoben werden, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer mittels Telemedien eine der folgenden Straftaten begangen hat und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos wäre:

  1. 1.

    aus dem Strafgesetzbuch

    1. a)

      Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach § 86a ,

    2. b)

      Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach § 91 ,

    3. c)

      Öffentliche Aufforderung zu Straftaten nach § 111 ,

    4. d)

      Straftaten gegen die öffentliche Ordnung nach den §§ 126 , 131  und  140 ,

    5. e)

      Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen nach § 166 ,

    6. f)

      Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte nach § 184b ,

    7. g)

      Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung nach den §§ 185 bis 187 und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener nach § 189 ,

    8. h)

      Verletzungen des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs nach den §§ 201a , 202a  und  202c ,

    9. i)

      Nachstellung nach § 238 ,

    10. j)

      Bedrohung nach § 241 ,

    11. k)

      Vorbereitung eines Computerbetruges nach § 263a Absatz 3 ,

    12. l)

      Datenveränderung und Computersabotage nach den §§ 303a und 303b Absatz 1 ,

  2. 2.

    aus dem Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Straftaten nach den §§ 106 bis 108b ,

  3. 3.

    aus dem Bundesdatenschutzgesetz nach § 42 .

2Satz 1 gilt nicht für die Erhebung von Standortdaten.

(3) Abweichend von Absatz 1 und 2 darf die Staatsanwaltschaft ausschließlich zur Identifikation des Nutzers Auskunft über die nach § 2 Absatz 2 Nummer 3 Buchstabe a des Telekommunikation-Digitale-Dienste-Datenschutz-Gesetzes erhobenen Daten verlangen, wenn ihr der Inhalt der Nutzung des digitalen Dienstes nach § 1 Absatz 4 Nummer 1 des Digitale-Dienste-Gesetzes bereits bekannt ist.

(4) Die Erhebung von Nutzungsdaten nach Absatz 1 und 2 ist nur zulässig, wenn aufgrund von Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass die betroffene Person den digitalen Dienst nach § 1 Absatz 4 Nummer 1 des Digitale-Dienste-Gesetzes nutzt, den derjenige, gegen den sich die Anordnung richtet, geschäftsmäßig zur Nutzung bereithält oder zu dem er den Zugang zur Nutzung vermittelt.

(5) Erfolgt die Erhebung von Nutzungsdaten oder Inhalten der Nutzung eines digitalen Dienstes nach § 1 Absatz 4 Nummer 1 des Digitale-Dienste-Gesetzes nicht bei einem Diensteanbieter, der geschäftsmäßig digitale Dienste zur Nutzung bereithält, bestimmt sie sich nach Abschluss des Kommunikationsvorgangs nach den allgemeinen Vorschriften.

Zu § 100k: Eingefügt durch G vom 30. 3. 2021 (BGBl I S. 448, 1380), geändert durch G vom 23. 6. 2021 (BGBl I S. 1982) und 6. 5. 2024 (BGBl 2024 I Nr. 149) (14. 5. 2024).


§ 101 StPO – Verfahrensregelungen bei verdeckten Maßnahmen

(1) Für Maßnahmen nach den §§ 98a , 99 , 100a bis 100f, 100h, 100i, 110a, 163d bis 163g gelten, soweit nichts anderes bestimmt ist, die nachstehenden Regelungen.

(2) 1Entscheidungen und sonstige Unterlagen über Maßnahmen nach den §§ 100b , 100c , 100f , 100h Abs. 1 Nr. 2 und § 110a werden bei der Staatsanwaltschaft verwahrt. 2Zu den Akten sind sie erst zu nehmen, wenn die Voraussetzungen für eine Benachrichtigung nach Absatz 5 erfüllt sind.

(3) 1Personenbezogene Daten, die durch Maßnahmen nach Absatz 1 erhoben wurden, sind entsprechend zu kennzeichnen. 2Nach einer Übermittlung an eine andere Stelle ist die Kennzeichnung durch diese aufrechtzuerhalten.

(4) 1Von den in Absatz 1 genannten Maßnahmen sind im Falle

  1. 1.

    des § 98a die betroffenen Personen, gegen die nach Auswertung der Daten weitere Ermittlungen geführt wurden,

  2. 2.

    des § 99 der Absender und der Adressat der Postsendung,

  3. 3.

    des § 100a die Beteiligten der überwachten Telekommunikation,

  4. 4.

    des § 100b die Zielperson sowie die erheblich mitbetroffenen Personen,

  5. 5.

    des § 100c

    1. a)

      der Beschuldigte, gegen den sich die Maßnahme richtete,

    2. b)

      sonstige überwachte Personen,

    3. c)

      Personen, die die überwachte Wohnung zur Zeit der Durchführung der Maßnahme innehatten oder bewohnten,

  6. 6.

    des § 100f die Zielperson sowie die erheblich mitbetroffenen Personen,

  7. 7.

    des § 100h Abs. 1 die Zielperson sowie die erheblich mitbetroffenen Personen,

  8. 8.

    des § 100i die Zielperson,

  9. 9.

    des § 110a

    1. a)

      die Zielperson,

    2. b)

      die erheblich mitbetroffenen Personen,

    3. c)

      die Personen, deren nicht allgemein zugängliche Wohnung der Verdeckte Ermittler betreten hat,

  10. 10.

    des § 163d die betroffenen Personen, gegen die nach Auswertung der Daten weitere Ermittlungen geführt wurden,

  11. 11.

    des § 163e die Zielperson und die Person, deren personenbezogene Daten gemeldet worden sind,

  12. 12.

    des § 163f die Zielperson sowie die erheblich mitbetroffenen Personen,

  13. 13.

    des § 163g die Zielperson

zu benachrichtigen. 2Dabei ist auf die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes nach Absatz 7 und die dafür vorgesehene Frist hinzuweisen. 3Die Benachrichtigung unterbleibt, wenn ihr überwiegende schutzwürdige Belange einer betroffenen Person entgegenstehen. 4Zudem kann die Benachrichtigung einer in Satz 1 Nummer 2 und 3 bezeichneten Person, gegen die sich die Maßnahme nicht gerichtet hat, unterbleiben, wenn diese von der Maßnahme nur unerheblich betroffen wurde und anzunehmen ist, dass sie kein Interesse an einer Benachrichtigung hat. 5Nachforschungen zur Feststellung der Identität einer in Satz 1 bezeichneten Person sind nur vorzunehmen, wenn dies unter Berücksichtigung der Eingriffsintensität der Maßnahme gegenüber dieser Person, des Aufwands für die Feststellung ihrer Identität sowie der daraus für diese oder andere Personen folgenden Beeinträchtigungen geboten ist.

(5) 1Die Benachrichtigung erfolgt, sobald dies ohne Gefährdung des Untersuchungszwecks, des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit und der persönlichen Freiheit einer Person und von bedeutenden Vermögenswerten, im Fall des § 110a auch der Möglichkeit der weiteren Verwendung des Verdeckten Ermittlers möglich ist. 2Wird die Benachrichtigung nach Satz 1 zurückgestellt, sind die Gründe aktenkundig zu machen.

(6) 1Erfolgt die nach Absatz 5 zurückgestellte Benachrichtigung nicht binnen zwölf Monaten nach Beendigung der Maßnahme, bedürfen weitere Zurückstellungen der gerichtlichen Zustimmung. 2Das Gericht bestimmt die Dauer weiterer Zurückstellungen. 3Es kann dem endgültigen Absehen von der Benachrichtigung zustimmen, wenn die Voraussetzungen für eine Benachrichtigung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft nicht eintreten werden. 4Sind mehrere Maßnahmen in einem engen zeitlichen Zusammenhang durchgeführt worden, so beginnt die in Satz 1 genannte Frist mit der Beendigung der letzten Maßnahme. 5Bei Maßnahmen nach den §§ 100b  und  100c beträgt die in Satz 1 genannte Frist sechs Monate.

(7) 1Gerichtliche Entscheidungen nach Absatz 6 trifft das für die Anordnung der Maßnahme zuständige Gericht, im Übrigen das Gericht am Sitz der zuständigen Staatsanwaltschaft. 2Die in Absatz 4 Satz 1 genannten Personen können bei dem nach Satz 1 zuständigen Gericht auch nach Beendigung der Maßnahme bis zu zwei Wochen nach ihrer Benachrichtigung die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme sowie der Art und Weise ihres Vollzugs beantragen. 3Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde statthaft. 4Ist die öffentliche Klage erhoben und der Angeklagte benachrichtigt worden, entscheidet über den Antrag das mit der Sache befasste Gericht in der das Verfahren abschließenden Entscheidung.

(8) 1Sind die durch die Maßnahme erlangten personenbezogenen Daten zur Strafverfolgung und für eine etwaige gerichtliche Überprüfung der Maßnahme nicht mehr erforderlich, so sind sie unverzüglich zu löschen. 2Die Löschung ist aktenkundig zu machen. 3Soweit die Löschung lediglich für eine etwaige gerichtliche Überprüfung der Maßnahme zurückgestellt ist, dürfen die Daten ohne Einwilligung der betroffenen Personen nur zu diesem Zweck verwendet werden; ihre Verarbeitung ist entsprechend einzuschränken.

Zu § 101: Neugefasst durch G vom 21. 12. 2007 (BGBl I S. 3198), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 10. 12. 2015 (BGBl I S. 2218), 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202), 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 101a StPO – Gerichtliche Entscheidung; Datenkennzeichnung und -auswertung; Benachrichtigungspflichten bei Verkehrs- und Nutzungsdaten

(1) 1Bei Erhebungen von Verkehrsdaten nach § 100g gelten § 100a Absatz 3  und  4 und § 100e entsprechend mit der Maßgabe, dass

  1. 1.

    in der Entscheidungsformel nach § 100e Absatz 3 Satz 2 auch die zu übermittelnden Daten und der Zeitraum, für den sie übermittelt werden sollen, eindeutig anzugeben sind,

  2. 2.

    der nach § 100a Absatz 4 Satz 1 zur Auskunft Verpflichtete auch mitzuteilen hat, welche der von ihm übermittelten Daten nach § 176 des Telekommunikationsgesetzes gespeichert wurden.

2In den Fällen des § 100g Absatz 2 , auch in Verbindung mit § 100g Absatz 3 Satz 2 , findet abweichend von Satz 1 § 100e Absatz 1 Satz 2 keine Anwendung. 3Bei Funkzellenabfragen nach § 100g Absatz 3 genügt abweichend von § 100e Absatz 3 Satz 2 Nummer 5 eine räumlich und zeitlich eng begrenzte und hinreichend bestimmte Bezeichnung der Telekommunikation.

(1a) Bei der Erhebung und Beauskunftung von Nutzungsdaten eines digitalen Dienstes nach § 1 Absatz 4 Nummer 1 des Digitale-Dienste-Gesetzes nach § 100k gilt § 100a Absatz 3 und 4 , bei der Erhebung von Nutzungsdaten nach § 100k Absatz 1  und  2 zudem § 100e Absatz 1 und 3 bis 5 entsprechend mit der Maßgabe, dass in der Entscheidungsformel nach § 100e Absatz 3 Satz 2 an die Stelle der Rufnummer ( § 100e Absatz 3 Satz 2 Nummer 5 ), soweit möglich eine eindeutige Kennung des Nutzerkontos des Betroffenen, ansonsten eine möglichst genaue Bezeichnung des digitalen Dienstes nach § 1 Absatz 4 Nummer 1 des Digitale-Dienste-Gesetzes tritt, auf den sich das Auskunftsverlangen bezieht.

(2) Wird eine Maßnahme nach § 100g oder § 100k Absatz 1 oder Absatz 2 angeordnet oder verlängert, sind in der Begründung einzelfallbezogen insbesondere die wesentlichen Erwägungen zur Erforderlichkeit und Angemessenheit der Maßnahme, auch hinsichtlich des Umfangs der zu erhebenden Daten und des Zeitraums, für den sie erhoben werden sollen, darzulegen.

(3) 1Personenbezogene Daten, die durch Maßnahmen nach § 100g oder § 100k Absatz 1 oder Absatz 2 erhoben wurden, sind entsprechend zu kennzeichnen und unverzüglich auszuwerten. 2Bei der Kennzeichnung ist erkennbar zu machen, ob es sich um Daten handelt, die nach § 176 des Telekommunikationsgesetzes gespeichert waren. 3Nach einer Übermittlung an eine andere Stelle ist die Kennzeichnung durch diese aufrechtzuerhalten. 4Für die Löschung personenbezogener Daten gilt § 101 Absatz 8 entsprechend.

(4) 1Verwertbare personenbezogene Daten, die durch Maßnahmen nach § 100g Absatz 2 , auch in Verbindung mit § 100g Absatz 1 Satz 3 oder Absatz 3 Satz 2 , erhoben wurden, dürfen ohne Einwilligung der Beteiligten der betroffenen Telekommunikation nur für folgende andere Zwecke und nur nach folgenden Maßgaben verwendet werden:

  1. 1.

    in anderen Strafverfahren zur Aufklärung einer Straftat, auf Grund derer eine Maßnahme nach § 100g Absatz 2 , auch in Verbindung mit § 100g Absatz 1 Satz 3 oder Absatz 3 Satz 2 , angeordnet werden könnte, oder zur Ermittlung des Aufenthalts der einer solchen Straftat beschuldigten Person,

  2. 2.

    Übermittlung zu Zwecken der Abwehr von konkreten Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für den Bestand des Bundes oder eines Landes ( § 177 Absatz 1 Nummer 2 des Telekommunikationsgesetzes ).

2Die Stelle, die die Daten weiterleitet, macht die Weiterleitung und deren Zweck aktenkundig. 3Sind die Daten nach Satz 1 Nummer 2 nicht mehr zur Abwehr der Gefahr oder nicht mehr für eine vorgerichtliche oder gerichtliche Überprüfung der zur Gefahrenabwehr getroffenen Maßnahmen erforderlich, so sind Aufzeichnungen über diese Daten von der für die Gefahrenabwehr zuständigen Stelle unverzüglich zu löschen. 4Die Löschung ist aktenkundig zu machen. 5Soweit die Löschung lediglich für eine etwaige vorgerichtliche oder gerichtliche Überprüfung zurückgestellt ist, dürfen die Daten nur für diesen Zweck verwendet werden; für eine Verwendung zu anderen Zwecken sind sie zu sperren.

(5) Sind verwertbare personenbezogene Daten, die nach § 176 des Telekommunikationsgesetzes gespeichert waren, durch eine entsprechende polizeirechtliche Maßnahme erlangt worden, dürfen sie in einem Strafverfahren ohne Einwilligung der Beteiligten der betroffenen Telekommunikation nur zur Aufklärung einer Straftat, auf Grund derer eine Maßnahme nach § 100g Absatz 2 , auch in Verbindung mit Absatz 3 Satz 2 , angeordnet werden könnte, oder zur Ermittlung des Aufenthalts der einer solchen Straftat beschuldigten Person verwendet werden.

(6) 1Die Beteiligten der betroffenen Telekommunikation und die betroffenen Nutzer des digitalen Dienstes nach § 1 Absatz 4 Nummer 1 des Digitale-Dienste-Gesetzes sind von der Erhebung der Verkehrsdaten nach § 100g oder der Nutzungsdaten nach § 100k Absatz 1  und  2 zu benachrichtigen. 2 § 101 Absatz 4 Satz 2 bis 5 und Absatz 5 bis 7 gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass

  1. 1.

    das Unterbleiben der Benachrichtigung nach § 101 Absatz 4 Satz 3 der Anordnung des zuständigen Gerichts bedarf;

  2. 2.

    abweichend von § 101 Absatz 6 Satz 1 die Zurückstellung der Benachrichtigung nach § 101 Absatz 5 Satz 1 stets der Anordnung des zuständigen Gerichts bedarf und eine erstmalige Zurückstellung auf höchstens zwölf Monate zu befristen ist.

(7) 1Die betroffene Person ist in den Fällen des § 100k Absatz 3 über die Beauskunftung zu benachrichtigen. 2Die Benachrichtigung erfolgt, soweit und sobald hierdurch der Zweck der Beauskunftung nicht vereitelt wird. 3Sie unterbleibt, wenn ihr überwiegende schutzwürdige Belange Dritter oder der betroffenen Person selbst entgegenstehen. 4Wird die Benachrichtigung nach Satz 2 zurückgestellt oder nach Satz 3 von ihr abgesehen, sind die Gründe aktenkundig zu machen.

Zu § 101a: Eingefügt durch G vom 10. 12. 2015 (BGBl I S. 2218), geändert durch G vom 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202), 30. 3. 2021 (BGBl I S. 448, 1380), 23. 6. 2021 (BGBl I S. 1858), 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099) und 6. 5. 2024 (BGBl 2024 I Nr. 149) (14. 5. 2024).


§ 101b StPO – Statistische Erfassung; Berichtspflichten

(1) 1Die Länder und der Generalbundesanwalt berichten dem Bundesamt für Justiz kalenderjährlich jeweils bis zum 30. Juni des dem Berichtsjahr folgenden Jahres über in ihrem Zuständigkeitsbereich angeordnete Maßnahmen nach den §§ 100a , 100b , 100c , 100g und § 100k Absatz 1  und  2 . 2Das Bundesamt für Justiz erstellt eine Übersicht zu den im Berichtsjahr bundesweit angeordneten Maßnahmen und veröffentlicht diese im Internet. 3Über die im jeweils vorangegangenen Kalenderjahr nach § 100c angeordneten Maßnahmen berichtet die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag vor der Veröffentlichung im Internet.

(2) In den Übersichten über Maßnahmen nach § 100a sind anzugeben:

  1. 1.

    die Anzahl der Verfahren, in denen Maßnahmen nach § 100a Absatz 1 angeordnet worden sind;

  2. 2.

    die Anzahl der Überwachungsanordnungen nach § 100a Absatz 1 , unterschieden nach Erst- und Verlängerungsanordnungen;

  3. 3.

    die jeweils zugrunde liegende Anlassstraftat nach der Unterteilung in § 100a Absatz 2 ;

  4. 4.

    die Anzahl der Verfahren, in denen ein Eingriff in ein von dem Betroffenen genutztes informationstechnisches System nach § 100a Absatz 1 Satz 2 und 3

    1. a)

      im richterlichen Beschluss angeordnet wurde und

    2. b)

      tatsächlich durchgeführt wurde.

(3) In den Übersichten über Maßnahmen nach § 100b sind anzugeben:

  1. 1.

    die Anzahl der Verfahren, in denen Maßnahmen nach § 100b Absatz 1 angeordnet worden sind;

  2. 2.

    die Anzahl der Überwachungsanordnungen nach § 100b Absatz 1 , unterschieden nach Erst- und Verlängerungsanordnungen;

  3. 3.

    die jeweils zugrunde liegende Anlassstraftat nach Maßgabe der Unterteilung in § 100b Absatz 2 ;

  4. 4.

    die Anzahl der Verfahren, in denen ein Eingriff in ein vom Betroffenen genutztes informationstechnisches System tatsächlich durchgeführt wurde.

(4) In den Berichten über Maßnahmen nach § 100c sind anzugeben:

  1. 1.

    die Anzahl der Verfahren, in denen Maßnahmen nach § 100c Absatz 1 angeordnet worden sind;

  2. 2.

    die jeweils zugrunde liegende Anlassstraftat nach Maßgabe der Unterteilung in § 100b Absatz 2 ;

  3. 3.

    ob das Verfahren einen Bezug zur Verfolgung organisierter Kriminalität aufweist;

  4. 4.

    die Anzahl der überwachten Objekte je Verfahren nach Privatwohnungen und sonstigen Wohnungen sowie nach Wohnungen des Beschuldigten und Wohnungen dritter Personen;

  5. 5.

    die Anzahl der überwachten Personen je Verfahren nach Beschuldigten und nichtbeschuldigten Personen;

  6. 6.

    die Dauer der einzelnen Überwachung nach Dauer der Anordnung, Dauer der Verlängerung und Abhördauer;

  7. 7.

    wie häufig eine Maßnahme nach § 100d Absatz 4 , § 100e Absatz 5 unterbrochen oder abgebrochen worden ist;

  8. 8.

    ob eine Benachrichtigung der betroffenen Personen ( § 101 Absatz 4 bis 6 ) erfolgt ist oder aus welchen Gründen von einer Benachrichtigung abgesehen worden ist;

  9. 9.

    ob die Überwachung Ergebnisse erbracht hat, die für das Verfahren relevant sind oder voraussichtlich relevant sein werden;

  10. 10.

    ob die Überwachung Ergebnisse erbracht hat, die für andere Strafverfahren relevant sind oder voraussichtlich relevant sein werden;

  11. 11.

    wenn die Überwachung keine relevanten Ergebnisse erbracht hat: die Gründe hierfür, differenziert nach technischen Gründen und sonstigen Gründen;

  12. 12.

    die Kosten der Maßnahme, differenziert nach Kosten für Übersetzungsdienste und sonstigen Kosten.

(5) In den Übersichten über Maßnahmen nach § 100g sind anzugeben:

  1. 1.

    unterschieden nach Maßnahmen nach § 100g Absatz 1 , 2  und  3

    1. a)

      die Anzahl der Verfahren, in denen diese Maßnahmen durchgeführt wurden;

    2. b)

      die Anzahl der Erstanordnungen, mit denen diese Maßnahmen angeordnet wurden;

    3. c)

      die Anzahl der Verlängerungsanordnungen, mit denen diese Maßnahmen angeordnet wurden;

  2. 2.

    untergliedert nach der Anzahl der zurückliegenden Wochen, für die die Erhebung von Verkehrsdaten angeordnet wurde, jeweils bemessen ab dem Zeitpunkt der Anordnung

    1. a)

      die Anzahl der Anordnungen nach § 100g Absatz 1 ;

    2. b)

      die Anzahl der Anordnungen nach § 100g Absatz 2 ;

    3. c)

      die Anzahl der Anordnungen nach § 100g Absatz 3 ;

    4. d)

      die Anzahl der Anordnungen, die teilweise ergebnislos geblieben sind, weil die abgefragten Daten teilweise nicht verfügbar waren;

    5. e)

      die Anzahl der Anordnungen, die ergebnislos geblieben sind, weil keine Daten verfügbar waren.

(6) In den Übersichten über Maßnahmen nach § 100k sind jeweils unterschieden nach Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 anzugeben:

  1. 1.

    die Anzahl der Verfahren, in denen Maßnahmen angeordnet worden sind;

  2. 2.

    die Anzahl der Anordnungen, unterschieden nach Erst- und Verlängerungsanordnungen;

  3. 3.

    untergliedert nach der Anzahl der zurückliegenden Wochen, für die die Erhebung von Nutzungsdaten angeordnet wurde, jeweils bemessen ab dem Zeitpunkt der Anordnung

    1. a)

      die Anzahl der Anordnungen, die teilweise ergebnislos geblieben sind, weil die abgefragten Daten teilweise nicht verfügbar waren;

    2. b)

      die Anzahl der Anordnungen, die ergebnislos geblieben sind, weil keine Daten verfügbar waren.

Zu § 101b: Neugefasst durch G vom 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202), geändert durch G vom 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724) und 30. 3. 2021 (BGBl I S. 448, 1380).


§ 102 StPO – Durchsuchung bei Beschuldigten

Bei dem, welcher als Täter oder Teilnehmer einer Straftat oder der Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig ist, kann eine Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume sowie seiner Person und der ihm gehörenden Sachen sowohl zum Zweck seiner Ergreifung als auch dann vorgenommen werden, wenn zu vermuten ist, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde.

Zu § 102: Geändert durch G vom 10. 12. 2015 (BGBl I S. 2218).


§ 103 StPO – Durchsuchung bei anderen Personen

(1) 1Bei anderen Personen sind Durchsuchungen nur zur Ergreifung des Beschuldigten oder zur Verfolgung von Spuren einer Straftat oder zur Beschlagnahme bestimmter Gegenstände und nur dann zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die gesuchte Person, Spur oder Sache sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet. 2Zum Zwecke der Ergreifung eines Beschuldigten, der dringend verdächtig ist, eine Straftat nach § 89a oder § 89c Absatz 1 bis 4 des Strafgesetzbuchs oder nach § 129a , auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, des Strafgesetzbuches oder eine der in dieser Vorschrift bezeichneten Straftaten begangen zu haben, ist eine Durchsuchung von Wohnungen und anderen Räumen auch zulässig, wenn diese sich in einem Gebäude befinden, von dem auf Grund von Tatsachen anzunehmen ist, dass sich der Beschuldigte in ihm aufhält.

(2) Die Beschränkungen des Absatzes 1 Satz 1 gelten nicht für Räume, in denen der Beschuldigte ergriffen worden ist oder die er während der Verfolgung betreten hat.

Zu § 103: Geändert durch G vom 22. 8. 2002 (BGBl I S. 3390), 30. 7. 2009 (BGBl I S. 2437) und 12. 6. 2015 (BGBl I S. 926).


§ 104 StPO – Durchsuchung von Räumen zur Nachtzeit

(1) Zur Nachtzeit dürfen die Wohnung, die Geschäftsräume und das befriedete Besitztum nur in folgenden Fällen durchsucht werden:

  1. 1.

    bei Verfolgung auf frischer Tat,

  2. 2.

    bei Gefahr im Verzug,

  3. 3.

    wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass während der Durchsuchung auf ein elektronisches Speichermedium zugegriffen werden wird, das als Beweismittel in Betracht kommt, und ohne die Durchsuchung zur Nachtzeit die Auswertung des elektronischen Speichermediums, insbesondere in unverschlüsselter Form, aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre oder

  4. 4.

    zur Wiederergreifung eines entwichenen Gefangenen.

(2) Diese Beschränkung gilt nicht für Räume, die zur Nachtzeit jedermann zugänglich oder die der Polizei als Herbergen oder Versammlungsorte bestrafter Personen, als Niederlagen von Sachen, die mittels Straftaten erlangt sind, oder als Schlupfwinkel des Glücksspiels, des unerlaubten Betäubungsmittel-, Cannabis- und Waffenhandels oder der Prostitution bekannt sind.

(3) Die Nachtzeit umfasst den Zeitraum von 21 bis 6 Uhr.

Zu § 104: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099) und 27. 3. 2024 (BGBl 2024 I Nr. 109) (1. 4. 2024).


§ 105 StPO – Verfahren bei der Durchsuchung

(1) 1Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen ( § 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes ) angeordnet werden. 2Durchsuchungen nach § 103 Abs. 1 Satz 2 ordnet der Richter an; die Staatsanwaltschaft ist hierzu befugt, wenn Gefahr im Verzug ist.

(2) 1Wenn eine Durchsuchung der Wohnung, der Geschäftsräume oder des befriedeten Besitztums ohne Beisein des Richters oder des Staatsanwalts stattfindet, so sind, wenn möglich, ein Gemeindebeamter oder zwei Mitglieder der Gemeinde, in deren Bezirk die Durchsuchung erfolgt, zuzuziehen. 2Die als Gemeindemitglieder zugezogenen Personen dürfen nicht Polizeibeamte oder Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft sein.

(3) 1Wird eine Durchsuchung in einem Dienstgebäude oder einer nicht allgemein zugänglichen Einrichtung oder Anlage der Bundeswehr erforderlich, so wird die vorgesetzte Dienststelle der Bundeswehr um ihre Durchführung ersucht. 2Die ersuchende Stelle ist zur Mitwirkung berechtigt. 3Des Ersuchens bedarf es nicht, wenn die Durchsuchung von Räumen vorzunehmen ist, die ausschließlich von anderen Personen als Soldaten bewohnt werden.

Zu § 105: Geändert durch G vom 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332)).


§ 106 StPO – Hinzuziehung des Inhabers eines Durchsuchungsobjekts

(1) 1Der Inhaber der zu durchsuchenden Räume oder Gegenstände darf der Durchsuchung beiwohnen. 2Ist er abwesend, so ist, wenn möglich, sein Vertreter oder ein erwachsener Angehöriger, Hausgenosse oder Nachbar zuzuziehen.

(2) 1Dem Inhaber oder der in dessen Abwesenheit zugezogenen Person ist in den Fällen des § 103 Abs. 1 der Zweck der Durchsuchung vor deren Beginn bekannt zu machen. 2Diese Vorschrift gilt nicht für die Inhaber der in § 104 Abs. 2 bezeichneten Räume.

Zu § 106: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 107 StPO – Durchsuchungsbescheinigung; Beschlagnahmeverzeichnis

1Dem von der Durchsuchung Betroffenen ist nach deren Beendigung auf Verlangen eine schriftliche Mitteilung zu machen, die den Grund der Durchsuchung ( §§ 102 , 103 ) sowie im Falle des § 102 die Straftat bezeichnen muss. 2Auch ist ihm auf Verlangen ein Verzeichnis der in Verwahrung oder in Beschlag genommenen Gegenstände, falls aber nichts Verdächtiges gefunden wird, eine Bescheinigung hierüber zu geben.

Zu § 107: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 108 StPO – Beschlagnahme anderer Gegenstände

(1) 1Werden bei Gelegenheit einer Durchsuchung Gegenstände gefunden, die zwar in keiner Beziehung zu der Untersuchung stehen, aber auf die Verübung einer anderen Straftat hindeuten, so sind sie einstweilen in Beschlag zu nehmen. 2Der Staatsanwaltschaft ist hiervon Kenntnis zu geben. 3Satz 1 findet keine Anwendung, soweit eine Durchsuchung nach § 103 Abs. 1 Satz 2 stattfindet.

(2) Werden bei einem Arzt Gegenstände im Sinne von Absatz 1 Satz 1 gefunden, die den Schwangerschaftsabbruch einer Patientin betreffen, ist ihre Verwertung zu Beweiszwecken in einem Strafverfahren gegen die Patientin wegen einer Straftat nach § 218 des Strafgesetzbuches unzulässig.

(3) Werden bei einer in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 genannten Person Gegenstände im Sinne von Absatz 1 Satz 1 gefunden, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht der genannten Person erstreckt, ist die Verwertung des Gegenstandes zu Beweiszwecken in einem Strafverfahren nur insoweit zulässig, als Gegenstand dieses Strafverfahrens eine Straftat ist, die im Höchstmaß mit mindestens fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist und bei der es sich nicht um eine Straftat nach § 353b des Strafgesetzbuches handelt.

Zu § 108: Geändert durch G vom 27. 7. 1992 (BGBl I S. 1398), 21. 12. 2007 (BGBl I S. 3198) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 109 StPO – Kenntlichmachung beschlagnahmter Gegenstände

Die in Verwahrung oder in Beschlag genommenen Gegenstände sind genau zu verzeichnen und zur Verhütung von Verwechslungen durch amtliche Siegel oder in sonst geeigneter Weise kenntlich zu machen.

Zu § 109: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 110 StPO – Durchsicht von Papieren und elektronischen Speichermedien

(1) Die Durchsicht der Papiere des von der Durchsuchung Betroffenen steht der Staatsanwaltschaft und auf deren Anordnung ihren Ermittlungspersonen ( § 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes ) zu.

(2) 1Im Übrigen sind Beamte zur Durchsicht der aufgefundenen Papiere nur dann befugt, wenn der Inhaber die Durchsicht genehmigt. 2Andernfalls haben sie die Papiere, deren Durchsicht sie für geboten erachten, in einem Umschlag, der in Gegenwart des Inhabers mit dem Amtssiegel zu verschließen ist, an die Staatsanwaltschaft abzuliefern.

(3) 1Nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 ist auch die Durchsicht von elektronischen Speichermedien bei dem von der Durchsuchung Betroffenen zulässig. 2Diese Durchsicht darf auch auf hiervon räumlich getrennte Speichermedien erstreckt werden, soweit auf sie von dem elektronischen Speichermedium aus zugegriffen werden kann, wenn andernfalls der Verlust der gesuchten Daten zu befürchten ist. 3Daten, die für die Untersuchung von Bedeutung sein können, dürfen gesichert werden.

(4) Werden Papiere zur Durchsicht mitgenommen oder Daten vorläufig gesichert, gelten die §§ 95a und 98 Absatz 2 entsprechend.

Zu § 110: Geändert durch G vom 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198), 21. 12. 2007 (BGBl I S. 3198), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 110a StPO – Verdeckter Ermittler

(1) 1Verdeckte Ermittler dürfen zur Aufklärung von Straftaten eingesetzt werden, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Straftat von erheblicher Bedeutung

  1. 1.

    auf dem Gebiet des unerlaubten Betäubungsmittel- oder Waffenverkehrs, der Geld- oder Wertzeichenfälschung,

  2. 2.

    auf dem Gebiet des Staatsschutzes ( §§ 74a , 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes ),

  3. 3.

    gewerbs- oder gewohnheitsmäßig oder

  4. 4.

    von einem Bandenmitglied oder in anderer Weise organisiert

begangen worden ist. 2Zur Aufklärung von Verbrechen dürfen Verdeckte Ermittler auch eingesetzt werden, soweit auf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahr der Wiederholung besteht. 3Der Einsatz ist nur zulässig, soweit die Aufklärung auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. 4Zur Aufklärung von Verbrechen dürfen Verdeckte Ermittler außerdem eingesetzt werden, wenn die besondere Bedeutung der Tat den Einsatz gebietet und andere Maßnahmen aussichtslos wären. 5 § 100d Absatz 1 und 2 gilt entsprechend.

(2) 1Verdeckte Ermittler sind Beamte des Polizeidienstes, die unter einer ihnen verliehenen, auf Dauer angelegten, veränderten Identität (Legende) ermitteln. 2Sie dürfen unter der Legende am Rechtsverkehr teilnehmen.

(3) Soweit es für den Aufbau oder die Aufrechterhaltung der Legende unerlässlich ist, dürfen entsprechende Urkunden hergestellt, verändert und gebraucht werden.

Zu § 110a: Eingefügt durch G vom 15. 7. 1992 (BGBl I S. 1302), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724).


§ 110b StPO – Verfahren beim Einsatz eines Verdeckten Ermittlers

(1) 1Der Einsatz eines Verdeckten Ermittlers ist erst nach Zustimmung der Staatsanwaltschaft zulässig. 2Besteht Gefahr im Verzug und kann die Entscheidung der Staatsanwaltschaft nicht rechtzeitig eingeholt werden, so ist sie unverzüglich herbeizuführen; die Maßnahme ist zu beenden, wenn nicht die Staatsanwaltschaft binnen drei Werktagen zustimmt. 3Die Zustimmung ist schriftlich zu erteilen und zu befristen. 4Eine Verlängerung ist zulässig, solange die Voraussetzungen für den Einsatz fortbestehen.

(2) 1Einsätze,

  1. 1.
    die sich gegen einen bestimmten Beschuldigten richten oder
  2. 2.
    bei denen der Verdeckte Ermittler eine Wohnung betritt, die nicht allgemein zugänglich ist,

bedürfen der Zustimmung des Gerichts. 2Bei Gefahr im Verzug genügt die Zustimmung der Staatsanwaltschaft. 3Kann die Entscheidung der Staatsanwaltschaft nicht rechtzeitig eingeholt werden, so ist sie unverzüglich herbeizuführen. 4Die Maßnahme ist zu beenden, wenn nicht das Gericht binnen drei Werktagen zustimmt. 5Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) 1Die Identität des Verdeckten Ermittlers kann auch nach Beendigung des Einsatzes geheim gehalten werden. 2Die Staatsanwaltschaft und das Gericht, die für die Entscheidung über die Zustimmung zu dem Einsatz zuständig sind, können verlangen, dass die Identität ihnen gegenüber offenbart wird. 3Im Übrigen ist in einem Strafverfahren die Geheimhaltung der Identität nach Maßgabe des § 96 zulässig, insbesondere dann, wenn Anlass zu der Besorgnis besteht, dass die Offenbarung Leben, Leib oder Freiheit des Verdeckten Ermittlers oder einer anderen Person oder die Möglichkeit der weiteren Verwendung des Verdeckten Ermittlers gefährden würde.

Zu § 110b: Eingefügt durch G vom 15. 7. 1992 (BGBl I S. 1302), geändert durch G vom 21. 12. 2007 (BGBl I S. 3198) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 110c StPO – Befugnisse des Verdeckten Ermittlers

1Verdeckte Ermittler dürfen unter Verwendung ihrer Legende eine Wohnung mit dem Einverständnis des Berechtigten betreten. 2Das Einverständnis darf nicht durch ein über die Nutzung der Legende hinausgehendes Vortäuschen eines Zutrittsrechts herbeigeführt werden. 3Im Übrigen richten sich die Befugnisse des Verdeckten Ermittlers nach diesem Gesetz und anderen Rechtsvorschriften.

Zu § 110c: Eingefügt durch G vom 15. 7. 1992 (BGBl I S. 1302), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 110d StPO – Besonderes Verfahren bei Einsätzen zur Ermittlung von Straftaten nach den §§ 176e und 184b des Strafgesetzbuches

1Einsätze, bei denen entsprechend § 176e Absatz 5 oder § 184b Absatz 6 des Strafgesetzbuches Handlungen im Sinne des § 176e Absatz 1  und  3 oder § 184b Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 4 sowie Satz 2 des Strafgesetzbuches vorgenommen werden, bedürfen der Zustimmung des Gerichts. 2In dem Antrag ist darzulegen, dass die handelnden Polizeibeamten auf den Einsatz umfassend vorbereitet wurden. 3Bei Gefahr im Verzug genügt die Zustimmung der Staatsanwaltschaft. 4Die Maßnahme ist zu beenden, wenn nicht das Gericht binnen drei Werktagen zustimmt. 5Die Zustimmung ist schriftlich zu erteilen und zu befristen. 6Eine Verlängerung ist zulässig, solange die Voraussetzungen für den Einsatz fortbestehen.

Zu § 110d: Eingefügt durch G vom 3. 3. 2020 (BGBl I S. 431), geändert durch G vom 16. 6. 2021 (BGBl I S. 1810), 14. 9. 2021 (BGBl I S. 4250) und 25. 3. 2022 (BGBl I S. 571).


§ 111 StPO – Errichtung von Kontrollstellen an öffentlich zugänglichen Orten

(1) 1Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, dass eine Straftat nach § 89a oder § 89c Absatz 1 bis 4 des Strafgesetzbuchs oder nach § 129a , auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, des Strafgesetzbuches , eine der in dieser Vorschrift bezeichneten Straftaten oder eine Straftat nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuches begangen worden ist, so können auf öffentlichen Straßen und Plätzen und an anderen öffentlich zugänglichen Orten Kontrollstellen eingerichtet werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Maßnahme zur Ergreifung des Täters oder zur Sicherstellung von Beweismitteln führen kann, die der Aufklärung der Straftat dienen können. 2An einer Kontrollstelle ist jedermann verpflichtet, seine Identität feststellen und sich sowie mitgeführte Sachen durchsuchen zu lassen.

(2) Die Anordnung, eine Kontrollstelle einzurichten, trifft der Richter; die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen ( § 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes ) sind hierzu befugt, wenn Gefahr im Verzug ist.

(3) Für die Durchsuchung und die Feststellung der Identität nach Absatz 1 gelten § 106 Abs. 2 Satz 1 , § 107 Satz 2 erster Halbsatz , die §§ 108 , 109 , 110 Abs. 1 und 2 sowie die §§ 163b und 163c entsprechend.

Zu § 111: Geändert durch G vom 22. 8. 2002 (BGBl I S. 3390), 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198), 30. 7. 2009 (BGBl I S. 2437), 12. 6. 2015 (BGBl I S. 926) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 111a StPO – Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis

(1) 1Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass die Fahrerlaubnis entzogen werden wird ( § 69 des Strafgesetzbuches ), so kann der Richter dem Beschuldigten durch Beschluss die Fahrerlaubnis vorläufig entziehen. 2Von der vorläufigen Entziehung können bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausgenommen werden, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, dass der Zweck der Maßnahme dadurch nicht gefährdet wird.

(2) Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist aufzuheben, wenn ihr Grund weggefallen ist oder wenn das Gericht im Urteil die Fahrerlaubnis nicht entzieht.

(3) 1Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis wirkt zugleich als Anordnung oder Bestätigung der Beschlagnahme des von einer deutschen Behörde ausgestellten Führerscheins. 2Dies gilt auch, wenn der Führerschein von einer Behörde eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ausgestellt worden ist, sofern der Inhaber seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.

(4) Ist ein Führerschein beschlagnahmt, weil er nach § 69 Abs. 3 Satz 2 des Strafgesetzbuches eingezogen werden kann, und bedarf es einer richterlichen Entscheidung über die Beschlagnahme, so tritt an deren Stelle die Entscheidung über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis.

(5) 1Ein Führerschein, der in Verwahrung genommen, sichergestellt oder beschlagnahmt ist, weil er nach § 69 Abs. 3 Satz 2 des Strafgesetzbuches eingezogen werden kann, ist dem Beschuldigten zurückzugeben, wenn der Richter die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Fehlens der in Absatz 1 bezeichneten Voraussetzungen ablehnt, wenn er sie aufhebt oder wenn das Gericht im Urteil die Fahrerlaubnis nicht entzieht. 2Wird jedoch im Urteil ein Fahrverbot nach § 44 des Strafgesetzbuches verhängt, so kann die Rückgabe des Führerscheins aufgeschoben werden, wenn der Beschuldigte nicht widerspricht.

(6) 1In anderen als in Absatz 3 Satz 2 genannten ausländischen Führerscheinen ist die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis zu vermerken. 2Bis zur Eintragung dieses Vermerkes kann der Führerschein beschlagnahmt werden ( § 94 Abs. 3 , § 98 ).

Zu § 111a: Geändert durch G vom 24. 4. 1998 (BGBl I S. 747) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 111b StPO – Beschlagnahme zur Sicherung der Einziehung oder Unbrauchbarmachung

(1) 1Ist die Annahme begründet, dass die Voraussetzungen der Einziehung oder Unbrauchbarmachung eines Gegenstandes vorliegen, so kann er zur Sicherung der Vollstreckung beschlagnahmt werden. 2Liegen dringende Gründe für diese Annahme vor, so soll die Beschlagnahme angeordnet werden. 3 § 94 Absatz 3 bleibt unberührt.

(2) Die §§ 102 bis 110 gelten entsprechend.

Zu § 111b: Neugefasst durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 111c StPO – Vollziehung der Beschlagnahme

(1) 1Die Beschlagnahme einer beweglichen Sache wird dadurch vollzogen, dass die Sache in Gewahrsam genommen wird. 2Die Beschlagnahme kann auch dadurch vollzogen werden, dass sie durch Siegel oder in anderer Weise kenntlich gemacht wird.

(2) 1Die Beschlagnahme einer Forderung oder eines anderen Vermögensrechtes, das nicht den Vorschriften über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegt, wird durch Pfändung vollzogen. 2Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte sind insoweit sinngemäß anzuwenden. 3Die Aufforderung zur Abgabe der in § 840 Absatz 1 der Zivilprozessordnung bezeichneten Erklärungen ist in den Pfändungsbeschluss aufzunehmen.

(3) 1Die Beschlagnahme eines Grundstücks oder eines Rechts, das den Vorschriften über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegt, wird durch ihre Eintragung im Grundbuch vollzogen. 2Die Vorschriften des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung über den Umfang der Beschlagnahme bei der Zwangsversteigerung gelten entsprechend.

(4) 1Die Beschlagnahme eines Schiffes, eines Schiffsbauwerks oder eines Luftfahrzeugs wird nach Absatz 1 vollzogen. 2Ist der Gegenstand im Schiffs- oder Schiffsbauregister oder im Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen eingetragen, ist die Beschlagnahme in diesem Register einzutragen. 3Zu diesem Zweck können eintragungsfähige Schiffsbauwerke oder Luftfahrzeuge zur Eintragung angemeldet werden; die Vorschriften, die bei der Anmeldung durch eine Person, die auf Grund eines vollstreckbaren Titels eine Eintragung im Register verlangen kann, anzuwenden sind, gelten hierbei entsprechend.

Zu § 111c: Neugefasst durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 111d StPO – Wirkung der Vollziehung der Beschlagnahme; Rückgabe beweglicher Sachen

(1) 1Die Vollziehung der Beschlagnahme eines Gegenstandes hat die Wirkung eines Veräußerungsverbotes im Sinne des § 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs . 2Die Wirkung der Beschlagnahme wird von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Betroffenen nicht berührt; Maßnahmen nach § 111c können in einem solchen Verfahren nicht angefochten werden.

(2) 1Eine beschlagnahmte bewegliche Sache kann dem Betroffenen zurückgegeben werden, wenn er einen den Wert der Sache entsprechenden Geldbetrag beibringt. 2Der beigebrachte Betrag tritt an die Stelle der Sache. 3Sie kann dem Betroffenen auch unter dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs zur vorläufigen weiteren Benutzung bis zum Abschluss des Verfahrens überlassen werden; die Maßnahme kann davon abhängig gemacht werden, dass der Betroffene Sicherheit leistet oder bestimmte Auflagen erfüllt.

(3) 1Beschlagnahmtes Bargeld kann hinterlegt oder auf ein Konto der Justiz eingezahlt werden. 2Der mit der Einzahlung entstandene Auszahlungsanspruch tritt an die Stelle des Bargeldes.

Zu § 111d: Neugefasst durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872), geändert durch G vom 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 111e StPO – Vermögensarrest zur Sicherung der Wertersatzeinziehung

(1) 1Ist die Annahme begründet, dass die Voraussetzungen der Einziehung von Wertersatz vorliegen, so kann zur Sicherung der Vollstreckung der Vermögensarrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Betroffenen angeordnet werden. 2Liegen dringende Gründe für diese Annahme vor, so soll der Vermögensarrest angeordnet werden.

(2) Der Vermögensarrest kann auch zur Sicherung der Vollstreckung einer Geldstrafe und der voraussichtlichen Kosten des Strafverfahrens angeordnet werden, wenn gegen den Beschuldigten ein Urteil ergangen oder ein Strafbefehl erlassen worden ist.

(3) Zur Sicherung der Vollstreckungskosten ergeht kein Arrest.

(4) 1In der Anordnung ist der zu sichernde Anspruch unter Angabe des Geldbetrages zu bezeichnen. 2Zudem ist in der Anordnung ein Geldbetrag festzusetzen, durch dessen Hinterlegung der Betroffene die Vollziehung des Arrestes abwenden und die Aufhebung der Vollziehung des Arrestes verlangen kann; § 108 Absatz 1 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.

(5) Die §§ 102 bis 110 gelten entsprechend.

(6) Die Möglichkeit einer Anordnung nach § 324 der Abgabenordnung steht einer Anordnung nach Absatz 1 nicht entgegen.

Zu § 111e: Neugefasst durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 111f StPO – Vollziehung des Vermögensarrestes

(1) 1Der Vermögensarrest in eine bewegliche Sache, in eine Forderung oder ein anderes Vermögensrecht, das nicht der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegt, wird durch Pfändung vollzogen. 2Die §§ 928  und  930 der Zivilprozessordnung gelten sinngemäß. 3 § 111c Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(2) 1Der Vermögensarrest in ein Grundstück oder ein Recht, das den Vorschriften über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegt, wird durch Eintragung einer Sicherungshypothek bewirkt. 2Die §§ 928  und  932 der Zivilprozessordung gelten sinngemäß.

(3) 1Der Vermögensarrest in ein Schiff, ein Schiffsbauwerk oder ein Luftfahrzeug wird nach Absatz 1 bewirkt. 2Ist der Gegenstand im Schiffs- oder Schiffsbauregister oder im Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen eingetragen, gelten die §§ 928  und  931 der Zivilprozessordung sinngemäß.

(4) In den Fällen der Absätze 2 und 3 Satz 2 wird auch das Veräußerungsverbot nach § 111h Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit § 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs eingetragen.

Zu § 111f: Neugefasst durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 111g StPO – Aufhebung der Vollziehung des Vermögensarrestes

(1) Hinterlegt der Betroffene den nach § 111e Absatz 4 festgesetzten Geldbetrag, wird die Vollziehungsmaßnahme aufgehoben.

(2) Ist der Arrest wegen einer Geldstrafe oder der voraussichtlich entstehenden Kosten des Strafverfahrens angeordnet worden, so ist eine Vollziehungsmaßnahme auf Antrag des Beschuldigten aufzuheben, soweit der Beschuldigte den Pfandgegenstand zur Aufbringung der Kosten seiner Verteidigung, seines Unterhalts oder des Unterhalts seiner Familie benötigt.

Zu § 111g: Neugefasst durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 111h StPO – Wirkung der Vollziehung des Vermögensarrestes

(1) 1Die Vollziehung des Vermögensarrestes in einen Gegenstand hat die Wirkung eines Veräußerungsverbots im Sinne des § 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs . 2Für das Sicherungsrecht, das in Vollziehung des Vermögensarrestes entsteht, gilt § 80 Absatz 2 Satz 2 der Insolvenzordnung .

(2) 1Zwangsvollstreckungen in Gegenstände, die im Wege der Arrestvollziehung nach § 111f gesichert worden sind, sind während der Dauer der Arrestvollziehung nicht zulässig. 2Die Vollziehung einer Arrestanordnung nach § 324 der Abgabenordnung bleibt unberührt, soweit der Arrestanspruch aus der Straftat erwachsen ist.

Zu § 111h: Neugefasst durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872), geändert durch G vom 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 111i StPO – Insolvenzverfahren

(1) 1Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. 2Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. 3Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.

(2) 1Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. 2Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.

(3) 1Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. 2In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.

Zu § 111i: Neugefasst durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872), geändert durch G vom 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 111j StPO – Verfahren bei der Anordnung der Beschlagnahme und des Vermögensarrestes

(1) 1Beschlagnahme und Vermögensarrest werden durch das Gericht angeordnet. 2Bei Gefahr im Verzug kann die Anordnung auch durch die Staatsanwaltschaft erfolgen. 3Unter der Voraussetzung des Satzes 2 sind zur Beschlagnahme einer beweglichen Sache auch die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft ( § 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes ) befugt.

(2) 1Hat die Staatsanwaltschaft die Beschlagnahme oder den Arrest angeordnet, so beantragt sie innerhalb einer Woche die gerichtliche Bestätigung der Anordnung. 2Dies gilt nicht, wenn die Beschlagnahme einer beweglichen Sache angeordnet ist. 3Der Betroffene kann in allen Fällen die Entscheidung des Gerichts beantragen. 4Die Zuständigkeit des Gerichts bestimmt sich nach § 162 .

Zu § 111j: Eingefügt durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 111k StPO – Verfahren bei der Vollziehung der Beschlagnahme und des Vermögensarrestes

(1) 1Beschlagnahme und Vermögensarrest werden durch die Staatsanwaltschaft vollzogen. 2Die erforderlichen Eintragungen in das Grundbuch und in die in § 111c Absatz 4 genannten Register sowie die in § 111c Absatz 4 genannten Anmeldungen werden auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft bewirkt. 3Soweit ein Arrest nach den Vorschriften über die Pfändung in bewegliche Sachen zu vollziehen ist, kann dies durch die in § 2 des Justizbeitreibungsgesetzes bezeichnete Behörde, den Gerichtsvollzieher, die Staatsanwaltschaft oder durch deren Ermittlungspersonen ( § 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes ) vollzogen werden. 4Die Beschlagnahme beweglicher Sachen kann auch durch die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft ( § 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes ) vollzogen werden. 5 § 98 Absatz 4 gilt entsprechend.

(2) 1Für die Zustellung gilt § 37 Absatz 1 mit der Maßgabe, dass auch die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft ( § 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes ) mit der Ausführung beauftragt werden können. 2Für Zustellungen an ein im Inland zum Geschäftsbetrieb befugtes Kreditinstitut gelten die §§ 173 und 175 der Zivilprozessordnung entsprechend.

(3) Gegen Maßnahmen, die in Vollziehung der Beschlagnahme oder des Vermögensarrestes getroffen werden, kann der Betroffene die Entscheidung des nach § 162 zuständigen Gerichts beantragen.

Zu § 111k: Neugefasst durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872), geändert durch G vom 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099) und 5. 10. 2021 (BGBl I S. 4607).


§ 111l StPO – Mitteilungen

(1) Die Staatsanwaltschaft teilt die Vollziehung der Beschlagnahme oder des Vermögensarrests demjenigen mit, dem ein Anspruch auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten aus der Tat erwachsen ist.

(2) In den Fällen der Beschlagnahme einer beweglichen Sache ist die Mitteilung mit dem Hinweis auf den Regelungsgehalt des Verfahrens über die Herausgabe nach den §§ 111n  und  111o zu verbinden.

(3) 1Wird ein Vermögensarrest vollzogen, so fordert die Staatsanwaltschaft den Anspruchsinhaber zugleich mit der Mitteilung auf zu erklären, ob und in welcher Höhe er den Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten, der ihm aus der Tat erwachsen ist, geltend machen wolle. 2Die Mitteilung ist mit dem Hinweis auf den Regelungsgehalt des § 111h Absatz 2 und der Verfahren nach § 111i Absatz 2 , § 459h Absatz 2 sowie § 459k zu verbinden.

(4) 1Die Mitteilung kann durch einmalige Bekanntmachung im Bundesanzeiger erfolgen, wenn eine Mitteilung gegenüber jedem einzelnen mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden wäre. 2Zusätzlich kann die Mitteilung auch in anderer geeigneter Weise veröffentlicht werden. 3Gleiches gilt, wenn unbekannt ist, wem ein Anspruch auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten aus der Tat erwachsen ist, oder wenn der Anspruchsinhaber unbekannten Aufenthalts ist. 4Personendaten dürfen nur veröffentlicht werden, soweit ihre Angabe zur Wahrung der Rechte der Anspruchsinhaber unerlässlich ist. 5Nach Beendigung der Sicherungsmaßnahmen veranlasst die Staatsanwaltschaft die Löschung der Bekanntmachung.

Zu § 111l: Neugefasst durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872), geändert durch G vom 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 111m StPO – Verwaltung beschlagnahmter oder gepfändeter Gegenstände

(1) 1Die Verwaltung von Gegenständen, die nach § 111c beschlagnahmt oder auf Grund eines Vermögensarrestes nach § 111f gepfändet worden sind, obliegt der Staatsanwaltschaft. 2Sie kann ihre Ermittlungspersonen ( § 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes ) oder den Gerichtsvollzieher mit der Verwaltung beauftragen. 3In geeigneten Fällen kann auch eine andere Person mit der Verwaltung beauftragt werden.

(2) Gegen Maßnahmen, die im Rahmen der Verwaltung nach Absatz 1 getroffen werden, kann der Betroffene die Entscheidung des nach § 162 zuständigen Gerichts beantragen.

Zu § 111m: Neugefasst durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 111n StPO – Herausgabe beweglicher Sachen

(1) Wird eine bewegliche Sache, die nach § 94 beschlagnahmt oder auf andere Weise sichergestellt oder nach § 111c Absatz 1 beschlagnahmt worden ist, für Zwecke des Strafverfahrens nicht mehr benötigt, so wird sie an den letzten Gewahrsamsinhaber herausgegeben.

(2) Abweichend von Absatz 1 wird die Sache an denjenigen herausgegeben, dem sie durch die Straftat unmittelbar entzogen worden ist, wenn dieser bekannt ist.

(3) Steht der Herausgabe nach Absatz 1 oder Absatz 2 der Anspruch eines Dritten entgegen, wird die Sache an den Dritten herausgegeben, wenn dieser bekannt ist.

(4) Die Herausgabe erfolgt nur, wenn ihre Voraussetzungen offenkundig sind.

Zu § 111n: Neugefasst durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872, 2018 I S. 1094), geändert durch G vom 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 111o StPO – Verfahren bei der Herausgabe

(1) Über die Herausgabe entscheidet im vorbereitenden Verfahren und nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens die Staatsanwaltschaft, im Übrigen das mit der Sache befasste Gericht.

(2) Gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft können die Betroffenen die Entscheidung des nach § 162 zuständigen Gerichts beantragen.

Zu § 111o: Eingefügt durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872), geändert durch G vom 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 111p StPO – Notveräußerung

(1) 1Ein Gegenstand, der nach § 111c beschlagnahmt oder nach § 111f gepfändet worden ist, kann veräußert werden, wenn sein Verderb oder ein erheblicher Wertverlust droht oder seine Aufbewahrung, Pflege oder Erhaltung mit erheblichen Kosten oder Schwierigkeiten verbunden ist (Notveräußerung). 2Der Erlös tritt an die Stelle des veräußerten Gegenstandes.

(2) 1Die Notveräußerung wird durch die Staatsanwaltschaft angeordnet. 2Ihren Ermittlungspersonen ( § 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes ) steht diese Befugnis zu, wenn der Gegenstand zu verderben droht, bevor die Entscheidung der Staatsanwaltschaft herbeigeführt werden kann.

(3) 1Die von der Beschlagnahme oder Pfändung Betroffenen sollen vor der Anordnung gehört werden. 2Die Anordnung sowie Zeit und Ort der Veräußerung sind ihnen, soweit dies ausführbar erscheint, mitzuteilen.

(4) 1Die Durchführung der Notveräußerung obliegt der Staatsanwaltschaft. 2Die Staatsanwaltschaft kann damit auch ihre Ermittlungspersonen ( § 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes ) beauftragen. 3Für die Notveräußerung gelten im Übrigen die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Verwertung von Gegenständen sinngemäß.

(5) 1Gegen die Notveräußerung und ihre Durchführung kann der Betroffene die Entscheidung des nach § 162 zuständigen Gerichts beantragen. 2Das Gericht, in dringenden Fällen der Vorsitzende, kann die Aussetzung der Veräußerung anordnen.

Zu § 111p: Eingefügt durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 111q StPO – Beschlagnahme von Verkörperungen eines Inhalts und Vorrichtungen

(1) Die Beschlagnahme einer Verkörperung eines Inhalts ( § 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches ) oder einer Vorrichtung im Sinne des § 74d des Strafgesetzbuches darf nach § 111b Absatz 1 nicht angeordnet werden, wenn ihre nachteiligen Folgen, insbesondere die Gefährdung des öffentlichen Interesses an unverzögerter Verbreitung, offenbar außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache stehen.

(2) 1Ausscheidbare Teile der Verkörperung, die nichts Strafbares enthalten, sind von der Beschlagnahme auszuschließen. 2Die Beschlagnahme kann in der Anordnung weiter beschränkt werden.

(3) Die Beschlagnahme kann dadurch abgewendet werden, dass der Betroffene den Teil eines Inhalts, der zur Beschlagnahme Anlass gibt, von der Vervielfältigung oder der Verbreitung ausschließt.

(4) 1Die Beschlagnahme einer periodisch erscheinenden Verkörperung eines Inhalts ( § 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches ) oder einer zu deren Herstellung gebrauchten oder bestimmten Vorrichtung im Sinne des § 74d des Strafgesetzbuches ordnet das Gericht an. 2Die Beschlagnahme einer Verkörperung eines anderen Inhalts ( § 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches ) oder einer zu deren Herstellung gebrauchten oder bestimmten Vorrichtung im Sinne des § 74d des Strafgesetzbuches kann bei Gefahr in Verzug auch die Staatsanwaltschaft anordnen. 3Die Anordnung der Staatsanwaltschaft tritt außer Kraft, wenn sie nicht binnen drei Tagen von dem Gericht bestätigt wird. 4In der Anordnung der Beschlagnahme ist der genaue Inhalt, der zur Beschlagnahme Anlass gibt, zu bezeichnen.

(5) 1Eine Beschlagnahme nach Absatz 4 ist aufzuheben, wenn nicht binnen zwei Monaten die öffentliche Klage erhoben oder die selbständige Einziehung beantragt ist. 2Reicht die in Satz 1 bezeichnete Frist wegen des besonderen Umfanges der Ermittlungen nicht aus, kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Frist um weitere zwei Monate verlängern. 3Der Antrag kann einmal wiederholt werden. 4Vor Erhebung der öffentlichen Klage oder vor Beantragung der selbständigen Einziehung ist die Beschlagnahme aufzuheben, wenn die Staatsanwaltschaft dies beantragt.

Zu § 111q: Eingefügt durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872), geändert durch G vom 30. 11. 2020 (BGBl I S. 2600).


§§ 1 - 150, Erstes Buch - Allgemeine Vorschriften
§§ 112 - 130, Neunter Abschnitt - Verhaftung und vorläufige Festnahme

§ 112 StPO – Voraussetzungen der Untersuchungshaft; Haftgründe

(1) 1Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. 2Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

  1. 1.

    festgestellt wird, dass der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,

  2. 2.

    bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder

  3. 3.

    das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde

    1. a)

      Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder

    2. b)

      auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder

    3. c)

      andere zu solchem Verhalten veranlassen,

    und wenn deshalb die Gefahr droht, dass die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2 , auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c , 176d , 211 , 212 , § 226 , § 306b oder § 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

Zu § 112: Geändert durch G vom 28. 10. 1994 (BGBl I S. 3186), 26. 1. 1998 (BGBl I S. 164), 26. 6. 2002 (BGBl I S. 2254), 22. 8. 2002 (BGBl I S. 3390), 22. 12. 2003 (BGBl I S. 2836), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 22. 12. 2016 (BGBl I S. 3150) und 16. 6. 2021 (BGBl I S. 1810).


§ 112a StPO – Haftgrund der Wiederholungsgefahr

(1) 1Ein Haftgrund besteht auch, wenn der Beschuldigte dringend verdächtig ist,

  1. 1.

    eine Straftat nach den §§ 174 , 174a , 176 bis 176d , 177 , 178 , 184b Absatz 2 oder nach § 238 Abs. 2  und  3 des Strafgesetzbuches , oder

  2. 2.

    wiederholt oder fortgesetzt eine die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende Straftat nach den §§ 89a , 89c Absatz 1 bis 4 , nach § 125a , nach den §§ 224 bis 227 , nach den §§ 243 , 244 , 249 bis 255 , 260 , nach § 263 , nach den §§ 306 bis 306c oder § 316a des Strafgesetzbuches oder nach § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 10 oder Abs. 3 , § 29a Abs. 1 , § 30 Abs. 1 , § 30a Abs. 1 des Betäubungsmittelgesetzes oder nach einer in § 34 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1, 3 oder Nummer 4 des Konsumcannabisgesetzes in Bezug genommenen Vorschrift unter den dort genannten Voraussetzungen oder nach § 34 Absatz 4 des Konsumcannabisgesetzes oder nach einer in § 25 Absatz 4 Satz 2 Nummer 1, 3 oder Nummer 4 des Medizinal-Cannabisgesetzes in Bezug genommenen Vorschrift unter den dort genannten Voraussetzungen oder nach § 25 Absatz 5 des Medizinal-Cannabisgesetzes oder nach § 4 Absatz 3 Nummer 1 Buchstabe a des Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzes

begangen zu haben, und bestimmte Tatsachen die Gefahr begründen, dass er vor rechtskräftiger Aburteilung weitere erhebliche Straftaten gleicher Art begehen oder die Straftat fortsetzen werde, die Haft zur Abwendung der drohenden Gefahr erforderlich und in den Fällen der Nummer 2 eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr zu erwarten ist. 2In die Beurteilung des dringenden Verdachts einer Tatbegehung im Sinne des Satzes 1 Nummer 2 sind auch solche Taten einzubeziehen, die Gegenstand anderer, auch rechtskräftig abgeschlossener, Verfahren sind oder waren.

(2) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls nach § 112 vorliegen und die Voraussetzungen für die Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls nach § 116 Abs. 1 , 2 nicht gegeben sind.

Zu § 112a: Geändert durch G vom 9. 6. 1989 (BGBl I S. 1059), 15. 7. 1992 (BGBl I S. 1302), 28. 10. 1994 (BGBl I S. 3186), 1. 7. 1997 (BGBl I S. 1607), 26. 1. 1998 (BGBl I S. 164), 22. 3. 2007 (BGBl I S. 354), 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2280), 30. 7. 2009 (BGBl I S. 2437), 12. 6. 2015 (BGBl I S. 926), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 4. 11. 2016 (BGBl I S. 2460), 21. 11. 2016 (BGBl I S. 2615), 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208), 16. 6. 2021 (BGBl I S. 1810), 14. 9. 2021 (BGBl I S. 4250) und 27. 3. 2024 (BGBl 2024 I Nr. 109) (1. 4. 2024).


§ 113 StPO – Untersuchungshaft bei leichteren Taten

(1) Ist die Tat nur mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen bedroht, so darf die Untersuchungshaft wegen Verdunkelungsgefahr nicht angeordnet werden.

(2) In diesen Fällen darf die Untersuchungshaft wegen Fluchtgefahr nur angeordnet werden, wenn der Beschuldigte

  1. 1.
    sich dem Verfahren bereits einmal entzogen hatte oder Anstalten zur Flucht getroffen hat,
  2. 2.
    im Geltungsbereich dieses Gesetzes keinen festen Wohnsitz oder Aufenthalt hat oder
  3. 3.
    sich über seine Person nicht ausweisen kann.

Zu § 113: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 114 StPO – Haftbefehl

(1) Die Untersuchungshaft wird durch schriftlichen Haftbefehl des Richters angeordnet.

(2) In dem Haftbefehl sind anzuführen

  1. 1.
    der Beschuldigte,
  2. 2.
    die Tat, deren er dringend verdächtig ist, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften,
  3. 3.
    der Haftgrund sowie
  4. 4.
    die Tatsachen, aus denen sich der dringende Tatverdacht und der Haftgrund ergibt, soweit nicht dadurch die Staatssicherheit gefährdet wird.

(3) Wenn die Anwendung des § 112 Abs. 1 Satz 2 nahe liegt oder der Beschuldigte sich auf diese Vorschrift beruft, sind die Gründe dafür anzugeben, dass sie nicht angewandt wurde.

Zu § 114: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 114a StPO – Aushändigung des Haftbefehls; Übersetzung

1Dem Beschuldigten ist bei der Verhaftung eine Abschrift des Haftbefehls auszuhändigen; beherrscht er die deutsche Sprache nicht hinreichend, erhält er zudem eine Übersetzung in einer für ihn verständlichen Sprache. 2Ist die Aushändigung einer Abschrift und einer etwaigen Übersetzung nicht möglich, ist ihm unverzüglich in einer für ihn verständlichen Sprache mitzuteilen, welches die Gründe für die Verhaftung sind und welche Beschuldigungen gegen ihn erhoben werden. 3In diesem Fall ist die Aushändigung der Abschrift des Haftbefehls sowie einer etwaigen Übersetzung unverzüglich nachzuholen.

Zu § 114a: Neugefasst durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2274), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 114b StPO – Belehrung des verhafteten Beschuldigten

(1) 1Der verhaftete Beschuldigte ist unverzüglich und schriftlich in einer für ihn verständlichen Sprache über seine Rechte zu belehren. 2Ist eine schriftliche Belehrung erkennbar nicht ausreichend, hat zudem eine mündliche Belehrung zu erfolgen. 3Entsprechend ist zu verfahren, wenn eine schriftliche Belehrung nicht möglich ist; sie soll jedoch nachgeholt werden, sofern dies in zumutbarer Weise möglich ist. 4Der Beschuldigte soll schriftlich bestätigen, dass er belehrt wurde; falls er sich weigert, ist dies zu dokumentieren.

(2) 1In der Belehrung nach Absatz 1 ist der Beschuldigte darauf hinzuweisen, dass er

  1. 1.

    unverzüglich, spätestens am Tag nach der Ergreifung, dem Gericht vorzuführen ist, das ihn zu vernehmen und über seine weitere Inhaftierung zu entscheiden hat,

  2. 2.

    das Recht hat, sich zur Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen,

  3. 3.

    zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen kann,

  4. 4.

    jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger befragen kann; dabei sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren; auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen,

  5. 4a.

    in den Fällen des § 140 die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann; dabei ist auf die mögliche Kostenfolge des § 465 hinzuweisen,

  6. 5.

    das Recht hat, die Untersuchung durch einen Arzt oder eine Ärztin seiner Wahl zu verlangen,

  7. 6.

    einen Angehörigen oder eine Person seines Vertrauens benachrichtigen kann, soweit der Zweck der Untersuchung dadurch nicht erheblich gefährdet wird,

  8. 7.

    nach Maßgabe des § 147 Absatz 4 beantragen kann, die Akten einzusehen und unter Aufsicht amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen, soweit er keinen Verteidiger hat, und

  9. 8.

    bei Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft nach Vorführung vor den zuständigen Richter

    1. a)

      eine Beschwerde gegen den Haftbefehl einlegen oder eine Haftprüfung ( § 117 Absatz 1  und  2 ) und eine mündliche Verhandlung ( § 118 Absatz 1  und  2 ) beantragen kann,

    2. b)

      bei Unstatthaftigkeit der Beschwerde eine gerichtliche Entscheidung nach § 119 Absatz 5 beantragen kann und

    3. c)

      gegen behördliche Entscheidungen und Maßnahmen im Untersuchungshaftvollzug eine gerichtliche Entscheidung nach § 119a Absatz 1 beantragen kann.

2Der Beschuldigte ist auf das Akteneinsichtsrecht des Verteidigers nach § 147 hinzuweisen. 3Ein Beschuldigter, der der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig ist, ist in einer ihm verständlichen Sprache darauf hinzuweisen, dass er nach Maßgabe des § 187 Absatz 1 bis 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes für das gesamte Strafverfahren die unentgeltliche Hinzuziehung eines Dolmetschers oder Übersetzers beanspruchen kann; ein hör- oder sprachbehinderter Beschuldigter ist auf sein Wahlrecht nach § 186 Absatz 1  und  2 des Gerichtsverfassungsgesetzes hinzuweisen. 4Ein ausländischer Staatsangehöriger ist darüber zu belehren, dass er die Unterrichtung der konsularischen Vertretung seines Heimatstaates verlangen und dieser Mitteilungen zukommen lassen kann.

Zu § 114b: Neugefasst durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2274); geändert durch G vom 2. 7. 2013 (BGBl I S. 1938), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208), 27. 8. 2017 (BGBl I S. 3295), 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2128) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 114c StPO – Benachrichtigung von Angehörigen

(1) Einem verhafteten Beschuldigten ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, einen Angehörigen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen, sofern der Zweck der Untersuchung dadurch nicht erheblich gefährdet wird.

(2) 1Wird gegen einen verhafteten Beschuldigten nach der Vorführung vor das Gericht Haft vollzogen, hat das Gericht die unverzügliche Benachrichtigung eines seiner Angehörigen oder einer Person seines Vertrauens anzuordnen. 2Die gleiche Pflicht besteht bei jeder weiteren Entscheidung über die Fortdauer der Haft.

Zu § 114c: Eingefügt durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2274), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 27. 8. 2017 (BGBl I S. 3295).


§ 114d StPO – Mitteilungen an die Vollzugsanstalt

(1) 1Das Gericht übermittelt der für den Beschuldigten zuständigen Vollzugsanstalt mit dem Aufnahmeersuchen eine Abschrift des Haftbefehls. 2Darüber hinaus teilt es ihr mit

  1. 1.

    die das Verfahren führende Staatsanwaltschaft und das nach § 126 zuständige Gericht,

  2. 2.

    die Personen, die nach § 114c benachrichtigt worden sind,

  3. 3.

    Entscheidungen und sonstige Maßnahmen nach § 119 Abs. 1 und 2 ,

  4. 4.

    weitere im Verfahren ergehende Entscheidungen, soweit dies für die Erfüllung der Aufgaben der Vollzugsanstalt erforderlich ist,

  5. 5.

    Hauptverhandlungstermine und sich aus ihnen ergebende Erkenntnisse, die für die Erfüllung der Aufgaben der Vollzugsanstalt erforderlich sind,

  6. 6.

    den Zeitpunkt der Rechtskraft des Urteils sowie

  7. 7.

    andere Daten zur Person des Beschuldigten, die für die Erfüllung der Aufgaben der Vollzugsanstalt erforderlich sind, insbesondere solche über seine Persönlichkeit und weitere relevante Strafverfahren.

3Die Sätze 1 und 2 gelten bei Änderungen der mitgeteilten Tatsachen entsprechend. 4Mitteilungen unterbleiben, soweit die Tatsachen der Vollzugsanstalt bereits anderweitig bekannt geworden sind.

(2) 1Die Staatsanwaltschaft unterstützt das Gericht bei der Erfüllung seiner Aufgaben nach Absatz 1 und teilt der Vollzugsanstalt von Amts wegen insbesondere Daten nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 7 sowie von ihr getroffene Entscheidungen und sonstige Maßnahmen nach § 119 Abs. 1 und 2 mit. 2Zudem übermittelt die Staatsanwaltschaft der Vollzugsanstalt eine Abschrift der Anklageschrift und teilt dem nach § 126 Abs. 1 zuständigen Gericht die Anklageerhebung mit.

Zu § 114d: Eingefügt durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2274), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208).


§ 114e StPO – Übermittlung von Erkenntnissen durch die Vollzugsanstalt

1Die Vollzugsanstalt übermittelt dem Gericht und der Staatsanwaltschaft von Amts wegen beim Vollzug der Untersuchungshaft erlangte Erkenntnisse, soweit diese aus Sicht der Vollzugsanstalt für die Erfüllung der Aufgaben der Empfänger von Bedeutung sind und diesen nicht bereits anderweitig bekannt geworden sind. 2Sonstige Befugnisse der Vollzugsanstalt, dem Gericht und der Staatsanwaltschaft Erkenntnisse mitzuteilen, bleiben unberührt.

Zu § 114e: Eingefügt durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2274), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 115 StPO – Vorführung vor den zuständigen Richter

(1) Wird der Beschuldigte auf Grund des Haftbefehls ergriffen, so ist er unverzüglich dem zuständigen Gericht vorzuführen.

(2) Das Gericht hat den Beschuldigten unverzüglich nach der Vorführung, spätestens am nächsten Tage, über den Gegenstand der Beschuldigung zu vernehmen.

(3) 1Bei der Vernehmung ist der Beschuldigte auf die ihn belastenden Umstände und sein Recht hinzuweisen, sich zur Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. 2Ihm ist Gelegenheit zu geben, die Verdachts- und Haftgründe zu entkräften und die Tatsachen geltend zu machen, die zu seinen Gunsten sprechen.

(4) 1Wird die Haft aufrechterhalten, so ist der Beschuldigte über das Recht der Beschwerde und die anderen Rechtsbehelfe ( § 117 Abs. 1 , 2 , § 118 Abs. 1 , 2 , § 119 Abs. 5 , § 119a Abs. 1 ) zu belehren. 2 § 304 Abs. 4 und 5 bleibt unberührt.

Zu § 115: Geändert durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2274) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 115a StPO – Vorführung vor den Richter des nächsten Amtsgerichts

(1) Kann der Beschuldigte nicht spätestens am Tag nach der Ergreifung dem zuständigen Gericht vorgeführt werden, so ist er unverzüglich, spätestens am Tage nach der Ergreifung, dem nächsten Amtsgericht vorzuführen.

(2) 1Das Gericht hat den Beschuldigten unverzüglich nach der Vorführung, spätestens am nächsten Tage, zu vernehmen. 2Bei der Vernehmung wird, soweit möglich, § 115 Abs. 3 angewandt. 3Ergibt sich bei der Vernehmung, dass der Haftbefehl aufgehoben, seine Aufhebung durch die Staatsanwaltschaft beantragt ( § 120 Abs. 3 ) oder der Ergriffene nicht die in dem Haftbefehl bezeichnete Person ist, so ist der Ergriffene freizulassen. 4Erhebt dieser sonst gegen den Haftbefehl oder dessen Vollzug Einwendungen, die nicht offensichtlich unbegründet sind, oder hat das Gericht Bedenken gegen die Aufrechterhaltung der Haft, so teilt es diese dem zuständigen Gericht und der zuständigen Staatsanwaltschaft unverzüglich und auf dem nach den Umständen angezeigten schnellsten Wege mit; das zuständige Gericht prüft unverzüglich, ob der Haftbefehl aufzuheben oder außer Vollzug zu setzen ist.

(3) 1Wird der Beschuldigte nicht freigelassen, so ist er auf sein Verlangen dem zuständigen Gericht zur Vernehmung nach § 115 vorzuführen. 2Der Beschuldigte ist auf dieses Recht hinzuweisen und gemäß § 115 Abs. 4 zu belehren.

Zu § 115a: Geändert durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2274) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 116 StPO – Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls

(1) 1Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, dass der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werden kann. 2In Betracht kommen namentlich

  1. 1.
    die Anweisung, sich zu bestimmten Zeiten bei dem Richter, der Strafverfolgungsbehörde oder einer von ihnen bestimmten Dienststelle zu melden,
  2. 2.
    die Anweisung, den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis des Richters oder der Strafverfolgungsbehörde zu verlassen,
  3. 3.
    die Anweisung, die Wohnung nur unter Aufsicht einer bestimmten Person zu verlassen,
  4. 4.
    die Leistung einer angemessenen Sicherheit durch den Beschuldigten oder einen anderen.

(2) 1Der Richter kann auch den Vollzug eines Haftbefehls, der wegen Verdunkelungsgefahr gerechtfertigt ist, aussetzen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, dass sie die Verdunkelungsgefahr erheblich vermindern werden. 2In Betracht kommt namentlich die Anweisung, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen keine Verbindung aufzunehmen.

(3) Der Richter kann den Vollzug eines Haftbefehls, der nach § 112a erlassen worden ist, aussetzen, wenn die Erwartung hinreichend begründet ist, dass der Beschuldigte bestimmte Anweisungen befolgen und dass dadurch der Zweck der Haft erreicht wird.

(4) Der Richter ordnet in den Fällen der Absätze 1 bis 3 den Vollzug des Haftbefehls an, wenn

  1. 1.
    der Beschuldigte den ihm auferlegten Pflichten oder Beschränkungen gröblich zuwiderhandelt,
  2. 2.
    der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft, auf ordnungsgemäße Ladung ohne genügende Entschuldigung ausbleibt oder sich auf andere Weise zeigt, dass das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war, oder
  3. 3.
    neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen.

Zu § 116: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 116a StPO – Aussetzung gegen Sicherheitsleistung

(1) 1Die Sicherheit ist durch Hinterlegung in barem Geld, in Wertpapieren, durch Pfandbestellung oder durch Bürgschaft geeigneter Personen zu leisten. 2Davon abweichende Regelungen in einer auf Grund des Gesetzes über den Zahlungsverkehr mit Gerichten und Justizbehörden erlassenen Rechtsverordnung bleiben unberührt.

(2) Der Richter setzt Höhe und Art der Sicherheit nach freiem Ermessen fest.

(3) Der Beschuldigte, der die Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls gegen Sicherheitsleistung beantragt und nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes wohnt, ist verpflichtet, eine im Bezirk des zuständigen Gerichts wohnende Person zum Empfang von Zustellungen zu bevollmächtigen.

Zu § 116a: Geändert durch G vom 22. 12. 2006 (BGBl I S. 3416) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 116b StPO – Verhältnis von Untersuchungshaft zu anderen freiheitsentziehenden Maßnahmen

1Die Vollstreckung der Untersuchungshaft geht der Vollstreckung der Auslieferungshaft, der vorläufigen Auslieferungshaft, der Abschiebungshaft und der Zurückweisungshaft vor. 2Die Vollstreckung anderer freiheitsentziehender Maßnahmen geht der Vollstreckung von Untersuchungshaft vor, es sei denn, das Gericht trifft eine abweichende Entscheidung, weil der Zweck der Untersuchungshaft dies erfordert.

Zu § 116b: Eingefügt durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2274), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 117 StPO – Haftprüfung

(1) Solange der Beschuldigte in Untersuchungshaft ist, kann er jederzeit die gerichtliche Prüfung beantragen, ob der Haftbefehl aufzuheben oder dessen Vollzug nach § 116 auszusetzen ist (Haftprüfung).

(2) 1Neben dem Antrag auf Haftprüfung ist die Beschwerde unzulässig. 2Das Recht der Beschwerde gegen die Entscheidung, die auf den Antrag ergeht, wird dadurch nicht berührt.

(3) Der Richter kann einzelne Ermittlungen anordnen, die für die künftige Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft von Bedeutung sind, und nach Durchführung dieser Ermittlungen eine neue Prüfung vornehmen.

Zu § 117: Geändert durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2274) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 118 StPO – Verfahren bei der Haftprüfung

(1) Bei der Haftprüfung wird auf Antrag des Beschuldigten oder nach dem Ermessen des Gerichts von Amts wegen nach mündlicher Verhandlung entschieden.

(2) Ist gegen den Haftbefehl Beschwerde eingelegt, so kann auch im Beschwerdeverfahren auf Antrag des Beschuldigten oder von Amts wegen nach mündlicher Verhandlung entschieden werden.

(3) Ist die Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung aufrechterhalten worden, so hat der Beschuldigte einen Anspruch auf eine weitere mündliche Verhandlung nur, wenn die Untersuchungshaft mindestens drei Monate und seit der letzten mündlichen Verhandlung mindestens zwei Monate gedauert hat.

(4) Ein Anspruch auf mündliche Verhandlung besteht nicht, solange die Hauptverhandlung andauert oder wenn ein Urteil ergangen ist, das auf eine Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt.

(5) Die mündliche Verhandlung ist unverzüglich durchzuführen; sie darf ohne Zustimmung des Beschuldigten nicht über zwei Wochen nach dem Eingang des Antrags anberaumt werden.

Zu § 118: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 118a StPO – Mündliche Verhandlung bei der Haftprüfung

(1) Von Ort und Zeit der mündlichen Verhandlung sind die Staatsanwaltschaft sowie der Beschuldigte und der Verteidiger zu benachrichtigen.

(2) 1Der Beschuldigte ist zu der Verhandlung vorzuführen, es sei denn, dass er auf die Anwesenheit in der Verhandlung verzichtet hat oder dass der Vorführung weite Entfernung oder Krankheit des Beschuldigten oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen. 2Das Gericht kann anordnen, dass unter den Voraussetzungen des Satzes 1 die mündliche Verhandlung in der Weise erfolgt, dass sich der Beschuldigte an einem anderen Ort als das Gericht aufhält und die Verhandlung zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Beschuldigte aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird. 3Wird der Beschuldigte zur mündlichen Verhandlung nicht vorgeführt und nicht nach Satz 2 verfahren, so muss ein Verteidiger seine Rechte in der Verhandlung wahrnehmen.

(3) 1In der mündlichen Verhandlung sind die anwesenden Beteiligten zu hören. 2Art und Umfang der Beweisaufnahme bestimmt das Gericht. 3Über die Verhandlung ist ein Protokoll aufzunehmen; die §§ 271 bis 273 gelten entsprechend.

(4) 1Die Entscheidung ist am Schluss der mündlichen Verhandlung zu verkünden. 2Ist dies nicht möglich, so ist die Entscheidung spätestens binnen einer Woche zu erlassen.

Zu § 118a: Geändert durch G vom 25. 4. 2013 (BGBl I S. 935), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208) und 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2128).


§ 118b StPO – Anwendung von Rechtsmittelvorschriften

Für den Antrag auf Haftprüfung ( § 117 Abs. 1 ) und den Antrag auf mündliche Verhandlung gelten die §§ 297 bis 300 und 302 Abs. 2 entsprechend.

Zu § 118b: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 119 StPO – Haftgrundbezogene Beschränkungen während der Untersuchungshaft

(1) 1Soweit dies zur Abwehr einer Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr ( §§ 112 , 112a ) erforderlich ist, können einem inhaftierten Beschuldigten Beschränkungen auferlegt werden. 2Insbesondere kann angeordnet werden, dass

  1. 1.

    der Empfang von Besuchen und die Telekommunikation der Erlaubnis bedürfen,

  2. 2.

    Besuche, Telekommunikation sowie der Schrift- und Paketverkehr zu überwachen sind,

  3. 3.

    die Übergabe von Gegenständen bei Besuchen der Erlaubnis bedarf,

  4. 4.

    der Beschuldigte von einzelnen oder allen anderen Inhaftierten getrennt wird,

  5. 5.

    die gemeinsame Unterbringung und der gemeinsame Aufenthalt mit anderen Inhaftierten eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

3Die Anordnungen trifft das Gericht. 4Kann dessen Anordnung nicht rechtzeitig herbeigeführt werden, kann die Staatsanwaltschaft oder die Vollzugsanstalt eine vorläufige Anordnung treffen. 5Die Anordnung ist dem Gericht binnen drei Werktagen zur Genehmigung vorzulegen, es sei denn, sie hat sich zwischenzeitlich erledigt. 6Der Beschuldigte ist über Anordnungen in Kenntnis zu setzen. 7Die Anordnung nach Satz 2 Nr. 2 schließt die Ermächtigung ein, Besuche und Telekommunikation abzubrechen sowie Schreiben und Pakete anzuhalten.

(2) 1Die Ausführung der Anordnungen obliegt der anordnenden Stelle. 2Das Gericht kann die Ausführung von Anordnungen widerruflich auf die Staatsanwaltschaft übertragen, die sich bei der Ausführung der Hilfe durch ihre Ermittlungspersonen und die Vollzugsanstalt bedienen kann. 3Die Übertragung ist unanfechtbar.

(3) 1Ist die Überwachung der Telekommunikation nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 angeordnet, ist die beabsichtigte Überwachung den Gesprächspartnern des Beschuldigten unmittelbar nach Herstellung der Verbindung mitzuteilen. 2Die Mitteilung kann durch den Beschuldigten selbst erfolgen. 3Der Beschuldigte ist rechtzeitig vor Beginn der Telekommunikation über die Mitteilungspflicht zu unterrichten.

(4) 1Die §§ 148 , 148a bleiben unberührt. 2Sie gelten entsprechend für den Verkehr des Beschuldigten mit

  1. 1.

    der für ihn zuständigen Bewährungshilfe,

  2. 2.

    der für ihn zuständigen Führungsaufsichtsstelle,

  3. 3.

    der für ihn zuständigen Gerichtshilfe,

  4. 4.

    den Volksvertretungen des Bundes und der Länder,

  5. 5.

    dem Bundesverfassungsgericht und dem für ihn zuständigen Landesverfassungsgericht,

  6. 6.

    dem für ihn zuständigen Bürgerbeauftragten eines Landes,

  7. 7.

    dem oder der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, den für die Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften über den Datenschutz in den Ländern zuständigen Stellen der Länder und den Aufsichtsbehörden nach § 40 des Bundesdatenschutzgesetzes ,

  8. 8.

    dem Europäischen Parlament,

  9. 9.

    dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte,

  10. 10.

    dem Europäischen Gerichtshof,

  11. 11.

    dem Europäischen Datenschutzbeauftragten,

  12. 12.

    dem Europäischen Bürgerbeauftragten,

  13. 13.

    dem Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe,

  14. 14.

    der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz,

  15. 15.

    dem Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen,

  16. 16.

    den Ausschüssen der Vereinten Nationen für die Beseitigung der Rassendiskriminierung und für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau,

  17. 17.

    dem Ausschuss der Vereinten Nationen gegen Folter, dem zugehörigen Unterausschuss zur Verhütung von Folter und den entsprechenden Nationalen Präventionsmechanismen,

  18. 18.

    den in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 4 genannten Personen in Bezug auf die dort bezeichneten Inhalte,

  19. 19.

    soweit das Gericht nichts anderes anordnet,

    1. a)

      den Beiräten bei den Justizvollzugsanstalten und

    2. b)

      der konsularischen Vertretung seines Heimatstaates.

3Die Maßnahmen, die erforderlich sind, um das Vorliegen der Voraussetzungen nach den Sätzen 1 und 2 festzustellen, trifft die nach Absatz 2 zuständige Stelle.

(5) 1Gegen nach dieser Vorschrift ergangene Entscheidungen oder sonstige Maßnahmen kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden, soweit nicht das Rechtsmittel der Beschwerde statthaft ist. 2Der Antrag hat keine aufschiebende Wirkung. 3Das Gericht kann jedoch vorläufige Anordnungen treffen.

(6) 1Die Absätze 1 bis 5 gelten auch, wenn gegen einen Beschuldigten, gegen den Untersuchungshaft angeordnet ist, eine andere freiheitsentziehende Maßnahme vollstreckt wird ( § 116b ). 2Die Zuständigkeit des Gerichts bestimmt sich auch in diesem Fall nach § 126 .

Zu § 119: Neugefasst durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2274), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724).


§ 119a StPO – Gerichtliche Entscheidung über eine Maßnahme der Vollzugsbehörde

(1) 1Gegen eine behördliche Entscheidung oder Maßnahme im Untersuchungshaftvollzug kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden. 2Eine gerichtliche Entscheidung kann zudem beantragt werden, wenn eine im Untersuchungshaftvollzug beantragte behördliche Entscheidung nicht innerhalb von drei Wochen ergangen ist.

(2) 1Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keine aufschiebende Wirkung. 2Das Gericht kann jedoch vorläufige Anordnungen treffen.

(3) Gegen die Entscheidung des Gerichts kann auch die für die vollzugliche Entscheidung oder Maßnahme zuständige Stelle Beschwerde erheben.

Zu § 119a: Eingefügt durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2274), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 120 StPO – Aufhebung des Haftbefehls

(1) 1Der Haftbefehl ist aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen oder sich ergibt, dass die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis stehen würde. 2Er ist namentlich aufzuheben, wenn der Beschuldigte freigesprochen oder die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nicht bloß vorläufig eingestellt wird.

(2) Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung des Beschuldigten nicht aufgehalten werden.

(3) 1Der Haftbefehl ist auch aufzuheben, wenn die Staatsanwaltschaft es vor Erhebung der öffentlichen Klage beantragt. 2Gleichzeitig mit dem Antrag kann die Staatsanwaltschaft die Freilassung des Beschuldigten anordnen.

Zu § 120: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 121 StPO – Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) 1Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. 2Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. 3Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) 1In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. 2In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

Zu § 121: Geändert durch G vom 23. 4. 2014 (BGBl I S. 410) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 122 StPO – Besondere Haftprüfung durch das Oberlandesgericht

(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.

(2) 1Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. 2Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.

(3) 1Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. 2Für die weitere Haftprüfung ( § 117 Abs. 1 ) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. 3Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. 4In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.

(4) 1Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. 2Die Prüfung muss jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.

(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.

(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.

(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.

Zu § 122: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 122a StPO – Höchstdauer der Untersuchungshaft bei Wiederholungsgefahr

In den Fällen des § 121 Abs. 1 darf der Vollzug der Haft nicht länger als ein Jahr aufrechterhalten werden, wenn sie auf den Haftgrund des § 112a gestützt ist.

Zu § 122a: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 123 StPO – Aufhebung der Vollzugsaussetzung dienender Maßnahmen

(1) Eine Maßnahme, die der Aussetzung des Haftvollzugs dient ( § 116 ), ist aufzuheben, wenn

  1. 1.
    der Haftbefehl aufgehoben wird oder
  2. 2.
    die Untersuchungshaft oder die erkannte Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung vollzogen wird.

(2) Unter denselben Voraussetzungen wird eine noch nicht verfallene Sicherheit frei.

(3) Wer für den Beschuldigten Sicherheit geleistet hat, kann deren Freigabe dadurch erlangen, dass er entweder binnen einer vom Gericht zu bestimmenden Frist die Gestellung des Beschuldigten bewirkt oder die Tatsachen, die den Verdacht einer vom Beschuldigten beabsichtigten Flucht begründen, so rechtzeitig mitteilt, dass der Beschuldigte verhaftet werden kann.

Zu § 123: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 124 StPO – Verfall der geleisteten Sicherheit

(1) Eine noch nicht frei gewordene Sicherheit verfällt der Staatskasse, wenn der Beschuldigte sich der Untersuchung oder dem Antritt der erkannten Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung entzieht.

(2) 1Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte sowie derjenige, welcher für den Beschuldigten Sicherheit geleistet hat, zu einer Erklärung aufzufordern. 2Gegen die Entscheidung steht ihnen nur die sofortige Beschwerde zu. 3Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist ihnen und der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur mündlichen Begründung ihrer Anträge sowie zur Erörterung über durchgeführte Ermittlungen zu geben.

(3) Die den Verfall aussprechende Entscheidung hat gegen denjenigen, welcher für den Beschuldigten Sicherheit geleistet hat, die Wirkungen eines von dem Zivilrichter erlassenen, für vorläufig vollstreckbar erklärten Endurteils und nach Ablauf der Beschwerdefrist die Wirkungen eines rechtskräftigen Zivilendurteils.

Zu § 124: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 125 StPO – Zuständigkeit für den Erlass des Haftbefehls

(1) Vor Erhebung der öffentlichen Klage erlässt der Richter bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk ein Gerichtsstand begründet ist oder der Beschuldigte sich aufhält, auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder, wenn ein Staatsanwalt nicht erreichbar und Gefahr im Verzug ist, von Amts wegen den Haftbefehl.

(2) 1Nach Erhebung der öffentlichen Klage erlässt den Haftbefehl das Gericht, das mit der Sache befasst ist, und, wenn Revision eingelegt ist, das Gericht, dessen Urteil angefochten ist. 2In dringenden Fällen kann auch der Vorsitzende den Haftbefehl erlassen.

Zu § 125: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 126 StPO – Zuständigkeit für weitere gerichtliche Entscheidungen

(1) 1Vor Erhebung der öffentlichen Klage ist für die weiteren gerichtlichen Entscheidungen und Maßnahmen, die sich auf die Untersuchungshaft, die Aussetzung ihres Vollzugs ( § 116 ), ihre Vollstreckung ( § 116b ) sowie auf Anträge nach § 119a beziehen, das Gericht zuständig, das den Haftbefehl erlassen hat. 2Hat das Beschwerdegericht den Haftbefehl erlassen, so ist das Gericht zuständig, das die vorangegangene Entscheidung getroffen hat. 3Wird das vorbereitende Verfahren an einem anderen Ort geführt oder die Untersuchungshaft an einem anderen Ort vollzogen, so kann das Gericht seine Zuständigkeit auf Antrag der Staatsanwaltschaft auf das für diesen Ort zuständige Amtsgericht übertragen. 4Ist der Ort in mehrere Gerichtsbezirke geteilt, so bestimmt die Landesregierung durch Rechtsverordnung das zuständige Amtsgericht. 5Die Landesregierung kann diese Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltung übertragen.

(2) 1Nach Erhebung der öffentlichen Klage ist das Gericht zuständig, das mit der Sache befasst ist. 2Während des Revisionsverfahrens ist das Gericht zuständig, dessen Urteil angefochten ist. 3Einzelne Maßnahmen, insbesondere nach § 119 , ordnet der Vorsitzende an. 4In dringenden Fällen kann er auch den Haftbefehl aufheben oder den Vollzug aussetzen ( § 116 ), wenn die Staatsanwaltschaft zustimmt; andernfalls ist unverzüglich die Entscheidung des Gerichts herbeizuführen.

(3) Das Revisionsgericht kann den Haftbefehl aufheben, wenn es das angefochtene Urteil aufhebt und sich bei dieser Entscheidung ohne weiteres ergibt, dass die Voraussetzungen des § 120 Abs. 1 vorliegen.

(4) Die §§ 121  und  122 bleiben unberührt.

(5) 1Soweit nach den Gesetzen der Länder über den Vollzug der Untersuchungshaft eine Maßnahme der vorherigen gerichtlichen Anordnung oder der gerichtlichen Genehmigung bedarf, ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Maßnahme durchgeführt wird. 2Unterhält ein Land für den Vollzug der Untersuchungshaft eine Einrichtung auf dem Gebiet eines anderen Landes, können die beteiligten Länder vereinbaren, dass das Amtsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die für die Einrichtung zuständige Aufsichtsbehörde ihren Sitz hat. 3Für das Verfahren gilt § 121b des Strafvollzugsgesetzes entsprechend.

Zu § 126: Geändert durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2274), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 19. 6. 2019 (BGBl I S. 840).


§ 126a StPO – Einstweilige Unterbringung

(1) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit ( §§ 20 , 21 des Strafgesetzbuches ) begangen hat und dass seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet werden wird, so kann das Gericht durch Unterbringungsbefehl die einstweilige Unterbringung in einer dieser Anstalten anordnen, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert.

(2) 1Für die einstweilige Unterbringung gelten die §§ 114 bis 115a , 116 Abs. 3 und 4 , §§ 117 bis 119a , 123 , 125 und 126 entsprechend. 2Die §§ 121 , 122 gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass das Oberlandesgericht prüft, ob die Voraussetzungen der einstweiligen Unterbringung weiterhin vorliegen.

(3) 1Der Unterbringungsbefehl ist aufzuheben, wenn die Voraussetzungen der einstweiligen Unterbringung nicht mehr vorliegen oder wenn das Gericht im Urteil die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt nicht anordnet. 2Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung nicht aufgehalten werden. 3 § 120 Abs. 3 gilt entsprechend.

(4) Hat der Untergebrachte einen gesetzlichen Vertreter oder einen Bevollmächtigten im Sinne des § 1831 Absatz 5 und des § 1820 Absatz 2 Nummer 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches , so sind Entscheidungen nach Absatz 1 bis 3 auch diesem bekannt zu geben.

Zu § 126a: Geändert durch G vom 16. 7. 2007 (BGBl I S. 1327), 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2274), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 4. 5. 2021 (BGBl I S. 882).


§ 127 StPO – Vorläufige Festnahme

(1) 1Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen. 2Die Feststellung der Identität einer Person durch die Staatsanwaltschaft oder die Beamten des Polizeidienstes bestimmt sich nach § 163b Abs. 1 .

(2) Die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes sind bei Gefahr im Verzug auch dann zur vorläufigen Festnahme befugt, wenn die Voraussetzungen eines Haftbefehls oder eines Unterbringungsbefehls vorliegen.

(3) 1Ist eine Straftat nur auf Antrag verfolgbar, so ist die vorläufige Festnahme auch dann zulässig, wenn ein Antrag noch nicht gestellt ist. 2Dies gilt entsprechend, wenn eine Straftat nur mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgbar ist.

(4) Für die vorläufige Festnahme durch die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes gelten die §§ 114a bis 114c entsprechend.

Zu § 127: Geändert durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2274) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 127a StPO – Absehen von der Anordnung oder Aufrechterhaltung der vorläufigen Festnahme

(1) Hat der Beschuldigte im Geltungsbereich dieses Gesetzes keinen festen Wohnsitz oder Aufenthalt und liegen die Voraussetzungen eines Haftbefehls nur wegen Fluchtgefahr vor, so kann davon abgesehen werden, seine Festnahme anzuordnen oder aufrechtzuerhalten, wenn

  1. 1.
    nicht damit zu rechnen ist, dass wegen der Tat eine Freiheitsstrafe verhängt oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird und
  2. 2.
    der Beschuldigte eine angemessene Sicherheit für die zu erwartende Geldstrafe und die Kosten des Verfahrens leistet.

(2) § 116a Abs. 1 und 3 gilt entsprechend.

Zu § 127a: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 127b StPO – Vorläufige Festnahme und Haftbefehl bei beschleunigtem Verfahren

(1) 1Die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes sind zur vorläufigen Festnahme eines auf frischer Tat Betroffenen oder Verfolgten auch dann befugt, wenn

  1. 1.
    eine unverzügliche Entscheidung im beschleunigten Verfahren wahrscheinlich ist und
  2. 2.
    auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, dass der Festgenommene der Hauptverhandlung fernbleiben wird.

2Die §§ 114a bis 114c gelten entsprechend.

(2) 1Ein Haftbefehl ( § 128 Abs. 2 Satz 2 ) darf aus den Gründen des Absatzes 1 gegen den der Tat dringend Verdächtigen nur ergehen, wenn die Durchführung der Hauptverhandlung binnen einer Woche nach der Festnahme zu erwarten ist. 2Der Haftbefehl ist auf höchstens eine Woche ab dem Tag der Festnahme zu befristen.

(3) Über den Erlass des Haftbefehls soll der für die Durchführung des beschleunigten Verfahrens zuständige Richter entscheiden.

Zu § 127b: Eingefügt durch G vom 17. 7. 1997 (BGBl I S. 1822), geändert durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2274) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 128 StPO – Vorführung bei vorläufiger Festnahme

(1) 1Der Festgenommene ist, sofern er nicht wieder in Freiheit gesetzt wird, unverzüglich, spätestens am Tage nach der Festnahme, dem Richter bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk er festgenommen worden ist, vorzuführen. 2Der Richter vernimmt den Vorgeführten gemäß § 115 Abs. 3 .

(2) 1Hält der Richter die Festnahme nicht für gerechtfertigt oder ihre Gründe für beseitigt, so ordnet er die Freilassung an. 2Andernfalls erlässt er auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder, wenn ein Staatsanwalt nicht erreichbar ist, von Amts wegen einen Haftbefehl oder einen Unterbringungsbefehl. 3 § 115 Abs. 4 gilt entsprechend.

Zu § 128: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 129 StPO – Vorführung bei vorläufiger Festnahme nach Anklageerhebung

Ist gegen den Festgenommenen bereits die öffentliche Klage erhoben, so ist er entweder sofort oder auf Verfügung des Richters, dem er zunächst vorgeführt worden ist, dem zuständigen Gericht vorzuführen; dieses hat spätestens am Tage nach der Festnahme über Freilassung, Verhaftung oder einstweilige Unterbringung des Festgenommenen zu entscheiden.

Zu § 129: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 130 StPO – Haftbefehl vor Stellung eines Strafantrags

1Wird wegen Verdachts einer Straftat, die nur auf Antrag verfolgbar ist, ein Haftbefehl erlassen, bevor der Antrag gestellt ist, so ist der Antragsberechtigte, von mehreren wenigstens einer, sofort von dem Erlass des Haftbefehls in Kenntnis zu setzen und davon zu unterrichten, dass der Haftbefehl aufgehoben werden wird, wenn der Antrag nicht innerhalb einer vom Richter zu bestimmenden Frist, die eine Woche nicht überschreiten soll, gestellt wird. 2Wird innerhalb der Frist Strafantrag nicht gestellt, so ist der Haftbefehl aufzuheben. 3Dies gilt entsprechend, wenn eine Straftat nur mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgbar ist. 4 § 120 Abs. 3 ist anzuwenden.

Zu § 130: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§§ 1 - 150, Erstes Buch - Allgemeine Vorschriften
§§ 131 - 132, Abschnitt 9a - Weitere Maßnahmen zur Sicherstellung der Strafverfolgung und Strafvollstreckung

§ 131 StPO – Ausschreibung zur Festnahme

(1) Auf Grund eines Haftbefehls oder eines Unterbringungsbefehls können der Richter oder die Staatsanwaltschaft und, wenn Gefahr im Verzug ist, ihre Ermittlungspersonen ( § 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes ) die Ausschreibung zur Festnahme veranlassen.

(2) 1Liegen die Voraussetzungen eines Haftbefehls oder Unterbringungsbefehls vor, dessen Erlass nicht ohne Gefährdung des Fahndungserfolges abgewartet werden kann, so können die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen ( § 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes ) Maßnahmen nach Absatz 1 veranlassen, wenn dies zur vorläufigen Festnahme erforderlich ist. 2Die Entscheidung über den Erlass des Haft- oder Unterbringungsbefehls ist unverzüglich, spätestens binnen einer Woche herbeizuführen.

(3) 1Bei einer Straftat von erheblicher Bedeutung können in den Fällen der Absätze 1 und 2 der Richter und die Staatsanwaltschaft auch Öffentlichkeitsfahndungen veranlassen, wenn andere Formen der Aufenthaltsermittlung erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wären. 2Unter den gleichen Voraussetzungen steht diese Befugnis bei Gefahr im Verzug und wenn der Richter oder die Staatsanwaltschaft nicht rechtzeitig erreichbar ist auch den Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft ( § 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes ) zu. 3In den Fällen des Satzes 2 ist die Entscheidung der Staatsanwaltschaft unverzüglich herbeizuführen. 4Die Anordnung tritt außer Kraft, wenn diese Bestätigung nicht binnen 24 Stunden erfolgt.

(4) 1Der Beschuldigte ist möglichst genau zu bezeichnen und soweit erforderlich zu beschreiben; eine Abbildung darf beigefügt werden. 2Die Tat, derer er verdächtig ist, Ort und Zeit ihrer Begehung sowie Umstände, die für die Ergreifung von Bedeutung sein können, können angegeben werden.

(5) Die §§ 115 und 115a gelten entsprechend.

Zu § 131: Neugefasst durch G vom 2. 8. 2000 (BGBl I S. 1253), geändert durch G vom 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 131a StPO – Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung

(1) Die Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung eines Beschuldigten oder eines Zeugen darf angeordnet werden, wenn sein Aufenthalt nicht bekannt ist.

(2) Absatz 1 gilt auch für Ausschreibungen des Beschuldigten, soweit sie zur Sicherstellung eines Führerscheins, zur erkennungsdienstlichen Behandlung, zur Anfertigung einer DNA-Analyse oder zur Feststellung seiner Identität erforderlich sind.

(3) Auf Grund einer Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung eines Beschuldigten oder Zeugen darf bei einer Straftat von erheblicher Bedeutung auch eine Öffentlichkeitsfahndung angeordnet werden, wenn der Beschuldigte der Begehung der Straftat dringend verdächtig ist und die Aufenthaltsermittlung auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre.

(4) 1 § 131 Abs. 4 gilt entsprechend. 2Bei der Aufenthaltsermittlung eines Zeugen ist erkennbar zu machen, dass die gesuchte Person nicht Beschuldigter ist. 3Die Öffentlichkeitsfahndung nach einem Zeugen unterbleibt, wenn überwiegende schutzwürdige Interessen des Zeugen entgegenstehen. 4Abbildungen des Zeugen dürfen nur erfolgen, soweit die Aufenthaltsermittlung auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.

(5) Ausschreibungen nach den Absätzen 1 und 2 dürfen in allen Fahndungshilfsmitteln der Strafverfolgungsbehörden vorgenommen werden.

Zu § 131a: Eingefügt durch G vom 2. 8. 2000 (BGBl I S. 1253), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 131b StPO – Veröffentlichung von Abbildungen des Beschuldigten oder Zeugen

(1) Die Veröffentlichung von Abbildungen eines Beschuldigten, der einer Straftat von erheblicher Bedeutung verdächtig ist, ist auch zulässig, wenn die Aufklärung einer Straftat, insbesondere die Feststellung der Identität eines unbekannten Täters auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre.

(2) 1Die Veröffentlichung von Abbildungen eines Zeugen und Hinweise auf das der Veröffentlichung zu Grunde liegende Strafverfahren sind auch zulässig, wenn die Aufklärung einer Straftat von erheblicher Bedeutung, insbesondere die Feststellung der Identität des Zeugen, auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. 2Die Veröffentlichung muss erkennbar machen, dass die abgebildete Person nicht Beschuldigter ist.

(3) § 131 Abs. 4 Satz 1 erster Halbsatz und Satz 2 gilt entsprechend.

Zu § 131b: Eingefügt durch G vom 2. 8. 2000 (BGBl I S. 1253), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 131c StPO – Anordnung und Bestätigung von Fahndungsmaßnahmen

(1) 1Fahndungen nach § 131a Abs. 3 und § 131b dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen ( § 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes ) angeordnet werden. 2Fahndungen nach § 131a Abs. 1 und 2 bedürfen der Anordnung durch die Staatsanwaltschaft; bei Gefahr im Verzug dürfen sie auch durch ihre Ermittlungspersonen ( § 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes ) angeordnet werden.

(2) 1In Fällen andauernder Veröffentlichung in elektronischen Medien sowie bei wiederholter Veröffentlichung im Fernsehen oder in periodischen Druckwerken tritt die Anordnung der Staatsanwaltschaft und ihrer Ermittlungspersonen ( § 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes ) nach Absatz 1 Satz 1 außer Kraft, wenn sie nicht binnen einer Woche von dem Richter bestätigt wird. 2Im Übrigen treten Fahndungsanordnungen der Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft ( § 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes ) außer Kraft, wenn sie nicht binnen einer Woche von der Staatsanwaltschaft bestätigt werden.

Zu § 131c: Eingefügt durch G vom 2. 8. 2000 (BGBl I S. 1253), geändert durch G vom 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 132 StPO – Sicherheitsleistung, Zustellungsbevollmächtigter

(1) 1Hat der Beschuldigte, der einer Straftat dringend verdächtig ist, im Geltungsbereich dieses Gesetzes keinen festen Wohnsitz oder Aufenthalt, liegen aber die Voraussetzungen eines Haftbefehls nicht vor, so kann, um die Durchführung des Strafverfahrens sicherzustellen, angeordnet werden, dass der Beschuldigte

  1. 1.
    eine angemessene Sicherheit für die zu erwartende Geldstrafe und die Kosten des Verfahrens leistet und
  2. 2.
    eine im Bezirk des zuständigen Gerichts wohnende Person zum Empfang von Zustellungen bevollmächtigt.

2 § 116a Abs. 1 gilt entsprechend.

(2) Die Anordnung dürfen nur der Richter, bei Gefahr im Verzuge auch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen ( § 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes ) treffen.

(3) 1Befolgt der Beschuldigte die Anordnung nicht, so können Beförderungsmittel und andere Sachen, die der Beschuldigte mit sich führt und die ihm gehören, beschlagnahmt werden. 2Die §§ 94 und 98 gelten entsprechend.

Zu § 132: Geändert durch G vom 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§§ 1 - 150, Erstes Buch - Allgemeine Vorschriften
§ 132a, Abschnitt 9b - Vorläufiges Berufsverbot

§ 132a StPO – Anordnung und Aufhebung eines vorläufigen Berufsverbots

(1) 1Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass ein Berufsverbot angeordnet werden wird ( § 70 des Strafgesetzbuches ), so kann der Richter dem Beschuldigten durch Beschluss die Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges vorläufig verbieten. 2 § 70 Abs. 3 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

(2) Das vorläufige Berufsverbot ist aufzuheben, wenn sein Grund weggefallen ist oder wenn das Gericht im Urteil das Berufsverbot nicht anordnet.

Zu § 132a: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§§ 1 - 150, Erstes Buch - Allgemeine Vorschriften
§§ 133 - 136a, Zehnter Abschnitt - Vernehmung des Beschuldigten

§ 133 StPO – Ladung

(1) Der Beschuldigte ist zur Vernehmung schriftlich zu laden.

(2) Die Ladung kann unter der Androhung geschehen, dass im Falle des Ausbleibens seine Vorführung erfolgen werde.

Zu § 133: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 134 StPO – Vorführung

(1) Die sofortige Vorführung des Beschuldigten kann verfügt werden, wenn Gründe vorliegen, die den Erlass eines Haftbefehls rechtfertigen würden.

(2) In dem Vorführungsbefehl ist der Beschuldigte genau zu bezeichnen und die ihm zur Last gelegte Straftat sowie der Grund der Vorführung anzugeben.

Zu § 134: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 135 StPO – Sofortige Vernehmung

1Der Beschuldigte ist unverzüglich dem Richter vorzuführen und von diesem zu vernehmen. 2Er darf auf Grund des Vorführungsbefehls nicht länger fest gehalten werden als bis zum Ende des Tages, der dem Beginn der Vorführung folgt.

Zu § 135: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 136 StPO – Vernehmung

(1) 1Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. 2Er ist darauf hinzuweisen, dass es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. 3Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. 4Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen. 5Er ist ferner darüber zu belehren, dass er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und unter den Voraussetzungen des § 140 die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann; zu Letzterem ist er dabei auf die Kostenfolge des § 465 hinzuweisen. 6In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf, dass er sich schriftlich äußern kann, sowie auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen werden.

(2) Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.

(3) Bei der Vernehmung des Beschuldigten ist zugleich auf die Ermittlung seiner persönlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen.

(4) 1Die Vernehmung des Beschuldigten kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden. 2Sie ist aufzuzeichnen, wenn

  1. 1.

    dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen oder

  2. 2.

    die schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden, durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können.

3 § 58a Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) § 58b gilt entsprechend.

Zu § 136: Geändert durch G vom 24. 6. 2004 (BGBl I S. 1354), 2. 7. 2013 (BGBl I S. 1938), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202), 27. 8. 2017 (BGBl I S. 3295), 9. 12. 2019 (BGBl I S. 2146), 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2128) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099). Die Änderung durch G vom 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202) ist gegenstandslos.


§ 136a StPO – Verbotene Vernehmungsmethoden; Beweisverwertungsverbote

(1) 1Die Freiheit der Willensentschließung und der Willensbetätigung des Beschuldigten darf nicht beeinträchtigt werden durch Misshandlung, durch Ermüdung, durch körperlichen Eingriff, durch Verabreichung von Mitteln, durch Quälerei, durch Täuschung oder durch Hypnose. 2Zwang darf nur angewandt werden, soweit das Strafverfahrensrecht dies zulässt. 3Die Drohung mit einer nach seinen Vorschriften unzulässigen Maßnahme und das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils sind verboten.

(2) Maßnahmen, die das Erinnerungsvermögen oder die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten beeinträchtigen, sind nicht gestattet.

(3) 1Das Verbot der Absätze 1 und 2 gilt ohne Rücksicht auf die Einwilligung des Beschuldigten. 2Aussagen, die unter Verletzung dieses Verbots zu Stande gekommen sind, dürfen auch dann nicht verwertet werden, wenn der Beschuldigte der Verwertung zustimmt.

Zu § 136a: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§§ 1 - 150, Erstes Buch - Allgemeine Vorschriften
§§ 137 - 150, Elfter Abschnitt - Verteidigung

§ 137 StPO – Recht des Beschuldigten auf Hinzuziehung eines Verteidigers

(1) 1Der Beschuldigte kann sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers bedienen. 2Die Zahl der gewählten Verteidiger darf drei nicht übersteigen.

(2) 1Hat der Beschuldigte einen gesetzlichen Vertreter, so kann auch dieser selbstständig einen Verteidiger wählen. 2Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.

Zu § 137: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 138 StPO – Wahlverteidiger

(1) Zu Verteidigern können Rechtsanwälte sowie die Rechtslehrer an deutschen Hochschulen im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt gewählt werden.

(2) 1Andere Personen können nur mit Genehmigung des Gerichts gewählt werden. 2Gehört die gewählte Person im Fall der notwendigen Verteidigung nicht zu den Personen, die zu Verteidigern bestellt werden dürfen, kann sie zudem nur in Gemeinschaft mit einer solchen als Wahlverteidiger zugelassen werden.

(3) Können sich Zeugen, Privatkläger, Nebenkläger, Nebenklagebefugte und Verletzte eines Rechtsanwalts als Beistand bedienen oder sich durch einen solchen vertreten lassen, können sie nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 Satz 1 auch die übrigen dort genannten Personen wählen.

Zu § 138: Geändert durch G vom 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198), 26. 3. 2007 (BGBl I S. 358), 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2280) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 138a StPO – Ausschließung des Verteidigers

(1) Ein Verteidiger ist von der Mitwirkung in einem Verfahren auszuschließen, wenn er dringend oder in einem die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Grade verdächtig ist, dass er

  1. 1.
    an der Tat, die den Gegenstand der Untersuchung bildet, beteiligt ist,
  2. 2.
    den Verkehr mit dem nicht auf freiem Fuß befindlichen Beschuldigten dazu missbraucht, Straftaten zu begehen oder die Sicherheit einer Vollzugsanstalt erheblich zu gefährden, oder
  3. 3.
    eine Handlung begangen hat, die für den Fall der Verurteilung des Beschuldigten Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei wäre.

(2) Von der Mitwirkung in einem Verfahren, das eine Straftat nach § 129a , auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, des Strafgesetzbuches zum Gegenstand hat, ist ein Verteidiger auch auszuschließen, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass er eine der in Absatz 1 Nr. 1 und 2 bezeichneten Handlungen begangen hat oder begeht.

(3) 1Die Ausschließung ist aufzuheben,

  1. 1.
    sobald ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, jedoch nicht allein deshalb, weil der Beschuldigte auf freien Fuß gesetzt worden ist,
  2. 2.
    wenn der Verteidiger in einem wegen des Sachverhalts, der zur Ausschließung geführt hat, eröffneten Hauptverfahren freigesprochen oder wenn in einem Urteil des Ehren- oder Berufsgerichts eine schuldhafte Verletzung der Berufspflichten im Hinblick auf diesen Sachverhalt nicht festgestellt wird,
  3. 3.
    wenn nicht spätestens ein Jahr nach der Ausschließung wegen des Sachverhalts, der zur Ausschließung geführt hat, das Hauptverfahren im Strafverfahren oder im ehren- oder berufsgerichtlichen Verfahren eröffnet oder ein Strafbefehl erlassen worden ist.

2Eine Ausschließung, die nach Nummer 3 aufzuheben ist, kann befristet, längstens jedoch insgesamt für die Dauer eines weiteren Jahres, aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Sache oder ein anderer wichtiger Grund die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens noch nicht zulässt.

(4) 1Solange ein Verteidiger ausgeschlossen ist, kann er den Beschuldigten auch in anderen gesetzlich geordneten Verfahren nicht verteidigen. 2In sonstigen Angelegenheiten darf er den Beschuldigten, der sich nicht auf freiem Fuß befindet, nicht aufsuchen.

(5) 1Andere Beschuldigte kann ein Verteidiger, solange er ausgeschlossen ist, in demselben Verfahren nicht verteidigen, in anderen Verfahren dann nicht, wenn diese eine Straftat nach § 129a , auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, des Strafgesetzbuches zum Gegenstand haben und die Ausschließung in einem Verfahren erfolgt ist, das ebenfalls eine solche Straftat zum Gegenstand hat. 2Absatz 4 gilt entsprechend.

Zu § 138a: Geändert durch G vom 22. 8. 2002 (BGBl I S. 3390), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 10. 12. 2015 (BGBl I S. 2218).


§ 138b StPO – Ausschließung bei Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland

1Von der Mitwirkung in einem Verfahren, das eine der in § 74a Abs. 1 Nr. 3 und § 120 Abs. 1 Nr. 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Straftaten oder die Nichterfüllung der Pflichten nach § 138 des Strafgesetzbuches hinsichtlich der Straftaten des Landesverrates oder einer Gefährdung der äußeren Sicherheit nach den §§ 94 bis 96 , 97a und 100 des Strafgesetzbuches zum Gegenstand hat, ist ein Verteidiger auch dann auszuschließen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme begründet ist, dass seine Mitwirkung eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführen würde. 2 § 138a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend.

Zu § 138b: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 138c StPO – Zuständigkeit für die Ausschließungsentscheidung

(1) 1Die Entscheidungen nach den §§ 138a und 138b trifft das Oberlandesgericht. 2Werden im vorbereitenden Verfahren die Ermittlungen vom Generalbundesanwalt geführt oder ist das Verfahren vor dem Bundesgerichtshof anhängig, so entscheidet der Bundesgerichtshof. 3Ist das Verfahren vor einem Senat eines Oberlandesgerichtes oder des Bundesgerichtshofes anhängig, so entscheidet ein anderer Senat.

(2) 1Das nach Absatz 1 zuständige Gericht entscheidet nach Erhebung der öffentlichen Klage bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens auf Vorlage des Gerichts, bei dem das Verfahren anhängig ist, sonst auf Antrag der Staatsanwaltschaft. 2Die Vorlage erfolgt auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder von Amts wegen durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft. 3Soll ein Verteidiger ausgeschlossen werden, der Mitglied einer Rechtsanwaltskammer ist, so ist eine Abschrift des Antrages der Staatsanwaltschaft nach Satz 1 oder die Vorlage des Gerichts dem Vorstand der zuständigen Rechtsanwaltskammer mitzuteilen. 4Dieser kann sich im Verfahren äußern.

(3) 1Das Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, kann anordnen, dass die Rechte des Verteidigers aus den §§ 147 und 148 bis zur Entscheidung des nach Absatz 1 zuständigen Gerichts über die Ausschließung ruhen; es kann das Ruhen dieser Rechte auch für die in § 138a Abs. 4 und 5 bezeichneten Fälle anordnen. 2Vor Erhebung der öffentlichen Klage und nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens trifft die Anordnung nach Satz 1 das Gericht, das über die Ausschließung des Verteidigers zu entscheiden hat. 3Die Anordnung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. 4Für die Dauer der Anordnung hat das Gericht zur Wahrnehmung der Rechte aus den §§ 147 und 148 einen anderen Verteidiger zu bestellen. 5 § 142 Absatz 5 bis 7 gilt entsprechend.

(4) 1Legt das Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, gemäß Absatz 2 während der Hauptverhandlung vor, so hat es zugleich mit der Vorlage die Hauptverhandlung bis zur Entscheidung durch das nach Absatz 1 zuständige Gericht zu unterbrechen oder auszusetzen. 2Die Hauptverhandlung kann bis zu dreißig Tagen unterbrochen werden.

(5) 1Scheidet der Verteidiger aus eigenem Entschluss oder auf Veranlassung des Beschuldigten von der Mitwirkung in einem Verfahren aus, nachdem gemäß Absatz 2 der Antrag auf Ausschließung gegen ihn gestellt oder die Sache dem zur Entscheidung zuständigen Gericht vorgelegt worden ist, so kann dieses Gericht das Ausschließungsverfahren weiterführen mit dem Ziel der Feststellung, ob die Mitwirkung des ausgeschiedenen Verteidigers in dem Verfahren zulässig ist. 2Die Feststellung der Unzulässigkeit steht im Sinne der §§ 138a , 138b , 138d der Ausschließung gleich.

(6) 1Ist der Verteidiger von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen worden, so können ihm die durch die Aussetzung verursachten Kosten auferlegt werden. 2Die Entscheidung hierüber trifft das Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist.

Zu § 138c: Geändert durch G vom 31. 8. 1998 (BGBl I S. 2585), 24. 6. 2004 (BGBl I S. 1354), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2128).


§ 138d StPO – Verfahren bei Ausschließung des Verteidigers

(1) Über die Ausschließung des Verteidigers wird nach mündlicher Verhandlung entschieden.

(2) 1Der Verteidiger ist zu dem Termin der mündlichen Verhandlung zu laden. 2Die Ladungsfrist beträgt eine Woche; sie kann auf drei Tage verkürzt werden. 3Die Staatsanwaltschaft, der Beschuldigte und in den Fällen des § 138c Abs. 2 Satz 3 der Vorstand der Rechtsanwaltskammer sind von dem Termin zur mündlichen Verhandlung zu benachrichtigen.

(3) Die mündliche Verhandlung kann ohne den Verteidiger durchgeführt werden, wenn er ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass in seiner Abwesenheit verhandelt werden kann.

(4) 1In der mündlichen Verhandlung sind die anwesenden Beteiligten zu hören. 2Für die Anhörung des Vorstands der Rechtsanwaltskammer gilt § 247a Absatz 2 Satz 1 und 3 entsprechend. 3Den Umfang der Beweisaufnahme bestimmt das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen. 4Über die Verhandlung ist ein Protokoll aufzunehmen; die §§ 271 bis 273 gelten entsprechend.

(5) 1Die Entscheidung ist am Schluss der mündlichen Verhandlung zu verkünden. 2Ist dies nicht möglich, so ist die Entscheidung spätestens binnen einer Woche zu erlassen.

(6) 1Gegen die Entscheidung, durch die ein Verteidiger aus den in § 138a genannten Gründen ausgeschlossen wird oder die einen Fall des § 138b betrifft, ist sofortige Beschwerde zulässig. 2Dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer steht ein Beschwerderecht nicht zu. 3Eine die Ausschließung des Verteidigers nach § 138a ablehnende Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Zu § 138d: Geändert durch G vom 25. 4. 2013 (BGBl I S. 935), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 139 StPO – Übertragung der Verteidigung auf einen Referendar

Der als Verteidiger gewählte Rechtsanwalt kann mit Zustimmung dessen, der ihn gewählt hat, die Verteidigung einem Rechtskundigen, der die erste Prüfung für den Justizdienst bestanden hat und darin seit mindestens einem Jahr und drei Monaten beschäftigt ist, übertragen.

Zu § 139: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 140 StPO – Notwendige Verteidigung

(1) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn

  1. 1.

    zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet;

  2. 2.

    dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird;

  3. 3.

    das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann;

  4. 4.

    der Beschuldigte nach den §§ 115 , 115a , 128 Absatz 1 oder § 129 einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorzuführen ist;

  5. 5.

    der Beschuldigte sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet;

  6. 6.

    zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten seine Unterbringung nach § 81 in Frage kommt;

  7. 7.

    zu erwarten ist, dass ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird;

  8. 8.

    der bisherige Verteidiger durch eine Entscheidung von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen ist;

  9. 9.

    dem Verletzten nach den §§ 397a und 406h Absatz 3 und 4 ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist;

  10. 10.

    bei einer richterlichen Vernehmung die Mitwirkung eines Verteidigers auf Grund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint;

  11. 11.

    ein seh-, hör- oder sprachbehinderter Beschuldigter die Bestellung beantragt.

(2) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt auch vor, wenn wegen der Schwere der Tat, der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann.

Zu § 140: Geändert durch G vom 17. 5. 1988 (BGBl I S. 606), 23. 7. 2002 (BGBl I S. 2850), 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2274), 22. 12. 2010 (BGBl I S. 2300), 26. 6. 2013 (BGBl I S. 1805), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 21. 12. 2015 (BGBl I S. 2525) und 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2128).


§ 141 StPO – Zeitpunkt der Bestellung eines Pflichtverteidigers

(1) 1In den Fällen der notwendigen Verteidigung wird dem Beschuldigten, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist und der noch keinen Verteidiger hat, unverzüglich ein Pflichtverteidiger bestellt, wenn der Beschuldigte dies nach Belehrung ausdrücklich beantragt. 2Über den Antrag ist spätestens vor einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung mit ihm zu entscheiden.

(2) 1Unabhängig von einem Antrag wird dem Beschuldigten, der noch keinen Verteidiger hat, in den Fällen der notwendigen Verteidigung ein Pflichtverteidiger bestellt, sobald

  1. 1.

    er einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorgeführt werden soll;

  2. 2.

    bekannt wird, dass der Beschuldigte, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist, sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet;

  3. 3.

    im Vorverfahren ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte, insbesondere bei einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung mit ihm, nicht selbst verteidigen kann, oder

  4. 4.

    er gemäß § 201 zur Erklärung über die Anklageschrift aufgefordert worden ist; ergibt sich erst später, dass die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig ist, so wird er sofort bestellt.

2Erfolgt die Vorführung in den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 zur Entscheidung über den Erlass eines Haftbefehls nach § 127b Absatz 2 oder über die Vollstreckung eines Haftbefehls gemäß § 230 Absatz 2 oder § 329 Absatz 3 , so wird ein Pflichtverteidiger nur bestellt, wenn der Beschuldigte dies nach Belehrung ausdrücklich beantragt. 3In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 kann die Bestellung unterbleiben, wenn beabsichtigt ist, das Verfahren alsbald einzustellen und keine anderen Untersuchungshandlungen als die Einholung von Registerauskünften oder die Beiziehung von Urteilen oder Akten vorgenommen werden sollen.

Zu § 141: Neugefasst durch G vom 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2128).


§ 141a StPO – Vernehmungen und Gegenüberstellungen vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers

1Im Vorverfahren dürfen Vernehmungen des Beschuldigten oder Gegenüberstellungen mit dem Beschuldigten vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers abweichend von § 141 Absatz 2 und, wenn der Beschuldigte hiermit ausdrücklich einverstanden ist, auch abweichend von § 141 Absatz 1 durchgeführt werden, soweit dies

  1. 1.

    zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben oder für die Freiheit einer Person dringend erforderlich ist oder

  2. 2.

    zur Abwendung einer erheblichen Gefährdung eines Strafverfahrens zwingend geboten ist.

2Das Recht des Beschuldigten, jederzeit, auch schon vor der Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen, bleibt unberührt.

Zu § 141a: Eingefügt durch G vom 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2128).


§ 142 StPO – Zuständigkeit und Bestellungsverfahren

(1) 1Der Antrag des Beschuldigten nach § 141 Absatz 1 Satz 1 ist vor Erhebung der Anklage bei den Behörden oder Beamten des Polizeidienstes oder bei der Staatsanwaltschaft anzubringen. 2Die Staatsanwaltschaft legt ihn mit einer Stellungnahme unverzüglich dem Gericht zur Entscheidung vor, sofern sie nicht nach Absatz 4 verfährt. 3Nach Erhebung der Anklage ist der Antrag des Beschuldigten bei dem nach Absatz 3 Nummer 3 zuständigen Gericht anzubringen.

(2) Ist dem Beschuldigten im Vorverfahren ein Pflichtverteidiger gemäß § 141 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3 zu bestellen, so stellt die Staatsanwaltschaft unverzüglich den Antrag, dem Beschuldigten einen Pflichtverteidiger zu bestellen, sofern sie nicht nach Absatz 4 verfährt.

(3) Über die Bestellung entscheidet

  1. 1.

    das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Staatsanwaltschaft oder ihre zuständige Zweigstelle ihren Sitz hat, oder das nach § 162 Absatz 1 Satz 3 zuständige Gericht;

  2. 2.

    in den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 4 das Gericht, dem der Beschuldigte vorzuführen ist;

  3. 3.

    nach Erhebung der Anklage der Vorsitzende des Gerichts, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(4) 1Bei besonderer Eilbedürftigkeit kann auch die Staatsanwaltschaft über die Bestellung entscheiden. 2Sie beantragt unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach ihrer Entscheidung, die gerichtliche Bestätigung der Bestellung oder der Ablehnung des Antrags des Beschuldigten. 3Der Beschuldigte kann jederzeit die gerichtliche Entscheidung beantragen.

(5) 1Vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers ist dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Verteidiger zu bezeichnen. 2 § 136 Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend. 3Ein von dem Beschuldigten innerhalb der Frist bezeichneter Verteidiger ist zu bestellen, wenn dem kein wichtiger Grund entgegensteht; ein wichtiger Grund liegt auch vor, wenn der Verteidiger nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung steht.

(6) 1Wird dem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger bestellt, den er nicht bezeichnet hat, ist er aus dem Gesamtverzeichnis der Bundesrechtsanwaltskammer ( § 31 der Bundesrechtsanwaltsordnung ) auszuwählen. 2Dabei soll aus den dort eingetragenen Rechtsanwälten entweder ein Fachanwalt für Strafrecht oder ein anderer Rechtsanwalt, der gegenüber der Rechtsanwaltskammer sein Interesse an der Übernahme von Pflichtverteidigungen angezeigt hat und für die Übernahme der Verteidigung geeignet ist, ausgewählt werden.

(7) 1Gerichtliche Entscheidungen über die Bestellung eines Pflichtverteidigers sind mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. 2Sie ist ausgeschlossen, wenn der Beschuldigte einen Antrag nach § 143a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 stellen kann.

Zu § 142: Neugefasst durch G vom 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2128).


§ 143 StPO – Dauer und Aufhebung der Bestellung

(1) Die Bestellung des Pflichtverteidigers endet mit der Einstellung oder dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens einschließlich eines Verfahrens nach den §§ 423  oder  460 .

(2) 1Die Bestellung kann aufgehoben werden, wenn kein Fall notwendiger Verteidigung mehr vorliegt. 2In den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 5 gilt dies nur, wenn der Beschuldigte mindestens zwei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung aus der Anstalt entlassen wird. 3Beruht der Freiheitsentzug in den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 5 auf einem Haftbefehl gemäß § 127b Absatz 2 , § 230 Absatz 2 oder § 329 Absatz 3 , soll die Bestellung mit der Aufhebung oder Außervollzugsetzung des Haftbefehls, spätestens zum Schluss der Hauptverhandlung, aufgehoben werden. 4In den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 4 soll die Bestellung mit dem Ende der Vorführung aufgehoben werden, falls der Beschuldigte auf freien Fuß gesetzt wird.

(3) Beschlüsse nach Absatz 2 sind mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar.

Zu § 143: Neugefasst durch G vom 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2128).


§ 143a StPO – Verteidigerwechsel

(1) 1Die Bestellung des Pflichtverteidigers ist aufzuheben, wenn der Beschuldigte einen anderen Verteidiger gewählt und dieser die Wahl angenommen hat. 2Dies gilt nicht, wenn zu besorgen ist, dass der neue Verteidiger das Mandat demnächst niederlegen und seine Beiordnung als Pflichtverteidiger beantragen wird, oder soweit die Aufrechterhaltung der Bestellung aus den Gründen des § 144 erforderlich ist.

(2) 1Die Bestellung des Pflichtverteidigers ist aufzuheben und ein neuer Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn

  1. 1.

    der Beschuldigte, dem ein anderer als der von ihm innerhalb der nach § 142 Absatz 5 Satz 1 bestimmten Frist bezeichnete Verteidiger beigeordnet wurde oder dem zur Auswahl des Verteidigers nur eine kurze Frist gesetzt wurde, innerhalb von drei Wochen nach Bekanntmachung der gerichtlichen Entscheidung über die Bestellung beantragt, ihm einen anderen von ihm bezeichneten Verteidiger zu bestellen, und dem kein wichtiger Grund entgegensteht;

  2. 2.

    der anlässlich einer Vorführung vor den nächsten Richter gemäß § 115a bestellte Pflichtverteidiger die Aufhebung seiner Beiordnung aus wichtigem Grund, insbesondere wegen unzumutbarer Entfernung zum künftigen Aufenthaltsort des Beschuldigten, beantragt; der Antrag ist unverzüglich zu stellen, nachdem das Verfahren gemäß § 115a beendet ist; oder

  3. 3.

    das Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Beschuldigtem endgültig zerstört ist oder aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Beschuldigten gewährleistet ist.

2In den Fällen der Nummern 2 und 3 gilt § 142 Absatz 5  und  6 entsprechend.

(3) 1Für die Revisionsinstanz ist die Bestellung des bisherigen Pflichtverteidigers aufzuheben und dem Beschuldigten ein neuer, von ihm bezeichneter Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn er dies spätestens binnen einer Woche nach Beginn der Revisionsbegründungsfrist beantragt und der Bestellung des bezeichneten Verteidigers kein wichtiger Grund entgegensteht. 2Der Antrag ist bei dem Gericht zu stellen, dessen Urteil angefochten wird.

(4) Beschlüsse nach den Absätzen 1 bis 3 sind mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar.

Zu § 143a: Eingefügt durch G vom 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2128).


§ 144 StPO – Zusätzliche Pflichtverteidiger

(1) In den Fällen der notwendigen Verteidigung können dem Beschuldigten zu seinem gewählten oder einem gemäß § 141 bestellten Verteidiger bis zu zwei Pflichtverteidiger zusätzlich bestellt werden, wenn dies zur Sicherung der zügigen Durchführung des Verfahrens, insbesondere wegen dessen Umfang oder Schwierigkeit, erforderlich ist.

(2) 1Die Bestellung eines zusätzlichen Verteidigers ist aufzuheben, sobald seine Mitwirkung zur zügigen Durchführung des Verfahrens nicht mehr erforderlich ist. 2 § 142 Absatz 5 bis 7 Satz 1 gilt entsprechend.

Zu § 144: Neugefasst durch G vom 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2128).


§ 145 StPO – Ausbleiben oder Weigerung des Pflichtverteidigers

(1) 1Wenn in einem Falle, in dem die Verteidigung notwendig ist, der Verteidiger in der Hauptverhandlung ausbleibt, sich unzeitig entfernt oder sich weigert, die Verteidigung zu führen, so hat der Vorsitzende dem Angeklagten sogleich einen anderen Verteidiger zu bestellen. 2Das Gericht kann jedoch auch eine Aussetzung der Verhandlung beschließen.

(2) Wird der notwendige Verteidiger erst im Laufe der Hauptverhandlung bestellt, so kann das Gericht eine Aussetzung der Verhandlung beschließen.

(3) Erklärt der neu bestellte Verteidiger, dass ihm die zur Vorbereitung der Verteidigung erforderliche Zeit nicht verbleiben würde, so ist die Verhandlung zu unterbrechen oder auszusetzen.

(4) Wird durch die Schuld des Verteidigers eine Aussetzung erforderlich, so sind ihm die hierdurch verursachten Kosten aufzuerlegen.

Zu § 145: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2128).


§ 145a StPO – Zustellungen an den Verteidiger

(1) 1Der gewählte Verteidiger, dessen Bevollmächtigung nachgewiesen ist, sowie der bestellte Verteidiger gelten als ermächtigt, Zustellungen und sonstige Mitteilungen für den Beschuldigten in Empfang zu nehmen. 2Zum Nachweis der Bevollmächtigung genügt die Übermittlung einer Kopie der Vollmacht durch den Verteidiger. 3Die Nachreichung der Vollmacht im Original kann verlangt werden; hierfür kann eine Frist bestimmt werden.

(2) 1Eine Ladung des Beschuldigten darf an den Verteidiger nur zugestellt werden, wenn er in seiner nachgewiesenen Vollmacht ausdrücklich zur Empfangnahme von Ladungen ermächtigt ist. 2 § 116a Abs. 3 bleibt unberührt.

(3) 1Wird eine Entscheidung dem Verteidiger nach Absatz 1 zugestellt, so wird der Beschuldigte hiervon unterrichtet; zugleich erhält er formlos eine Abschrift der Entscheidung. 2Wird eine Entscheidung dem Beschuldigten zugestellt, so wird der Verteidiger hiervon zugleich unterrichtet, auch wenn eine Vollmacht bei den Akten nicht vorliegt; dabei erhält er formlos eine Abschrift der Entscheidung.

Zu § 145a: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 146 StPO – Verbot der Mehrfachverteidigung

1Ein Verteidiger kann nicht gleichzeitig mehrere derselben Tat Beschuldigte verteidigen. 2In einem Verfahren kann er auch nicht gleichzeitig mehrere verschiedener Taten Beschuldigte verteidigen.

Zu § 146: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 146a StPO – Zurückweisung eines Wahlverteidigers

(1) 1Ist jemand als Verteidiger gewählt worden, obwohl die Voraussetzungen des § 137 Abs. 1 Satz 2 oder des § 146 vorliegen, so ist er als Verteidiger zurückzuweisen, sobald dies erkennbar wird; Gleiches gilt, wenn die Voraussetzungen des § 146 nach der Wahl eintreten. 2Zeigen in den Fällen des § 137 Abs. 1 Satz 2 mehrere Verteidiger gleichzeitig ihre Wahl an und wird dadurch die Höchstzahl der wählbaren Verteidiger überschritten, so sind sie alle zurückzuweisen. 3Über die Zurückweisung entscheidet das Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist oder das für das Hauptverfahren zuständig wäre.

(2) Handlungen, die ein Verteidiger vor der Zurückweisung vorgenommen hat, sind nicht deshalb unwirksam, weil die Voraussetzungen des § 137 Abs. 1 Satz 2 oder des § 146 vorlagen.

Zu § 146a: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 147 StPO – Akteneinsichtsrecht, Besichtigungsrecht; Auskunftsrecht des Beschuldigten

(1) Der Verteidiger ist befugt, die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der Anklage vorzulegen wären, einzusehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen.

(2) 1Ist der Abschluss der Ermittlungen noch nicht in den Akten vermerkt, kann dem Verteidiger die Einsicht in die Akten oder einzelne Aktenteile sowie die Besichtigung von amtlich verwahrten Beweisgegenständen versagt werden, soweit dies den Untersuchungszweck gefährden kann. 2Liegen die Voraussetzungen von Satz 1 vor und befindet sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft oder ist diese im Fall der vorläufigen Festnahme beantragt, sind dem Verteidiger die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung wesentlichen Informationen in geeigneter Weise zugänglich zu machen; in der Regel ist insoweit Akteneinsicht zu gewähren.

(3) Die Einsicht in die Protokolle über die Vernehmung des Beschuldigten und über solche richterlichen Untersuchungshandlungen, bei denen dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet worden ist oder hätte gestattet werden müssen, sowie in die Gutachten von Sachverständigen darf dem Verteidiger in keiner Lage des Verfahrens versagt werden.

(4) 1Der Beschuldigte, der keinen Verteidiger hat, ist in entsprechender Anwendung der Absätze 1 bis 3 befugt, die Akten einzusehen und unter Aufsicht amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen, soweit der Untersuchungszweck auch in einem anderen Strafverfahren nicht gefährdet werden kann und überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter nicht entgegenstehen. 2Werden die Akten nicht elektronisch geführt, können ihm an Stelle der Einsichtnahme in die Akten Kopien aus den Akten bereitgestellt werden.

(5) 1Über die Gewährung der Akteneinsicht entscheidet im vorbereitenden Verfahren und nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens die Staatsanwaltschaft, im Übrigen der Vorsitzende des mit der Sache befassten Gerichts. 2Versagt die Staatsanwaltschaft die Akteneinsicht, nachdem sie den Abschluss der Ermittlungen in den Akten vermerkt hat, versagt sie die Einsicht nach Absatz 3 oder befindet sich der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß, so kann gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 zuständige Gericht beantragt werden. 3Die §§ 297 bis 300 , 302 , 306 bis 309 , 311a  und  473a gelten entsprechend. 4Diese Entscheidungen werden nicht mit Gründen versehen, soweit durch deren Offenlegung der Untersuchungszweck gefährdet werden könnte.

(6) 1Ist der Grund für die Versagung der Akteneinsicht nicht vorher entfallen, so hebt die Staatsanwaltschaft die Anordnung spätestens mit dem Abschluss der Ermittlungen auf. 2Dem Verteidiger oder dem Beschuldigten, der keinen Verteidiger hat, ist Mitteilung zu machen, sobald das Recht zur Akteneinsicht wieder uneingeschränkt besteht.

Zu § 147: Geändert durch G vom 2. 8. 2000 (BGBl I S. 1253), 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2274), 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2280), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208).


§ 148 StPO – Kommunikation des Beschuldigten mit dem Verteidiger

(1) Dem Beschuldigten ist, auch wenn er sich nicht auf freiem Fuß befindet, schriftlicher und mündlicher Verkehr mit dem Verteidiger gestattet.

(2) 1Ist ein nicht auf freiem Fuß befindlicher Beschuldigter einer Tat nach § 129a , auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, des Strafgesetzbuches dringend verdächtig, soll das Gericht anordnen, dass im Verkehr mit Verteidigern Schriftstücke und andere Gegenstände zurückzuweisen sind, sofern sich der Absender nicht damit einverstanden erklärt, dass sie zunächst dem nach § 148a zuständigen Gericht vorgelegt werden. 2Besteht kein Haftbefehl wegen einer Straftat nach § 129a , auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, des Strafgesetzbuches , trifft die Entscheidung das Gericht, das für den Erlass eines Haftbefehls zuständig wäre. 3Ist der schriftliche Verkehr nach Satz 1 zu überwachen, sind für Gespräche mit Verteidigern Vorrichtungen vorzusehen, die die Übergabe von Schriftstücken und anderen Gegenständen ausschließen.

Zu § 148: Geändert durch G vom 22. 8. 2002 (BGBl I S. 3390), 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2274) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 148a StPO – Durchführung von Überwachungsmaßnahmen

(1) 1Für die Durchführung von Überwachungsmaßnahmen nach § 148 Abs. 2 ist der Richter bei dem Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Vollzugsanstalt liegt. 2Ist eine Anzeige nach § 138 des Strafgesetzbuches zu erstatten, so sind Schriftstücke oder andere Gegenstände, aus denen sich die Verpflichtung zur Anzeige ergibt, vorläufig in Verwahrung zu nehmen; die Vorschriften über die Beschlagnahme bleiben unberührt.

(2) 1Der Richter, der mit Überwachungsmaßnahmen betraut ist, darf mit dem Gegenstand der Untersuchung weder befasst sein noch befasst werden. 2Der Richter hat über Kenntnisse, die er bei der Überwachung erlangt, Verschwiegenheit zu bewahren; § 138 des Strafgesetzbuches bleibt unberührt.

Zu § 148a: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 149 StPO – Zulassung von Beiständen

(1) 1Der Ehegatte oder Lebenspartner eines Angeklagten ist in der Hauptverhandlung als Beistand zuzulassen und auf sein Verlangen zu hören. 2Zeit und Ort der Hauptverhandlung sollen ihm rechtzeitig mitgeteilt werden.

(2) Dasselbe gilt von dem gesetzlichen Vertreter eines Angeklagten.

(3) Im Vorverfahren unterliegt die Zulassung solcher Beistände dem richterlichen Ermessen.

Zu § 149: Geändert durch G vom 16. 2. 2001 (BGBl I S. 266) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 150 StPO

(weggefallen)


§§ 151 - 295, Zweites Buch - Verfahren im ersten Rechtszug
§§ 151 - 157, Erster Abschnitt - Öffentliche Klage

§ 151 StPO – Anklagegrundsatz

Die Eröffnung einer gerichtlichen Untersuchung ist durch die Erhebung einer Klage bedingt.

Zu § 151: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 152 StPO – Anklagebehörde; Legalitätsgrundsatz

(1) Zur Erhebung der öffentlichen Klage ist die Staatsanwaltschaft berufen.

(2) Sie ist, soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist, verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen.

Zu § 152: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 152a StPO – Landesgesetzliche Vorschriften über die Strafverfolgung von Abgeordneten

Landesgesetzliche Vorschriften über die Voraussetzungen, unter denen gegen Mitglieder eines Organs der Gesetzgebung eine Strafverfolgung eingeleitet oder fortgesetzt werden kann, sind auch für die anderen Länder der Bundesrepublik Deutschland und den Bund wirksam.

Zu § 152a: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 153 StPO – Absehen von der Verfolgung bei Geringfügigkeit

(1) 1Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. 2Der Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.

(2) 1Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. 2Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. 3Die Entscheidung ergeht durch Beschluss. 4Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

Zu § 153: Geändert durch G vom 11. 1. 1993 (BGBl I S. 50) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 153a StPO – Absehen von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen

(1) 1Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. 2Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,

  1. 1.

    zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen,

  2. 2.

    einen Geldbetrag zu Gunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen,

  3. 3.

    sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen,

  4. 4.

    Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen,

  5. 5.

    sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben,

  6. 6.

    an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen,

  7. 7.

    an einem Aufbauseminar nach § 2b Absatz 2 Satz 2 oder an einem Fahreignungsseminar nach § 4a des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen oder

  8. 8.

    sich psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen (Therapieweisung).

3Zur Erfüllung der Auflagen und Weisungen setzt die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten eine Frist, die in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 3, 5 und 7 höchstens sechs Monate, in den Fällen des Satzes 2 Nummer 4, 6 und 8 höchstens ein Jahr beträgt. 4Die Staatsanwaltschaft kann Auflagen und Weisungen nachträglich aufheben und die Frist einmal für die Dauer von drei Monaten verlängern; mit Zustimmung des Beschuldigten kann sie auch Auflagen und Weisungen nachträglich auferlegen und ändern. 5Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen, so kann die Tat nicht mehr als Vergehen verfolgt werden. 6Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen nicht, so werden Leistungen, die er zu ihrer Erfüllung erbracht hat, nicht erstattet. 7 § 153 Abs. 1 Satz 2 gilt in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 6 entsprechend. 8 § 246a Absatz 2 gilt entsprechend.

(2) 1Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren vorläufig einstellen und zugleich dem Angeschuldigten die in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Auflagen und Weisungen erteilen. 2Absatz 1 Satz 3 bis 6 und 8 gilt entsprechend. 3Die Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluss. 4Der Beschluss ist nicht anfechtbar. 5Satz 4 gilt auch für eine Feststellung, dass gemäß Satz 1 erteilte Auflagen und Weisungen erfüllt worden sind.

(3) Während des Laufes der für die Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist ruht die Verjährung.

(4) 1 § 155b findet im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 6, auch in Verbindung mit Absatz 2, entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass personenbezogene Daten aus dem Strafverfahren, die nicht den Beschuldigten betreffen, an die mit der Durchführung des sozialen Trainingskurses befasste Stelle nur übermittelt werden dürfen, soweit die betroffenen Personen in die Übermittlung eingewilligt haben. 2Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach sonstigen strafrechtlichen Vorschriften die Weisung erteilt wird, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen.

Zu § 153a: Geändert durch G vom 11. 1. 1993 (BGBl I S. 50), 24. 4. 1998 (BGBl I S. 747), 20. 12. 1999 (BGBl I S. 2491), 15. 11. 2012 (BGBl I S. 2298), 26. 6. 2013 (BGBl I S. 1805), 28. 8. 2013 (BGBl I S. 3313), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202).


§ 153b StPO – Absehen von der Verfolgung bei möglichem Absehen von Strafe

(1) Liegen die Voraussetzungen vor, unter denen das Gericht von Strafe absehen könnte, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des Gerichts, das für die Hauptverhandlung zuständig wäre, von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht bis zum Beginn der Hauptverhandlung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen.

Zu § 153b: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 153c StPO – Absehen von der Verfolgung bei Auslandstaten

(1) 1Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung von Straftaten absehen,

  1. 1.
    die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes begangen sind oder die ein Teilnehmer an einer außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes begangenen Handlung in diesem Bereich begangen hat,
  2. 2.
    die ein Ausländer im Inland auf einem ausländischen Schiff oder Luftfahrzeug begangen hat,
  3. 3.
    wenn in den Fällen der §§ 129 und 129a , jeweils auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, des Strafgesetzbuches die Vereinigung nicht oder nicht überwiegend im Inland besteht und die im Inland begangenen Beteiligungshandlungen von untergeordneter Bedeutung sind oder sich auf die bloße Mitgliedschaft beschränken.

2Für Taten, die nach dem Völkerstrafgesetzbuch strafbar sind, gilt § 153f .

(2) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, wenn wegen der Tat im Ausland schon eine Strafe gegen den Beschuldigten vollstreckt worden ist und die im Inland zu erwartende Strafe nach Anrechnung der ausländischen nicht ins Gewicht fiele oder der Beschuldigte wegen der Tat im Ausland rechtskräftig freigesprochen worden ist.

(3) Die Staatsanwaltschaft kann auch von der Verfolgung von Straftaten absehen, die im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes durch eine außerhalb dieses Bereichs ausgeübte Tätigkeit begangen sind, wenn die Durchführung des Verfahrens die Gefahr eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführen würde oder wenn der Verfolgung sonstige überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen.

(4) Ist die Klage bereits erhoben, so kann die Staatsanwaltschaft in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1, 2 und des Absatzes 3 die Klage in jeder Lage des Verfahrens zurücknehmen und das Verfahren einstellen, wenn die Durchführung des Verfahrens die Gefahr eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführen würde oder wenn der Verfolgung sonstige überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen.

(5) Hat das Verfahren Straftaten der in § 74a Abs. 1 Nr. 2 bis 6 und § 120 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Art zum Gegenstand, so stehen diese Befugnisse dem Generalbundesanwalt zu.

Zu § 153c: Geändert durch G vom 26. 6. 2002 (BGBl I S. 2254), 22. 8. 2002 (BGBl I S. 3390), 27. 12. 2003 (BGBl I S. 3007) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 153d StPO – Absehen von der Verfolgung bei Staatsschutzdelikten wegen überwiegender öffentlicher Interessen

(1) Der Generalbundesanwalt kann von der Verfolgung von Straftaten der in § 74a Abs. 1 Nr. 2 bis 6 und in § 120 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Art absehen, wenn die Durchführung des Verfahrens die Gefahr eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführen würde oder wenn der Verfolgung sonstige überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann der Generalbundesanwalt unter den in Absatz 1 bezeichneten Voraussetzungen die Klage in jeder Lage des Verfahrens zurücknehmen und das Verfahren einstellen.

Zu § 153d: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 153e StPO – Absehen von der Verfolgung bei Staatsschutzdelikten wegen tätiger Reue

(1) 1Hat das Verfahren Straftaten der in § 74a Abs. 1 Nr. 2 bis 4 und in § 120 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Art zum Gegenstand, so kann der Generalbundesanwalt mit Zustimmung des nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständigen Oberlandesgerichts von der Verfolgung einer solchen Tat absehen, wenn der Täter nach der Tat, bevor ihm deren Entdeckung bekannt geworden ist, dazu beigetragen hat, eine Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder die verfassungsmäßige Ordnung abzuwenden. 2Dasselbe gilt, wenn der Täter einen solchen Beitrag dadurch geleistet hat, dass er nach der Tat sein mit ihr zusammenhängendes Wissen über Bestrebungen des Hochverrats, der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates oder des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit einer Dienststelle offenbart hat.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht mit Zustimmung des Generalbundesanwalts das Verfahren unter den in Absatz 1 bezeichneten Voraussetzungen einstellen.

Zu § 153e: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 153f StPO – Absehen von der Verfolgung bei Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch

(1) 1Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat, die nach den §§ 6 bis 15 des Völkerstrafgesetzbuches strafbar ist, in den Fällen des § 153c Abs. 1 Nr. 1 und 2 absehen, wenn sich der Beschuldigte nicht im Inland aufhält und ein solcher Aufenthalt auch nicht zu erwarten ist. 2Ist in den Fällen des § 153c Abs. 1 Nr. 1 der Beschuldigte Deutscher, so gilt dies jedoch nur dann, wenn die Tat vor einem internationalen Gerichtshof oder durch einen Staat, auf dessen Gebiet die Tat begangen oder dessen Angehöriger durch die Tat verletzt wurde, verfolgt wird.

(2) 1Die Staatsanwaltschaft kann insbesondere von der Verfolgung einer Tat, die nach den §§ 6 bis 12 , 14  und  15 des Völkerstrafgesetzbuches strafbar ist, in den Fällen des § 153c Abs. 1 Nr. 1 und 2 absehen, wenn

  1. 1.
    kein Tatverdacht gegen einen Deutschen besteht,
  2. 2.
    die Tat nicht gegen einen Deutschen begangen wurde,
  3. 3.
    kein Tatverdächtiger sich im Inland aufhält und ein solcher Aufenthalt auch nicht zu erwarten ist und
  4. 4.
    die Tat vor einem internationalen Gerichtshof oder durch einen Staat, auf dessen Gebiet die Tat begangen wurde, dessen Angehöriger der Tat verdächtig ist oder dessen Angehöriger durch die Tat verletzt wurde, verfolgt wird.

1Dasselbe gilt, wenn sich ein wegen einer im Ausland begangenen Tat beschuldigter Ausländer im Inland aufhält, aber die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 2 und 4 erfüllt sind und die Überstellung an einen internationalen Gerichtshof oder die Auslieferung an den verfolgenden Staat zulässig und beabsichtigt ist.

(3) Ist in den Fällen des Absatzes 1 oder 2 die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann die Staatsanwaltschaft die Klage in jeder Lage des Verfahrens zurücknehmen und das Verfahren einstellen.

Zu § 153f: Eingefügt durch G vom 26. 6. 2002 (BGBl I S. 2254), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 22. 12. 2016 (BGBl I S. 3150).


§ 154 StPO – Teileinstellung bei mehreren Taten

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

  1. 1.
    wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
  2. 2.
    darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

Zu § 154: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 154a StPO – Beschränkung der Verfolgung

(1) 1Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,

  1. 1.
    für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
  2. 2.
    neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,

nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. 2 § 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend. 3Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.

(3) 1Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. 2Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. 3Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.

Zu § 154a: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 154b StPO – Absehen von der Verfolgung bei Auslieferung und Ausweisung

(1) Von der Erhebung der öffentlichen Klage kann abgesehen werden, wenn der Beschuldigte wegen der Tat einer ausländischen Regierung ausgeliefert wird.

(2) Dasselbe gilt, wenn er wegen einer anderen Tat einer ausländischen Regierung ausgeliefert an einen internationalen Strafgerichtshof überstellt wird und die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die inländische Verfolgung führen kann, neben der Strafe oder der Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen ihn im Ausland rechtskräftig verhängt worden ist oder die er im Ausland zu erwarten hat, nicht ins Gewicht fällt.

(3) Von der Erhebung der öffentlichen Klage kann auch abgesehen werden, wenn der Beschuldigte aus dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes abgeschoben, zurückgeschoben oder zurückgewiesen wird.

(4) 1Ist in den Fällen der Absätze 1 bis 3 die öffentliche Klage bereits erhoben, so stellt das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren vorläufig ein. 2 § 154 Abs. 3 bis 5 gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass die Frist in Absatz 4 ein Jahr beträgt.

Zu § 154b: Geändert durch G vom 21. 6. 2002 (BGBl I S. 2144), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 27. 7. 2015 (BGBl I S. 1386).


§ 154c StPO – Absehen von der Verfolgung des Opfers einer Nötigung oder Erpressung

(1) Ist eine Nötigung oder Erpressung ( §§ 240 , 253 des Strafgesetzbuches ) durch die Drohung begangen worden, eine Straftat zu offenbaren, so kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung der Tat, deren Offenbarung angedroht worden ist, absehen, wenn nicht wegen der Schwere der Tat eine Sühne unerlässlich ist.

(2) Zeigt das Opfer einer Nötigung oder Erpressung oder eines Menschenhandels ( §§ 240 , 253 , 232 des Strafgesetzbuches ) diese Straftat an ( § 158 ) und wird hierdurch bedingt ein vom Opfer begangenes Vergehen bekannt, so kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung des Vergehens absehen, wenn nicht wegen der Schwere der Tat eine Sühne unerlässlich ist.

Zu § 154c: Geändert durch G vom 11. 2. 2005 (BGBl I S. 239), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 11. 10. 2016 (BGBl I S. 2226).


§ 154d StPO – Verfolgung bei zivil- oder verwaltungsrechtlicher Vorfrage

1Hängt die Erhebung der öffentlichen Klage wegen eines Vergehens von der Beurteilung einer Frage ab, die nach bürgerlichem Recht oder nach Verwaltungsrecht zu beurteilen ist, so kann die Staatsanwaltschaft zur Austragung der Frage im bürgerlichen Streitverfahren oder im Verwaltungsstreitverfahren eine Frist bestimmen. 2Hiervon ist der Anzeigende zu benachrichtigen. 3Nach fruchtlosem Ablauf der Frist kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellen.

Zu § 154d: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 154e StPO – Absehen von der Verfolgung bei falscher Verdächtigung oder Beleidigung

(1) Von der Erhebung der öffentlichen Klage wegen einer falschen Verdächtigung oder Beleidigung ( §§ 164 , 185 bis 188 des Strafgesetzbuches ) soll abgesehen werden, solange wegen der angezeigten oder behaupteten Handlung ein Straf- oder Disziplinarverfahren anhängig ist.

(2) Ist die öffentliche Klage oder eine Privatklage bereits erhoben, so stellt das Gericht das Verfahren bis zum Abschluss des Straf- oder Disziplinarverfahrens wegen der angezeigten oder behaupteten Handlung ein.

(3) Bis zum Abschluss des Straf- oder Disziplinarverfahrens wegen der angezeigten oder behaupteten Handlung ruht die Verjährung der Verfolgung der falschen Verdächtigung oder Beleidigung.

Zu § 154e: Geändert durch G vom 26. 1. 1998 (BGBl I S. 164) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 154f StPO – Einstellung des Verfahrens bei vorübergehenden Hindernissen

Steht der Eröffnung oder Durchführung des Hauptverfahrens für längere Zeit die Abwesenheit des Beschuldigten oder ein anderes in seiner Person liegendes Hindernis entgegen und ist die öffentliche Klage noch nicht erhoben, so kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren vorläufig einstellen, nachdem sie den Sachverhalt so weit wie möglich aufgeklärt und die Beweise so weit wie nötig gesichert hat.

Zu § 154f: Eingefügt durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2280), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 155 StPO – Umfang der gerichtlichen Untersuchung und Entscheidung

(1) Die Untersuchung und Entscheidung erstreckt sich nur auf die in der Klage bezeichnete Tat und auf die durch die Klage beschuldigten Personen.

(2) Innerhalb dieser Grenzen sind die Gerichte zu einer selbstständigen Tätigkeit berechtigt und verpflichtet; insbesondere sind sie bei Anwendung des Strafgesetzes an die gestellten Anträge nicht gebunden.

Zu § 155: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 155a StPO – Täter-Opfer-Ausgleich

1Die Staatsanwaltschaft und das Gericht sollen in jedem Stadium des Verfahrens die Möglichkeiten prüfen, einen Ausgleich zwischen Beschuldigtem und Verletztem zu erreichen. 2In geeigneten Fällen sollen sie darauf hinwirken. 3Gegen den ausdrücklichen Willen des Verletzten darf die Eignung nicht angenommen werden.

Zu § 155a: Eingefügt durch G vom 20. 12. 1999 (BGBl I S. 2491), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) .


§ 155b StPO – Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs

(1) 1Die Staatsanwaltschaft und das Gericht können zum Zweck des Täter-Opfer-Ausgleichs oder der Schadenswiedergutmachung einer von ihnen mit der Durchführung beauftragten Stelle von Amts wegen oder auf deren Antrag die hierfür erforderlichen personenbezogenen Daten übermitteln. 2Der beauftragten Stelle kann Akteneinsicht gewährt werden, soweit die Erteilung von Auskünften einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde. 3Eine nicht-öffentliche Stelle ist darauf hinzuweisen, dass sie die übermittelten Daten nur für Zwecke des Täter-Opfer-Ausgleichs oder der Schadenswiedergutmachung verwenden darf.

(2) 1Die beauftragte Stelle darf die nach Absatz 1 übermittelten personenbezogenen Daten nur verarbeiten, soweit dies für die Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs oder der Schadenswiedergutmachung erforderlich ist und schutzwürdige Interessen der betroffenen Person nicht entgegenstehen. 2Sie darf personenbezogene Daten nur verarbeiten, soweit dies für die Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs oder der Schadenswiedergutmachung erforderlich ist und die betroffene Person eingewilligt hat. 3Nach Abschluss ihrer Tätigkeit berichtet sie in dem erforderlichen Umfang der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht.

(3) Ist die beauftragte Stelle eine nichtöffentliche Stelle, finden die Vorschriften der Verordnung (EU) 2016/679 und des Bundesdatenschutzgesetzes auch dann Anwendung, wenn die personenbezogenen Daten nicht automatisiert verarbeitet werden und nicht in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden.

(4) 1Die Unterlagen mit den in Absatz 2 Satz 1 und 2 bezeichneten personenbezogenen Daten sind von der beauftragten Stelle nach Ablauf eines Jahres seit Abschluss des Strafverfahrens zu vernichten. 2Die Staatsanwaltschaft oder das Gericht teilt der beauftragten Stelle unverzüglich von Amts wegen den Zeitpunkt des Verfahrensabschlusses mit.

Zu § 155b: Eingefügt durch G vom 20. 12. 1999 (BGBl I S. 2491), geändert durch G vom 21. 12. 2007 (BGBl I S. 3198), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208) und 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724).


§ 156 StPO – Anklagerücknahme

Die öffentliche Klage kann nach Eröffnung des Hauptverfahrens nicht zurückgenommen werden.

Zu § 156: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 157 StPO – Bezeichnung als Angeschuldigter oder Angeklagter

Im Sinne dieses Gesetzes ist

Angeschuldigter der Beschuldigte, gegen den die öffentliche Klage erhoben ist,

Angeklagter der Beschuldigte oder Angeschuldigte, gegen den die Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossen ist.

Zu § 157: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§§ 151 - 295, Zweites Buch - Verfahren im ersten Rechtszug
§§ 158 - 177, Zweiter Abschnitt - Vorbereitung der öffentlichen Klage

§ 158 StPO – Strafanzeige; Strafantrag

(1) 1Die Anzeige einer Straftat und der Strafantrag können bei der Staatsanwaltschaft, den Behörden und Beamten des Polizeidienstes und den Amtsgerichten mündlich oder schriftlich angebracht werden. 2Die mündliche Anzeige ist zu beurkunden. 3Dem Verletzten ist auf Antrag der Eingang seiner Anzeige schriftlich zu bestätigen. 4Die Bestätigung soll eine kurze Zusammenfassung der Angaben des Verletzten zu Tatzeit, Tatort und angezeigter Tat enthalten. 5Die Bestätigung kann versagt werden, soweit der Untersuchungszweck, auch in einem anderen Strafverfahren, gefährdet erscheint.

(2) Bei Straftaten, deren Verfolgung nur auf Antrag eintritt, muss der Antrag bei einem Gericht oder der Staatsanwaltschaft schriftlich oder zu Protokoll, bei einer anderen Behörde schriftlich angebracht werden.

(3) 1Zeigt ein im Inland wohnhafter Verletzter eine in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union begangene Straftat an, so übermittelt die Staatsanwaltschaft die Anzeige auf Antrag des Verletzten an die zuständige Strafverfolgungsbehörde des anderen Mitgliedstaats, wenn für die Tat das deutsche Strafrecht nicht gilt oder von der Verfolgung der Tat nach § 153c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 , auch in Verbindung mit § 153f , abgesehen wird. 2Von der Übermittlung kann abgesehen werden, wenn

  1. 1.

    die Tat und die für ihre Verfolgung wesentlichen Umstände der zuständigen ausländischen Behörde bereits bekannt sind oder

  2. 2.

    der Unrechtsgehalt der Tat gering ist und der verletzten Person die Anzeige im Ausland möglich gewesen wäre.

(4) 1Ist der Verletzte der deutschen Sprache nicht mächtig, erhält er die notwendige Hilfe bei der Verständigung, um die Anzeige in einer ihm verständlichen Sprache anzubringen. 2Die schriftliche Anzeigebestätigung nach Absatz 1 Satz 3 und 4 ist dem Verletzten in diesen Fällen auf Antrag in eine ihm verständliche Sprache zu übersetzen; Absatz 1 Satz 5 bleibt unberührt.

Zu § 158: Geändert durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2280), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 21. 12. 2015 (BGBl I S. 2525).


§ 159 StPO – Anzeigepflicht bei Leichenfund und Verdacht auf unnatürlichen Tod

(1) Sind Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass jemand eines nicht natürlichen Todes gestorben ist, oder wird der Leichnam eines Unbekannten gefunden, so sind die Polizei- und Gemeindebehörden zur sofortigen Anzeige an die Staatsanwaltschaft oder an das Amtsgericht verpflichtet.

(2) Zur Bestattung ist die schriftliche Genehmigung der Staatsanwaltschaft erforderlich.

Zu § 159: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 160 StPO – Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung

(1) Sobald die Staatsanwaltschaft durch eine Anzeige oder auf anderem Wege von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erhält, hat sie zu ihrer Entschließung darüber, ob die öffentliche Klage zu erheben ist, den Sachverhalt zu erforschen.

(2) Die Staatsanwaltschaft hat nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln und für die Erhebung der Beweise Sorge zu tragen, deren Verlust zu besorgen ist.

(3) 1Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sollen sich auch auf die Umstände erstrecken, die für die Bestimmung der Rechtsfolgen der Tat von Bedeutung sind. 2Dazu kann sie sich der Gerichtshilfe bedienen.

(4) Eine Maßnahme ist unzulässig, soweit besondere bundesgesetzliche oder entsprechende landesgesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen.

Zu § 160: Geändert durch G vom 2. 8. 2000 (BGBl I S. 1253) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 160a StPO – Maßnahmen bei zeugnisverweigerungsberechtigten Berufsgeheimnisträgern

(1) 1Eine Ermittlungsmaßnahme, die sich gegen eine in § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 oder Nummer 4 genannte Person, einen Rechtsanwalt oder einen Kammerrechtsbeistand richtet und voraussichtlich Erkenntnisse erbringen würde, über die diese das Zeugnis verweigern dürfte, ist unzulässig. 2Dennoch erlangte Erkenntnisse dürfen nicht verwendet werden. 3Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu löschen. 4Die Tatsache ihrer Erlangung und der Löschung der Aufzeichnungen ist aktenkundig zu machen. 5Die Sätze 2 bis 4 gelten entsprechend, wenn durch eine Ermittlungsmaßnahme, die sich nicht gegen eine in Satz 1 in Bezug genommene Person richtet, von dieser Person Erkenntnisse erlangt werden, über die sie das Zeugnis verweigern dürfte.

(2) 1Soweit durch eine Ermittlungsmaßnahme eine in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 3b oder Nr. 5 genannte Person betroffen wäre und dadurch voraussichtlich Erkenntnisse erlangt würden, über die diese Person das Zeugnis verweigern dürfte, ist dies im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit besonders zu berücksichtigen; betrifft das Verfahren keine Straftat von erheblicher Bedeutung, ist in der Regel nicht von einem Überwiegen des Strafverfolgungsinteresses auszugehen. 2Soweit geboten, ist die Maßnahme zu unterlassen oder, soweit dies nach der Art der Maßnahme möglich ist, zu beschränken. 3Für die Verwertung von Erkenntnissen zu Beweiszwecken gilt Satz 1 entsprechend. 4Die Sätze 1 bis 3 gelten nicht für Rechtsanwälte und Kammerrechtsbeistände.

(3) Die Absätze 1 und 2 sind entsprechend anzuwenden, soweit die in § 53a Genannten das Zeugnis verweigern dürften.

(4) 1Die Absätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass die zeugnisverweigerungsberechtigte Person an der Tat oder an einer Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei beteiligt ist. 2Ist die Tat nur auf Antrag oder nur mit Ermächtigung verfolgbar, ist Satz 1 in den Fällen des § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 anzuwenden, sobald und soweit der Strafantrag gestellt oder die Ermächtigung erteilt ist.

(5) Die §§ 97 , 100d Absatz 5 und § 100g Absatz 4 bleiben unberührt.

Zu § 160a: Eingefügt durch G vom 21. 12. 2007 (BGBl I S. 3198), geändert durch G vom 22. 12. 2010 (BGBl I S. 2261), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 10. 12. 2015 (BGBl I S. 2218), 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202) und 30. 10. 2017 (BGBl I S. 3618).


§ 160b StPO – Erörterung des Verfahrensstands mit den Verfahrensbeteiligten

1Die Staatsanwaltschaft kann den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern. 2Der wesentliche Inhalt dieser Erörterung ist aktenkundig zu machen.

Zu § 160b: Eingefügt durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2353), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 161 StPO – Allgemeine Ermittlungsbefugnis der Staatsanwaltschaft

(1) 1Zu dem in § 160 Abs. 1 bis 3 bezeichneten Zweck ist die Staatsanwaltschaft befugt, von allen Behörden Auskunft zu verlangen und Ermittlungen jeder Art entweder selbst vorzunehmen oder durch die Behörden und Beamten des Polizeidienstes vornehmen zu lassen, soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften ihre Befugnisse besonders regeln. 2Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes sind verpflichtet, dem Ersuchen oder Auftrag der Staatsanwaltschaft zu genügen, und in diesem Falle befugt, von allen Behörden Auskunft zu verlangen.

(2) Soweit in diesem Gesetz die Löschung personenbezogener Daten ausdrücklich angeordnet wird, ist § 58 Absatz 3 des Bundesdatenschutzgesetzes nicht anzuwenden.

(3) 1Ist eine Maßnahme nach diesem Gesetz nur bei Verdacht bestimmter Straftaten zulässig, so dürfen die auf Grund einer entsprechenden Maßnahme nach anderen Gesetzen erlangten personenbezogenen Daten ohne Einwilligung der von der Maßnahme betroffenen Personen zu Beweiszwecken im Strafverfahren nur zur Aufklärung solcher Straftaten verwendet werden, zu deren Aufklärung eine solche Maßnahme nach diesem Gesetz hätte angeordnet werden dürfen. 3 § 100e Absatz 6 Nummer 3 bleibt unberührt.

(4) In oder aus einer Wohnung erlangte personenbezogene Daten aus einem Einsatz technischer Mittel zur Eigensicherung im Zuge nicht offener Ermittlungen auf polizeirechtlicher Grundlage dürfen unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu Beweiszwecken nur verwendet werden ( Artikel 13 Abs. 5 des Grundgesetzes ), wenn das Amtsgericht ( § 162 Abs. 1 ), in dessen Bezirk die anordnende Stelle ihren Sitz hat, die Rechtmäßigkeit der Maßnahme festgestellt hat; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

Zu § 161: Neugefasst durch G vom 2. 8. 2000 (BGBl I S. 1253), geändert durch G vom 21. 12. 2007 (BGBl I S. 3198), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202) und 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724).


§ 161a StPO – Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen durch die Staatsanwaltschaft

(1) 1Zeugen und Sachverständige sind verpflichtet, auf Ladung vor der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und zur Sache auszusagen oder ihr Gutachten zu erstatten. 2Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten die Vorschriften des sechsten und siebenten Abschnitts des ersten Buches über Zeugen und Sachverständige entsprechend. 3Die eidliche Vernehmung bleibt dem Richter vorbehalten.

(2) 1Bei unberechtigtem Ausbleiben oder unberechtigter Weigerung eines Zeugen oder Sachverständigen steht die Befugnis zu den in den §§ 51 , 70 und 77 vorgesehenen Maßregeln der Staatsanwaltschaft zu. 2Jedoch bleibt die Festsetzung der Haft dem nach § 162 zuständigen Gericht vorbehalten.

(3) 1Gegen Entscheidungen der Staatsanwaltschaft nach Absatz 2 Satz 1 kann gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 zuständige Gericht beantragt werden. 2Gleiches gilt, wenn die Staatsanwaltschaft Entscheidungen im Sinne des § 68b getroffen hat. 3Die §§ 297 bis 300 , 302 , 306 bis 309 , 311a und 473a gelten jeweils entsprechend. 4Gerichtliche Entscheidungen nach den Sätzen 1 und 2 sind unanfechtbar.

(4) Ersucht eine Staatsanwaltschaft eine andere Staatsanwaltschaft um die Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen, so stehen die Befugnisse nach Absatz 2 Satz 1 auch der ersuchten Staatsanwaltschaft zu.

(5) § 185 Absatz 1 und 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes gilt entsprechend.

Zu § 161a: Geändert durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2280), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 21. 12. 2015 (BGBl I S. 2525).


§ 162 StPO – Ermittlungsrichter

(1) 1Erachtet die Staatsanwaltschaft die Vornahme einer gerichtlichen Untersuchungshandlung für erforderlich, so stellt sie ihre Anträge vor Erhebung der öffentlichen Klage bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk sie oder ihre den Antrag stellende Zweigstelle ihren Sitz hat. 2Hält sie daneben den Erlass eines Haft- oder Unterbringungsbefehls für erforderlich, so kann sie, unbeschadet der §§ 125 , 126a , auch einen solchen Antrag bei dem in Satz 1 bezeichneten Gericht stellen. 3Für gerichtliche Vernehmungen und Augenscheinnahmen ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk diese Untersuchungshandlungen vorzunehmen sind, wenn die Staatsanwaltschaft dies zur Beschleunigung des Verfahrens oder zur Vermeidung von Belastungen Betroffener dort beantragt.

(2) Das Gericht hat zu prüfen, ob die beantragte Handlung nach den Umständen des Falles gesetzlich zulässig ist.

(3) 1Nach Erhebung der öffentlichen Klage ist das Gericht zuständig, das mit der Sache befasst ist. 2Während des Revisionsverfahrens ist das Gericht zuständig, dessen Urteil angefochten ist. 3Nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend. 4Nach einem Antrag auf Wiederaufnahme ist das für die Entscheidungen im Wiederaufnahmeverfahren zuständige Gericht zuständig.

Zu § 162: Neugefasst durch G vom 21. 12. 2007 (BGBl I S. 3198), geändert durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2274) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 163 StPO – Aufgaben der Polizei im Ermittlungsverfahren

(1) 1Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes haben Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten. 2Zu diesem Zweck sind sie befugt, alle Behörden um Auskunft zu ersuchen, bei Gefahr im Verzug auch, die Auskunft zu verlangen, sowie Ermittlungen jeder Art vorzunehmen, soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften ihre Befugnisse besonders regeln.

(2) 1Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes übersenden ihre Verhandlungen ohne Verzug der Staatsanwaltschaft. 2Erscheint die schleunige Vornahme richterlicher Untersuchungshandlungen erforderlich, so kann die Übersendung unmittelbar an das Amtsgericht erfolgen.

(3) 1Zeugen sind verpflichtet, auf Ladung vor Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und zur Sache auszusagen, wenn der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt. 2Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten die Vorschriften des Sechsten Abschnitts des Ersten Buches entsprechend. 3Die eidliche Vernehmung bleibt dem Gericht vorbehalten.

(4) 1Die Staatsanwaltschaft entscheidet

  1. 1.

    über die Zeugeneigenschaft oder das Vorliegen von Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrechten, sofern insoweit Zweifel bestehen oder im Laufe der Vernehmung aufkommen,

  2. 2.

    über eine Gestattung nach § 68 Absatz 3 Satz 1 , Angaben zur Person nicht oder nur über eine frühere Identität zu machen,

  3. 3.

    über die Beiordnung eines Zeugenbeistands nach § 68b Absatz 2 und

  4. 4.

    bei unberechtigtem Ausbleiben oder unberechtigter Weigerung des Zeugen über die Verhängung der in den §§ 51  und  70 vorgesehenen Maßregeln; dabei bleibt die Festsetzung der Haft dem nach § 162 zuständigen Gericht vorbehalten.

2Im Übrigen trifft die erforderlichen Entscheidungen die die Vernehmung leitende Person.

(5) 1Gegen Entscheidungen von Beamten des Polizeidienstes nach § 68b Absatz 1 Satz 3 sowie gegen Entscheidungen der Staatsanwaltschaft nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 und 4 kann gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 zuständige Gericht beantragt werden. 2Die §§ 297 bis 300 , 302 , 306 bis 309 , 311a  und  473a gelten jeweils entsprechend. 3Gerichtliche Entscheidungen nach Satz 1 sind unanfechtbar.

(6) 1Für die Belehrung des Sachverständigen durch Beamte des Polizeidienstes gelten § 52 Absatz 3 und § 55 Absatz 2 entsprechend. 2In den Fällen des § 81c Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt § 52 Absatz 3 auch bei Untersuchungen durch Beamte des Polizeidienstes sinngemäß.

(7) § 185 Absatz 1  und  2 des Gerichtsverfassungsgesetzes gilt entsprechend.

Zu § 163: Geändert durch G vom 2. 8. 2000 (BGBl I S. 1253), 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2280), 25. 4. 2013 (BGBl I S. 935), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 21. 12. 2015 (BGBl I S. 2525) und 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202).


§ 163a StPO – Vernehmung des Beschuldigten

(1) 1Der Beschuldigte ist spätestens vor dem Abschluss der Ermittlungen zu vernehmen, es sei denn, dass das Verfahren zur Einstellung führt. 2In einfachen Sachen genügt es, dass ihm Gelegenheit gegeben wird, sich schriftlich zu äußern.

(2) Beantragt der Beschuldigte zu seiner Entlastung die Aufnahme von Beweisen, so sind sie zu erheben, wenn sie von Bedeutung sind.

(3) 1Der Beschuldigte ist verpflichtet, auf Ladung vor der Staatsanwaltschaft zu erscheinen. 2Die §§ 133 bis 136a und 168c Abs. 1  und  5 gelten entsprechend. 3Über die Rechtmäßigkeit der Vorführung entscheidet auf Antrag des Beschuldigten das nach § 162 zuständige Gericht. 4Die §§ 297 bis 300 , 302 , 306 bis 309 , 311a  und  473a gelten entsprechend. 5Die Entscheidung des Gerichts ist unanfechtbar.

(4) 1Bei der Vernehmung des Beschuldigten durch Beamte des Polizeidienstes ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird. 2Im Übrigen sind bei der Vernehmung des Beschuldigten durch Beamte des Polizeidienstes § 136 Absatz 1 Satz 2 bis 6 , Absatz 2 bis 5 und § 136a anzuwenden. 3 § 168c Absatz 1  und  5 gilt für den Verteidiger entsprechend.

(5) Die §§ 186 und 187 Absatz 1 bis 3 sowie § 189 Absatz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes gelten entsprechend.

Zu § 163a: Geändert durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2280), 25. 4. 2013 (BGBl I S. 935), 2. 7. 2013 (BGBl I S. 1938), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202), 27. 8. 2017 (BGBl I S. 3295) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 163b StPO – Maßnahmen zur Identitätsfeststellung

(1) 1Ist jemand einer Straftat verdächtig, so können die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes die zur Feststellung seiner Identität erforderlichen Maßnahmen treffen; § 163a Abs. 4 Satz 1 gilt entsprechend. 2Der Verdächtige darf fest gehalten werden, wenn die Identität sonst nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. 3Unter den Voraussetzungen von Satz 2 sind auch die Durchsuchung der Person des Verdächtigen und der von ihm mitgeführten Sachen sowie die Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen zulässig.

(2) 1Wenn und soweit dies zur Aufklärung einer Straftat geboten ist, kann auch die Identität einer Person festgestellt werden, die einer Straftat nicht verdächtig ist; § 69 Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend. 2Maßnahmen der in Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Art dürfen nicht getroffen werden, wenn sie zur Bedeutung der Sache außer Verhältnis stehen; Maßnahmen der in Absatz 1 Satz 3 bezeichneten Art dürfen nicht gegen den Willen der betroffenen Person getroffen werden.

Zu § 163b: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 163c StPO – Freiheitsentziehung zur Identitätsfeststellung

(1) 1Eine von einer Maßnahme nach § 163b betroffene Person darf in keinem Fall länger als zur Feststellung ihrer Identität unerlässlich fest gehalten werden. 2Die fest gehaltene Person ist unverzüglich dem Richter bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk sie ergriffen worden ist, zum Zwecke der Entscheidung über Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung vorzuführen, es sei denn, dass die Herbeiführung der richterlichen Entscheidung voraussichtlich längere Zeit in Anspruch nehmen würde, als zur Feststellung der Identität notwendig wäre. 3Die §§ 114a bis 114c gelten entsprechend.

(2) Eine Freiheitsentziehung zum Zwecke der Feststellung der Identität darf die Dauer von insgesamt zwölf Stunden nicht überschreiten.

(3) Ist die Identität festgestellt, so sind in den Fällen des § 163b Abs. 2 die im Zusammenhang mit der Feststellung angefallenen Unterlagen zu vernichten.

Zu § 163c: Geändert durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2274) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 163d StPO – Speicherung und Abgleich von Daten aus Kontrollen

(1) 1Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, dass

  1. 1.

    eine der in § 111 bezeichneten Straftaten
    oder

  2. 2.

    eine der in § 100a Abs. 2 Nr. 6 bis 9 und 11 bezeichneten Straftaten

begangen worden ist, so dürfen die anlässlich einer grenzpolizeilichen Kontrolle, im Falle der Nummer 1 auch die bei einer Personenkontrolle nach § 111 anfallenden Daten über die Identität von Personen sowie Umstände, die für die Aufklärung der Straftat oder für die Ergreifung des Täters von Bedeutung sein können, in einem Dateisystem gespeichert werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Auswertung der Daten zur Ergreifung des Täters oder zur Aufklärung der Straftat führen kann und die Maßnahme nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht. 2Dies gilt auch, wenn im Falle des Satzes 1 Pässe und Personalausweise automatisch gelesen werden. 3Die Übermittlung der Daten ist nur an Strafverfolgungsbehörden zulässig.

(2) 1Maßnahmen der in Absatz 1 bezeichneten Art dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen ( § 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes ) angeordnet werden. 2Hat die Staatsanwaltschaft oder eine ihrer Ermittlungspersonen die Anordnung getroffen, so beantragt die Staatsanwaltschaft unverzüglich die richterliche Bestätigung der Anordnung. 3 § 100e Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) 1Die Anordnung ergeht schriftlich. 2Sie muss die Personen, deren Daten gespeichert werden sollen, nach bestimmten Merkmalen oder Eigenschaften so genau bezeichnen, wie dies nach der zur Zeit der Anordnung vorhandenen Kenntnis von dem oder den Tatverdächtigen möglich ist. 3Art und Dauer der Maßnahmen sind festzulegen. 4Die Anordnung ist räumlich zu begrenzen und auf höchstens drei Monate zu befristen. 5Eine einmalige Verlängerung um nicht mehr als drei weitere Monate ist zulässig, soweit die in Absatz 1 bezeichneten Voraussetzungen fortbestehen.

(4) 1Liegen die Voraussetzungen für den Erlass der Anordnung nicht mehr vor oder ist der Zweck der sich aus der Anordnung ergebenden Maßnahmen erreicht, so sind diese unverzüglich zu beenden. 2Die durch die Maßnahmen erlangten personenbezogenen Daten sind unverzüglich zu löschen, sobald sie für das Strafverfahren nicht oder nicht mehr benötigt werden; eine Speicherung, die die Laufzeit der Maßnahmen (Absatz 3) um mehr als drei Monate überschreitet, ist unzulässig. 3Über die Löschung ist die Staatsanwaltschaft zu unterrichten.

Zu § 163d: Geändert durch G vom 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198), 24. 6. 2005 (BGBl I S. 1841), 21. 12. 2007 (BGBl I S. 3198), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202) und 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724).


§ 163e StPO – Ausschreibung zur Beobachtung bei polizeilichen Kontrollen

(1) 1Die Ausschreibung zur Beobachtung anlässlich von polizeilichen Kontrollen, die die Feststellung der Personalien zulassen, kann angeordnet werden, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen wurde. 2Die Anordnung darf sich nur gegen den Beschuldigten richten und nur dann getroffen werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre. 3Gegen andere Personen ist die Maßnahme zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie mit dem Täter in Verbindung stehen oder eine solche Verbindung hergestellt wird, dass die Maßnahme zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters führen wird und dies auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre.

(2) Das Kennzeichen eines Kraftfahrzeuges, die Identifizierungsnummer oder äußere Kennzeichnung eines Wasserfahrzeuges, Luftfahrzeuges oder eines Containers kann ausgeschrieben werden, wenn das Fahrzeug auf eine nach Absatz 1 ausgeschriebene Person zugelassen ist oder das Fahrzeug oder der Container von ihr oder einer bisher namentlich nicht bekannten Person genutzt wird, die einer Straftat von erheblicher Bedeutung verdächtig ist.

(3) Im Falle eines Antreffens können auch personenbezogene Daten eines Begleiters der ausgeschriebenen Person, des Führers eines nach Absatz 2 ausgeschriebenen Fahrzeuges oder des Nutzers eines nach Absatz 2 ausgeschriebenen Containers gemeldet werden.

(4) 1Die Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung darf nur durch das Gericht angeordnet werden. 2Bei Gefahr im Verzug kann die Anordnung auch durch die Staatsanwaltschaft getroffen werden. 3Hat die Staatsanwaltschaft die Anordnung getroffen, so beantragt sie unverzüglich die gerichtliche Bestätigung der Anordnung. 4 § 100e Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend. 5Die Anordnung ist auf höchstens ein Jahr zu befristen. 6Eine Verlängerung um jeweils nicht mehr als drei Monate ist zulässig, soweit die Voraussetzungen der Anordnung fortbestehen.

Zu § 163e: Eingefügt durch G vom 15. 7. 1992 (BGBl I S. 1302), geändert durch G vom 21. 12. 2007 (BGBl I S. 3198), 6. 6. 2009 (BGBl I S. 1226), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202).


§ 163f StPO – Längerfristige Observation

(1) 1Liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen worden ist, so darf eine planmäßig angelegte Beobachtung des Beschuldigten angeordnet werden, die

  1. 1.

    durchgehend länger als 24 Stunden dauern oder

  2. 2.

    an mehr als zwei Tagen stattfinden

soll (längerfristige Observation).

2Die Maßnahme darf nur angeordnet werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre. 3Gegen andere Personen ist die Maßnahme zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie mit dem Täter in Verbindung stehen oder eine solche Verbindung hergestellt wird, dass die Maßnahme zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters führen wird und dies auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre.

(2) 1Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden. 2 § 100d Absatz 1 und 2 gilt entsprechend.

(3) 1Die Maßnahme darf nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen ( § 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes ) angeordnet werden. 2Die Anordnung der Staatsanwaltschaft oder ihrer Ermittlungspersonen tritt außer Kraft, wenn sie nicht binnen drei Werktagen von dem Gericht bestätigt wird. 3 § 100e Absatz 1 Satz 4 und 5 , Absatz 3 Satz 1 gilt entsprechend.

Zu § 163f: Eingefügt durch G vom 2. 8. 2000 (BGBl I S. 1253), geändert durch G vom 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198), 24. 6. 2005 (BGBl I S. 1841), 21. 12. 2007 (BGBl I S. 3198), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202) und 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724).


§ 163g StPO – Automatische Kennzeichenerfassung

(1) 1Örtlich begrenzt dürfen im öffentlichen Verkehrsraum ohne das Wissen der betroffenen Personen Kennzeichen von Kraftfahrzeugen sowie Ort, Datum, Uhrzeit und Fahrtrichtung durch den Einsatz technischer Mittel automatisch erhoben werden, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen worden ist, und die Annahme gerechtfertigt ist, dass diese Maßnahme zur Ermittlung der Identität oder des Aufenthaltsorts des Beschuldigten führen kann. 2Die automatische Datenerhebung darf nur vorübergehend und nicht flächendeckend erfolgen.

(2) 1Die nach Absatz 1 erhobenen Kennzeichen von Kraftfahrzeugen dürfen automatisch abgeglichen werden mit Kennzeichen von Kraftfahrzeugen,

  1. 1.

    die auf den Beschuldigten zugelassen sind oder von ihm genutzt werden oder

  2. 2.

    die auf andere Personen als den Beschuldigten zugelassen sind oder von ihnen genutzt werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie mit dem Beschuldigten in Verbindung stehen oder eine solche Verbindung hergestellt wird, und die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise erheblich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert wäre.

2Der automatische Abgleich hat unverzüglich nach der automatischen Datenerhebung nach Absatz 1 zu erfolgen. 3Im Trefferfall ist unverzüglich die Übereinstimmung zwischen den nach Absatz 1 erhobenen Kennzeichen und den in Satz 1 bezeichneten weiteren Kennzeichen manuell zu überprüfen. 4Wenn kein Treffer vorliegt oder die manuelle Überprüfung den Treffer nicht bestätigt, sind die nach Absatz 1 erhobenen Daten sofort und spurenlos zu löschen.

(3) 1Die Anordnung der Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ergeht schriftlich durch die Staatsanwaltschaft. 2Sie muss das Vorliegen der Voraussetzungen der Maßnahmen darlegen und diejenigen Kennzeichen, mit denen die automatisch erhobenen Daten nach Absatz 2 Satz 1 abgeglichen werden sollen, genau bezeichnen. 3Die örtliche Begrenzung im öffentlichen Verkehrsraum (Absatz 1 Satz 1) ist zu benennen und die Anordnung ist zu befristen. 4Bei Gefahr im Verzug darf die Anordnung auch mündlich und durch die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft ( § 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes ) ergehen; in diesem Fall sind die schriftlichen Darlegungen nach den Sätzen 2 und 3 binnen drei Tagen vom Anordnenden nachzuholen.

(4) Liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor oder ist der Zweck der Maßnahmen erreicht, sind diese unverzüglich zu beenden.

Zu § 163g: Eingefügt durch G vom 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 164 StPO – Festnahme von Störern

Bei Amtshandlungen an Ort und Stelle ist der Beamte, der sie leitet, befugt, Personen, die seine amtliche Tätigkeit vorsätzlich stören oder sich den von ihm innerhalb seiner Zuständigkeit getroffenen Anordnungen widersetzen, festnehmen und bis zur Beendigung seiner Amtsverrichtungen, jedoch nicht über den nächstfolgenden Tag hinaus, festhalten zu lassen.

Zu § 164: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 165 StPO – Richterliche Untersuchungshandlungen bei Gefahr im Verzug

Bei Gefahr im Verzug kann der Richter die erforderlichen Untersuchungshandlungen auch ohne Antrag vornehmen, wenn ein Staatsanwalt nicht erreichbar ist.

Zu § 165: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 166 StPO – Beweisanträge des Beschuldigten bei richterlichen Vernehmungen

(1) Wird der Beschuldigte von dem Richter vernommen und beantragt er bei dieser Vernehmung zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen, so hat der Richter diese, soweit er sie für erheblich erachtet, vorzunehmen, wenn der Verlust der Beweise zu besorgen ist oder die Beweiserhebung die Freilassung des Beschuldigten begründen kann.

(2) Der Richter kann, wenn die Beweiserhebung in einem anderen Amtsbezirk vorzunehmen ist, den Richter des letzteren um ihre Vornahme ersuchen.

Zu § 166: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 167 StPO – Weitere Verfügung der Staatsanwaltschaft

In den Fällen der §§ 165 und 166 gebührt der Staatsanwaltschaft die weitere Verfügung.

Zu § 167: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 168 StPO – Protokoll über richterliche Untersuchungshandlungen

1Über jede richterliche Untersuchungshandlung ist ein Protokoll aufzunehmen. 2Für die Protokollführung ist ein Urkundsbeamter der Geschäftsstelle zuzuziehen; hiervon kann der Richter absehen, wenn er die Zuziehung eines Protokollführers nicht für erforderlich hält. 3In dringenden Fällen kann der Richter eine von ihm zu vereidigende Person als Protokollführer zuziehen. 4Das Protokoll ist von dem Richter und, sofern ein solcher zugezogen wurde, dem Protokollführer zu unterschreiben.

Zu § 168: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 168a StPO – Art der Protokollierung; Aufzeichnungen

(1) 1Das Protokoll muss Ort und Tag der Verhandlung sowie die Namen der mitwirkenden und beteiligten Personen angeben und ersehen lassen, ob die wesentlichen Förmlichkeiten des Verfahrens beachtet sind. 2 § 68 Abs. 2 , 3 bleibt unberührt.

(2) 1Das Protokoll kann in Form einer wörtlichen Wiedergabe der Verhandlung (Wortprotokoll) oder in Form einer Zusammenfassung ihres Inhalts (Inhaltsprotokoll) sowohl während der Verhandlung als auch nach ihrer Beendigung erstellt werden. 2Die Verhandlung kann wörtlich oder in Form einer Zusammenfassung ihres Inhalts (zusammenfassende Aufzeichnung) aufgezeichnet werden. 3Der Nachweis der Unrichtigkeit des Protokolls anhand der Aufzeichnung ist zulässig.

(3) Wird das Protokoll während der Verhandlung erstellt oder wird die Verhandlung in Form einer Zusammenfassung ihres Inhalts aufgezeichnet, so ist das Protokoll oder die zusammenfassende Aufzeichnung den an der Verhandlung beteiligten Personen, soweit es sie betrifft, zur Genehmigung auf einem Bildschirm anzuzeigen, vorzulesen, abzuspielen oder zur Durchsicht vorzulegen, es sei denn, sie verzichten darauf.

(4) Wird das Protokoll nach Beendigung der Verhandlung als Inhaltsprotokoll erstellt, so ist es den an der Verhandlung beteiligten Personen, soweit es sie betrifft, zur Genehmigung zu übermitteln, es sei denn, sie verzichten darauf.

(5) Wird das Protokoll nach Beendigung der Verhandlung durch die wörtliche Übertragung einer Aufzeichnung erstellt, so versieht die Person, welche die Übertragung hergestellt oder eine maschinelle Übertragung überprüft hat, diese mit ihrem Namen und dem Zusatz, dass die Richtigkeit der Übertragung bestätigt wird.

(6) 1Die Art der Protokollierung und der Aufzeichnung, die Genehmigung des Protokolls oder einer zusammenfassenden Aufzeichnung, Einwendungen dagegen sowie ein Verzicht auf die Vorlage zur Genehmigung sind im Protokoll zu vermerken oder sonst aktenkundig zu machen. 2Aufzeichnungen sind zu den Akten zu nehmen, bei der Geschäftsstelle mit den Akten aufzubewahren oder in anderer Weise zu speichern. 3Sie können gelöscht werden, wenn das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen oder sonst beendet ist; § 58a Absatz 2 Satz 2 und § 136 Absatz 4 Satz 3 bleiben unberührt. 4Die Art der Aufbewahrung oder Speicherung und die Löschung sind aktenkundig zu machen.

Zu § 168a: Geändert durch G vom 15. 7. 1992 (BGBl I S. 1302), 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 168b StPO – Protokoll über ermittlungsbehördliche Untersuchungshandlungen

(1) Das Ergebnis der Untersuchungshandlungen der Ermittlungsbehörden ist aktenkundig zu machen.

(2) 1Über die Vernehmung des Beschuldigten, der Zeugen und Sachverständigen soll ein Protokoll nach § 168a aufgenommen werden, soweit dies ohne erhebliche Verzögerung der Ermittlungen geschehen kann. 2Wird über die Vernehmung des Beschuldigten kein Protokoll gefertigt, ist die Teilnahme seines Verteidigers an der Vernehmung aktenkundig zu machen.

(3) 1Die in § 163a vorgeschriebenen Belehrungen des Beschuldigten vor seiner Vernehmung sowie die in § 58 Absatz 2 Satz 5 vorgeschriebene Belehrung vor einer Gegenüberstellung sind zu dokumentieren. 2Dies gilt auch für die Entscheidung des Beschuldigten darüber, ob er vor seiner Vernehmung einen von ihm zu wählenden Verteidiger befragen möchte, und für das Einverständnis des Beschuldigten gemäß § 141a Satz 1 .

Zu § 168b: Geändert durch G vom 2. 7. 2013 (BGBl I S. 1938), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208), 27. 8. 2017 (BGBl I S. 3295), 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2128) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 168c StPO – Anwesenheitsrecht bei richterlichen Vernehmungen

(1) 1Bei der richterlichen Vernehmung des Beschuldigten ist der Staatsanwaltschaft und dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet. 2Diesen ist nach der Vernehmung Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären oder Fragen an den Beschuldigten zu stellen. 3Ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen oder Erklärungen können zurückgewiesen werden.

(2) 1Bei der richterlichen Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen ist der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten und dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet. 2Diesen ist nach der Vernehmung Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären oder Fragen an die vernommene Person zu stellen. 3Ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen oder Erklärungen können zurückgewiesen werden. 4 § 241a gilt entsprechend.

(3) 1Der Richter kann einen Beschuldigten von der Anwesenheit bei der Verhandlung ausschließen, wenn dessen Anwesenheit den Untersuchungszweck gefährden würde. 2Dies gilt namentlich dann, wenn zu befürchten ist, dass ein Zeuge in Gegenwart des Beschuldigten nicht die Wahrheit sagen werde.

(4) Hat ein nicht in Freiheit befindlicher Beschuldigter einen Verteidiger, so steht ihm ein Anspruch auf Anwesenheit nur bei solchen Terminen zu, die an der Gerichtsstelle des Ortes abgehalten werden, wo er in Haft ist.

(5) 1Von den Terminen sind die zur Anwesenheit Berechtigten vorher zu benachrichtigen. 2In den Fällen des Absatzes 2 unterbleibt die Benachrichtigung, soweit sie den Untersuchungserfolg gefährden würde. 3Auf die Verlegung eines Termins wegen Verhinderung haben die zur Anwesenheit Berechtigten keinen Anspruch.

Zu § 168c: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 27. 8. 2017 (BGBl I S. 3295) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 168d StPO – Anwesenheitsrecht bei Einnahme eines richterlichen Augenscheins

(1) 1Bei der Einnahme eines richterlichen Augenscheins ist der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten und dem Verteidiger die Anwesenheit bei der Verhandlung gestattet. 2 § 168c Abs. 3 Satz 1 , Abs. 4 und 5 gilt entsprechend.

(2) 1Werden bei der Einnahme eines richterlichen Augenscheins Sachverständige zugezogen, so kann der Beschuldigte beantragen, dass die von ihm für die Hauptverhandlung vorzuschlagenden Sachverständigen zu dem Termin geladen werden, und, wenn der Richter den Antrag ablehnt, sie selbst laden lassen. 2Den vom Beschuldigten benannten Sachverständigen ist die Teilnahme am Augenschein und an den erforderlichen Untersuchungen insoweit gestattet, als dadurch die Tätigkeit der vom Richter bestellten Sachverständigen nicht behindert wird.

Zu § 168d: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 168e StPO – Vernehmung von Zeugen getrennt von Anwesenheitsberechtigten

1Besteht die dringende Gefahr eines schwer wiegenden Nachteils für das Wohl des Zeugen, wenn er in Gegenwart der Anwesenheitsberechtigten vernommen wird, und kann sie nicht in anderer Weise abgewendet werden, so soll der Richter die Vernehmung von den Anwesenheitsberechtigten getrennt durchführen. 2Die Vernehmung wird diesen zeitgleich in Bild und Ton übertragen. 3Die Mitwirkungsbefugnisse der Anwesenheitsberechtigten bleiben im Übrigen unberührt. 4Die §§ 58a und 241a finden entsprechende Anwendung. 5Die Entscheidung nach Satz 1 ist unanfechtbar.

Zu § 168e: Eingefügt durch G vom 30. 4. 1998 (BGBl I S. 820).


§ 169 StPO – Ermittlungsrichter des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofes

(1) 1In Sachen, die nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zur Zuständigkeit des Oberlandesgerichts im ersten Rechtszug gehören, können die im vorbereitenden Verfahren dem Richter beim Amtsgericht obliegenden Geschäfte auch durch Ermittlungsrichter dieses Oberlandesgerichts wahrgenommen werden. 2Führt der Generalbundesanwalt die Ermittlungen, so sind an deren Stelle Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes zuständig.

(2) Der für eine Sache zuständige Ermittlungsrichter des Oberlandesgerichts kann Untersuchungshandlungen auch dann anordnen, wenn sie nicht im Bezirk dieses Gerichts vorzunehmen sind.

Zu § 169: Geändert durch G vom 23. 4. 2014 (BGBl I S. 410) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 169a StPO – Vermerk über den Abschluss der Ermittlungen

Erwägt die Staatsanwaltschaft, die öffentliche Klage zu erheben, so vermerkt sie den Abschluss der Ermittlungen in den Akten.

Zu § 169a: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 170 StPO – Entscheidung über eine Anklageerhebung

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) 1Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. 2Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

Zu § 170: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 171 StPO – Einstellungsbescheid

1Gibt die Staatsanwaltschaft einem Antrag auf Erhebung der öffentlichen Klage keine Folge oder verfügt sie nach dem Abschluss der Ermittlungen die Einstellung des Verfahrens, so hat sie den Antragsteller unter Angabe der Gründe zu bescheiden. 2In dem Bescheid ist der Antragsteller, der zugleich der Verletzte ist, über die Möglichkeit der Anfechtung und die dafür vorgesehene Frist ( § 172 Abs. 1 ) zu belehren. 3 § 187 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes gilt entsprechend für Verletzte, die nach § 395 der Strafprozessordnung berechtigt wären, sich der öffentlichen Klage mit der Nebenklage anzuschließen, soweit sie einen Antrag auf Übersetzung stellen.

Zu § 171: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 21. 12. 2015 (BGBl I S. 2525).


§ 172 StPO – Beschwerde des Verletzten; Klageerzwingungsverfahren

(1) 1Ist der Antragsteller zugleich der Verletzte, so steht ihm gegen den Bescheid nach § 171 binnen zwei Wochen nach der Bekanntmachung die Beschwerde an den vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft zu. 2Durch die Einlegung der Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft wird die Frist gewahrt. 3Sie läuft nicht, wenn die Belehrung nach § 171 Satz 2 unterblieben ist.

(2) 1Gegen den ablehnenden Bescheid des vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft kann der Antragsteller binnen einem Monat nach der Bekanntmachung gerichtliche Entscheidung beantragen. 2Hierüber und über die dafür vorgesehene Form ist er zu belehren; die Frist läuft nicht, wenn die Belehrung unterblieben ist. 3Der Antrag ist nicht zulässig, wenn das Verfahren ausschließlich eine Straftat zum Gegenstand hat, die vom Verletzten im Wege der Privatklage verfolgt werden kann, oder wenn die Staatsanwaltschaft nach § 153 Abs. 1 , § 153a Abs. 1 Satz 1, 7 oder § 153b Abs. 1 von der Verfolgung der Tat abgesehen hat; dasselbe gilt in den Fällen der §§ 153c bis 154 Abs. 1 sowie der §§ 154b und 154c .

(3) 1Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung muss die Tatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, und die Beweismittel angeben. 2Er muss von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein; für die Prozesskostenhilfe gelten dieselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. 3Der Antrag ist bei dem für die Entscheidung zuständigen Gericht einzureichen.

(4) 1Zur Entscheidung über den Antrag ist das Oberlandesgericht zuständig. 2Die §§ 120 und 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes sind sinngemäß anzuwenden.

Zu § 172: Geändert durch G vom 20. 12. 1999 (BGBl I S. 2491), 23. 4. 2014 (BGBl I S. 410) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 173 StPO – Verfahren des Gerichts nach Antragstellung

(1) Auf Verlangen des Gerichts hat ihm die Staatsanwaltschaft die bisher von ihr geführten Verhandlungen vorzulegen.

(2) Das Gericht kann den Antrag unter Bestimmung einer Frist dem Beschuldigten zur Erklärung mitteilen.

(3) Das Gericht kann zur Vorbereitung seiner Entscheidung Ermittlungen anordnen und mit ihrer Vornahme einen beauftragten oder ersuchten Richter betrauen.

Zu § 173: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 174 StPO – Verwerfung des Antrags

(1) Ergibt sich kein genügender Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage, so verwirft das Gericht den Antrag und setzt den Antragsteller, die Staatsanwaltschaft und den Beschuldigten von der Verwerfung in Kenntnis.

(2) Ist der Antrag verworfen, so kann die öffentliche Klage nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel erhoben werden.

Zu § 174: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 175 StPO – Anordnung der Anklageerhebung

1Erachtet das Gericht nach Anhörung des Beschuldigten den Antrag für begründet, so beschließt es die Erhebung der öffentlichen Klage. 2Die Durchführung dieses Beschlusses liegt der Staatsanwaltschaft ob.

Zu § 175: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 176 StPO – Sicherheitsleistung durch den Antragsteller

(1) 1Durch Beschluss des Gerichts kann dem Antragsteller vor der Entscheidung über den Antrag die Leistung einer Sicherheit für die Kosten auferlegt werden, die durch das Verfahren über den Antrag voraussichtlich der Staatskasse und dem Beschuldigten erwachsen. 2Die Sicherheitsleistung ist durch Hinterlegung in barem Geld oder in Wertpapieren zu bewirken. 3Davon abweichende Regelungen in einer auf Grund des Gesetzes über den Zahlungsverkehr mit Gerichten und Justizbehörden erlassenen Rechtsverordnung bleiben unberührt. 4Die Höhe der zu leistenden Sicherheit wird vom Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt. 5Es hat zugleich eine Frist zu bestimmen, binnen welcher die Sicherheit zu leisten ist.

(2) Wird die Sicherheit in der bestimmten Frist nicht geleistet, so hat das Gericht den Antrag für zurückgenommen zu erklären.

Zu § 176: Geändert durch G vom 22. 12. 2006 (BGBl I S. 3416) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 177 StPO – Kosten

Die durch das Verfahren über den Antrag veranlassten Kosten sind in den Fällen der §§ 174 und 176 Abs. 2 dem Antragsteller aufzuerlegen.

Zu § 177: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§§ 151 - 295, Zweites Buch - Verfahren im ersten Rechtszug
§§ 178 - 197, Dritter Abschnitt

§ 178 StPO

(weggefallen)


§ 179 StPO

(weggefallen)


§ 180 StPO

(weggefallen)


§ 181 StPO

(weggefallen)


§ 182 StPO

(weggefallen)


§ 183 StPO

(weggefallen)


§ 184 StPO

(weggefallen)


§ 185 StPO

(weggefallen)


§ 186 StPO

(weggefallen)


§ 187 StPO

(weggefallen)


§ 188 StPO

(weggefallen)


§ 189 StPO

(weggefallen)


§ 190 StPO

(weggefallen)


§ 191 StPO

(weggefallen)


§ 192 StPO

(weggefallen)


§ 193 StPO

(weggefallen)


§ 194 StPO

(weggefallen)


§ 195 StPO

(weggefallen)


§ 196 StPO

(weggefallen)


§ 197 StPO

(weggefallen)


§§ 151 - 295, Zweites Buch - Verfahren im ersten Rechtszug
§§ 198 - 211, Vierter Abschnitt - Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens

§ 198 StPO

(weggefallen)


§ 199 StPO – Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens

(1) Das für die Hauptverhandlung zuständige Gericht entscheidet darüber, ob das Hauptverfahren zu eröffnen oder das Verfahren vorläufig einzustellen ist.

(2) 1Die Anklageschrift enthält den Antrag, das Hauptverfahren zu eröffnen. 2Mit ihr werden die Akten dem Gericht vorgelegt.

Zu § 199: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 200 StPO – Inhalt der Anklageschrift

(1) 1Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (Anklagesatz). 2In ihr sind ferner die Beweismittel, das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, und der Verteidiger anzugeben. 3Bei der Benennung von Zeugen ist nicht deren vollständige Anschrift, sondern nur deren Wohn- oder Aufenthaltsort anzugeben. 4In den Fällen des § 68 Absatz 1 Satz 3 , Absatz 2 Satz 1 genügt die Angabe des Namens des Zeugen. 5Wird ein Zeuge benannt, dessen Identität ganz oder teilweise nicht offenbart werden soll, so ist dies anzugeben; für die Geheimhaltung des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Zeugen gilt dies entsprechend.

(2) 1In der Anklageschrift wird auch das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen dargestellt. 2Davon kann abgesehen werden, wenn Anklage beim Strafrichter erhoben wird.

Zu § 200: Geändert durch G vom 15. 7. 1992 (BGBl I S. 1302), 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2280), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 201 StPO – Übermittlung der Anklageschrift

(1) 1Der Vorsitzende des Gerichts teilt die Anklageschrift dem Angeschuldigten mit und fordert ihn zugleich auf, innerhalb einer zu bestimmenden Frist zu erklären, ob er die Vornahme einzelner Beweiserhebungen vor der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens beantragen oder Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens vorbringen wolle. 2Die Anklageschrift ist auch dem Nebenkläger und dem Nebenklagebefugten, der dies beantragt hat, zu übersenden; § 145a Absatz 1 und 3 gilt entsprechend.

(2) 1Über Anträge und Einwendungen beschließt das Gericht. 2Die Entscheidung ist unanfechtbar.

Zu § 201: Geändert durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2280) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 202 StPO – Anordnung ergänzender Beweiserhebungen

1Bevor das Gericht über die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheidet, kann es zur besseren Aufklärung der Sache einzelne Beweiserhebungen anordnen. 2Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

Zu § 202: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 202a StPO – Erörterung des Verfahrensstands mit den Verfahrensbeteiligten

1Erwägt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, kann es den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern. 2Der wesentliche Inhalt dieser Erörterung ist aktenkundig zu machen.

Zu § 202a: Eingefügt durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2353), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 203 StPO – Eröffnungsbeschluss

Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint.

Zu § 203: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 204 StPO – Nichteröffnungsbeschluss

(1) Beschließt das Gericht, das Hauptverfahren nicht zu eröffnen, so muss aus dem Beschluss hervorgehen, ob er auf tatsächlichen oder auf Rechtsgründen beruht.

(2) Der Beschluss ist dem Angeschuldigten bekannt zu machen.

Zu § 204: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 205 StPO – Einstellung des Verfahrens bei vorübergehenden Hindernissen

1Steht der Hauptverhandlung für längere Zeit die Abwesenheit des Angeschuldigten oder ein anderes in seiner Person liegendes Hindernis entgegen, so kann das Gericht das Verfahren durch Beschluss vorläufig einstellen. 2Der Vorsitzende sichert, soweit nötig, die Beweise.

Zu § 205: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 206 StPO – Keine Bindung an Anträge

Das Gericht ist bei der Beschlussfassung an die Anträge der Staatsanwaltschaft nicht gebunden.

Zu § 206: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 206a StPO – Einstellung des Verfahrens bei Verfahrenshindernis

(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluss einstellen.

(2) Der Beschluss ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

Zu § 206a: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 206b StPO – Einstellung des Verfahrens wegen Gesetzesänderung

1Wird ein Strafgesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert und hat ein gerichtlich anhängiges Strafverfahren eine Tat zum Gegenstand, die nach dem bisherigen Recht strafbar war, nach dem neuen Recht aber nicht mehr strafbar ist, so stellt das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluss ein. 2Der Beschluss ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

Zu § 206b: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 207 StPO – Inhalt des Eröffnungsbeschlusses

(1) In dem Beschluss, durch den das Hauptverfahren eröffnet wird, lässt das Gericht die Anklage zur Hauptverhandlung zu und bezeichnet das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll.

(2) Das Gericht legt in dem Beschluss dar, mit welchen Änderungen es die Anklage zur Hauptverhandlung zulässt, wenn

  1. 1.
    wegen mehrerer Taten Anklage erhoben ist und wegen einzelner von ihnen die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wird,
  2. 2.
    die Verfolgung nach § 154a auf einzelne abtrennbare Teile einer Tat beschränkt wird oder solche Teile in das Verfahren wieder einbezogen werden,
  3. 3.
    die Tat rechtlich abweichend von der Anklageschrift gewürdigt wird oder
  4. 4.
    die Verfolgung nach § 154a auf einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Straftat begangen worden sind, beschränkt wird oder solche Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbezogen werden.

(3) 1In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 und 2 reicht die Staatsanwaltschaft eine dem Beschluss entsprechende neue Anklageschrift ein. 2Von der Darstellung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen kann abgesehen werden.

(4) Das Gericht beschließt zugleich von Amts wegen über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unterbringung.

Zu § 207: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 208 StPO

(weggefallen)


§ 209 StPO – Eröffnungszuständigkeit

(1) Hält das Gericht, bei dem die Anklage eingereicht ist, die Zuständigkeit eines Gerichts niedrigerer Ordnung in seinem Bezirk für begründet, so eröffnet es das Hauptverfahren vor diesem Gericht.

(2) Hält das Gericht, bei dem die Anklage eingereicht ist, die Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung, zu dessen Bezirk es gehört, für begründet, so legt es die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft diesem zur Entscheidung vor.

Zu § 209: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 209a StPO – Besondere funktionelle Zuständigkeiten

Im Sinne des § 4 Abs. 2 , des § 209 sowie des § 210 Abs. 2 stehen

  1. 1.

    die besonderen Strafkammern nach § 74 Abs. 2 sowie den §§ 74a und 74c des Gerichtsverfassungsgesetzes für ihren Bezirk gegenüber den allgemeinen Strafkammern und untereinander in der in § 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Rangfolge und

  2. 2.

    die Jugendgerichte für die Entscheidung, ob Sachen

    1. a)

      nach § 33 Abs. 1 , § 103 Abs. 2 Satz 1 und § 107 des Jugendgerichtsgesetzes oder

    2. b)

      als Jugendschutzsachen ( § 26 Abs. 1 Satz 1 , § 74b Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes )

    vor die Jugendgerichte gehören, gegenüber den für allgemeine Strafsachen zuständigen Gerichten gleicher Ordnung

Gerichten höherer Ordnung gleich.

Zu § 209a: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 210 StPO – Rechtsmittel gegen den Eröffnungs- oder Ablehnungsbeschluss

(1) Der Beschluss, durch den das Hauptverfahren eröffnet worden ist, kann von dem Angeklagten nicht angefochten werden.

(2) Gegen den Beschluss, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder abweichend von dem Antrag der Staatsanwaltschaft die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung ausgesprochen worden ist, steht der Staatsanwaltschaft sofortige Beschwerde zu.

(3) 1Gibt das Beschwerdegericht der Beschwerde statt, so kann es zugleich bestimmen, dass die Hauptverhandlung vor einer anderen Kammer des Gerichts, das den Beschluss nach Absatz 2 erlassen hat, oder vor einem zu demselben Land gehörenden benachbarten Gericht gleicher Ordnung stattzufinden hat. 2In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, kann der Bundesgerichtshof bestimmen, dass die Hauptverhandlung vor einem anderen Senat dieses Gerichts stattzufinden hat.

Zu § 210: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 211 StPO – Wiederaufnahme nach Ablehnungsbeschluss

Ist die Eröffnung des Hauptverfahrens durch einen nicht mehr anfechtbaren Beschluss abgelehnt, so kann die Klage nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel wieder aufgenommen werden.

Zu § 211: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§§ 151 - 295, Zweites Buch - Verfahren im ersten Rechtszug
§§ 212 - 225a, Fünfter Abschnitt - Vorbereitung der Hauptverhandlung

§ 212 StPO – Erörterung des Verfahrensstands mit den Verfahrensbeteiligten

Nach Eröffnung des Hauptverfahrens gilt § 202a entsprechend.

Zu § 212: Eingefügt durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2353), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 213 StPO – Bestimmung eines Termins zur Hauptverhandlung

(1) Der Termin zur Hauptverhandlung wird von dem Vorsitzenden des Gerichts anberaumt.

(2) In besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, soll der Vorsitzende den äußeren Ablauf der Hauptverhandlung vor der Terminbestimmung mit dem Verteidiger, der Staatsanwaltschaft und dem Nebenklägervertreter abstimmen.

Zu § 213: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202).


§ 214 StPO – Ladungen durch den Vorsitzenden; Herbeischaffung der Beweismittel

(1) 1Die zur Hauptverhandlung erforderlichen Ladungen ordnet der Vorsitzende an. 2Zugleich veranlasst er die nach § 397 Absatz 2 Satz 3 , § 406d Absatz 1 und § 406h Absatz 2 Satz 2 erforderlichen Benachrichtigungen vom Termin; § 406d Absatz 4 gilt entsprechend. 3Die Geschäftsstelle sorgt dafür, dass die Ladungen bewirkt und die Mitteilungen versandt werden.

(2) Ist anzunehmen, dass sich die Hauptverhandlung auf längere Zeit erstreckt, so soll der Vorsitzende die Ladung sämtlicher oder einzelner Zeugen und Sachverständigen zu einem späteren Zeitpunkt als dem Beginn der Hauptverhandlung anordnen.

(3) Der Staatsanwaltschaft steht das Recht der unmittelbaren Ladung weiterer Personen zu.

(4) 1Die Staatsanwaltschaft bewirkt die Herbeischaffung der als Beweismittel dienenden Gegenstände. 2Diese kann auch vom Gericht bewirkt werden.

Zu § 214: Geändert durch G vom 24. 6. 2004 (BGBl I S. 1354), 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2280), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 21. 12. 2015 (BGBl I S. 2525).


§ 215 StPO – Zustellung des Eröffnungsbeschlusses

1Der Beschluss über die Eröffnung des Hauptverfahrens ist dem Angeklagten spätestens mit der Ladung zuzustellen. 2Entsprechendes gilt in den Fällen des § 207 Abs. 3 für die nachgereichte Anklageschrift.

Zu § 215: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 216 StPO – Ladung des Angeklagten

(1) 1Die Ladung eines auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten geschieht schriftlich unter der Warnung, dass im Falle seines unentschuldigten Ausbleibens seine Verhaftung oder Vorführung erfolgen werde. 2Die Warnung kann in den Fällen des § 232 unterbleiben.

(2) 1Der nicht auf freiem Fuß befindliche Angeklagte wird durch Bekanntmachung des Termins zur Hauptverhandlung gemäß § 35 geladen. 2Dabei ist der Angeklagte zu befragen, ob und welche Anträge er zu seiner Verteidigung für die Hauptverhandlung zu stellen habe.

Zu § 216: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 217 StPO – Ladungsfrist

(1) Zwischen der Zustellung der Ladung ( § 216 ) und dem Tag der Hauptverhandlung muss eine Frist von mindestens einer Woche liegen.

(2) Ist die Frist nicht eingehalten worden, so kann der Angeklagte bis zum Beginn seiner Vernehmung zur Sache die Aussetzung der Verhandlung verlangen.

(3) Der Angeklagte kann auf die Einhaltung der Frist verzichten.

Zu § 217: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 218 StPO – Ladung des Verteidigers

1Neben dem Angeklagten ist der bestellte Verteidiger stets, der gewählte Verteidiger dann zu laden, wenn die Wahl dem Gericht angezeigt worden ist. 2 § 217 gilt entsprechend.

Zu § 218: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 219 StPO – Beweisanträge des Angeklagten

(1) 1Beweisanträge hat der Angeklagte bei dem Vorsitzenden des Gerichts zu stellen. 2Die hierauf ergehende Verfügung ist ihm bekannt zu machen.

(2) Beweisanträge des Angeklagten sind, soweit ihnen stattgegeben ist, der Staatsanwaltschaft mitzuteilen.

Zu § 219: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2121).


§ 220 StPO – Unmittelbare Ladung durch den Angeklagten

(1) 1Lehnt der Vorsitzende den Antrag auf Ladung einer Person ab, so kann der Angeklagte sie unmittelbar laden lassen. 2Hierzu ist er auch ohne vorgängigen Antrag befugt.

(2) Eine unmittelbar geladene Person ist nur dann zum Erscheinen verpflichtet, wenn ihr bei der Ladung die gesetzliche Entschädigung für Reisekosten und Versäumnis bar dargeboten oder deren Hinterlegung bei der Geschäftsstelle nachgewiesen wird.

(3) Ergibt sich in der Hauptverhandlung, dass die Vernehmung einer unmittelbar geladenen Person zur Aufklärung der Sache dienlich war, so hat das Gericht auf Antrag anzuordnen, dass ihr die gesetzliche Entschädigung aus der Staatskasse zu gewähren ist.

Zu § 220: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 221 StPO – Herbeischaffung von Beweismitteln von Amts wegen

Der Vorsitzende des Gerichts kann auch von Amts wegen die Herbeischaffung weiterer als Beweismittel dienender Gegenstände anordnen.

Zu § 221: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 222 StPO – Namhaftmachung von Zeugen und Sachverständigen

(1) 1Das Gericht hat die geladenen Zeugen und Sachverständigen der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten rechtzeitig namhaft zu machen. 2Macht die Staatsanwaltschaft von ihrem Recht nach § 214 Abs. 3 Gebrauch, so hat sie die geladenen Zeugen und Sachverständigen dem Gericht und dem Angeklagten rechtzeitig namhaft zu machen. 3 § 200 Abs. 1 Satz 3 bis 5 gilt sinngemäß.

(2) Der Angeklagte hat die von ihm unmittelbar geladenen oder zur Hauptverhandlung zu stellenden Zeugen und Sachverständigen rechtzeitig dem Gericht und der Staatsanwaltschaft namhaft zu machen und ihre vollständige Anschrift anzugeben.

Zu § 222: Geändert durch G vom 15. 7. 1992 (BGBl I S. 1302), 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2280), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 222a StPO – Mitteilung der Besetzung des Gerichts

(1) 1Findet die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Landgericht oder dem Oberlandesgericht statt, so ist spätestens zu Beginn der Hauptverhandlung die Besetzung des Gerichts unter Hervorhebung des Vorsitzenden und hinzugezogener Ergänzungsrichter und Ergänzungsschöffen mitzuteilen. 2Die Besetzung kann auf Anordnung des Vorsitzenden schon vor der Hauptverhandlung mitgeteilt werden; die Mitteilung ist zuzustellen. 3Ändert sich die mitgeteilte Besetzung, so ist dies spätestens zu Beginn der Hauptverhandlung mitzuteilen.

(2) Ist die Mitteilung der Besetzung oder einer Besetzungsänderung später als eine Woche vor Beginn der Hauptverhandlung zugestellt oder erst zu Beginn der Hauptverhandlung bekanntgemacht worden, so kann das Gericht auf Antrag des Angeklagten, des Verteidigers oder der Staatsanwaltschaft die Hauptverhandlung zur Prüfung der Besetzung unterbrechen, wenn dies spätestens bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache verlangt wird und absehbar ist, dass die Hauptverhandlung vor Ablauf der in § 222b Absatz 1 Satz 1 genannten Frist beendet sein könnte.

(3) In die für die Besetzung maßgebenden Unterlagen kann für den Angeklagten nur sein Verteidiger oder ein Rechtsanwalt, für den Nebenkläger nur ein Rechtsanwalt Einsicht nehmen.

Zu § 222a: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2121).


§ 222b StPO – Besetzungseinwand

(1) 1Ist die Besetzung des Gerichts nach § 222a mitgeteilt worden, so kann der Einwand, dass das Gericht vorschriftswidrig besetzt sei, nur innerhalb einer Woche nach Zustellung der Besetzungsmitteilung oder, soweit eine Zustellung nicht erfolgt ist, ihrer Bekanntmachung in der Hauptverhandlung geltend gemacht werden. 2Die Tatsachen, aus denen sich die vorschriftswidrige Besetzung ergeben soll, sind dabei anzugeben. 3Alle Beanstandungen sind gleichzeitig vorzubringen. 4Außerhalb der Hauptverhandlung ist der Einwand schriftlich geltend zu machen; § 345 Abs. 2 und für den Nebenkläger § 390 Abs. 2 gelten entsprechend.

(2) 1Über den Einwand entscheidet das Gericht in der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung vorgeschriebenen Besetzung. 2Hält es den Einwand für begründet, so stellt es fest, dass es nicht vorschriftsmäßig besetzt ist. 3Führt ein Einwand zu einer Änderung der Besetzung, so ist auf die neue Besetzung § 222a nicht anzuwenden.

(3) 1Hält das Gericht den Einwand für nicht begründet, so ist er spätestens vor Ablauf von drei Tagen dem Rechtsmittelgericht vorzulegen. 2Die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts ergeht ohne mündliche Verhandlung. 3Den Verfahrensbeteiligten ist zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen. 4Erachtet das Rechtsmittelgericht den Einwand für begründet, stellt es fest, dass das Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt ist.

Zu § 222b: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2121).


§ 223 StPO – Vernehmungen durch beauftragte oder ersuchte Richter

(1) Wenn dem Erscheinen eines Zeugen oder Sachverständigen in der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit Krankheit oder Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen, so kann das Gericht seine Vernehmung durch einen beauftragten oder ersuchten Richter anordnen.

(2) Dasselbe gilt, wenn einem Zeugen oder Sachverständigen das Erscheinen wegen großer Entfernung nicht zugemutet werden kann.

Zu § 223: Geändert durch G vom 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 224 StPO – Benachrichtigung der Beteiligten über den Termin

(1) 1Von den zum Zweck dieser Vernehmung anberaumten Terminen sind die Staatsanwaltschaft, der Angeklagte und der Verteidiger vorher zu benachrichtigen; ihrer Anwesenheit bei der Vernehmung bedarf es nicht. 2Die Benachrichtigung unterbleibt, wenn sie den Untersuchungserfolg gefährden würde. 3Das aufgenommene Protokoll ist der Staatsanwaltschaft und dem Verteidiger vorzulegen.

(2) Hat ein nicht in Freiheit befindlicher Angeklagter einen Verteidiger, so steht ihm ein Anspruch auf Anwesenheit nur bei solchen Terminen zu, die an der Gerichtsstelle des Ortes abgehalten werden, wo er in Haft ist.

Zu § 224: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 225 StPO – Einnahme des richterlichen Augenscheins durch beauftragte oder ersuchte Richter

Ist zur Vorbereitung der Hauptverhandlung noch ein richterlicher Augenschein einzunehmen, so sind die Vorschriften des § 224 anzuwenden.

Zu § 225: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 225a StPO – Zuständigkeitsänderung vor der Hauptverhandlung

(1) 1Hält ein Gericht vor Beginn einer Hauptverhandlung die sachliche Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung für begründet, so legt es die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft diesem vor; § 209a Nr. 2 Buchstabe a gilt entsprechend. 2Das Gericht, dem die Sache vorgelegt worden ist, entscheidet durch Beschluss darüber, ob es die Sache übernimmt.

(2) 1Werden die Akten von einem Strafrichter oder einem Schöffengericht einem Gericht höherer Ordnung vorgelegt, so kann der Angeklagte innerhalb einer bei der Vorlage zu bestimmenden Frist die Vornahme einzelner Beweiserhebungen beantragen. 2Über den Antrag entscheidet der Vorsitzende des Gerichts, dem die Sache vorgelegt worden ist.

(3) 1In dem Übernahmebeschluss sind der Angeklagte und das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, zu bezeichnen. 2 § 207 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 , Abs. 3 und 4 gilt entsprechend. 3Die Anfechtbarkeit des Beschlusses bestimmt sich nach § 210 .

(4) 1Nach den Absätzen 1 bis 3 ist auch zu verfahren, wenn das Gericht vor Beginn der Hauptverhandlung einen Einwand des Angeklagten nach § 6a für begründet hält und eine besondere Strafkammer zuständig wäre, der nach § 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes der Vorrang zukommt. 2Kommt dem Gericht, das die Zuständigkeit einer anderen Strafkammer für begründet hält, vor dieser nach § 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes der Vorrang zu, so verweist es die Sache an diese mit bindender Wirkung; die Anfechtbarkeit des Verweisungsbeschlusses bestimmt sich nach § 210 .

Zu § 225a: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§§ 151 - 295, Zweites Buch - Verfahren im ersten Rechtszug
§§ 226 - 275, Sechster Abschnitt - Hauptverhandlung

§ 226 StPO – Ununterbrochene Gegenwart

(1) Die Hauptverhandlung erfolgt in ununterbrochener Gegenwart der zur Urteilsfindung berufenen Personen sowie der Staatsanwaltschaft und eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle.

(2) 1Der Strafrichter kann in der Hauptverhandlung von der Hinzuziehung eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle absehen. 2Die Entscheidung ist unanfechtbar.

Zu § 226: Geändert durch G vom 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 227 StPO – Mehrere Staatsanwälte und Verteidiger

Es können mehrere Beamte der Staatsanwaltschaft und mehrere Verteidiger in der Hauptverhandlung mitwirken und ihre Verrichtungen unter sich teilen.

Zu § 227: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 228 StPO – Aussetzung und Unterbrechung

(1) 1Über die Aussetzung einer Hauptverhandlung oder deren Unterbrechung nach § 229 Abs. 2 entscheidet das Gericht. 2Kürzere Unterbrechungen ordnet der Vorsitzende an.

(2) Eine Verhinderung des Verteidigers gibt, unbeschadet der Vorschrift des § 145 , dem Angeklagten kein Recht, die Aussetzung der Verhandlung zu verlangen.

(3) Ist die Frist des § 217 Abs. 1 nicht eingehalten worden, so soll der Vorsitzende den Angeklagten mit der Befugnis, Aussetzung der Verhandlung zu verlangen, bekannt machen.

Zu § 228: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 229 StPO – Höchstdauer einer Unterbrechung

(1) Eine Hauptverhandlung darf bis zu drei Wochen unterbrochen werden.

(2) Eine Hauptverhandlung darf auch bis zu einem Monat unterbrochen werden, wenn sie davor jeweils an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat.

(3) 1Hat eine Hauptverhandlung bereits an mindestens zehn Tagen stattgefunden, so ist der Lauf der in den Absätzen 1 und 2 genannten Fristen gehemmt, solange

  1. 1.

    ein Angeklagter oder eine zur Urteilsfindung berufene Person wegen Krankheit oder

  2. 2.

    eine zur Urteilsfindung berufene Person wegen gesetzlichen Mutterschutzes oder der Inanspruchnahme von Elternzeit

nicht zu der Hauptverhandlung erscheinen kann, längstens jedoch für zwei Monate. 2Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Fristen enden frühestens zehn Tage nach Ablauf der Hemmung. 3Beginn und Ende der Hemmung stellt das Gericht durch unanfechtbaren Beschluss fest.

(4) 1Wird die Hauptverhandlung nicht spätestens am Tage nach Ablauf der in den vorstehenden Absätzen bezeichneten Frist fortgesetzt, so ist mit ihr von neuem zu beginnen. 2Ist der Tag nach Ablauf der Frist ein Sonntag, ein allgemeiner Feiertag oder ein Sonnabend, so kann die Hauptverhandlung am nächsten Werktag fortgesetzt werden.

(5) 1Ist dem Gericht wegen einer vorübergehenden technischen Störung die Fortsetzung der Hauptverhandlung am Tag nach Ablauf der in den vorstehenden Absätzen bezeichneten Frist oder im Fall des Absatzes 4 Satz 2 am nächsten Werktag unmöglich, ist es abweichend von Absatz 4 Satz 1 zulässig, die Hauptverhandlung unverzüglich nach der Beseitigung der technischen Störung, spätestens aber innerhalb von zehn Tagen nach Fristablauf fortzusetzen. 2Das Vorliegen einer technischen Störung im Sinne des Satzes 1 stellt das Gericht durch unanfechtbaren Beschluss fest.

Zu § 229: Geändert durch G vom 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208) und 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2121).


§ 230 StPO – Ausbleiben des Angeklagten

(1) Gegen einen ausgebliebenen Angeklagten findet eine Hauptverhandlung nicht statt.

(2) Ist das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt, so ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen, soweit dies zur Durchführung der Hauptverhandlung geboten ist.

Zu § 230: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 231 StPO – Anwesenheitspflicht des Angeklagten

(1) 1Der erschienene Angeklagte darf sich aus der Verhandlung nicht entfernen. 2Der Vorsitzende kann die geeigneten Maßregeln treffen, um die Entfernung zu verhindern; auch kann er den Angeklagten während einer Unterbrechung der Verhandlung in Gewahrsam halten lassen.

(2) Entfernt der Angeklagte sich dennoch oder bleibt er bei der Fortsetzung einer unterbrochenen Hauptverhandlung aus, so kann diese in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden, wenn er über die Anklage schon vernommen war, das Gericht seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich erachtet und er in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass die Verhandlung in diesen Fällen in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden kann.

Zu § 231: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 17. 12. 2018 (BGBl I S. 2571).


§ 231a StPO – Herbeiführung der Verhandlungsunfähigkeit durch den Angeklagten

(1) 1Hat sich der Angeklagte vorsätzlich und schuldhaft in einen seine Verhandlungsfähigkeit ausschließenden Zustand versetzt und verhindert er dadurch wissentlich die ordnungsmäßige Durchführung oder Fortsetzung der Hauptverhandlung in seiner Gegenwart, so wird die Hauptverhandlung, wenn er noch nicht über die Anklage vernommen war, in seiner Abwesenheit durchgeführt oder fortgesetzt, soweit das Gericht seine Anwesenheit nicht für unerlässlich hält. 2Nach Satz 1 ist nur zu verfahren, wenn der Angeklagte nach Eröffnung des Hauptverfahrens Gelegenheit gehabt hat, sich vor dem Gericht oder einem beauftragten Richter zur Anklage zu äußern.

(2) Sobald der Angeklagte wieder verhandlungsfähig ist, hat ihn der Vorsitzende, solange mit der Verkündung des Urteils noch nicht begonnen worden ist, von dem wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was in seiner Abwesenheit verhandelt worden ist.

(3) 1Die Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten nach Absatz 1 beschließt das Gericht nach Anhörung eines Arztes als Sachverständigen. 2Der Beschluss kann bereits vor Beginn der Hauptverhandlung gefasst werden. 3Gegen den Beschluss ist sofortige Beschwerde zulässig;

sie hat aufschiebende Wirkung. 4Eine bereits begonnene Hauptverhandlung ist bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde zu unterbrechen; die Unterbrechung darf, auch wenn die Voraussetzungen des § 229 Abs. 2 nicht vorliegen, bis zu dreißig Tagen dauern.

(4) Dem Angeklagten, der keinen Verteidiger hat, ist ein Verteidiger zu bestellen, sobald eine Verhandlung ohne den Angeklagten nach Absatz 1 in Betracht kommt.

Zu § 231a: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 231b StPO – Fortsetzung nach Entfernung des Angeklagten zur Aufrechterhaltung der Ordnung

(1) 1Wird der Angeklagte wegen ordnungswidrigen Benehmens aus dem Sitzungszimmer entfernt oder zur Haft abgeführt ( § 177 des Gerichtsverfassungsgesetzes ), so kann in seiner Abwesenheit verhandelt werden, wenn das Gericht seine fernere Anwesenheit nicht für unerlässlich hält und solange zu befürchten ist, dass die Anwesenheit des Angeklagten den Ablauf der Hauptverhandlung in schwer wiegender Weise beeinträchtigen würde. 2Dem Angeklagten ist in jedem Fall Gelegenheit zu geben, sich zur Anklage zu äußern.

(2) Sobald der Angeklagte wieder vorgelassen ist, ist nach § 231a Abs. 2 zu verfahren.

Zu § 231b: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 231c StPO – Beurlaubung einzelner Angeklagter und ihrer Pflichtverteidiger

1Findet die Hauptverhandlung gegen mehrere Angeklagte statt, so kann durch Gerichtsbeschluss einzelnen Angeklagten, im Falle der notwendigen Verteidigung auch ihren Verteidigern, auf Antrag gestattet werden, sich während einzelner Teile der Verhandlung zu entfernen, wenn sie von diesen Verhandlungsteilen nicht betroffen sind. 2In dem Beschluss sind die Verhandlungsteile zu bezeichnen, für die die Erlaubnis gilt. 3Die Erlaubnis kann jederzeit widerrufen werden.

Zu § 231c: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 232 StPO – Durchführung der Hauptverhandlung trotz Ausbleibens des Angeklagten

(1) 1Die Hauptverhandlung kann ohne den Angeklagten durchgeführt werden, wenn er ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass in seiner Abwesenheit verhandelt werden kann, und wenn nur Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen, Verwarnung mit Strafvorbehalt, Fahrverbot, Einziehung, Vernichtung oder Unbrauchbarmachung, allein oder nebeneinander, zu erwarten ist. 2Eine höhere Strafe oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf in diesem Verfahren nicht verhängt werden. 3Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist zulässig, wenn der Angeklagte in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.

(2) Auf Grund einer Ladung durch öffentliche Bekanntmachung findet die Hauptverhandlung ohne den Angeklagten nicht statt.

(3) Das Protokoll über eine richterliche Vernehmung des Angeklagten wird in der Hauptverhandlung verlesen.

(4) Das in Abwesenheit des Angeklagten ergehende Urteil muss ihm mit den Urteilsgründen durch Übergabe zugestellt werden, wenn es nicht nach § 145a Abs. 1 dem Verteidiger zugestellt wird.

Zu § 232: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872) und 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208).


§ 233 StPO – Entbindung des Angeklagten von der Pflicht zum Erscheinen

(1) 1Der Angeklagte kann auf seinen Antrag von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden werden, wenn nur Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten, Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen, Verwarnung mit Strafvorbehalt, Fahrverbot, Einziehung, Vernichtung oder Unbrauchbarmachung, allein oder nebeneinander, zu erwarten ist. 2Eine höhere Strafe oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf in seiner Abwesenheit nicht verhängt werden. 3Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist zulässig.

(2) 1Wird der Angeklagte von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden, so muss er durch einen beauftragten oder ersuchten Richter über die Anklage vernommen werden. 2Dabei wird er über die bei Verhandlung in seiner Abwesenheit zulässigen Rechtsfolgen belehrt sowie befragt, ob er seinen Antrag auf Befreiung vom Erscheinen in der Hauptverhandlung aufrechterhalte. 3Statt eines Ersuchens oder einer Beauftragung nach Satz 1 kann außerhalb der Hauptverhandlung auch das Gericht die Vernehmung über die Anklage in der Weise durchführen, dass sich der Angeklagte an einem anderen Ort als das Gericht aufhält und die Vernehmung zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Angeklagte aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird.

(3) 1Von dem zum Zweck der Vernehmung anberaumten Termin sind die Staatsanwaltschaft und der Verteidiger zu benachrichtigen; ihrer Anwesenheit bei der Vernehmung bedarf es nicht. 2Das Protokoll über die Vernehmung ist in der Hauptverhandlung zu verlesen.

Zu § 233: Geändert durch G vom 25. 4. 2013 (BGBl I S. 935), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 234 StPO – Vertretung des abwesenden Angeklagten

Soweit die Hauptverhandlung ohne Anwesenheit des Angeklagten stattfinden kann, ist er befugt, sich durch einen Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht vertreten zu lassen.

Zu § 234: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208).


§ 234a StPO – Befugnisse des Verteidigers bei Vertretung des abwesenden Angeklagten

Findet die Hauptverhandlung ohne Anwesenheit des Angeklagten statt, so genügt es, wenn die nach § 265 Abs. 1 und 2 erforderlichen Hinweise dem Verteidiger gegeben werden; das Einverständnis des Angeklagten nach § 245 Abs. 1 Satz 2 und nach § 251 Abs. 1 Nr. 1 , Abs. 2 Nr. 3 ist nicht erforderlich, wenn ein Verteidiger an der Hauptverhandlung teilnimmt.

Zu § 234a: Geändert durch G vom 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 235 StPO – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Verhandlung ohne den Angeklagten

1Hat die Hauptverhandlung gemäß § 232 ohne den Angeklagten stattgefunden, so kann er gegen das Urteil binnen einer Woche nach seiner Zustellung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter den gleichen Voraussetzungen wie gegen die Versäumung einer Frist nachsuchen; hat er von der Ladung zur Hauptverhandlung keine Kenntnis erlangt, so kann er stets die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beanspruchen. 2Hierüber ist der Angeklagte bei der Zustellung des Urteils zu belehren.

Zu § 235: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 236 StPO – Anordnung des persönlichen Erscheinens des Angeklagten

Das Gericht ist stets befugt, das persönliche Erscheinen des Angeklagten anzuordnen und durch einen Vorführungsbefehl oder Haftbefehl zu erzwingen.

Zu § 236: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 237 StPO – Verbindung mehrerer Strafsachen

Das Gericht kann im Falle eines Zusammenhangs zwischen mehreren bei ihm anhängigen Strafsachen ihre Verbindung zum Zwecke gleichzeitiger Verhandlung anordnen, auch wenn dieser Zusammenhang nicht der in § 3 bezeichnete ist.

Zu § 237: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 238 StPO – Verhandlungsleitung

(1) Die Leitung der Verhandlung, die Vernehmung des Angeklagten und die Aufnahme des Beweises erfolgt durch den Vorsitzenden.

(2) Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden von einer bei der Verhandlung beteiligten Person als unzulässig beanstandet, so entscheidet das Gericht.

Zu § 238: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 239 StPO – Kreuzverhör

(1) 1Die Vernehmung der von der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten benannten Zeugen und Sachverständigen ist der Staatsanwaltschaft und dem Verteidiger auf deren übereinstimmenden Antrag von dem Vorsitzenden zu überlassen. 2Bei den von der Staatsanwaltschaft benannten Zeugen und Sachverständigen hat diese, bei den von dem Angeklagten benannten der Verteidiger in erster Reihe das Recht zur Vernehmung.

(2) Der Vorsitzende hat auch nach dieser Vernehmung die ihm zur weiteren Aufklärung der Sache erforderlich scheinenden Fragen an die Zeugen und Sachverständigen zu richten.

Zu § 239: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 240 StPO – Fragerecht

(1) Der Vorsitzende hat den beisitzenden Richtern auf Verlangen zu gestatten, Fragen an den Angeklagten, die Zeugen und die Sachverständigen zu stellen.

(2) 1Dasselbe hat der Vorsitzende der Staatsanwaltschaft, dem Angeklagten und dem Verteidiger sowie den Schöffen zu gestatten. 2Die unmittelbare Befragung eines Angeklagten durch einen Mitangeklagten ist unzulässig.

Zu § 240: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 241 StPO – Zurückweisung von Fragen durch den Vorsitzenden

(1) Dem, welcher im Falle des § 239 Abs. 1 die Befugnis der Vernehmung missbraucht, kann sie von dem Vorsitzenden entzogen werden.

(2) In den Fällen des § 239 Abs. 1 und des § 240 Abs. 2 kann der Vorsitzende ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen zurückweisen.

Zu § 241: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 241a StPO – Vernehmung minderjähriger Zeugen durch den Vorsitzenden

(1) Die Vernehmung von Zeugen unter 18 Jahren wird allein von dem Vorsitzenden durchgeführt.

(2) 1Die in § 240 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bezeichneten Personen können verlangen, dass der Vorsitzende den Zeugen weitere Fragen stellt. 2Der Vorsitzende kann diesen Personen eine unmittelbare Befragung der Zeugen gestatten, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen ein Nachteil für das Wohl der Zeugen nicht zu befürchten ist.

(3) § 241 Abs. 2 gilt entsprechend.

Zu § 241a: Geändert durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2280) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 242 StPO – Entscheidung über die Zulässigkeit von Fragen

Zweifel über die Zulässigkeit einer Frage entscheidet in allen Fällen das Gericht.

Zu § 242: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 243 StPO – Gang der Hauptverhandlung

(1) 1Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. 2Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) 1Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. 2Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) 1Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. 2Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zu Grunde. 3In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluss zu Grunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. 4In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) 1Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a ,  212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung ( § 257c ) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. 2Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) 1Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, dass es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. 2Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. 3Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. 4Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. 5Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. 6Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

Zu § 243: Geändert durch G vom 24. 6. 2004 (BGBl I S. 1354), 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2280), 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2353), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202).


§ 244 StPO – Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) 1Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. 2Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. 3Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

  1. 1.

    eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,

  2. 2.

    die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,

  3. 3.

    die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,

  4. 4.

    das Beweismittel völlig ungeeignet ist,

  5. 5.

    das Beweismittel unerreichbar ist oder

  6. 6.

    eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) 1Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. 2Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) 1Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. 2Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. 3Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) 1Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. 2Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. 3Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. 4Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. 5Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

Zu § 244: Geändert durch G vom 11. 1. 1993 (BGBl I S. 50), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208), 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202) und 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2121).


§ 245 StPO – Umfang der Beweisaufnahme; präsente Beweismittel

(1) 1Die Beweisaufnahme ist auf alle vom Gericht vorgeladenen und auch erschienenen Zeugen und Sachverständigen sowie auf die sonstigen nach § 214 Abs. 4 vom Gericht oder der Staatsanwaltschaft herbeigeschafften Beweismittel zu erstrecken, es sei denn, dass die Beweiserhebung unzulässig ist. 2Von der Erhebung einzelner Beweise kann abgesehen werden, wenn die Staatsanwaltschaft, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind.

(2) 1Zu einer Erstreckung der Beweisaufnahme auf die vom Angeklagten oder der Staatsanwaltschaft vorgeladenen und auch erschienenen Zeugen und Sachverständigen sowie auf die sonstigen herbeigeschafften Beweismittel ist das Gericht nur verpflichtet, wenn ein Beweisantrag gestellt wird. 2Der Antrag ist abzulehnen, wenn die Beweiserhebung unzulässig ist. 3Im Übrigen darf er nur abgelehnt werden, wenn die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen oder offenkundig ist, wenn zwischen ihr und dem Gegenstand der Urteilsfindung kein Zusammenhang besteht oder wenn das Beweismittel völlig ungeeignet ist.

Zu § 245: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2121).


§ 246 StPO – Ablehnung von Beweisanträgen wegen Verspätung

(1) Eine Beweiserhebung darf nicht deshalb abgelehnt werden, weil das Beweismittel oder die zu beweisende Tatsache zu spät vorgebracht worden sei.

(2) Ist jedoch ein zu vernehmender Zeuge oder Sachverständiger dem Gegner des Antragstellers so spät namhaft gemacht oder eine zu beweisende Tatsache so spät vorgebracht worden, dass es dem Gegner an der zur Einziehung von Erkundigungen erforderlichen Zeit gefehlt hat, so kann er bis zum Schluss der Beweisaufnahme die Aussetzung der Hauptverhandlung zum Zweck der Erkundigung beantragen.

(3) Dieselbe Befugnis haben die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte bei den auf Anordnung des Vorsitzenden oder des Gerichts geladenen Zeugen oder Sachverständigen.

(4) Über die Anträge entscheidet das Gericht nach freiem Ermessen.

Zu § 246: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 246a StPO – Vernehmung eines Sachverständigen vor Entscheidung über eine Unterbringung

(1) 1Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. 2Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a Absatz 1 Satz 2 Nummer 8 dieses Gesetzes oder nach § 56c Absatz 2 Nummer 6 , § 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.

Zu § 246a: Geändert durch G vom 21. 8. 2002 (BGBl I S. 3344), 16. 7. 2007 (BGBl I S. 1327), 26. 6. 2013 (BGBl I S. 1805) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 247 StPO – Entfernung des Angeklagten bei Vernehmung von Mitangeklagten und Zeugen

1Das Gericht kann anordnen, dass sich der Angeklagte während einer Vernehmung aus dem Sitzungszimmer entfernt, wenn zu befürchten ist, ein Mitangeklagter oder ein Zeuge werde bei seiner Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten die Wahrheit nicht sagen. 2Das Gleiche gilt, wenn bei der Vernehmung einer Person unter 18 Jahren als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten ein erheblicher Nachteil für das Wohl des Zeugen zu befürchten ist oder wenn bei einer Vernehmung einer anderen Person als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten die dringende Gefahr eines schwer wiegenden Nachteils für ihre Gesundheit besteht. 3Die Entfernung des Angeklagten kann für die Dauer von Erörterungen über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten angeordnet werden, wenn ein erheblicher Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist. 4Der Vorsitzende hat den Angeklagten, sobald dieser wieder anwesend ist, von dem wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was während seiner Abwesenheit ausgesagt oder sonst verhandelt worden ist.

Zu § 247: Geändert durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2280) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 247a StPO – Anordnung einer audiovisuellen Vernehmung von Zeugen

(1) 1Besteht die dringende Gefahr eines schwer wiegenden Nachteils für das Wohl des Zeugen, wenn er in Gegenwart der in der Hauptverhandlung Anwesenden vernommen wird, so kann das Gericht anordnen, dass der Zeuge sich während der Vernehmung an einem anderen Ort aufhält; eine solche Anordnung ist auch unter den Voraussetzungen des § 251 Abs. 2 zulässig, soweit dies zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. 2Die Entscheidung ist unanfechtbar. 3Die Aussage wird zeitgleich in Bild und Ton in das Sitzungszimmer übertragen. 4Sie soll aufgezeichnet werden, wenn zu besorgen ist, dass der Zeuge in einer weiteren Hauptverhandlung nicht vernommen werden kann und die Aufzeichnung zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. 5 § 58a Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.

(2) 1Das Gericht kann anordnen, dass die Vernehmung eines Sachverständigen in der Weise erfolgt, dass dieser sich an einem anderen Ort als das Gericht aufhält und die Vernehmung zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Sachverständige aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird. 2Dies gilt nicht in den Fällen des § 246a . 3Die Entscheidung nach Satz 1 ist unanfechtbar.

Zu § 247a: Eingefügt durch G vom 30. 4. 1998 (BGBl I S. 820), geändert durch G vom 24. 6. 2004 (BGBl I S. 1354), 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198), 25. 4. 2013 (BGBl I S. 935) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 248 StPO – Entlassung der Zeugen und Sachverständigen

1Die vernommenen Zeugen und Sachverständigen dürfen sich nur mit Genehmigung oder auf Anweisung des Vorsitzenden von der Gerichtsstelle entfernen. 2Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte sind vorher zu hören.

Zu § 248: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 249 StPO – Führung des Urkundenbeweises durch Verlesung; Selbstleseverfahren

(1) 1Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. 2Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind.

(2) 1Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253  und  254 abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit hatten. 2Widerspricht der Staatsanwalt, der Angeklagte oder der Verteidiger unverzüglich der Anordnung des Vorsitzenden, nach Satz 1 zu verfahren, so entscheidet das Gericht. 3Die Anordnung des Vorsitzenden, die Feststellungen über die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu und der Widerspruch sind in das Protokoll aufzunehmen.

Zu § 249: Geändert durch G vom 28. 10. 1994 (BGBl I S. 3186), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208).


§ 250 StPO – Grundsatz der persönlichen Vernehmung

1Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen. 2Die Vernehmung darf nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer Erklärung ersetzt werden.

Zu § 250: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208).


§ 251 StPO – Urkundenbeweis durch Verlesung von Protokollen

(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm erstellte Erklärung enthält, ersetzt werden,

  1. 1.

    wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat und der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind;

  2. 2.

    wenn die Verlesung lediglich der Bestätigung eines Geständnisses des Angeklagten dient und der Angeklagte, der keinen Verteidiger hat, sowie der Staatsanwalt der Verlesung zustimmen;

  3. 3.

    wenn der Zeuge, Sachverständige oder Mitbeschuldigte verstorben ist oder aus einem anderen Grunde in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann;

  4. 4.

    soweit das Protokoll oder die Urkunde das Vorliegen oder die Höhe eines Vermögensschadens betrifft.

(2) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten darf durch die Verlesung des Protokolls über seine frühere richterliche Vernehmung auch ersetzt werden, wenn

  1. 1.

    dem Erscheinen des Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten in der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen;

  2. 2.

    dem Zeugen oder Sachverständigen das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann;

  3. 3.

    der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte mit der Verlesung einverstanden sind.

(3) Soll die Verlesung anderen Zwecken als unmittelbar der Urteilsfindung, insbesondere zur Vorbereitung der Entscheidung darüber dienen, ob die Ladung und Vernehmung einer Person erfolgen sollen, so dürfen Protokolle und Urkunden auch sonst verlesen werden.

(4) 1In den Fällen der Absätze 1 und 2 beschließt das Gericht, ob die Verlesung angeordnet wird. 2Der Grund der Verlesung wird bekannt gegeben. 3Wird das Protokoll über eine richterliche Vernehmung verlesen, so wird festgestellt, ob der Vernommene vereidigt worden ist. 4Die Vereidigung wird nachgeholt, wenn sie dem Gericht notwendig erscheint und noch ausführbar ist.

Zu § 251: Geändert durch G vom 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208) und 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202).


§ 252 StPO – Verbot der Protokollverlesung nach Zeugnisverweigerung

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

Zu § 252: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 253 StPO – Protokollverlesung zur Gedächtnisunterstützung

(1) Erklärt ein Zeuge oder Sachverständiger, dass er sich einer Tatsache nicht mehr erinnere, so kann der hierauf bezügliche Teil des Protokolls über seine frühere Vernehmung zur Unterstützung seines Gedächtnisses verlesen werden.

(2) Dasselbe kann geschehen, wenn ein in der Vernehmung hervortretender Widerspruch mit der früheren Aussage nicht auf andere Weise ohne Unterbrechung der Hauptverhandlung festgestellt oder behoben werden kann.

Zu § 253: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 254 StPO – Verlesung eines richterlichen Protokolls bei Geständnis oder Widersprüchen

(1) Erklärungen des Angeklagten, die in einem richterlichen Protokoll oder in einer Bild-Ton-Aufzeichnung einer Vernehmung enthalten sind, können zum Zweck der Beweisaufnahme über ein Geständnis verlesen beziehungsweise vorgeführt werden.

(2) Dasselbe kann geschehen, wenn ein in der Vernehmung hervortretender Widerspruch mit der früheren Aussage nicht auf andere Weise ohne Unterbrechung der Hauptverhandlung festgestellt oder behoben werden kann.

Zu § 254: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202).


§ 255 StPO – Protokollierung der Verlesung

In den Fällen der §§ 253 und 254 ist die Verlesung und ihr Grund auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten im Protokoll zu erwähnen.

Zu § 255: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 255a StPO – Vorführung einer aufgezeichneten Zeugenvernehmung

(1) Für die Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung einer Zeugenvernehmung gelten die Vorschriften zur Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung gemäß §§ 251 , 252 , 253  und  255 entsprechend.

(2) 1In Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung ( §§ 174 bis 184k des Strafgesetzbuches ) oder gegen das Leben ( §§ 211 bis 222 des Strafgesetzbuches ), wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen ( § 225 des Strafgesetzbuches ) oder wegen Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches kann die Vernehmung eines Zeugen unter 18 Jahren durch die Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung seiner früheren richterlichen Vernehmung ersetzt werden, wenn der Angeklagte und sein Verteidiger Gelegenheit hatten, an dieser mitzuwirken, und wenn der Zeuge, dessen Vernehmung nach § 58a Absatz 1 Satz 3 in Bild und Ton aufgezeichnet worden ist, der vernehmungsersetzenden Vorführung dieser Aufzeichnung in der Hauptverhandlung nicht unmittelbar nach der aufgezeichneten Vernehmung widersprochen hat. 2Dies gilt auch für Zeugen, die Verletzte einer dieser Straftaten sind und zur Zeit der Tat unter 18 Jahre alt waren oder Verletzte einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung ( §§ 174 bis 184k des Strafgesetzbuches ) sind. 3Das Gericht hat bei seiner Entscheidung auch die schutzwürdigen Interessen des Zeugen zu berücksichtigen und den Grund für die Vorführung bekanntzugeben. 4Eine ergänzende Vernehmung des Zeugen ist zulässig.

Zu § 255a: Eingefügt durch G vom 30. 4. 1998 (BGBl I S. 820), geändert durch G vom 27. 12. 2003 (BGBl I S. 3007), 11. 2. 2005 (BGBl I S. 239), 31. 10. 2008 (BGBl I S. 2149), 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2280), 26. 6. 2013 (BGBl I S. 1805), 21. 1. 2015 (BGBl I S. 10), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 4. 11. 2016 (BGBl I S. 2460), 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208), 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2121) und 9. 10. 2020 (BGBl I S. 2075).


§ 256 StPO – Verlesung der Erklärungen von Behörden und Sachverständigen

(1) Verlesen werden können

  1. 1.

    die ein Zeugnis oder ein Gutachten enthaltenden Erklärungen

    1. a)

      öffentlicher Behörden,

    2. b)

      der Sachverständigen, die für die Erstellung von Gutachten der betreffenden Art allgemein vereidigt sind, sowie

    3. c)

      der Ärzte eines gerichtsärztlichen Dienstes mit Ausschluss von Leumundszeugnissen,

  2. 2.

    unabhängig vom Tatvorwurf ärztliche Atteste über Körperverletzungen,

  3. 3.

    ärztliche Berichte zur Entnahme von Blutproben,

  4. 4.

    Gutachten über die Auswertung eines Fahrtschreibers, die Bestimmung der Blutgruppe oder des Blutalkoholgehalts einschließlich seiner Rückrechnung,

  5. 5.

    Protokolle sowie in einer Urkunde enthaltene Erklärungen der Strafverfolgungsbehörden über Ermittlungshandlungen, soweit diese nicht eine Vernehmung zum Gegenstand haben und

  6. 6.

    Übertragungsnachweise und Vermerke nach § 32e Absatz 3 .

(2) Ist das Gutachten einer kollegialen Fachbehörde eingeholt worden, so kann das Gericht die Behörde ersuchen, eines ihrer Mitglieder mit der Vertretung des Gutachtens in der Hauptverhandlung zu beauftragen und dem Gericht zu bezeichnen.

Zu § 256: Geändert durch G vom 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208) und 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202).


§ 257 StPO – Befragung des Angeklagten und Erklärungsrechte nach einer Beweiserhebung

(1) Nach der Vernehmung eines jeden Mitangeklagten und nach jeder einzelnen Beweiserhebung soll der Angeklagte befragt werden, ob er dazu etwas zu erklären habe.

(2) Auf Verlangen ist auch dem Staatsanwalt und dem Verteidiger nach der Vernehmung des Angeklagten und nach jeder einzelnen Beweiserhebung Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären.

(3) Die Erklärungen dürfen den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen.

Zu § 257: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 257a StPO – Form von Anträgen und Anregungen zu Verfahrensfragen

Das Gericht kann den Verfahrensbeteiligten aufgeben, Anträge und Anregungen zu Verfahrensfragen schriftlich zu stellen. Dies gilt nicht für die in § 258 bezeichneten Anträge. § 249 findet entsprechende Anwendung.

Zu § 257a: Eingefügt durch G vom 28. 10. 1994 (BGBl I S. 3186), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 257b StPO – Erörterung des Verfahrensstands mit den Verfahrensbeteiligten

Das Gericht kann in der Hauptverhandlung den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern.

Zu § 257b: Eingefügt durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2353), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 257c StPO – Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten

(1) 1Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. 2 § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) 1Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. 2Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. 3Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) 1Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. 2Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. 3Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. 4Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) 1Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. 2Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. 3Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. 4Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

Zu § 257c: Eingefügt durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2353), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 258 StPO – Schlussvorträge; Recht des letzten Wortes

(1) Nach dem Schluss der Beweisaufnahme erhalten der Staatsanwalt und sodann der Angeklagte zu ihren Ausführungen und Anträgen das Wort.

(2) Dem Staatsanwalt steht das Recht der Erwiderung zu; dem Angeklagten gebührt das letzte Wort.

(3) Der Angeklagte ist, auch wenn ein Verteidiger für ihn gesprochen hat, zu befragen, ob er selbst noch etwas zu seiner Verteidigung anzuführen habe.

Zu § 258: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 259 StPO – Dolmetscher

(1) Einem der Gerichtssprache nicht mächtigen Angeklagten müssen aus den Schlussvorträgen mindestens die Anträge des Staatsanwalts und des Verteidigers durch den Dolmetscher bekannt gemacht werden.

(2) Dasselbe gilt nach Maßgabe des § 186 des Gerichtsverfassungsgesetzes für einen hör- oder sprachbehinderten Angeklagten.

Zu § 259: Geändert durch G vom 23. 7. 2002 (BGBl I S. 2850) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 260 StPO – Urteil

(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils.

(2) Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung verboten wird, genau zu bezeichnen.

(3) Die Einstellung des Verfahrens ist im Urteil auszusprechen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) 1Die Urteilsformel gibt die rechtliche Bezeichnung der Tat an, deren der Angeklagte schuldig gesprochen wird. 2Hat ein Straftatbestand eine gesetzliche Überschrift, so soll diese zur rechtlichen Bezeichnung der Tat verwendet werden. 3Wird eine Geldstrafe verhängt, so sind Zahl und Höhe der Tagessätze in die Urteilsformel aufzunehmen. 4Wird die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten, die Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung ausgesetzt, der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt oder von Strafe abgesehen, so ist dies in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen. 5Im Übrigen unterliegt die Fassung der Urteilsformel dem Ermessen des Gerichts.

(5) 1Nach der Urteilsformel werden die angewendeten Vorschriften nach Paragraf, Absatz, Nummer, Buchstabe und mit der Bezeichnung des Gesetzes aufgeführt. 2Ist bei einer Verurteilung, durch die auf Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt wird, die Tat oder der ihrer Bedeutung nach überwiegende Teil der Taten auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden, so ist außerdem § 17 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes anzuführen.

Zu § 260: Geändert durch G vom 21. 8. 2002 (BGBl I S. 3344) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 261 StPO – Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Zu § 261: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 262 StPO – Entscheidung zivilrechtlicher Vorfragen

(1) Hängt die Strafbarkeit einer Handlung von der Beurteilung eines bürgerlichen Rechtsverhältnisses ab, so entscheidet das Strafgericht auch über dieses nach den für das Verfahren und den Beweis in Strafsachen geltenden Vorschriften.

(2) Das Gericht ist jedoch befugt, die Untersuchung auszusetzen und einem der Beteiligten zur Erhebung der Zivilklage eine Frist zu bestimmen oder das Urteil des Zivilgerichts abzuwarten.

Zu § 262: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 263 StPO – Abstimmung

(1) Zu jeder dem Angeklagten nachteiligen Entscheidung über die Schuldfrage und die Rechtsfolgen der Tat ist eine Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen erforderlich.

(2) Die Schuldfrage umfasst auch solche vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen.

(3) Die Schuldfrage umfasst nicht die Voraussetzungen der Verjährung.

Zu § 263: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 264 StPO – Gegenstand des Urteils

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluss über die Eröffnung des Hauptverfahrens zu Grunde liegt, nicht gebunden.

Zu § 264: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 265 StPO – Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne dass er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

  1. 1.

    sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,

  2. 2.

    das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sachoder Rechtslage abweichen will oder

  3. 3.

    der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

Zu § 265: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202).


§ 265a StPO – Befragung des Angeklagten vor Erteilung von Auflagen oder Weisungen

1Kommen Auflagen oder Weisungen ( §§ 56b , 56c , 59a Abs. 2 des Strafgesetzbuches ) in Betracht, so ist der Angeklagte in geeigneten Fällen zu befragen, ob er sich zu Leistungen erbietet, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen, oder Zusagen für seine künftige Lebensführung macht. 2Kommt die Weisung in Betracht, sich einer Heilbehandlung oder einer Entziehungskur zu unterziehen oder in einem geeigneten Heim oder einer geeigneten Anstalt Aufenthalt zu nehmen, so ist er zu befragen, ob er hierzu seine Einwilligung gibt.

Zu § 265a: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 266 StPO – Nachtragsanklage

(1) Erstreckt der Staatsanwalt in der Hauptverhandlung die Anklage auf weitere Straftaten des Angeklagten, so kann das Gericht sie durch Beschluss in das Verfahren einbeziehen, wenn es für sie zuständig ist und der Angeklagte zustimmt.

(2) 1Die Nachtragsanklage kann mündlich erhoben werden. 2Ihr Inhalt entspricht dem § 200 Abs. 1 . 3Sie wird in das Sitzungsprotokoll aufgenommen. 4Der Vorsitzende gibt dem Angeklagten Gelegenheit, sich zu verteidigen.

(3) 1Die Verhandlung wird unterbrochen, wenn es der Vorsitzende für erforderlich hält oder wenn der Angeklagte es beantragt und sein Antrag nicht offenbar mutwillig oder nur zur Verzögerung des Verfahrens gestellt ist. 2Auf das Recht, die Unterbrechung zu beantragen, wird der Angeklagte hingewiesen.

Zu § 266: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208).


§ 267 StPO – Urteilsgründe

(1) 1Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. 2Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. 3Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) 1Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. 2Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches . 3Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. 4Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. 5Ist dem Urteil eine Verständigung ( § 257c ) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) 1Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. 2Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. 3Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. 4Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) 1Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. 2Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. 3Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) 1Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. 2Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

Zu § 267: Geändert durch G vom 28. 10. 1994 (BGBl I S. 3186), 21. 8. 2002 (BGBl I S. 3344), 22. 12. 2006 (BGBl I S. 3416), 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2353) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 268 StPO – Urteilsverkündung

(1) Das Urteil ergeht im Namen des Volkes.

(2) 1Das Urteil wird durch Verlesung der Urteilsformel und Eröffnung der Urteilsgründe verkündet. 2Die Eröffnung der Urteilsgründe geschieht durch Verlesung oder durch mündliche Mitteilung ihres wesentlichen Inhalts. 3Bei der Entscheidung, ob die Urteilsgründe verlesen werden oder ihr wesentlicher Inhalt mündlich mitgeteilt wird, sowie im Fall der mündlichen Mitteilung des wesentlichen Inhalts der Urteilsgründe soll auf die schutzwürdigen Interessen von Prozessbeteiligten, Zeugen oder Verletzten Rücksicht genommen werden. 4Die Verlesung der Urteilsformel hat in jedem Falle der Mitteilung der Urteilsgründe voranzugehen.

(3) 1Das Urteil soll am Schluss der Verhandlung verkündet werden. 2Es muss spätestens zwei Wochen danach verkündet werden, andernfalls mit der Hauptverhandlung von neuem zu beginnen ist. 3 § 229 Absatz 3 , 4 Satz 2 und Absatz 5 gilt entsprechend.

Zu § 268: Geändert durch G vom 26. 6. 2013 (BGBl I S. 1805), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 268a StPO – Aussetzung der Vollstreckung von Strafen oder Maßregeln zur Bewährung

(1) Wird in dem Urteil die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt, so trifft das Gericht die in den §§ 56a bis 56d und 59a des Strafgesetzbuches bezeichneten Entscheidungen durch Beschluss; dieser ist mit dem Urteil zu verkünden.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn in dem Urteil eine Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung ausgesetzt oder neben der Strafe Führungsaufsicht angeordnet wird und das Gericht Entscheidungen nach den §§ 68a bis 68c des Strafgesetzbuches trifft.

(3) 1Der Vorsitzende belehrt den Angeklagten über die Bedeutung der Aussetzung der Strafe oder Maßregel zur Bewährung, der Verwarnung mit Strafvorbehalt oder der Führungsaufsicht, über die Dauer der Bewährungszeit oder der Führungsaufsicht, über die Auflagen und Weisungen sowie über die Möglichkeit des Widerrufs der Aussetzung oder der Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe ( § 56f Abs. 1 , §§ 59b , 67g Abs. 1 des Strafgesetzbuches ). Erteilt das Gericht dem Angeklagten Weisungen nach § 68b Abs. 1 des Strafgesetzbuches , so belehrt der Vorsitzende ihn auch über die Möglichkeit einer Bestrafung nach § 145a des Strafgesetzbuches . 2Die Belehrung ist in der Regel im Anschluss an die Verkündung des Beschlusses nach den Absätzen 1 oder 2 zu erteilen. 3Wird die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Bewährung ausgesetzt, so kann der Vorsitzende von der Belehrung über die Möglichkeit des Widerrufs der Aussetzung absehen.

Zu § 268a: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 268b StPO – Beschluss über die Fortdauer der Untersuchungshaft

1Bei der Urteilsfällung ist zugleich von Amts wegen über die Fortdauer der Untersuchungshaft oder einstweiligen Unterbringung zu entscheiden. 2Der Beschluss ist mit dem Urteil zu verkünden.

Zu § 268b: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 268c StPO – Belehrung bei Anordnung eines Fahrverbots

1Wird in dem Urteil ein Fahrverbot angeordnet, so belehrt der Vorsitzende den Angeklagten über den Beginn der Verbotsfrist ( § 44 Abs. 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches ). 2Die Belehrung wird im Anschluss an die Urteilsverkündung erteilt. 3Ergeht das Urteil in Abwesenheit des Angeklagten, so ist er schriftlich zu belehren.

Zu § 268c: Geändert durch G vom 24. 4. 1998 (BGBl I S. 747) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 268d StPO – Belehrung bei vorbehaltener Sicherungsverwahrung

Ist in dem Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66a Absatz 1 oder 2 des Strafgesetzbuches vorbehalten, so belehrt der Vorsitzende den Angeklagten über die Bedeutung des Vorbehalts sowie über den Zeitraum, auf den sich der Vorbehalt erstreckt.

Zu § 268d: Neugefasst durch G vom 22. 12. 2010 (BGBl I S. 2300), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 269 StPO – Verbot der Verweisung bei Zuständigkeit eines Gerichts niederer Ordnung

Das Gericht darf sich nicht für unzuständig erklären, weil die Sache vor ein Gericht niederer Ordnung gehöre.

Zu § 269: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 270 StPO – Verweisung bei Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung

(1) 1Hält ein Gericht nach Beginn einer Hauptverhandlung die sachliche Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung für begründet, so verweist es die Sache durch Beschluss an das zuständige Gericht; § 209a Nr. 2 Buchstabe a gilt entsprechend. 2Ebenso ist zu verfahren, wenn das Gericht einen rechtzeitig geltend gemachten Einwand des Angeklagten nach § 6a für begründet hält.

(2) In dem Beschluss bezeichnet das Gericht den Angeklagten und die Tat gemäß § 200 Abs. 1 Satz 1 .

(3) 1Der Beschluss hat die Wirkung eines das Hauptverfahren eröffnenden Beschlusses. 2Seine Anfechtbarkeit bestimmt sich nach § 210 .

(4) 1Ist der Verweisungsbeschluss von einem Strafrichter oder einem Schöffengericht ergangen, so kann der Angeklagte innerhalb einer bei der Bekanntmachung des Beschlusses zu bestimmenden Frist die Vornahme einzelner Beweiserhebungen vor der Hauptverhandlung beantragen. 2Über den Antrag entscheidet der Vorsitzende des Gerichts, an das die Sache verwiesen worden ist.

Zu § 270: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 271 StPO – Hauptverhandlungsprotokoll

(1) 1Über die Hauptverhandlung ist ein Protokoll aufzunehmen und von dem Vorsitzenden und dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, soweit dieser in der Hauptverhandlung anwesend war, zu unterschreiben. 2Der Tag der Fertigstellung ist darin anzugeben oder aktenkundig zu machen.

(2) 1Ist der Vorsitzende verhindert, so unterschreibt für ihn der älteste beisitzende Richter. 2Ist der Vorsitzende das einzige richterliche Mitglied des Gerichts, so genügt bei seiner Verhinderung die Unterschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle.

Zu § 271: Geändert durch G vom 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 272 StPO – Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls

Das Protokoll über die Hauptverhandlung enthält

  1. 1.

    den Ort und den Tag der Verhandlung;

  2. 2.

    die Namen der Richter und Schöffen, des Beamten der Staatsanwaltschaft, des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle und des zugezogenen Dolmetschers;

  3. 3.

    die Bezeichnung der Straftat nach der Anklage;

  4. 4.

    die Namen der Angeklagten, ihrer Verteidiger, der Privatkläger, der Nebenkläger, der Anspruchsteller nach § 403 , der sonstigen Nebenbeteiligten, der gesetzlichen Vertreter, der Bevollmächtigten und der Beistände;

  5. 5.

    die Angabe, dass öffentlich verhandelt oder die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist.

Zu § 272: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 273 StPO – Beurkundung der Hauptverhandlung

(1) 1Das Protokoll muss den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im Wesentlichen wiedergeben und die Beachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Urkunden oder derjenigen, von deren Verlesung nach § 249 Abs. 2 abgesehen worden ist, sowie die im Laufe der Verhandlung gestellten Anträge, die ergangenen Entscheidungen und die Urteilsformel enthalten. 2In das Protokoll muss auch der wesentliche Ablauf und Inhalt einer Erörterung nach § 257b aufgenommen werden.

(1a) 1Das Protokoll muss auch den wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis einer Verständigung nach § 257c wiedergeben. 2Gleiches gilt für die Beachtung der in § 243 Absatz 4 , § 257c Absatz 4 Satz 4 und Absatz 5 vorgeschriebenen Mitteilungen und Belehrungen. 3Hat eine Verständigung nicht stattgefunden, ist auch dies im Protokoll zu vermerken.

(2) 1Aus der Hauptverhandlung vor dem Strafrichter und dem Schöffengericht sind außerdem die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in das Protokoll aufzunehmen; dies gilt nicht, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel verzichten oder innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt wird. 2Der Vorsitzende kann anordnen, dass an Stelle der Aufnahme der wesentlichen Vernehmungsergebnisse in das Protokoll einzelne Vernehmungen im Zusammenhang als Tonaufzeichnung zur Akte genommen werden. 3 § 58a Abs. 2 Satz 1 und 3 bis 6 gilt entsprechend.

(3) 1Kommt es auf die Feststellung eines Vorgangs in der Hauptverhandlung oder des Wortlauts einer Aussage oder einer Äußerung an, so hat der Vorsitzende von Amts wegen oder auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person die vollständige Protokollierung und Verlesung anzuordnen. 2Lehnt der Vorsitzende die Anordnung ab, so entscheidet auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person das Gericht. 3In dem Protokoll ist zu vermerken, dass die Verlesung geschehen und die Genehmigung erfolgt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind.

(4) Bevor das Protokoll fertig gestellt ist, darf das Urteil nicht zugestellt werden.

Zu § 273: Geändert durch G vom 24. 6. 2004 (BGBl I S. 1354), 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2353), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208).


§ 274 StPO – Beweiskraft des Protokolls

1Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. 2Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

Zu § 274: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332)


§ 275 StPO – Absetzungsfrist und Form des Urteils

(1) 1Ist das Urteil mit den Gründen nicht bereits vollständig in das Protokoll aufgenommen worden, so ist es unverzüglich zu den Akten zu bringen. 2Dies muss spätestens fünf Wochen nach der Verkündung geschehen; diese Frist verlängert sich, wenn die Hauptverhandlung länger als drei Tage gedauert hat, um zwei Wochen, und wenn die Hauptverhandlung länger als zehn Tage gedauert hat, für jeden begonnenen Abschnitt von zehn Hauptverhandlungstagen um weitere zwei Wochen. 3Nach Ablauf der Frist dürfen die Urteilsgründe nicht mehr geändert werden. 4Die Frist darf nur überschritten werden, wenn und solange das Gericht durch einen im Einzelfall nicht voraussehbaren unabwendbaren Umstand an ihrer Einhaltung gehindert worden ist. 5Der Zeitpunkt, zu dem das Urteil zu den Akten gebracht ist, und der Zeitpunkt einer Änderung der Gründe müssen aktenkundig sein.

(2) 1Das Urteil ist von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterschreiben. 2Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies unter der Angabe des Verhinderungsgrundes von dem Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung von dem ältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. 3Der Unterschrift der Schöffen bedarf es nicht.

(3) Die Bezeichnung des Tages der Sitzung sowie die Namen der Richter, der Schöffen, des Beamten der Staatsanwaltschaft, des Verteidigers und des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, die an der Sitzung teilgenommen haben, sind in das Urteil aufzunehmen.

Zu § 275: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208).


§§ 151 - 295, Zweites Buch - Verfahren im ersten Rechtszug
§ 275a, Siebter Abschnitt - Entscheidung über die im Urteil vorbehaltene oder die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung

§ 275a StPO – Einleitung des Verfahrens; Hauptverhandlung; Unterbringungsbefehl

(1) 1Ist im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten ( § 66a des Strafgesetzbuches ), übersendet die Vollstreckungsbehörde die Akten rechtzeitig an die Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichts. 2Diese übergibt die Akten so rechtzeitig dem Vorsitzenden des Gerichts, dass eine Entscheidung bis zu dem in Absatz 5 genannten Zeitpunkt ergehen kann. 3Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 67d Absatz 6 Satz 1 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, übersendet die Vollstreckungsbehörde die Akten unverzüglich an die Staatsanwaltschaft des Gerichts, das für eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung ( § 66b des Strafgesetzbuches ) zuständig ist. 4Beabsichtigt diese, eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu beantragen, teilt sie dies der betroffenen Person mit. 5Die Staatsanwaltschaft soll den Antrag auf nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung unverzüglich stellen und ihn zusammen mit den Akten dem Vorsitzenden des Gerichts übergeben.

(2) Für die Vorbereitung und die Durchführung der Hauptverhandlung gelten die §§ 213 bis 275 entsprechend, soweit nachfolgend nichts anderes geregelt ist.

(3) 1Nachdem die Hauptverhandlung nach Maßgabe des § 243 Abs. 1 begonnen hat, hält ein Berichterstatter in Abwesenheit der Zeugen einen Vortrag über die Ergebnisse des bisherigen Verfahrens. 2Der Vorsitzende verliest das frühere Urteil, soweit es für die Entscheidung über die vorbehaltene oder die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung von Bedeutung ist. 3Sodann erfolgt die Vernehmung des Verurteilten und die Beweisaufnahme.

(4) 1Das Gericht holt vor der Entscheidung das Gutachten eines Sachverständigen ein. 2Ist über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu entscheiden, müssen die Gutachten von zwei Sachverständigen eingeholt werden. 3Die Gutachter dürfen im Rahmen des Strafvollzugs oder des Vollzugs der Unterbringung nicht mit der Behandlung des Verurteilten befasst gewesen sein.

(5) Das Gericht soll über die vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung spätestens sechs Monate vor der vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe entscheiden.

(6) 1Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet wird, so kann das Gericht bis zur Rechtskraft des Urteils einen Unterbringungsbefehl erlassen. 2Für den Erlass des Unterbringungsbefehls ist das für die Entscheidung nach § 67d Absatz 6 des Strafgesetzbuches zuständige Gericht so lange zuständig, bis der Antrag auf Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei dem für diese Entscheidung zuständigen Gericht eingeht. 3In den Fällen des § 66a des Strafgesetzbuches kann das Gericht bis zur Rechtskraft des Urteils einen Unterbringungsbefehl erlassen, wenn es im ersten Rechtszug bis zu dem in § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches bestimmten Zeitpunkt die vorbehaltene Sicherungsverwahrung angeordnet hat. 4Die §§ 114 bis 115a , 117 bis 119a und 126a Abs. 3 gelten entsprechend.

Zu § 275a: Neugefasst durch G vom 23. 7. 2004 (BGBl I S. 1838), geändert durch G vom 8. 7. 2008 (BGBl I S. 1212), 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2274), 22. 12. 2010 (BGBl I S. 2300) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§§ 151 - 295, Zweites Buch - Verfahren im ersten Rechtszug
§§ 276 - 295, Achter Abschnitt - Verfahren gegen Abwesende

§ 276 StPO – Begriff der Abwesenheit

Ein Beschuldigter gilt als abwesend, wenn sein Aufenthalt unbekannt ist oder wenn er sich im Ausland aufhält und seine Gestellung vor das zuständige Gericht nicht ausführbar oder nicht angemessen erscheint.

Zu § 276: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 277 StPO

(weggefallen)


§ 278 StPO

(weggefallen)


§ 279 StPO

(weggefallen)


§ 280 StPO

(weggefallen)


§ 281 StPO

(weggefallen)


§ 282 StPO

(weggefallen)


§ 283 StPO

(weggefallen)


§ 284 StPO

(weggefallen)


§ 285 StPO – Beweissicherungszweck

(1) 1Gegen einen Abwesenden findet keine Hauptverhandlung statt. 2Das gegen einen Abwesenden eingeleitete Verfahren hat die Aufgabe, für den Fall seiner künftigen Gestellung die Beweise zu sichern.

(2) Für dieses Verfahren gelten die Vorschriften der §§ 286 bis 294 .

Zu § 285: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 286 StPO – Vertretung von Abwesenden

1Für den Beschuldigten kann ein Verteidiger auftreten. 2Auch Angehörige des Beschuldigten sind, auch ohne Vollmacht, als Vertreter zuzulassen.

Zu § 286: Geändert durch G vom 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 287 StPO – Benachrichtigung von Abwesenden

(1) Dem abwesenden Beschuldigten steht ein Anspruch auf Benachrichtigung über den Fortgang des Verfahrens nicht zu.

(2) Der Richter ist jedoch befugt, einem Abwesenden, dessen Aufenthalt bekannt ist, Benachrichtigungen zugehen zu lassen.

Zu § 287: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 288 StPO – Öffentliche Aufforderung zum Erscheinen oder zur Aufenthaltsortsanzeige

Der Abwesende, dessen Aufenthalt unbekannt ist, kann in einem oder mehreren öffentlichen Blättern zum Erscheinen vor Gericht oder zur Anzeige seines Aufenthaltsortes aufgefordert werden.

Zu § 288: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 289 StPO – Beweisaufnahme durch beauftragte oder ersuchte Richter

Stellt sich erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens die Abwesenheit des Angeklagten heraus, so erfolgen die noch erforderlichen Beweisaufnahmen durch einen beauftragten oder ersuchten Richter.

Zu § 289: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 290 StPO – Vermögensbeschlagnahme

(1) Liegen gegen den Abwesenden, gegen den die öffentliche Klage erhoben ist, Verdachtsgründe vor, die den Erlass eines Haftbefehls rechtfertigen würden, so kann sein im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes befindliches Vermögen durch Beschluss des Gerichts mit Beschlag belegt werden.

(2) Wegen Straftaten, die nur mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen bedroht sind, findet keine Vermögensbeschlagnahme statt.

Zu § 290: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 291 StPO – Bekanntmachung der Beschlagnahme

Der die Beschlagnahme verhängende Beschluss ist im Bundesanzeiger bekannt zu machen und kann nach dem Ermessen des Gerichts auch auf andere geeignete Weise veröffentlicht werden.

Zu § 291: Geändert durch G vom 24. 10. 2006 (BGBl I S. 2350), 22. 12. 2011 (BGBl I S. 3044) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 292 StPO – Wirkung der Bekanntmachung

(1) Mit dem Zeitpunkt der ersten Bekanntmachung im Bundesanzeiger verliert der Angeschuldigte das Recht, über das in Beschlag genommene Vermögen unter Lebenden zu verfügen.

(2) 1Der die Beschlagnahme verhängende Beschluss ist der Behörde mitzuteilen, die für die Einleitung einer Pflegschaft über Abwesende zuständig ist. 2Diese Behörde hat eine Pflegschaft einzuleiten.

Zu § 292: Geändert durch G vom 24. 10. 2006 (BGBl I S. 2350), 22. 12. 2011 (BGBl I S. 3044) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 293 StPO – Aufhebung der Beschlagnahme

(1) Die Beschlagnahme ist aufzuheben, wenn ihre Gründe weggefallen sind.

(2) 1Die Aufhebung der Beschlagnahme ist auf dieselbe Weise bekannt zu machen, wie die Bekanntmachung der Beschlagnahme. 2Ist die Veröffentlichung nach § 291 im Bundesanzeiger erfolgt, ist zudem deren Löschung zu veranlassen; die Veröffentlichung der Aufhebung der Beschlagnahme im Bundesanzeiger ist nach Ablauf von einem Monat zu löschen.

Zu § 293: Geändert durch G vom 24. 10. 2006 (BGBl I S. 2350), 22. 12. 2011 (BGBl I S. 3044) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 294 StPO – Verfahren nach Anklageerhebung

(1) Für das nach Erhebung der öffentlichen Klage eintretende Verfahren gelten im Übrigen die Vorschriften über die Eröffnung des Hauptverfahrens entsprechend.

(2) In dem nach Beendigung dieses Verfahrens ergehenden Beschluss ( § 199 ) ist zugleich über die Fortdauer oder Aufhebung der Beschlagnahme zu entscheiden.

Zu § 294: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 295 StPO – Sicheres Geleit

(1) Das Gericht kann einem abwesenden Beschuldigten sicheres Geleit erteilen; es kann diese Erteilung an Bedingungen knüpfen.

(2) Das sichere Geleit gewährt Befreiung von der Untersuchungshaft, jedoch nur wegen der Straftat, für die es erteilt ist.

(3) Es erlischt, wenn ein auf Freiheitsstrafe lautendes Urteil ergeht oder wenn der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft oder wenn er die Bedingungen nicht erfüllt, unter denen ihm das sichere Geleit erteilt worden ist.

Zu § 295: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§§ 296 - 358, Drittes Buch - Rechtsmittel
§§ 296 - 303, Erster Abschnitt - Allgemeine Vorschriften

§ 296 StPO – Rechtsmittelberechtigte

(1) Die zulässigen Rechtsmittel gegen gerichtliche Entscheidungen stehen sowohl der Staatsanwaltschaft als dem Beschuldigten zu.

(2) Die Staatsanwaltschaft kann von ihnen auch zu Gunsten des Beschuldigten Gebrauch machen.

Zu § 296: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 297 StPO – Einlegung durch den Verteidiger

Für den Beschuldigten kann der Verteidiger, jedoch nicht gegen dessen ausdrücklichen Willen, Rechtsmittel einlegen.

Zu § 297: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 298 StPO – Einlegung durch den gesetzlichen Vertreter

(1) Der gesetzliche Vertreter eines Beschuldigten kann binnen der für den Beschuldigten laufenden Frist selbstständig von den zulässigen Rechtsmitteln Gebrauch machen.

(2) Auf ein solches Rechtsmittel und auf das Verfahren sind die für die Rechtsmittel des Beschuldigten geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

Zu § 298: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 299 StPO – Abgabe von Erklärungen bei Freiheitsentzug

(1) Der nicht auf freiem Fuß befindliche Beschuldigte kann die Erklärungen, die sich auf Rechtsmittel beziehen, zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts geben, in dessen Bezirk die Anstalt liegt, wo er auf behördliche Anordnung verwahrt wird.

(2) Zur Wahrung einer Frist genügt es, wenn innerhalb der Frist das Protokoll aufgenommen wird.

Zu § 299: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 300 StPO – Falschbezeichnung eines zulässigen Rechtsmittels

Ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels ist unschädlich.

Zu § 300: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 301 StPO – Wirkung eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, dass die angefochtene Entscheidung auch zu Gunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

Zu § 301: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 302 StPO – Zurücknahme und Verzicht

(1) 1Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. 2Ist dem Urteil eine Verständigung ( § 257c ) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen. 3Ein von der Staatsanwaltschaft zu Gunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden.

(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung.

Zu § 302: Geändert durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2353) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 303 StPO – Zustimmungserfordernis bei Zurücknahme

1Wenn die Entscheidung über das Rechtsmittel auf Grund mündlicher Verhandlung stattzufinden hat, so kann die Zurücknahme nach Beginn der Hauptverhandlung nur mit Zustimmung des Gegners erfolgen. 2Die Zurücknahme eines Rechtsmittels des Angeklagten bedarf jedoch nicht der Zustimmung des Nebenklägers.

Zu § 303: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§§ 296 - 358, Drittes Buch - Rechtsmittel
§§ 304 - 311a, Zweiter Abschnitt - Beschwerde

§ 304 StPO – Zulässigkeit

(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht.

(2) Auch Zeugen, Sachverständige und andere Personen können gegen Beschlüsse und Verfügungen, durch die sie betroffen werden, Beschwerde erheben.

(3) Gegen Entscheidungen über Kosten oder notwendige Auslagen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.

(4) 1Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Bundesgerichtshofes ist keine Beschwerde zulässig. 2Dasselbe gilt für Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte; in Sachen, in denen die Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug zuständig sind, ist jedoch die Beschwerde zulässig gegen Beschlüsse und Verfügungen, welche

  1. 1.
    die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Unterbringung zur Beobachtung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 oder § 101a Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen,
  2. 2.
    die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen oder das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einstellen,
  3. 3.
    die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten ( § 231a ) anordnen oder die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung aussprechen,
  4. 4.
    die Akteneinsicht betreffen oder
  5. 5.
    den Widerruf der Strafaussetzung, den Widerruf des Straferlasses und die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe ( § 453 Abs. 2 Satz 3 ), die Anordnung vorläufiger Maßnahmen zur Sicherung des Widerrufs ( § 453c ), die Aussetzung des Strafrestes und deren Widerruf ( § 454 Abs. 3  und  4 ), die Wiederaufnahme des Verfahrens ( § 372 Satz 1 ) oder die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung nach den §§ 435 , 436 Absatz 2 in Verbindung mit § 434 Absatz 2 und § 439 betreffen;

3 § 138d Abs. 6 bleibt unberührt.

(5) Gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts ( § 169 Abs. 1 ) ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen.

Zu § 304: Berichtigt am 27. 4. 1987 (BGBl I S. 1319), geändert durch G vom 17. 12. 1990 (BGBl I S. 2847), 26. 1. 1998 (BGBl I S. 160), 13. 12. 2001 (BGBl I S. 3574), 5. 5. 2004 (BGBl I S. 718), 21. 12. 2007 (BGBl I S. 3198), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 10. 12. 2015 (BGBl I S. 2218), 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872) und 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2128).


§ 305 StPO – Nicht der Beschwerde unterliegende Entscheidungen

1Entscheidungen der erkennenden Gerichte, die der Urteilsfällung vorausgehen, unterliegen nicht der Beschwerde. 2Ausgenommen sind Entscheidungen über Verhaftungen, die einstweilige Unterbringung, Beschlagnahmen, die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, das vorläufige Berufsverbot oder die Festsetzung von Ordnungs- oder Zwangsmitteln sowie alle Entscheidungen, durch die dritte Personen betroffen werden.

Zu § 305: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 305a StPO – Beschwerde gegen Strafaussetzungsbeschluss

(1) 1Gegen den Beschluss nach § 268a Abs. 1 , 2 ist Beschwerde zulässig. 2Sie kann nur darauf gestützt werden, dass eine getroffene Anordnung gesetzwidrig ist.

(2) Wird gegen den Beschluss Beschwerde und gegen das Urteil eine zulässige Revision eingelegt, so ist das Revisionsgericht auch zur Entscheidung über die Beschwerde zuständig.

Zu § 305a: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 306 StPO – Einlegung; Abhilfeverfahren

(1) Die Beschwerde wird bei dem Gericht, von dem oder von dessen Vorsitzenden die angefochtene Entscheidung erlassen ist, zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt.

(2) Erachtet das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, die Beschwerde für begründet, so haben sie ihr abzuhelfen; andernfalls ist die Beschwerde sofort, spätestens vor Ablauf von drei Tagen, dem Beschwerdegericht vorzulegen.

(3) Diese Vorschriften gelten auch für die Entscheidungen des Richters im Vorverfahren und des beauftragten oder ersuchten Richters.

Zu § 306: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 307 StPO – Keine Vollzugshemmung

(1) Durch Einlegung der Beschwerde wird der Vollzug der angefochtenen Entscheidung nicht gehemmt.

(2) Jedoch kann das Gericht, der Vorsitzende oder der Richter, dessen Entscheidung angefochten wird, sowie auch das Beschwerdegericht anordnen, dass die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung auszusetzen ist.

Zu § 307: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 308 StPO – Befugnisse des Beschwerdegerichts

(1) 1Das Beschwerdegericht darf die angefochtene Entscheidung nicht zum Nachteil des Gegners des Beschwerdeführers ändern, ohne dass diesem die Beschwerde zur Gegenerklärung mitgeteilt worden ist. 2Dies gilt nicht in den Fällen des § 33 Abs. 4 Satz 1 .

(2) Das Beschwerdegericht kann Ermittlungen anordnen oder selbst vornehmen.

Zu § 308: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 309 StPO – Entscheidung

(1) Die Entscheidung über die Beschwerde ergeht ohne mündliche Verhandlung, in geeigneten Fällen nach Anhörung der Staatsanwaltschaft.

(2) Wird die Beschwerde für begründet erachtet, so erlässt das Beschwerdegericht zugleich die in der Sache erforderliche Entscheidung.

Zu § 309: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 310 StPO – Weitere Beschwerde

(1) Beschlüsse, die von dem Landgericht oder von dem nach § 120 Abs. 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständigen Oberlandesgericht auf die Beschwerde hin erlassen worden sind, können durch weitere Beschwerde angefochten werden, wenn sie

  1. 1.

    eine Verhaftung,

  2. 2.

    eine einstweilige Unterbringung oder

  3. 3.

    einen Vermögensarrest nach § 111e über einen Betrag von mehr als 20.000 Euro

betreffen.

(2) Im Übrigen findet eine weitere Anfechtung der auf eine Beschwerde ergangenen Entscheidungen nicht statt.

Zu § 310: Geändert durch G vom 24. 10. 2006 (BGBl I S. 2350), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 311 StPO – Sofortige Beschwerde

(1) Für die Fälle der sofortigen Beschwerde gelten die nachfolgenden besonderen Vorschriften.

(2) Die Beschwerde ist binnen einer Woche einzulegen; die Frist beginnt mit der Bekanntmachung ( § 35 ) der Entscheidung.

(3) 1Das Gericht ist zu einer Abänderung seiner durch Beschwerde angefochtenen Entscheidung nicht befugt. 2Es hilft jedoch der Beschwerde ab, wenn es zum Nachteil des Beschwerdeführers Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet hat, zu denen dieser noch nicht gehört worden ist, und es auf Grund des nachträglichen Vorbringens die Beschwerde für begründet erachtet.

Zu § 311: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 311a StPO – Nachträgliche Anhörung des Gegners

(1) 1Hat das Beschwerdegericht einer Beschwerde ohne Anhörung des Gegners des Beschwerdeführers stattgegeben und kann seine Entscheidung nicht angefochten werden, so hat es diesen, sofern der ihm dadurch entstandene Nachteil noch besteht, von Amts wegen oder auf Antrag nachträglich zu hören und auf einen Antrag zu entscheiden. 2Das Beschwerdegericht kann seine Entscheidung auch ohne Antrag ändern.

(2) Für das Verfahren gelten die §§ 307 , 308 Abs. 2 und § 309 Abs. 2 entsprechend.

Zu § 311a: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§§ 296 - 358, Drittes Buch - Rechtsmittel
§§ 312 - 332, Dritter Abschnitt - Berufung

§ 312 StPO – Zulässigkeit

Gegen die Urteile des Strafrichters und des Schöffengerichts ist Berufung zulässig.

Zu § 312: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 313 StPO – Annahmeberufung bei geringen Geldstrafen und Geldbußen

(1) 1Ist der Angeklagte zu einer Geldstrafe von nicht mehr als fünfzehn Tagessätzen verurteilt worden, beträgt im Falle einer Verwarnung die vorbehaltene Strafe nicht mehr als fünfzehn Tagessätze oder ist eine Verurteilung zu einer Geldbuße erfolgt, so ist die Berufung nur zulässig, wenn sie angenommen wird. 2Das Gleiche gilt, wenn der Angeklagte freigesprochen oder das Verfahren eingestellt worden ist und die Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe von nicht mehr als dreißig Tagessätzen beantragt hatte.

(2) Die Berufung wird angenommen, wenn sie nicht offensichtlich unbegründet ist. Andernfalls wird die Berufung als unzulässig verworfen.

(3) Die Berufung gegen ein auf Geldbuße, Freispruch oder Einstellung wegen einer Ordnungswidrigkeit lautendes Urteil ist stets anzunehmen, wenn die Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten zulässig oder nach § 80 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten zuzulassen wäre. Im Übrigen findet Absatz 2 Anwendung.

Zu § 313: Eingefügt durch G vom 11. 1. 1993 (BGBl I S. 50), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 314 StPO – Form und Frist

(1) Die Berufung muss bei dem Gericht des ersten Rechtszuges binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt werden.

(2) Hat die Verkündung des Urteils nicht in Anwesenheit des Angeklagten stattgefunden, so beginnt für diesen die Frist mit der Zustellung, sofern nicht in den Fällen der §§ 234 , 387 Abs. 1 , § 411 Abs. 2 und § 428 Absatz 1 Satz 1 die Verkündung in Anwesenheit des Verteidigers mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht stattgefunden hat.

Zu § 314: Geändert durch G vom 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872) und 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208).


§ 315 StPO – Berufung und Wiedereinsetzungsantrag

(1) Der Beginn der Frist zur Einlegung der Berufung wird dadurch nicht ausgeschlossen, dass gegen ein auf Ausbleiben des Angeklagten ergangenes Urteil eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nachgesucht werden kann.

(2) 1Stellt der Angeklagte einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, so wird die Berufung dadurch gewahrt, dass sie sofort für den Fall der Verwerfung jenes Antrags rechtzeitig eingelegt wird. 2Die weitere Verfügung in Bezug auf die Berufung bleibt dann bis zur Erledigung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgesetzt.

(3) Die Einlegung der Berufung ohne Verbindung mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gilt als Verzicht auf die letztere.

Zu § 315: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 316 StPO – Hemmung der Rechtskraft

(1) Durch rechtzeitige Einlegung der Berufung wird die Rechtskraft des Urteils, soweit es angefochten ist, gehemmt.

(2) Dem Beschwerdeführer, dem das Urteil mit den Gründen noch nicht zugestellt war, ist es nach Einlegung der Berufung sofort zuzustellen.

Zu § 316: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 317 StPO – Berufungsbegründung

Die Berufung kann binnen einer weiteren Woche nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels oder, wenn zu dieser Zeit das Urteil noch nicht zugestellt war, nach dessen Zustellung bei dem Gericht des ersten Rechtszuges zu Protokoll der Geschäftsstelle oder in einer Beschwerdeschrift gerechtfertigt werden.

Zu § 317: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 318 StPO – Berufungsbeschränkung

1Die Berufung kann auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden. 2Ist dies nicht geschehen oder eine Rechtfertigung überhaupt nicht erfolgt, so gilt der ganze Inhalt des Urteils als angefochten.

Zu § 318: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 319 StPO – Verspätete Einlegung

(1) Ist die Berufung verspätet eingelegt, so hat das Gericht des ersten Rechtszuges das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen.

(2) 1Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Berufungsgerichts antragen. 2In diesem Falle sind die Akten an das Berufungsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. 3Die Vorschrift des § 35a gilt entsprechend.

Zu § 319: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 320 StPO – Aktenübermittlung an die Staatsanwaltschaft

Ist die Berufung rechtzeitig eingelegt, so hat nach Ablauf der Frist zur Rechtfertigung die Geschäftsstelle ohne Rücksicht darauf, ob eine Rechtfertigung stattgefunden hat oder nicht, die Akten der Staatsanwaltschaft vorzulegen. Diese stellt, wenn die Berufung von ihr eingelegt ist, dem Angeklagten die Schriftstücke über Einlegung und Rechtfertigung der Berufung zu.

Zu § 320: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 321 StPO – Aktenübermittlung an das Berufungsgericht

1Die Staatsanwaltschaft übersendet die Akten an die Staatsanwaltschaft bei dem Berufungsgericht. 2Diese übergibt die Akten binnen einer Woche dem Vorsitzenden des Gerichts.

Zu § 321: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 322 StPO – Verwerfung ohne Hauptverhandlung

(1) 1Erachtet das Berufungsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Berufung nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluss als unzulässig verwerfen. 2Andernfalls entscheidet es darüber durch Urteil; § 322a bleibt unberührt.

(2) Der Beschluss kann mit sofortiger Beschwerde angefochten werden.

Zu § 322: Geändert durch G vom 11. 1. 1993 (BGBl I S. 50) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 322a StPO – Entscheidung über die Annahme der Berufung

Über die Annahme einer Berufung ( § 313 ) entscheidet das Berufungsgericht durch Beschluss. Die Entscheidung ist unanfechtbar. Der Beschluss, mit dem die Berufung angenommen wird, bedarf keiner Begründung.

Zu § 322a: Eingefügt durch G vom 11. 1. 1993 (BGBl I S. 50), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 323 StPO – Vorbereitung der Berufungshauptverhandlung

(1) 1Für die Vorbereitung der Hauptverhandlung gelten die Vorschriften der §§ 214 und 216 bis 225a . 2In der Ladung ist der Angeklagte auf die Folgen des Ausbleibens ausdrücklich hinzuweisen.

(2) 1Die Ladung der im ersten Rechtszug vernommenen Zeugen und Sachverständigen kann nur dann unterbleiben, wenn ihre wiederholte Vernehmung zur Aufklärung der Sache nicht erforderlich erscheint. 2Sofern es erforderlich erscheint, ordnet das Berufungsgericht die Übertragung einer als Tonaufzeichnung zur Akte genommenen Vernehmung gemäß § 273 Abs. 2 Satz 2 in ein Protokoll an. 3Wer die Übertragung hergestellt hat, versieht diese mit dem Vermerk, dass die Richtigkeit der Übertragung bestätigt wird. 4Der Staatsanwaltschaft, dem Verteidiger und dem Angeklagten ist eine Abschrift des Protokolls zu erteilen. 5Der Nachweis der Unrichtigkeit der Übertragung ist zulässig. 6Das Protokoll kann nach Maßgabe des § 325 verlesen werden.

(3) Neue Beweismittel sind zulässig.

(4) Bei der Auswahl der zu ladenden Zeugen und Sachverständigen ist auf die von dem Angeklagten zur Rechtfertigung der Berufung benannten Personen Rücksicht zu nehmen.

Zu § 323: Geändert durch G vom 24. 6. 2004 (BGBl I S. 1354), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 324 StPO – Gang der Berufungshauptverhandlung

(1) 1Nachdem die Hauptverhandlung nach Vorschrift des § 243 Abs. 1 begonnen hat, hält ein Berichterstatter in Abwesenheit der Zeugen einen Vortrag über die Ergebnisse des bisherigen Verfahrens. 2Das Urteil des ersten Rechtszuges ist zu verlesen, soweit es für die Berufung von Bedeutung ist; von der Verlesung der Urteilsgründe kann abgesehen werden, soweit die Staatsanwaltschaft, der Verteidiger und der Angeklagte darauf verzichten.

(2) Sodann erfolgt die Vernehmung des Angeklagten und die Beweisaufnahme.

Zu § 324: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 325 StPO – Verlesung von Urkunden

Bei der Berichterstattung und der Beweisaufnahme können Urkunden verlesen werden; Protokolle über Aussagen der in der Hauptverhandlung des ersten Rechtszuges vernommenen Zeugen und Sachverständigen dürfen, abgesehen von den Fällen der §§ 251  und  253 , ohne die Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten nicht verlesen werden, wenn die wiederholte Vorladung der Zeugen oder Sachverständigen erfolgt ist oder von dem Angeklagten rechtzeitig vor der Hauptverhandlung beantragt worden war.

Zu § 325: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208).


§ 326 StPO – Schlussvorträge

1Nach dem Schluss der Beweisaufnahme werden die Staatsanwaltschaft sowie der Angeklagte und sein Verteidiger mit ihren Ausführungen und Anträgen, und zwar der Beschwerdeführer zuerst, gehört. 2Dem Angeklagten gebührt das letzte Wort.

Zu § 326: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 327 StPO – Umfang der Urteilsprüfung

Der Prüfung des Gerichts unterliegt das Urteil nur, soweit es angefochten ist.

Zu § 327: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 328 StPO – Inhalt des Berufungsurteils

(1) Soweit die Berufung für begründet befunden wird, hat das Berufungsgericht unter Aufhebung des Urteils in der Sache selbst zu erkennen.

(2) Hat das Gericht des ersten Rechtszuges mit Unrecht seine Zuständigkeit angenommen, so hat das Berufungsgericht unter Aufhebung des Urteils die Sache an das zuständige Gericht zu verweisen.

Zu § 328: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 329 StPO – Ausbleiben des Angeklagten; Vertretung in der Berufungshauptverhandlung

(1) 1Ist bei Beginn eines Hauptverhandlungstermins weder der Angeklagte noch ein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht erschienen und das Ausbleiben nicht genügend entschuldigt, so hat das Gericht eine Berufung des Angeklagten ohne Verhandlung zur Sache zu verwerfen. 2Ebenso ist zu verfahren, wenn die Fortführung der Hauptverhandlung in dem Termin dadurch verhindert wird, dass

  1. 1.

    sich der Verteidiger ohne genügende Entschuldigung entfernt hat und eine Abwesenheit des Angeklagten nicht genügend entschuldigt ist oder der Verteidiger den ohne genügende Entschuldigung nicht anwesenden Angeklagten nicht weiter vertritt,

  2. 2.

    sich der Angeklagte ohne genügende Entschuldigung entfernt hat und kein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht anwesend ist oder

  3. 3.

    sich der Angeklagte vorsätzlich und schuldhaft in einen seine Verhandlungsfähigkeit ausschließenden Zustand versetzt hat und kein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht anwesend ist.

3Über eine Verwerfung wegen Verhandlungsunfähigkeit nach diesem Absatz entscheidet das Gericht nach Anhörung eines Arztes als Sachverständigen. 4Die Sätze 1 bis 3 finden keine Anwendung, wenn das Berufungsgericht erneut verhandelt, nachdem die Sache vom Revisionsgericht zurückverwiesen worden ist.

(2) 1Soweit die Anwesenheit des Angeklagten nicht erforderlich ist, findet die Hauptverhandlung auch ohne ihn statt, wenn er durch einen Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht vertreten wird oder seine Abwesenheit im Fall der Verhandlung auf eine Berufung der Staatsanwaltschaft nicht genügend entschuldigt ist. 2 § 231b bleibt unberührt.

(3) Kann die Hauptverhandlung auf eine Berufung der Staatsanwaltschaft hin nicht ohne den Angeklagten abgeschlossen werden oder ist eine Verwerfung der Berufung nach Absatz 1 Satz 4 nicht zulässig, ist die Vorführung oder Verhaftung des Angeklagten anzuordnen, soweit dies zur Durchführung der Hauptverhandlung geboten ist.

(4) 1Ist die Anwesenheit des Angeklagten in der auf seine Berufung hin durchgeführten Hauptverhandlung trotz der Vertretung durch einen Verteidiger erforderlich, hat das Gericht den Angeklagten zur Fortsetzung der Hauptverhandlung zu laden und sein persönliches Erscheinen anzuordnen. 2Erscheint der Angeklagte zu diesem Fortsetzungstermin ohne genügende Entschuldigung nicht und bleibt seine Anwesenheit weiterhin erforderlich, hat das Gericht die Berufung zu verwerfen. 3Über die Möglichkeit der Verwerfung ist der Angeklagte mit der Ladung zu belehren.

(5) 1Wurde auf eine Berufung der Staatsanwaltschaft hin nach Absatz 2 verfahren, ohne dass ein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht anwesend war, hat der Vorsitzende, solange mit der Verkündung des Urteils noch nicht begonnen worden ist, einen erscheinenden Angeklagten oder Verteidiger mit schriftlicher Vertretungsvollmacht von dem wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was in seiner Abwesenheit verhandelt worden ist. 2Eine Berufung der Staatsanwaltschaft kann in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und 2 auch ohne Zustimmung des Angeklagten zurückgenommen werden, es sei denn, dass die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 4 vorliegen.

(6) Ist die Verurteilung wegen einzelner von mehreren Taten weggefallen, so ist bei der Verwerfung der Berufung der Inhalt des aufrechterhaltenen Urteils klarzustellen; die erkannten Strafen können vom Berufungsgericht auf eine neue Gesamtstrafe zurückgeführt werden.

(7) 1Der Angeklagte kann binnen einer Woche nach der Zustellung des Urteils die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter den in den §§ 44  und  45 bezeichneten Voraussetzungen beanspruchen. 2Hierüber ist er bei der Zustellung des Urteils zu belehren.

Zu § 329: Neugefasst durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), geändert durch G vom 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208) und 17. 12. 2018 (BGBl I S. 2571).


§ 330 StPO – Maßnahmen bei Berufung des gesetzlichen Vertreters

(1) Ist von dem gesetzlichen Vertreter die Berufung eingelegt worden, so hat das Gericht auch den Angeklagten zu der Hauptverhandlung zu laden.

(2) 1Bleibt allein der gesetzliche Vertreter in der Hauptverhandlung aus, so ist ohne ihn zu verhandeln. 2Ist weder der gesetzliche Vertreter noch der Angeklagte noch ein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht bei Beginn eines Hauptverhandlungstermins erschienen, so gilt § 329 Absatz 1 Satz 1 entsprechend; ist lediglich der Angeklagte nicht erschienen, so gilt § 329 Absatz 2  und  3 entsprechend.

Zu § 330: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 331 StPO – Verbot der Verschlechterung

(1) Das Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Berufung eingelegt hat.

(2) Diese Vorschrift steht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt nicht entgegen.

Zu § 331: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 332 StPO – Anwendbarkeit der Vorschriften über die erstinstanzliche Hauptverhandlung

Im Übrigen gelten die im sechsten Abschnitt des zweiten Buches über die Hauptverhandlung gegebenen Vorschriften.

Zu § 332: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§§ 296 - 358, Drittes Buch - Rechtsmittel
§§ 333 - 358, Vierter Abschnitt - Revision

§ 333 StPO – Zulässigkeit

Gegen die Urteile der Strafkammern und der Schwurgerichte sowie gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Urteile der Oberlandesgerichte ist Revision zulässig.

Zu § 333: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 334 StPO

(weggefallen)


§ 335 StPO – Sprungrevision

(1) Ein Urteil, gegen das Berufung zulässig ist, kann statt mit Berufung mit Revision angefochten werden.

(2) Über die Revision entscheidet das Gericht, das zur Entscheidung berufen wäre, wenn die Revision nach durchgeführter Berufung eingelegt worden wäre.

(3) 1Legt gegen das Urteil ein Beteiligter Revision und ein anderer Berufung ein, so wird, solange die Berufung nicht zurückgenommen oder als unzulässig verworfen ist, die rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form eingelegte Revision als Berufung behandelt. 2Die Revisionsanträge und deren Begründung sind gleichwohl in der vorgeschriebenen Form und Frist anzubringen und dem Gegner zuzustellen ( §§ 344 bis 347 ). 3Gegen das Berufungsurteil ist Revision nach den allgemein geltenden Vorschriften zulässig.

Zu § 335: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 336 StPO – Überprüfung der dem Urteil vorausgegangenen Entscheidungen

1Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen auch die Entscheidungen, die dem Urteil vorausgegangen sind, sofern es auf ihnen beruht. 2Dies gilt nicht für Entscheidungen, die ausdrücklich für unanfechtbar erklärt oder mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sind.

Zu § 336: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 337 StPO – Revisionsgründe

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Zu § 337: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 338 StPO – Absolute Revisionsgründe

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

  1. 1.

    wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn

    1. a)

      das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder

    2. b)

      das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und

      1. aa)

        die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,

      2. bb)

        der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder

      3. cc)

        die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;

  2. 2.

    wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;

  3. 3.

    wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;

  4. 4.

    wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;

  5. 5.

    wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;

  6. 6.

    wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;

  7. 7.

    wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;

  8. 8.

    wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluss des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

Zu § 338: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2121).


§ 339 StPO – Rechtsnormen zugunsten des Angeklagten

Die Verletzung von Rechtsnormen, die lediglich zu Gunsten des Angeklagten gegeben sind, kann von der Staatsanwaltschaft nicht zu dem Zweck geltend gemacht werden, um eine Aufhebung des Urteils zum Nachteil des Angeklagten herbeizuführen.

Zu § 339: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 340 StPO – Revision gegen Berufungsurteile bei Vertretung des Angeklagten

Ist nach § 329 Absatz 2 verfahren worden, kann der Angeklagte die Revision gegen das auf seine Berufung hin ergangene Urteil nicht darauf stützen, dass seine Anwesenheit in der Berufungshauptverhandlung erforderlich gewesen wäre.

Zu § 340: Eingefügt durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 341 StPO – Form und Frist

(1) Die Revision muss bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt werden.

(2) Hat die Verkündung des Urteils nicht in Anwesenheit des Angeklagten stattgefunden, so beginnt für diesen die Frist mit der Zustellung, sofern nicht in den Fällen der §§ 234 , 229 Absatz 2 , § 387 Absatz 1 , § 411 Absatz 2 und § 434 Abs. 1 Satz 1 die Verkündung in Anwesenheit des Verteidigers mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht stattgefunden hat.

Zu § 341: Geändert durch G vom 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208).


§ 342 StPO – Revision und Wiedereinsetzungsantrag

(1) Der Beginn der Frist zur Einlegung der Revision wird dadurch nicht ausgeschlossen, dass gegen ein auf Ausbleiben des Angeklagten ergangenes Urteil eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nachgesucht werden kann.

(2) 1Stellt der Angeklagte einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, so wird die Revision dadurch gewahrt, dass sie sofort für den Fall der Verwerfung jenes Antrags rechtzeitig eingelegt und begründet wird. 2Die weitere Verfügung in Bezug auf die Revision bleibt dann bis zur Erledigung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgesetzt.

(3) Die Einlegung der Revision ohne Verbindung mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gilt als Verzicht auf die letztere.

Zu § 342: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 343 StPO – Hemmung der Rechtskraft

(1) Durch rechtzeitige Einlegung der Revision wird die Rechtskraft des Urteils, soweit es angefochten ist, gehemmt.

(2) Dem Beschwerdeführer, dem das Urteil mit den Gründen noch nicht zugestellt war, ist es nach Einlegung der Revision zuzustellen.

Zu § 343: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 344 StPO – Revisionsbegründung

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) 1Aus der Begründung muss hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. 2Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

Zu § 344: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 345 StPO – Revisionsbegründungsfrist

(1) 1Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. 2Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn das Urteil später als einundzwanzig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen Monat und, wenn es später als fünfunddreißig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen weiteren Monat. 3War bei Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zustellung des Urteils und in den Fällen des Satzes 2 der Mitteilung des Zeitpunktes, zu dem es zu den Akten gebracht ist.

(2) Seitens des Angeklagten kann dies nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle geschehen.

Zu § 345: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 346 StPO – Verspätete oder formwidrige Einlegung

(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen.

(2) 1Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Revisionsgerichts antragen. 2In diesem Falle sind die Akten an das Revisionsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. 3Die Vorschrift des § 35a gilt entsprechend.

Zu § 346: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 347 StPO – Zustellung; Gegenerklärung; Vorlage der Akten an das Revisionsgericht

(1) 1Ist die Revision rechtzeitig eingelegt und sind die Revisionsanträge rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form angebracht, so ist die Revisionsschrift dem Gegner des Beschwerdeführers zuzustellen. 2Diesem steht frei, binnen einer Woche eine schriftliche Gegenerklärung einzureichen. 3Wird das Urteil wegen eines Verfahrensmangels angefochten, so gibt der Staatsanwalt in dieser Frist eine Gegenerklärung ab, wenn anzunehmen ist, dass dadurch die Prüfung der Revisionsbeschwerde erleichtert wird. 4Der Angeklagte kann die Gegenerklärung auch zu Protokoll der Geschäftsstelle abgeben.

(2) Nach Eingang der Gegenerklärung oder nach Ablauf der Frist sendet die Staatsanwaltschaft die Akten an das Revisionsgericht.

Zu § 347: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202).


§ 348 StPO – Unzuständigkeit des Gerichts

(1) Findet das Gericht, an das die Akten gesandt sind, dass die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel zur Zuständigkeit eines anderen Gerichts gehört, so hat es durch Beschluss seine Unzuständigkeit auszusprechen.

(2) Dieser Beschluss, in dem das zuständige Revisionsgericht zu bezeichnen ist, unterliegt keiner Anfechtung und ist für das in ihm bezeichnete Gericht bindend.

(3) Die Abgabe der Akten erfolgt durch die Staatsanwaltschaft.

Zu § 348: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 349 StPO – Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluss als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluss entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) 1Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. 2Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zu Gunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluss aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Zu § 349: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 350 StPO – Revisionshauptverhandlung

(1) 1Dem Angeklagten, seinem gesetzlichen Vertreter und dem Verteidiger sowie dem Nebenkläger und den Personen, die nach § 214 Absatz 1 Satz 2 vom Termin zu benachrichtigen sind, sind Ort und Zeit der Hauptverhandlung mitzuteilen. 2Ist die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig, so ist dieser zu laden.

(2) 1Der Angeklagte kann in der Hauptverhandlung erscheinen oder sich durch einen Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht vertreten lassen. 2Die Hauptverhandlung kann, soweit nicht die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig ist, auch durchgeführt werden, wenn weder der Angeklagte noch ein Verteidiger anwesend ist. 3Die Entscheidung darüber, ob der Angeklagte, der nicht auf freiem Fuß ist, zu der Hauptverhandlung vorgeführt wird, liegt im Ermessen des Gerichts.

Zu § 350: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208) und 17. 12. 2018 (BGBl I S. 2571).


§ 351 StPO – Gang der Revisionshauptverhandlung

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Vortrag eines Berichterstatters.

(2) 1Hierauf werden die Staatsanwaltschaft sowie der Angeklagte und sein Verteidiger mit ihren Ausführungen und Anträgen, und zwar der Beschwerdeführer zuerst, gehört. 2Dem Angeklagten gebührt das letzte Wort.

Zu § 351: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 352 StPO – Umfang der Urteilsprüfung

(1) Der Prüfung des Revisionsgerichts unterliegen nur die gestellten Revisionsanträge und, soweit die Revision auf Mängel des Verfahrens gestützt wird, nur die Tatsachen, die bei Anbringung der Revisionsanträge bezeichnet worden sind.

(2) Eine weitere Begründung der Revisionsanträge als die in § 344 Abs. 2 vorgeschriebene ist nicht erforderlich und, wenn sie unrichtig ist, unschädlich.

Zu § 352: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 353 StPO – Aufhebung des Urteils und der Feststellungen

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zu Grunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

Zu § 353: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 354 StPO – Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zu Grunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) 1Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. 2Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) 1Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe ( §§ 53 , 54 , 55 des Strafgesetzbuches ) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460 , 462 zu treffen ist. 2Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. 3Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) 1In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. 2In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

Zu § 354: Geändert durch G vom 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 354a StPO – Entscheidung bei Gesetzesänderung

Das Revisionsgericht hat auch dann nach § 354 zu verfahren, wenn es das Urteil aufhebt, weil zur Zeit der Entscheidung des Revisionsgerichts ein anderes Gesetz gilt als zur Zeit des Erlasses der angefochtenen Entscheidung.

Zu § 354a: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 355 StPO – Verweisung an das zuständige Gericht

Wird ein Urteil aufgehoben, weil das Gericht des vorangehenden Rechtszuges sich mit Unrecht für zuständig erachtet hat, so verweist das Revisionsgericht gleichzeitig die Sache an das zuständige Gericht.

Zu § 355: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 356 StPO – Urteilsverkündung

Die Verkündung des Urteils erfolgt nach Maßgabe des § 268 .

Zu § 356: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 356a StPO – Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei einer Revisionsentscheidung

1Hat das Gericht bei einer Revisionsentscheidung den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, versetzt es insoweit auf Antrag das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand. 2Der Antrag ist binnen einer Woche nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Revisionsgericht zu stellen und zu begründen. 3Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. 4Hierüber ist der Angeklagte bei der Bekanntmachung eines Urteils, das ergangen ist, obwohl weder er selbst noch ein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht anwesend war, zu belehren. 5 § 47 gilt entsprechend.

Zu § 356a: Eingefügt durch G vom 9. 12. 2004 (BGBl I S. 3220), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 17. 12. 2018 (BGBl I S. 2571).


§ 357 StPO – Revisionserstreckung auf Mitverurteilte

1Erfolgt zu Gunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. 2 § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

Zu § 357: Geändert durch G vom 22. 12. 2006 (BGBl I S. 3416) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 358 StPO – Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zu Grunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zu Grunde zu legen.

(2) 1Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. 2Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. 3Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

Zu § 358: Geändert durch G vom 16. 7. 2007 (BGBl I S. 1327) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§§ 359 - 373a, Viertes Buch - Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens

§ 359 StPO – Wiederaufnahme zugunsten des Verurteilten

Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zu Gunsten des Verurteilten ist zulässig,

  1. 1.
    wenn eine in der Hauptverhandlung zu seinen Ungunsten als echt vorgebrachte Urkunde unecht oder verfälscht war;
  2. 2.
    wenn der Zeuge oder Sachverständige sich bei einem zu Ungunsten des Verurteilten abgelegten Zeugnis oder abgegebenen Gutachten einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht oder einer vorsätzlichen falschen uneidlichen Aussage schuldig gemacht hat;
  3. 3.
    wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf die Sache einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten schuldig gemacht hat, sofern die Verletzung nicht vom Verurteilten selbst veranlasst ist;
  4. 4.
    wenn ein zivilgerichtliches Urteil, auf welches das Strafurteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftig gewordenes Urteil aufgehoben ist;
  5. 5.
    wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht sind, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen die Freisprechung des Angeklagten oder in Anwendung eines milderen Strafgesetzes eine geringere Bestrafung oder eine wesentlich andere Entscheidung über eine Maßregel der Besserung und Sicherung zu begründen geeignet sind.
  6. 6.
    wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.

Zu § 359: Geändert durch G vom 9. 7. 1998 (BGBl I S. 1802) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 360 StPO – Keine Hemmung der Vollstreckung

(1) Durch den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird die Vollstreckung des Urteils nicht gehemmt.

(2) Das Gericht kann jedoch einen Aufschub sowie eine Unterbrechung der Vollstreckung anordnen.

Zu § 360: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 361 StPO – Wiederaufnahme nach Vollstreckung oder Tod des Verurteilten

(1) Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird weder durch die erfolgte Strafvollstreckung noch durch den Tod des Verurteilten ausgeschlossen.

(2) Im Falle des Todes sind der Ehegatte, der Lebenspartner, die Verwandten auf- und absteigender Linie sowie die Geschwister des Verstorbenen zu dem Antrag befugt.

Zu § 361: Geändert durch G vom 16. 2. 2001 (BGBl I S. 266) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 362 StPO – Wiederaufnahme zuungunsten des Verurteilten  (1)

Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zuungunsten des Angeklagten ist zulässig,

  1. 1.

    wenn eine in der Hauptverhandlung zu seinen Gunsten als echt vorgebrachte Urkunde unecht oder verfälscht war;

  2. 2.

    wenn der Zeuge oder Sachverständige sich bei einem zu Gunsten des Angeklagten abgelegten Zeugnis oder abgegebenen Gutachten einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht oder einer vorsätzlichen falschen uneidlichen Aussage schuldig gemacht hat;

  3. 3.

    wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf die Sache einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten schuldig gemacht hat;

  4. 4.

    wenn von dem Freigesprochenen vor Gericht oder außergerichtlich ein glaubwürdiges Geständnis der Straftat abgelegt wird;

  5. 5.

    wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht werden, die allein oder in Verbindung mit früher erhobenen Beweisen dringende Gründe dafür bilden, dass der freigesprochene Angeklagte wegen Mordes ( § 211 des Strafgesetzbuches ), Völkermordes ( § 6 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches ), des Verbrechens gegen die Menschlichkeit ( § 7 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des Völkerstrafgesetzbuches ) oder Kriegsverbrechens gegen eine Person ( § 8 Absatz 1 Nummer 1 des Völkerstrafgesetzbuches ) verurteilt wird.

Zu § 362: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 21. 12. 2021 (BGBl I S. 5252).

(1) Red. Anm.:

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Vom 29. November 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 357)

Aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Oktober 2023 - 2 BvR 900/22 - wird folgende Entscheidungsformel veröffentlicht:

  1.  

    § 362 Nummer 5 der Strafprozessordnung in der Fassung des Gesetzes zur Änderung der Strafprozessordnung - Erweiterung der Wiederaufnahmemöglichkeiten zuungunsten des Verurteilten gemäß § 362 StPO und zur Änderung der zivilrechtlichen Verjährung (Gesetz zur Herstellung materieller Gerechtigkeit) vom 21. Dezember 2021 (Bundesgesetzblatt I Seite 5252) ist mit Artikel 103 Absatz 3 des Grundgesetzes , auch in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes ( Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes ), unvereinbar und nichtig.

Die vorstehende Entscheidungsformel hat gemäß § 31 Absatz 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes Gesetzeskraft.


§ 363 StPO – Unzulässigkeit

(1) Eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu dem Zweck, eine andere Strafbemessung auf Grund desselben Strafgesetzes herbeizuführen, ist nicht zulässig.

(2) Eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu dem Zweck, eine Milderung der Strafe wegen verminderter Schuldfähigkeit ( § 21 des Strafgesetzbuches ) herbeizuführen, ist gleichfalls ausgeschlossen.

Zu § 363: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 364 StPO – Behauptung einer Straftat

1Ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens, der auf die Behauptung einer Straftat gegründet werden soll, ist nur dann zulässig, wenn wegen dieser Tat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder wenn die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann. 2Dies gilt nicht im Falle des § 359 Nr. 5 .

Zu § 364: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 364a StPO – Bestellung eines Verteidigers für das Wiederaufnahmeverfahren

Das für die Entscheidungen im Wiederaufnahmeverfahren zuständige Gericht bestellt dem Verurteilten, der keinen Verteidiger hat, auf Antrag einen Verteidiger für das Wiederaufnahmeverfahren, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint.

Zu § 364a: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 364b StPO – Bestellung eines Verteidigers für die Vorbereitung des Wiederaufnahmeverfahrens

(1) 1Das für die Entscheidungen im Wiederaufnahmeverfahren zuständige Gericht bestellt dem Verurteilten, der keinen Verteidiger hat, auf Antrag einen Verteidiger schon für die Vorbereitung eines Wiederaufnahmeverfahrens, wenn

  1. 1.
    hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass bestimmte Nachforschungen zu Tatsachen oder Beweismitteln führen, welche die Zulässigkeit eines Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens begründen können,
  2. 2.
    wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint und
  3. 3.
    der Verurteilte außer Stande ist, ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie notwendigen Unterhalts auf eigene Kosten einen Verteidiger zu beauftragen.

2Ist dem Verurteilten bereits ein Verteidiger bestellt, so stellt das Gericht auf Antrag durch Beschluss fest, dass die Voraussetzungen der Nummern 1 bis 3 des Satzes 1 vorliegen.

(2) Für das Verfahren zur Feststellung der Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 gelten § 117 Abs. 2 bis 4 und § 118 Abs. 2 Satz 1, 2 und 4 der Zivilprozessordnung entsprechend.

Zu § 364b: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 365 StPO – Geltung der allgemeinen Vorschriften über Rechtsmittel für den Antrag

Die allgemeinen Vorschriften über Rechtsmittel gelten auch für den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens.

Zu § 365: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 366 StPO – Inhalt und Form des Antrags

(1) In dem Antrag müssen der gesetzliche Grund der Wiederaufnahme des Verfahrens sowie die Beweismittel angegeben werden.

(2) Von dem Angeklagten und den in § 361 Abs. 2 bezeichneten Personen kann der Antrag nur mittels einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle angebracht werden.

Zu § 366: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 367 StPO – Zuständigkeit des Gerichts; Entscheidung ohne mündliche Verhandlung

(1) 1Die Zuständigkeit des Gerichts für die Entscheidungen im Wiederaufnahmeverfahren und über den Antrag zur Vorbereitung eines Wiederaufnahmeverfahrens richtet sich nach den besonderen Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes . 2Der Verurteilte kann Anträge nach den §§ 364a und 364b oder einen Antrag auf Zulassung der Wiederaufnahme des Verfahrens auch bei dem Gericht einreichen, dessen Urteil angefochten wird; dieses leitet den Antrag dem zuständigen Gericht zu.

(2) Die Entscheidungen über Anträge nach den §§ 364a und 364b und den Antrag auf Zulassung der Wiederaufnahme des Verfahrens ergehen ohne mündliche Verhandlung.

Zu § 367: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 368 StPO – Verwerfung wegen Unzulässigkeit

(1) Ist der Antrag nicht in der vorgeschriebenen Form angebracht oder ist darin kein gesetzlicher Grund der Wiederaufnahme geltend gemacht oder kein geeignetes Beweismittel angeführt, so ist der Antrag als unzulässig zu verwerfen.

(2) Andernfalls ist er dem Gegner des Antragstellers unter Bestimmung einer Frist zur Erklärung zuzustellen.

Zu § 368: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 369 StPO – Beweisaufnahme

(1) Wird der Antrag für zulässig befunden, so beauftragt das Gericht mit der Aufnahme der angetretenen Beweise, soweit dies erforderlich ist, einen Richter.

(2) Dem Ermessen des Gerichts bleibt es überlassen, ob die Zeugen und Sachverständigen eidlich vernommen werden sollen.

(3) 1Bei der Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen und bei der Einnahme eines richterlichen Augenscheins ist der Staatsanwaltschaft, dem Angeklagten und dem Verteidiger die Anwesenheit zu gestatten. 2 § 168c Abs. 3 , § 224 Abs. 1 und § 225 gelten entsprechend. Befindet sich der Angeklagte nicht auf freiem Fuß, so hat er keinen Anspruch auf Anwesenheit, wenn der Termin nicht an der Gerichtsstelle des Ortes abgehalten wird, wo er sich in Haft befindet, und seine Mitwirkung der mit der Beweiserhebung bezweckten Klärung nicht dienlich ist.

(4) Nach Schluss der Beweisaufnahme sind die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte unter Bestimmung einer Frist zu weiterer Erklärung aufzufordern.

Zu § 369: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 370 StPO – Entscheidung über die Begründetheit

(1) Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird ohne mündliche Verhandlung als unbegründet verworfen, wenn die darin aufgestellten Behauptungen keine genügende Bestätigung gefunden haben oder wenn in den Fällen des § 359 Nr. 1 und 2 oder des § 362 Nr. 1 und 2 nach Lage der Sache die Annahme ausgeschlossen ist, dass die in diesen Vorschriften bezeichnete Handlung auf die Entscheidung Einfluss gehabt hat.

(2) Andernfalls ordnet das Gericht die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der Hauptverhandlung an.

Zu § 370: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 371 StPO – Freisprechung ohne erneute Hauptverhandlung

(1) Ist der Verurteilte bereits verstorben, so hat ohne Erneuerung der Hauptverhandlung das Gericht nach Aufnahme des etwa noch erforderlichen Beweises entweder auf Freisprechung zu erkennen oder den Antrag auf Wiederaufnahme abzulehnen.

(2) Auch in anderen Fällen kann das Gericht, bei öffentlichen Klagen jedoch nur mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft, den Verurteilten sofort freisprechen, wenn dazu genügende Beweise bereits vorliegen.

(3) 1Mit der Freisprechung ist die Aufhebung des früheren Urteils zu verbinden. 2War lediglich auf eine Maßregel der Besserung und Sicherung erkannt, so tritt an die Stelle der Freisprechung die Aufhebung des früheren Urteils.

(4) Die Aufhebung ist auf Verlangen des Antragstellers im Bundesanzeiger bekannt zu machen und kann nach dem Ermessen des Gerichts auch auf andere geeignete Weise veröffentlicht werden.

Zu § 371: Geändert durch G vom 24. 10. 2006 (BGBl I S. 2350), 22. 12. 2011 (BGBl I S. 3044) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 372 StPO – Sofortige Beschwerde

1Alle Entscheidungen, die aus Anlass eines Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens von dem Gericht im ersten Rechtszug erlassen werden, können mit sofortiger Beschwerde angefochten werden. 2Der Beschluss, durch den das Gericht die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der Hauptverhandlung anordnet, kann von der Staatsanwaltschaft nicht angefochten werden.

Zu § 372: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 373 StPO – Urteil nach erneuter Hauptverhandlung; Verbot der Schlechterstellung

(1) In der erneuten Hauptverhandlung ist entweder das frühere Urteil aufrechtzuerhalten oder unter seiner Aufhebung anderweit in der Sache zu erkennen.

(2) 1Das frühere Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Verurteilten geändert werden, wenn lediglich der Verurteilte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt hat. 2Diese Vorschrift steht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt nicht entgegen.

Zu § 373: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 373a StPO – Verfahren bei Strafbefehl

(1) Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftigen Strafbefehl abgeschlossenen Verfahrens zu Ungunsten des Verurteilten ist auch zulässig, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht sind, die allein oder in Verbindung mit den früheren Beweisen geeignet sind, die Verurteilung wegen eines Verbrechens zu begründen.

(2) Im Übrigen gelten für die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftigen Strafbefehl abgeschlossenen Verfahrens die §§ 359 bis 373 entsprechend.

Zu § 373a: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§§ 373b - 406l, Fünftes Buch - Beteiligung des Verletzten am Verfahren
§ 373b, Erster Abschnitt - Definition

§ 373b StPO – Begriff des Verletzten

(1) Im Sinne dieses Gesetzes sind Verletzte diejenigen, die durch die Tat, ihre Begehung unterstellt oder rechtskräftig festgestellt, in ihren Rechtsgütern unmittelbar beeinträchtigt worden sind oder unmittelbar einen Schaden erlitten haben.

(2) Verletzten im Sinne des Absatzes 1 gleichgestellt sind

  1. 1.

    der Ehegatte oder der Lebenspartner,

  2. 2.

    der in einem gemeinsamen Haushalt lebende Lebensgefährte,

  3. 3.

    die Verwandten in gerader Linie,

  4. 4.

    die Geschwister und

  5. 5.

    die Unterhaltsberechtigten

einer Person, deren Tod eine direkte Folge der Tat, ihre Begehung unterstellt oder rechtskräftig festgestellt, gewesen ist.

Zu § 373b: Eingefügt durch G vom 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§§ 373b - 406l, Fünftes Buch - Beteiligung des Verletzten am Verfahren
§§ 374 - 394, Zweiter Abschnitt - Privatklage

§ 374 StPO – Zulässigkeit; Privatklageberechtigte

(1) Im Wege der Privatklage können vom Verletzten verfolgt werden, ohne dass es einer vorgängigen Anrufung der Staatsanwaltschaft bedarf,

  1. 1.
    ein Hausfriedensbruch ( § 123 des Strafgesetzbuches ),
  2. 2.
    eine Beleidigung ( §§ 185 bis 189 des Strafgesetzbuches ), wenn sie nicht gegen eine der in § 194 Abs. 4 des Strafgesetzbuches genannten politischen Körperschaften gerichtet ist,
  3. 2a.
    eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen ( § 201a Absatz 1  und  2 des Strafgesetzbuches ),
  4. 3.
    eine Verletzung des Briefgeheimnisses ( § 202 des Strafgesetzbuches ),
  5. 4.
    eine Körperverletzung ( §§ 223  und  229 des Strafgesetzbuches ),
  6. 5.
    eine Nötigung ( § 240 Absatz 1 bis 3 des Strafgesetzbuches ) oder eine Bedrohung ( § 241 Absatz 1 bis 3 des Strafgesetzbuches ),
  7. 5a.
    eine Bestechlichkeit oder Bestechung im geschäftlichen Verkehr ( § 299 des Strafgesetzbuches ),
  8. 6.
    eine Sachbeschädigung ( § 303 des Strafgesetzbuches ),
  9. 6a.
    eine Straftat nach § 323a des Strafgesetzbuches , wenn die im Rausch begangene Tat ein in den Nummern 1 bis 6 genanntes Vergehen ist,
  10. 7.
    eine Straftat nach § 16 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und § 23 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen ,
  11. 8.
    eine Straftat nach § 142 Abs. 1 des Patentgesetzes , § 25 Abs. 1 des Gebrauchsmustergesetzes , § 10 Abs. 1 des Halbleiterschutzgesetzes , § 39 Abs. 1 des Sortenschutzgesetzes , § 143 Abs. 1 , § 143a Abs. 1 und § 144 Abs. 1  und  2 des Markengesetzes , § 51 Abs. 1 und § 65 Abs. 1 des Designgesetzes , den §§ 106 bis 108 sowie § 108b Abs. 1  und  2 des Urheberrechtsgesetzes und § 33 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Fotografie .

(2) 1Die Privatklage kann auch erheben, wer neben dem Verletzten oder an seiner Stelle berechtigt ist, Strafantrag zu stellen. 2Die in § 77 Abs. 2 des Strafgesetzbuches genannten Personen können die Privatklage auch dann erheben, wenn der vor ihnen Berechtigte den Strafantrag gestellt hat.

(3) Hat der Verletzte einen gesetzlichen Vertreter, so wird die Befugnis zur Erhebung der Privatklage durch diesen und, wenn Körperschaften, Gesellschaften und andere Personenvereine, die als solche in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten klagen können, die Verletzten sind, durch dieselben Personen wahrgenommen, durch die sie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten vertreten werden.

Zu § 374: Geändert durch G vom 22. 10. 1987 (BGBl I S. 2294), 7. 3. 1990 (BGBl I S. 422), 25. 10. 1994 (BGBl I S. 3082), 19. 7. 1996 (BGBl I S. 1014), 13. 8. 1997 (BGBl I S. 2038), 26. 1. 1998 (BGBl I S. 164), 13. 12. 2001 (BGBl I S. 3656), 10. 9. 2003 (BGBl I S. 1774), 12. 3. 2004 (BGBl I S. 390), 3. 7. 2004 (BGBl I S. 1414), 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198), 22. 3. 2007 (BGBl I S. 354), 10. 10. 2013 (BGBl I S. 3799), 21. 1. 2015 (BGBl I S. 10), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 1. 3. 2017 (BGBl I S. 386), 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202, 3630), 18. 4. 2019 (BGBl I S. 466), 9. 10. 2020 (BGBl I S. 2075) und 30. 3. 2021 (BGBl I S. 448).


§ 375 StPO – Mehrere Privatklageberechtigte

(1) Sind wegen derselben Straftat mehrere Personen zur Privatklage berechtigt, so ist bei Ausübung dieses Rechts ein jeder von dem anderen unabhängig.

(2) Hat jedoch einer der Berechtigten die Privatklage erhoben, so steht den übrigen nur der Beitritt zu dem eingeleiteten Verfahren, und zwar in der Lage zu, in der es sich zur Zeit der Beitrittserklärung befindet.

(3) Jede in der Sache selbst ergangene Entscheidung äußert zu Gunsten des Beschuldigten ihre Wirkung auch gegenüber solchen Berechtigten, welche die Privatklage nicht erhoben haben.

Zu § 375: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 376 StPO – Anklageerhebung bei Privatklagedelikten

Die öffentliche Klage wird wegen der in § 374 bezeichneten Straftaten von der Staatsanwaltschaft nur dann erhoben, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt.

Zu § 376: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 377 StPO – Beteiligung der Staatsanwaltschaft; Übernahme der Verfolgung

(1) 1Im Privatklageverfahren ist der Staatsanwalt zu einer Mitwirkung nicht verpflichtet. 2Das Gericht legt ihm die Akten vor, wenn es die Übernahme der Verfolgung durch ihn für geboten hält.

(2) 1Auch kann die Staatsanwaltschaft in jeder Lage der Sache bis zum Eintritt der Rechtskraft des Urteils durch eine ausdrückliche Erklärung die Verfolgung übernehmen. 2In der Einlegung eines Rechtsmittels ist die Übernahme der Verfolgung enthalten.

Zu § 377: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 378 StPO – Beistand und Vertreter des Privatklägers

1Der Privatkläger kann im Beistand eines Rechtsanwalts erscheinen oder sich durch einen Rechtsanwalt mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht vertreten lassen. 2Im letzteren Falle können die Zustellungen an den Privatkläger mit rechtlicher Wirkung an den Anwalt erfolgen.

Zu § 378: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208).


§ 379 StPO – Sicherheitsleistung; Prozesskostenhilfe

(1) Der Privatkläger hat für die dem Beschuldigten voraussichtlich erwachsenden Kosten unter denselben Voraussetzungen Sicherheit zu leisten, unter denen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten der Kläger auf Verlangen des Beklagten Sicherheit wegen der Prozesskosten zu leisten hat.

(2) 1Die Sicherheitsleistung ist durch Hinterlegung in barem Geld oder in Wertpapieren zu bewirken. 2Davon abweichende Regelungen in einer auf Grund des Gesetzes über den Zahlungsverkehr mit Gerichten und Justizbehörden erlassenen Rechtsverordnung bleiben unberührt.

(3) Für die Höhe der Sicherheit und die Frist zu ihrer Leistung sowie für die Prozesskostenhilfe gelten dieselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten.

Zu § 379: Geändert durch G vom 22. 12. 2006 (BGBl I S. 3416) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 379a StPO – Gebührenvorschuss

(1) Zur Zahlung des Gebührenvorschusses nach § 16 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes soll, sofern nicht dem Privatkläger die Prozesskostenhilfe bewilligt ist oder Gebührenfreiheit zusteht, vom Gericht eine Frist bestimmt werden; hierbei soll auf die nach Absatz 3 eintretenden Folgen hingewiesen werden.

(2) Vor Zahlung des Vorschusses soll keine gerichtliche Handlung vorgenommen werden, es sei denn, dass glaubhaft gemacht wird, dass die Verzögerung dem Privatkläger einen nicht oder nur schwer zu ersetzenden Nachteil bringen würde.

(3) 1Nach fruchtlosem Ablauf der nach Absatz 1 gestellten Frist wird die Privatklage zurückgewiesen. 2Der Beschluss kann mit sofortiger Beschwerde angefochten werden. 3Er ist von dem Gericht, das ihn erlassen hat, von Amts wegen aufzuheben, wenn sich herausstellt, dass die Zahlung innerhalb der gesetzten Frist eingegangen ist.

Zu § 379a: Geändert durch G vom 5. 5. 2004 (BGBl I S. 718) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 380 StPO – Erfolgloser Sühneversuch als Zulässigkeitsvoraussetzung

(1) 1Wegen Hausfriedensbruchs, Beleidigung, Verletzung des Briefgeheimnisses, Körperverletzung ( §§ 223 und 229 des Strafgesetzbuches ), Bedrohung und Sachbeschädigung ist die Erhebung der Klage erst zulässig, nachdem von einer durch die Landesjustizverwaltung zu bezeichnenden Vergleichsbehörde die Sühne erfolglos versucht worden ist. 2Gleiches gilt wegen einer Straftat nach § 323a des Strafgesetzbuches , wenn die im Rausch begangene Tat ein in Satz 1 genanntes Vergehen ist. 3Der Kläger hat die Bescheinigung hierüber mit der Klage einzureichen.

(2) Die Landesjustizverwaltung kann bestimmen, dass die Vergleichsbehörde ihre Tätigkeit von der Einzahlung eines angemessenen Kostenvorschusses abhängig machen darf.

(3) Die Vorschriften der Absätze 1 und 2 gelten nicht, wenn der amtliche Vorgesetzte nach § 194 Abs. 3 oder § 230 Abs. 2 des Strafgesetzbuches befugt ist, Strafantrag zu stellen.

(4) Wohnen die Parteien nicht in demselben Gemeindebezirk, so kann nach näherer Anordnung der Landesjustizverwaltung von einem Sühneversuch abgesehen werden.

Zu § 380: Geändert durch G vom 26. 1. 1998 (BGBl I S. 164), 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 381 StPO – Erhebung der Privatklage

1Die Erhebung der Klage geschieht zu Protokoll der Geschäftsstelle oder durch Einreichung einer Anklageschrift. 2Die Klage muss den in § 200 Abs. 1 bezeichneten Erfordernissen entsprechen. 3Mit der Anklageschrift sind zwei Abschriften einzureichen. 4Der Einreichung von Abschriften bedarf es nicht, wenn die Anklageschrift elektronisch übermittelt wird.

Zu § 381: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208).


§ 382 StPO – Mitteilung der Privatklage an den Beschuldigten

Ist die Klage vorschriftsmäßig erhoben, so teilt das Gericht sie dem Beschuldigten unter Bestimmung einer Frist zur Erklärung mit.

Zu § 382: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 383 StPO – Eröffnungs- oder Zurückweisungsbeschluss; Einstellung bei geringer Schuld

(1) 1Nach Eingang der Erklärung des Beschuldigten oder Ablauf der Frist entscheidet das Gericht darüber, ob das Hauptverfahren zu eröffnen oder die Klage zurückzuweisen ist, nach Maßgabe der Vorschriften, die bei einer von der Staatsanwaltschaft unmittelbar erhobenen Anklage anzuwenden sind. 2In dem Beschluss, durch den das Hauptverfahren eröffnet wird, bezeichnet das Gericht den Angeklagten und die Tat gemäß § 200 Abs. 1 Satz 1 .

(2) 1Ist die Schuld des Täters gering, so kann das Gericht das Verfahren einstellen. 2Die Einstellung ist auch noch in der Hauptverhandlung zulässig. 3Der Beschluss kann mit sofortiger Beschwerde angefochten werden.

Zu § 383: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 384 StPO – Weiteres Verfahren

(1) 1Das weitere Verfahren richtet sich nach den Vorschriften, die für das Verfahren auf erhobene öffentliche Klage gegeben sind. 2Jedoch dürfen Maßregeln der Besserung und Sicherung nicht angeordnet werden.

(2) § 243 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Vorsitzende den Beschluss über die Eröffnung des Hauptverfahrens verliest.

(3) Das Gericht bestimmt unbeschadet des § 244 Abs. 2 den Umfang der Beweisaufnahme.

(4) Die Vorschrift des § 265 Abs. 3 über das Recht, die Aussetzung der Hauptverhandlung zu verlangen, ist nicht anzuwenden.

(5) Vor dem Schwurgericht kann eine Privatklagesache nicht gleichzeitig mit einer auf öffentliche Klage anhängig gemachten Sache verhandelt werden.

Zu § 384: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 385 StPO – Stellung des Privatklägers; Ladung; Akteneinsicht

(1) 1Soweit in dem Verfahren auf erhobene öffentliche Klage die Staatsanwaltschaft zuzuziehen und zu hören ist, wird in dem Verfahren auf erhobene Privatklage der Privatkläger zugezogen und gehört. 2Alle Entscheidungen, die dort der Staatsanwaltschaft bekannt gemacht werden, sind hier dem Privatkläger bekannt zu geben.

(2) Zwischen der Zustellung der Ladung des Privatklägers zur Hauptverhandlung und dem Tag der letzteren muss eine Frist von mindestens einer Woche liegen.

(3) 1Für den Privatkläger kann ein Rechtsanwalt die Akten, die dem Gericht vorliegen oder von der Staatsanwaltschaft im Falle der Erhebung einer Anklage vorzulegen wären, einsehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigen, soweit der Untersuchungszweck in einem anderen Strafverfahren nicht gefährdet werden kann und überwiegende schutzwürdige Interessen des Beschuldigten oder Dritter nicht entgegenstehen. 2Der Privatkläger, der nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten wird, ist in entsprechender Anwendung des Satzes 1 befugt, die Akten einzusehen und amtlich verwahrte Beweisstücke unter Aufsicht zu besichtigen. 3Werden die Akten nicht elektronisch geführt, können dem Privatkläger, der nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten wird, an Stelle der Einsichtnahme in die Akten Kopien aus den Akten übermittelt werden. 4 § 406e Absatz 5 gilt entsprechend.

(4) In den Fällen der §§ 154a  und  421 ist deren Absatz 3 Satz 2 nicht anzuwenden.

(5) Im Revisionsverfahren ist ein Antrag des Privatklägers nach § 349 Abs. 2 nicht erforderlich. § 349 Abs. 3 ist nicht anzuwenden.

Zu § 385: Geändert durch G vom 2. 8. 2000 (BGBl I S. 1253), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872), 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 386 StPO – Ladung von Zeugen und Sachverständigen

(1) Der Vorsitzende des Gerichts bestimmt, welche Personen als Zeugen oder Sachverständige zur Hauptverhandlung geladen werden sollen.

(2) Dem Privatkläger wie dem Angeklagten steht das Recht der unmittelbaren Ladung zu.

Zu § 386: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 387 StPO – Vertretung in der Hauptverhandlung

(1) In der Hauptverhandlung kann auch der Angeklagte im Beistand eines Rechtsanwalts erscheinen oder sich auf Grund einer nachgewiesenen Vollmacht durch einen solchen vertreten lassen.

(2) Die Vorschrift des § 139 gilt für den Anwalt des Klägers und für den des Angeklagten.

(3) Das Gericht ist befugt, das persönliche Erscheinen des Klägers sowie des Angeklagten anzuordnen, auch den Angeklagten vorführen zu lassen.

Zu § 387: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208).


§ 388 StPO – Widerklage

(1) Hat der Verletzte die Privatklage erhoben, so kann der Beschuldigte bis zur Beendigung des letzten Wortes ( § 258 Abs. 2 Halbsatz 2 ) im ersten Rechtszug mittels einer Widerklage die Bestrafung des Klägers beantragen, wenn er von diesem gleichfalls durch eine Straftat verletzt worden ist, die im Wege der Privatklage verfolgt werden kann und mit der den Gegenstand der Klage bildenden Straftat in Zusammenhang steht.

(2) 1Ist der Kläger nicht der Verletzte ( § 374 Abs. 2 ), so kann der Beschuldigte die Widerklage gegen den Verletzten erheben. 2In diesem Falle bedarf es der Zustellung der Widerklage an den Verletzten und dessen Ladung zur Hauptverhandlung, sofern die Widerklage nicht in der Hauptverhandlung in Anwesenheit des Verletzten erhoben wird.

(3) Über Klage und Widerklage ist gleichzeitig zu erkennen.

(4) Die Zurücknahme der Klage ist auf das Verfahren über die Widerklage ohne Einfluss.

Zu § 388: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 389 StPO – Einstellung durch Urteil bei Verdacht eines Offizialdelikts

(1) Findet das Gericht nach verhandelter Sache, dass die für festgestellt zu erachtenden Tatsachen eine Straftat darstellen, auf die das in diesem Abschnitt vorgeschriebene Verfahren nicht anzuwenden ist, so hat es durch Urteil, das diese Tatsachen hervorheben muss, die Einstellung des Verfahrens auszusprechen.

(2) Die Verhandlungen sind in diesem Falle der Staatsanwaltschaft mitzuteilen.

Zu § 389: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 390 StPO – Rechtsmittel des Privatklägers

(1) 1Dem Privatkläger stehen die Rechtsmittel zu, die in dem Verfahren auf erhobene öffentliche Klage der Staatsanwaltschaft zustehen. 2Dasselbe gilt von dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens in den Fällen des § 362 . 3Die Vorschrift des § 301 ist auf das Rechtsmittel des Privatklägers anzuwenden.

(2) Revisionsanträge und Anträge auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens kann der Privatkläger nur mittels einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift anbringen.

(3) 1Die in den §§ 320 , 321 und 347 angeordnete Vorlage und Einsendung der Akten erfolgt wie im Verfahren auf erhobene öffentliche Klage an und durch die Staatsanwaltschaft. 2Die Zustellung der Berufungs- und Revisionsschriften an den Gegner des Beschwerdeführers wird durch die Geschäftsstelle bewirkt.

(4) Die Vorschrift des § 379a über die Zahlung des Gebührenvorschusses und die Folgen nicht rechtzeitiger Zahlung gilt entsprechend.

(5) 1Die Vorschrift des § 383 Abs. 2 Satz 1 und 2 über die Einstellung wegen Geringfügigkeit gilt auch im Berufungsverfahren. 2Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

Zu § 390: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 391 StPO – Rücknahme der Privatklage; Verwerfung bei Versäumung; Wiedereinsetzung

(1) 1Die Privatklage kann in jeder Lage des Verfahrens zurückgenommen werden. 2Nach Beginn der Vernehmung des Angeklagten zur Sache in der Hauptverhandlung des ersten Rechtszuges bedarf die Zurücknahme der Zustimmung des Angeklagten.

(2) Als Zurücknahme gilt es im Verfahren des ersten Rechtszuges und, soweit der Angeklagte die Berufung eingelegt hat, im Verfahren des zweiten Rechtszuges, wenn der Privatkläger in der Hauptverhandlung weder erscheint noch durch einen Rechtsanwalt vertreten wird oder in der Hauptverhandlung oder einem anderen Termin ausbleibt, obwohl das Gericht sein persönliches Erscheinen angeordnet hatte, oder eine Frist nicht einhält, die ihm unter Androhung der Einstellung des Verfahrens gesetzt war.

(3) Soweit der Privatkläger die Berufung eingelegt hat, ist sie im Falle der vorbezeichneten Versäumungen unbeschadet der Vorschrift des § 301 sofort zu verwerfen.

(4) Der Privatkläger kann binnen einer Woche nach der Versäumung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter den in den §§ 44 und 45 bezeichneten Voraussetzungen beanspruchen.

Zu § 391: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 392 StPO – Wirkung der Rücknahme

Die zurückgenommene Privatklage kann nicht von neuem erhoben werden.

Zu § 392: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 393 StPO – Tod des Privatklägers

(1) Der Tod des Privatklägers hat die Einstellung des Verfahrens zur Folge.

(2) Die Privatklage kann jedoch nach dem Tode des Klägers von den nach § 374 Abs. 2 zur Erhebung der Privatklage Berechtigten fortgesetzt werden.

(3) Die Fortsetzung ist von dem Berechtigten bei Verlust des Rechts binnen zwei Monaten, vom Tode des Privatklägers an gerechnet, bei Gericht zu erklären.

Zu § 393: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 394 StPO – Bekanntmachung an den Beschuldigten

Die Zurücknahme der Privatklage und der Tod des Privatklägers sowie die Fortsetzung der Privatklage sind dem Beschuldigten bekannt zu machen.

Zu § 394: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§§ 373b - 406l, Fünftes Buch - Beteiligung des Verletzten am Verfahren
§§ 395 - 402, Dritter Abschnitt - Nebenklage

§ 395 StPO – Befugnis zum Anschluss als Nebenkläger

(1) Der erhobenen öffentlichen Klage oder dem Antrag im Sicherungsverfahren kann sich mit der Nebenklage anschließen, wer verletzt ist durch eine rechtswidrige Tat nach

  1. 1.

    den §§ 174 bis 182 , 184i bis 184k des Strafgesetzbuches ,

  2. 2.

    den §§ 211  und  212 des Strafgesetzbuches , die versucht wurde,

  3. 3.

    den §§ 221 , 223 bis 226a  und  340 des Strafgesetzbuches ,

  4. 4.

    den §§ 232 bis 238 , 239 Absatz 3 , §§ 239a , 239b und 240 Absatz 4 des Strafgesetzbuches ,

  5. 5.

    § 4 des Gewaltschutzgesetzes ,

  6. 6.

    § 142 des Patentgesetzes , § 25 des Gebrauchsmustergesetzes , § 10 des Halbleiterschutzgesetzes , § 39 des Sortenschutzgesetzes , den §§ 143 bis 144 des Markengesetzes , den §§ 51  und  65 des Designgesetzes , den §§ 106 bis 108b des Urheberrechtsgesetzes , § 33 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie , § 16 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und § 23 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen .

(2) Die gleiche Befugnis steht Personen zu,

  1. 1.

    deren Kinder, Eltern, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner durch eine rechtswidrige Tat getötet wurden oder

  2. 2.

    die durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung ( § 172 ) die Erhebung der öffentlichen Klage herbeigeführt haben.

(3) Wer durch eine andere rechtswidrige Tat, insbesondere nach den §§ 185 bis 189 , 229 , 244 Absatz 1 Nummer 3 , Absatz 4 , §§ 249 bis 255  und  316a des Strafgesetzbuches , verletzt ist, kann sich der erhobenen öffentlichen Klage mit der Nebenklage anschließen, wenn dies aus besonderen Gründen, insbesondere wegen der schweren Folgen der Tat, zur Wahrnehmung seiner Interessen geboten erscheint.

(4) 1Der Anschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zulässig. 2Er kann nach ergangenem Urteil auch zur Einlegung von Rechtsmitteln geschehen.

(5) 1Wird die Verfolgung nach § 154a beschränkt, so berührt dies nicht das Recht, sich der erhobenen öffentlichen Klage als Nebenkläger anzuschließen. 2Wird der Nebenkläger zum Verfahren zugelassen, entfällt eine Beschränkung nach § 154a Absatz 1  oder  2 , soweit sie die Nebenklage betrifft.

Zu § 395: Neugefasst durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2280), geändert durch G vom 24. 9. 2013 (BGBl I S. 3671), 10. 10. 2013 (BGBl I S. 3799), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 4. 11. 2016 (BGBl I S. 2460), 17. 7. 2017 (BGBl I S. 2442), 18. 4. 2019 (BGBl I S. 466) und 9. 10. 2020 (BGBl I S. 2075).


§ 396 StPO – Anschlusserklärung; Entscheidung über die Befugnis zum Anschluss

(1) 1Die Anschlusserklärung ist bei dem Gericht schriftlich einzureichen. 2Eine vor Erhebung der öffentlichen Klage bei der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht eingegangene Anschlusserklärung wird mit der Erhebung der öffentlichen Klage wirksam. 3Im Verfahren bei Strafbefehlen wird der Anschluss wirksam, wenn Termin zur Hauptverhandlung anberaumt ( § 408 Abs. 3 Satz 2 , § 411 Abs. 1 ) oder der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls abgelehnt worden ist.

(2) 1Das Gericht entscheidet über die Berechtigung zum Anschluss als Nebenkläger nach Anhörung der Staatsanwaltschaft. 2In den Fällen des § 395 Abs. 3 entscheidet es nach Anhörung auch des Angeschuldigten darüber, ob der Anschluss aus den dort genannten Gründen geboten ist; diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(3) Erwägt das Gericht, das Verfahren nach § 153 Abs. 2 , § 153a Abs. 2 , § 153b Abs. 2 oder § 154 Abs. 2 einzustellen, so entscheidet es zunächst über die Berechtigung zum Anschluss.

Zu § 396: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 397 StPO – Verfahrensrechte des Nebenklägers

(1) 1Der Nebenkläger ist, auch wenn er als Zeuge vernommen werden soll, zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung berechtigt. 2Er ist zur Hauptverhandlung zu laden; § 145a Absatz 2 Satz 1 und § 217 Absatz 1 und 3 gelten entsprechend. 3Die Befugnis zur Ablehnung eines Richters ( §§ 24 , 31 ) oder Sachverständigen ( § 74 ), das Fragerecht ( § 240 Absatz 2 ), das Recht zur Beanstandung von Anordnungen des Vorsitzenden ( § 238 Absatz 2 ) und von Fragen ( § 242 ), das Beweisantragsrecht ( § 244 Absatz 3 bis 6 ) sowie das Recht zur Abgabe von Erklärungen ( §§ 257 , 258 ) stehen auch dem Nebenkläger zu. 4Dieser ist, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, im selben Umfang zuzuziehen und zu hören wie die Staatsanwaltschaft. 5Entscheidungen, die der Staatsanwaltschaft bekannt gemacht werden, sind auch dem Nebenkläger bekannt zu geben; § 145a Absatz 1 und 3 gilt entsprechend.

(2) 1Der Nebenkläger kann sich des Beistands eines Rechtsanwalts bedienen oder sich durch einen solchen vertreten lassen. 2Der Rechtsanwalt ist zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung berechtigt. 3Er ist vom Termin der Hauptverhandlung zu benachrichtigen, wenn seine Wahl dem Gericht angezeigt oder er als Beistand bestellt wurde.

(3) Ist der Nebenkläger der deutschen Sprache nicht mächtig, erhält er auf Antrag nach Maßgabe des § 187 Absatz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes eine Übersetzung schriftlicher Unterlagen, soweit dies zur Ausübung seiner strafprozessualen Rechte erforderlich ist.

Zu § 397: Neugefasst durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2280), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 21. 12. 2015 (BGBl I S. 2525).


§ 397a StPO – Bestellung eines Beistands; Prozesskostenhilfe

(1) Dem Nebenkläger ist auf seinen Antrag ein Rechtsanwalt als Beistand zu bestellen, wenn er

  1. 1.

    durch ein Verbrechen nach den §§ 177 , 232 bis 232b und 233a des Strafgesetzbuches oder durch einen besonders schweren Fall eines Vergehens nach § 177 Absatz 6 des Strafgesetzbuches verletzt ist,

  2. 1a.

    durch eine Straftat nach § 184j des Strafgesetzbuches verletzt ist und der Begehung dieser Straftat ein Verbrechen nach § 177 des Strafgesetzbuches oder ein besonders schwerer Fall eines Vergehens nach § 177 Absatz 6 des Strafgesetzbuches zugrunde liegt,

  3. 2.

    durch eine versuchte rechtswidrige Tat nach den §§ 211 und 212 des Strafgesetzbuches verletzt oder Angehöriger eines durch eine rechtswidrige Tat Getöteten im Sinne des § 395 Absatz 2 Nummer 1 ist,

  4. 3.

    durch ein Verbrechen nach den §§ 226 , 226a , 234 bis 235 , 238 bis 239b , 249 , 250 , 252 , 255 und 316a des Strafgesetzbuches verletzt ist, das bei ihm zu schweren körperlichen oder seelischen Schäden geführt hat oder voraussichtlich führen wird,

  5. 4.

    durch eine rechtswidrige Tat nach den §§ 174 bis 182 , 184i bis 184k  und  225 des Strafgesetzbuchs verletzt ist und er zur Zeit der Tat das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte oder seine Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann oder

  6. 5.

    durch eine rechtswidrige Tat nach den §§ 221 , 226 , 226a , 232 bis 235 , 237 , 238 Absatz 2 und 3 , §§ 239a , 239b , 240 Absatz 4 , §§ 249 , 250 , 252 , 255 und 316a des Strafgesetzbuches verletzt ist und er bei Antragstellung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder seine Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann.

(2) 1Liegen die Voraussetzungen für eine Bestellung nach Absatz 1 nicht vor, so ist dem Nebenkläger für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts auf Antrag Prozesskostenhilfe nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zu bewilligen, wenn er seine Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann oder ihm dies nicht zuzumuten ist. 2 § 114 Absatz 1 Satz 1 zweiter Halbsatz sowie Absatz 2 und § 121 Absatz 1 bis 3 der Zivilprozessordnung sind nicht anzuwenden.

(3) 1Anträge nach den Absätzen 1 und 2 können schon vor der Erklärung des Anschlusses gestellt werden. 2Über die Bestellung des Rechtsanwalts, für die § 142 Absatz 5 Satz 1 und 3 entsprechend gilt, und die Bewilligung der Prozesskostenhilfe entscheidet der Vorsitzende des mit der Sache befassten Gerichts.

Zu § 397a: Neugefasst durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2280), geändert durch G vom 23. 6. 2011 (BGBl I S. 1266), 26. 6. 2013 (BGBl I S. 1805), 24. 9. 2013 (BGBl I S. 3671, 2014 I S. 12), 31. 8. 2013 (BGBl I S. 3533), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 21. 12. 2015 (BGBl I S. 2525), 11. 10. 2016 (BGBl I S. 2226), 4. 11. 2016 (BGBl I S. 2460), 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2121), 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2128) und 9. 10. 2020 (BGBl I S. 2075).


§ 397b StPO – Gemeinschaftliche Nebenklagevertretung

(1) 1Verfolgen mehrere Nebenkläger gleichgelagerte Interessen, so kann ihnen das Gericht einen gemeinschaftlichen Rechtsanwalt als Beistand bestellen oder beiordnen. 2Gleichgelagerte Interessen liegen in der Regel bei mehreren Angehörigen eines durch eine rechtswidrige Tat Getöteten im Sinne des § 395 Absatz 2 Nummer 1 vor.

(2) 1Vor der Bestellung oder Beiordnung eines gemeinschaftlichen Rechtsanwalts soll den betroffenen Nebenklägern Gelegenheit gegeben werden, sich dazu zu äußern. 2Wird ein gemeinschaftlicher Rechtsanwalt nach Absatz 1 bestellt oder hinzugezogen, sind bereits erfolgte Bestellungen oder Beiordnungen aufzuheben.

(3) Wird ein Rechtsanwalt nicht als Beistand bestellt oder nicht beigeordnet, weil nach Absatz 1 ein anderer Rechtsanwalt bestellt oder beigeordnet worden ist, so stellt das Gericht fest, ob die Voraussetzungen nach § 397a Absatz 3 Satz 2 in Bezug auf den nicht als Beistand bestellten oder nicht beigeordneten Rechtsanwalt vorgelegen hätten.

Zu § 397b: Eingefügt durch G vom 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2121).


§ 398 StPO – Fortgang des Verfahrens bei Anschluss

(1) Der Fortgang des Verfahrens wird durch den Anschluss nicht aufgehalten.

(2) Die bereits anberaumte Hauptverhandlung sowie andere Termine finden an den bestimmten Tagen statt, auch wenn der Nebenkläger wegen Kürze der Zeit nicht mehr geladen oder benachrichtigt werden konnte.

Zu § 398: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 399 StPO – Bekanntmachung und Anfechtbarkeit früherer Entscheidungen

(1) Entscheidungen, die schon vor dem Anschluss ergangen und der Staatsanwaltschaft bekannt gemacht waren, bedürfen außer in den Fällen des § 401 Abs. 1 Satz 2 keiner Bekanntmachung an den Nebenkläger.

(2) Die Anfechtung solcher Entscheidungen steht auch dem Nebenkläger nicht mehr zu, wenn für die Staatsanwaltschaft die Frist zur Anfechtung abgelaufen ist.

Zu § 399: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 400 StPO – Rechtsmittelbefugnis des Nebenklägers

(1) Der Nebenkläger kann das Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, dass eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird oder dass der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluss des Nebenklägers berechtigt.

(2) 1Dem Nebenkläger steht die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss zu, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nach den §§ 206a und 206b eingestellt wird, soweit er die Tat betrifft, auf Grund deren der Nebenkläger zum Anschluss befugt ist. 2Im Übrigen ist der Beschluss, durch den das Verfahren eingestellt wird, für den Nebenkläger unanfechtbar.

Zu § 400: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 401 StPO – Einlegung eines Rechtsmittels durch den Nebenkläger

(1) 1Der Rechtsmittel kann sich der Nebenkläger unabhängig von der Staatsanwaltschaft bedienen. 2Geschieht der Anschluss nach ergangenem Urteil zur Einlegung eines Rechtsmittels, so ist dem Nebenkläger das angefochtene Urteil sofort zuzustellen. 3Die Frist zur Begründung des Rechtsmittels beginnt mit Ablauf der für die Staatsanwaltschaft laufenden Frist zur Einlegung des Rechtsmittels oder, wenn das Urteil dem Nebenkläger noch nicht zugestellt war, mit der Zustellung des Urteils an ihn auch dann, wenn eine Entscheidung über die Berechtigung des Nebenklägers zum Anschluss noch nicht ergangen ist.

(2) 1War der Nebenkläger in der Hauptverhandlung anwesend oder durch einen Anwalt vertreten, so beginnt für ihn die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels auch dann mit der Verkündung des Urteils, wenn er bei dieser nicht mehr zugegen oder vertreten war; er kann die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist nicht wegen fehlender Rechtsmittelbelehrung beanspruchen. 2Ist der Nebenkläger in der Hauptverhandlung überhaupt nicht anwesend oder vertreten gewesen, so beginnt die Frist mit der Zustellung der Urteilsformel an ihn.

(3) 1Hat allein der Nebenkläger Berufung eingelegt, so ist diese, wenn bei Beginn einer Hauptverhandlung weder der Nebenkläger noch für ihn ein Rechtsanwalt erschienen ist, unbeschadet der Vorschrift des § 301 sofort zu verwerfen. 2Der Nebenkläger kann binnen einer Woche nach der Versäumung unter den Voraussetzungen der §§ 44 und 45 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beanspruchen.

(4) Wird auf ein nur von dem Nebenkläger eingelegtes Rechtsmittel die angefochtene Entscheidung aufgehoben, so liegt der Betrieb der Sache wiederum der Staatsanwaltschaft ob.

Zu § 401: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 402 StPO – Widerruf der Anschlusserklärung; Tod des Nebenklägers

Die Anschlusserklärung verliert durch Widerruf sowie durch den Tod des Nebenklägers ihre Wirkung.

Zu § 402: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§§ 373b - 406l, Fünftes Buch - Beteiligung des Verletzten am Verfahren
§§ 403 - 406c, Vierter Abschnitt - Adhäsionsverfahren

§ 403 StPO – Geltendmachung eines Anspruchs im Adhäsionsverfahren

1Der Verletzte oder sein Erbe kann gegen den Beschuldigten einen aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch, der zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gehört und noch nicht anderweit gerichtlich anhängig gemacht ist, im Strafverfahren geltend machen, im Verfahren vor dem Amtsgericht ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes. 2Das gleiche Recht steht auch anderen zu, die einen solchen Anspruch geltend machen.

Zu § 403: Geändert durch G vom 24. 6. 2004 (BGBl I S. 1354), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 404 StPO – Antrag; Prozesskostenhilfe

(1) 1Der Antrag, durch den der Anspruch geltend gemacht wird, kann schriftlich oder mündlich zu Protokoll des Urkundsbeamten, in der Hauptverhandlung auch mündlich bis zum Beginn der Schlussvorträge gestellt werden. 2Er muss den Gegenstand und Grund des Anspruchs bestimmt bezeichnen und soll die Beweismittel enthalten. 3Ist der Antrag außerhalb der Hauptverhandlung gestellt, so wird er dem Beschuldigten zugestellt.

(2) 1Die Antragstellung hat dieselben Wirkungen wie die Erhebung der Klage im bürgerlichen Rechtsstreit. 2Sie treten mit Eingang des Antrages bei Gericht ein.

(3) 1Ist der Antrag vor Beginn der Hauptverhandlung gestellt, so wird der Antragsteller von Ort und Zeit der Hauptverhandlung benachrichtigt. 2Der Antragsteller, sein gesetzlicher Vertreter und der Ehegatte oder Lebenspartner des Antragsberechtigten können an der Hauptverhandlung teilnehmen.

(4) Der Antrag kann bis zur Verkündung des Urteils zurückgenommen werden.

(5) 1Dem Antragsteller und dem Angeschuldigten ist auf Antrag Prozesskostenhilfe nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zu bewilligen, sobald die Klage erhoben ist. 2 § 121 Abs. 2 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass dem Angeschuldigten, der einen Verteidiger hat, dieser beigeordnet werden soll; dem Antragsteller, der sich im Hauptverfahren des Beistandes eines Rechtsanwalts bedient, soll dieser beigeordnet werden. 3Zuständig für die Entscheidung ist das mit der Sache befasste Gericht; die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Zu § 404: Geändert durch G vom 16. 2. 2001 (BGBl I S. 266), 24. 6. 2004 (BGBl I S. 1354), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 405 StPO – Vergleich

(1) 1Auf Antrag der nach § 403 zur Geltendmachung eines Anspruchs Berechtigten und des Angeklagten nimmt das Gericht einen Vergleich über die aus der Straftat erwachsenen Ansprüche in das Protokoll auf. 2Es soll auf übereinstimmenden Antrag der in Satz 1 Genannten einen Vergleichsvorschlag unterbreiten.

(2) Für die Entscheidung über Einwendungen gegen die Rechtswirksamkeit des Vergleichs ist das Gericht der bürgerlichen Rechtspflege zuständig, in dessen Bezirk das Strafgericht des ersten Rechtszuges seinen Sitz hat.

Zu § 405: Neugefasst durch G vom 24. 6. 2004 (BGBl I S. 1354), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 406 StPO – Entscheidung über den Antrag im Strafurteil; Absehen von einer Entscheidung

(1) 1Das Gericht gibt dem Antrag in dem Urteil statt, mit dem der Angeklagte wegen einer Straftat schuldig gesprochen oder gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird, soweit der Antrag wegen dieser Straftat begründet ist. 2Die Entscheidung kann sich auf den Grund oder einen Teil des geltend gemachten Anspruchs beschränken; § 318 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. 3Das Gericht sieht von einer Entscheidung ab, wenn der Antrag unzulässig ist oder soweit er unbegründet erscheint. 4Im Übrigen kann das Gericht von einer Entscheidung nur absehen, wenn sich der Antrag auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Antragstellers zur Erledigung im Strafverfahren nicht eignet. 5Der Antrag ist insbesondere dann zur Erledigung im Strafverfahren nicht geeignet, wenn seine weitere Prüfung, auch soweit eine Entscheidung nur über den Grund oder einen Teil des Anspruchs in Betracht kommt, das Verfahren erheblich verzögern würde. 6Soweit der Antragsteller den Anspruch auf Zuerkennung eines Schmerzensgeldes ( § 253 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches ) geltend macht, ist das Absehen von einer Entscheidung nur nach Satz 3 zulässig.

(2) Erkennt der Angeklagte den vom Antragsteller gegen ihn geltend gemachten Anspruch ganz oder teilweise an, ist er gemäß dem Anerkenntnis zu verurteilen.

(3) 1Die Entscheidung über den Antrag steht einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Urteil gleich. 2Das Gericht erklärt die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar; die §§ 708 bis 712 sowie die §§ 714 und 716 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. 3Soweit der Anspruch nicht zuerkannt ist, kann er anderweit geltend gemacht werden. 4Ist über den Grund des Anspruchs rechtskräftig entschieden, so findet die Verhandlung über den Betrag nach § 304 Abs. 2 der Zivilprozessordnung vor dem zuständigen Zivilgericht statt.

(4) Der Antragsteller erhält eine Abschrift des Urteils mit Gründen oder einen Auszug daraus.

(5) 1Erwägt das Gericht, von einer Entscheidung über den Antrag abzusehen, weist es die Verfahrensbeteiligten so früh wie möglich darauf hin. 2Sobald das Gericht nach Anhörung des Antragstellers die Voraussetzungen für eine Entscheidung über den Antrag für nicht gegeben erachtet, sieht es durch Beschluss von einer Entscheidung über den Antrag ab.

Zu § 406: Geändert durch G vom 24. 6. 2004 (BGBl I S. 1354) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 406a StPO – Rechtsmittel

(1) 1Gegen den Beschluss, mit dem nach § 406 Abs. 5 Satz 2 von einer Entscheidung über den Antrag abgesehen wird, ist sofortige Beschwerde zulässig, wenn der Antrag vor Beginn der Hauptverhandlung gestellt worden und solange keine den Rechtszug abschließende Entscheidung ergangen ist. 2Im Übrigen steht dem Antragsteller ein Rechtsmittel nicht zu.

(2) 1Soweit das Gericht dem Antrag stattgibt, kann der Angeklagte die Entscheidung auch ohne den strafrechtlichen Teil des Urteils mit dem sonst zulässigen Rechtsmittel anfechten. 2In diesem Falle kann über das Rechtsmittel durch Beschluss in nicht öffentlicher Sitzung entschieden werden. 3Ist das zulässige Rechtsmittel die Berufung, findet auf Antrag des Angeklagten oder des Antragstellers eine mündliche Anhörung der Beteiligten statt.

(3) 1Die dem Antrag stattgebende Entscheidung ist aufzuheben, wenn der Angeklagte unter Aufhebung der Verurteilung wegen der Straftat, auf welche die Entscheidung über den Antrag gestützt worden ist, weder schuldig gesprochen noch gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird. 2Dies gilt auch, wenn das Urteil insoweit nicht angefochten ist.

Zu § 406a: Neugefasst durch G vom 24. 6. 2004 (BGBl I S. 1354), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 406b StPO – Vollstreckung

1Die Vollstreckung richtet sich nach den Vorschriften, die für die Vollstreckung von Urteilen und Prozessvergleichen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten gelten. 2Für das Verfahren nach den §§ 323 , §§ 731 , 767 , 768 , 887 bis 890 der Zivilprozessordnung ist das Gericht der bürgerlichen Rechtspflege zuständig, in dessen Bezirk das Strafgericht des ersten Rechtszuges seinen Sitz hat. 3Einwendungen, die den im Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, nach Schluss der Hauptverhandlung des ersten Rechtszuges und, wenn das Berufungsgericht entschieden hat, nach Schluss der Hauptverhandlung im Berufungsrechtszug entstanden sind.

Zu § 406b: Geändert durch G vom 24. 6. 2004 (BGBl I S. 1354) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 406c StPO – Wiederaufnahme des Verfahrens

(1) 1Den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens kann der Angeklagte darauf beschränken, eine wesentlich andere Entscheidung über den Anspruch herbeizuführen. 2Das Gericht entscheidet dann ohne Erneuerung der Hauptverhandlung durch Beschluss.

(2) Richtet sich der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nur gegen den strafrechtlichen Teil des Urteils, so gilt § 406a Abs. 3 entsprechend.

Zu § 406c: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§§ 373b - 406l, Fünftes Buch - Beteiligung des Verletzten am Verfahren
§§ 406d - 406l, Fünfter Abschnitt - Sonstige Befugnisse des Verletzten

§ 406d StPO – Auskunft über den Stand des Verfahrens

(1) 1Dem Verletzten ist, soweit es ihn betrifft, auf Antrag mitzuteilen:

  1. 1.

    die Einstellung des Verfahrens,

  2. 2.

    der Ort und Zeitpunkt der Hauptverhandlung sowie die gegen den Angeklagten erhobenen Beschuldigungen,

  3. 3.

    der Ausgang des gerichtlichen Verfahrens.

2Ist der Verletzte der deutschen Sprache nicht mächtig, so werden ihm auf Antrag Ort und Zeitpunkt der Hauptverhandlung in einer ihm verständlichen Sprache mitgeteilt.

(2) 1Dem Verletzten ist auf Antrag mitzuteilen, ob

  1. 1.

    dem Verurteilten die Weisung erteilt worden ist, zu dem Verletzten keinen Kontakt aufzunehmen oder mit ihm nicht zu verkehren;

  2. 2.

    freiheitsentziehende Maßnahmen gegen den Beschuldigten oder den Verurteilten angeordnet oder beendet oder ob erstmalig Vollzugslockerungen oder Urlaub gewährt werden, wenn er ein berechtigtes Interesse darlegt und kein überwiegendes schutzwürdiges Interesse der betroffenen Person am Ausschluss der Mitteilung vorliegt; in den in § 395 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 genannten Fällen sowie in den Fällen des § 395 Absatz 3 , in denen der Verletzte zur Nebenklage zugelassen wurde, bedarf es der Darlegung eines berechtigten Interesses nicht;

  3. 3.

    der Beschuldigte oder Verurteilte sich einer freiheitsentziehenden Maßnahme durch Flucht entzogen hat und welche Maßnahmen zum Schutz des Verletzten deswegen gegebenenfalls getroffen worden sind;

  4. 4.

    dem Verurteilten erneut Vollzugslockerung oder Urlaub gewährt wird, wenn dafür ein berechtigtes Interesse dargelegt oder ersichtlich ist und kein überwiegendes schutzwürdiges Interesse des Verurteilten am Ausschluss der Mitteilung vorliegt.

2Die Mitteilung erfolgt durch die Stelle, welche die Entscheidung gegenüber dem Beschuldigten oder Verurteilten getroffen hat; in den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 erfolgt die Mitteilung durch die zuständige Staatsanwaltschaft.

(3) 1Der Verletzte ist über die Informationsrechte aus Absatz 2 Satz 1 nach der Urteilsverkündung oder Einstellung des Verfahrens zu belehren. 2Über die Informationsrechte aus Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist der Verletzte zudem bei Anzeigeerstattung zu belehren, wenn die Anordnung von Untersuchungshaft gegen den Beschuldigten zu erwarten ist.

(4) 1Mitteilungen können unterbleiben, sofern sie nicht unter einer Anschrift möglich sind, die der Verletzte angegeben hat. 2Hat der Verletzte einen Rechtsanwalt als Beistand gewählt, ist ihm ein solcher beigeordnet worden oder wird er durch einen solchen vertreten, so gilt § 145a entsprechend.

Zu § 406d: Neugefasst durch G vom 24. 6. 2004 (BGBl I S. 1354), geändert durch G vom 13. 4. 2007 (BGBl I S. 513), 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2280), 26. 6. 2013 (BGBl I S. 1805), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 21. 12. 2015 (BGBl I S. 2525) und 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724).


§ 406e StPO – Akteneinsicht

(1) 1Für den Verletzten kann ein Rechtsanwalt die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, einsehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigen, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse darlegt. 2In den in § 395 genannten Fällen bedarf es der Darlegung eines berechtigten Interesses nicht.

(2) 1Die Einsicht in die Akten ist zu versagen, soweit überwiegende schutzwürdige Interessen des Beschuldigten oder anderer Personen entgegenstehen. 2Sie kann versagt werden, soweit der Untersuchungszweck, auch in einem anderen Strafverfahren, gefährdet erscheint. 3Sie kann auch versagt werden, wenn durch sie das Verfahren erheblich verzögert würde, es sei denn, dass die Staatsanwaltschaft in den in § 395 genannten Fällen den Abschluss der Ermittlungen in den Akten vermerkt hat.

(3) 1Der Verletzte, der nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten wird, ist in entsprechender Anwendung der Absätze 1 und 2 befugt, die Akten einzusehen und amtlich verwahrte Beweisstücke unter Aufsicht zu besichtigen. 2Werden die Akten nicht elektronisch geführt, können ihm an Stelle der Einsichtnahme in die Akten Kopien aus den Akten übermittelt werden. 3 § 480 Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für die in § 403 Satz 2 Genannten.

(5) 1Über die Gewährung der Akteneinsicht entscheidet im vorbereitenden Verfahren und nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens die Staatsanwaltschaft, im Übrigen der Vorsitzende des mit der Sache befassten Gerichts. 2Gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft nach Satz 1 kann gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 zuständige Gericht beantragt werden. 3Die §§ 297 bis 300 , 302 , 306 bis 309 , 311a  und  473a gelten entsprechend. 4Die Entscheidung des Gerichts ist unanfechtbar, solange die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind. 5Diese Entscheidungen werden nicht mit Gründen versehen, soweit durch deren Offenlegung der Untersuchungszweck gefährdet werden könnte.

Zu § 406e: Geändert durch G vom 2. 8. 2000 (BGBl I S. 1253), 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2274), 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2280), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208), 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 406f StPO – Verletztenbeistand

(1) 1Verletzte können sich des Beistands eines Rechtsanwalts bedienen oder sich durch einen solchen vertreten lassen. 2Einem zur Vernehmung des Verletzten erschienenen anwaltlichen Beistand ist die Anwesenheit gestattet.

(2) 1Bei einer Vernehmung von Verletzten ist auf deren Antrag einer zur Vernehmung erschienenen Person ihres Vertrauens die Anwesenheit zu gestatten, es sei denn, dass dies den Untersuchungszweck gefährden könnte. 2Die Entscheidung trifft die die Vernehmung leitende Person; die Entscheidung ist nicht anfechtbar. 3Die Gründe einer Ablehnung sind aktenkundig zu machen.

Zu § 406f: Neugefasst durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2280), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 406g StPO – Psychosoziale Prozessbegleitung

(1) 1Verletzte können sich des Beistands eines psychosozialen Prozessbegleiters bedienen. 2Dem psychosozialen Prozessbegleiter ist es gestattet, bei Vernehmungen des Verletzten und während der Hauptverhandlung gemeinsam mit dem Verletzten anwesend zu sein.

(2) Die Grundsätze der psychosozialen Prozessbegleitung sowie die Anforderungen an die Qualifikation und die Vergütung des psychosozialen Prozessbegleiters richten sich nach dem Gesetz über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren vom 21. Dezember 2015 ( BGBl. I S. 2525 ,  2529 ) in der jeweils geltenden Fassung.

(3) 1Unter den in § 397a Absatz 1 Nummer 4 und 5 bezeichneten Voraussetzungen ist dem Verletzten auf seinen Antrag ein psychosozialer Prozessbegleiter beizuordnen. 2Unter den in § 397a Absatz 1 Nummer 1 bis 3 bezeichneten Voraussetzungen kann dem Verletzten auf seinen Antrag ein psychosozialer Prozessbegleiter beigeordnet werden, wenn die besondere Schutzbedürftigkeit des Verletzten dies erfordert. 3Die Beiordnung ist für den Verletzten kostenfrei. 4Für die Beiordnung gilt § 142 Absatz 5 Satz 1 und 3 entsprechend. 5Im Vorverfahren entscheidet das nach § 162 zuständige Gericht.

(4) 1Einem nicht beigeordneten psychosozialen Prozessbegleiter kann die Anwesenheit bei einer Vernehmung des Verletzten untersagt werden, wenn dies den Untersuchungszweck gefährden könnte. 2Die Entscheidung trifft die die Vernehmung leitende Person; die Entscheidung ist nicht anfechtbar. 3Die Gründe einer Ablehnung sind aktenkundig zu machen.

Zu § 406g: Eingefügt durch G vom 21. 12. 2015 (BGBl I S. 2525); die bisherigen §§ 406g und 406h wurden §§ 406h und 406i. Geändert durch G vom 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2128).


§ 406h StPO – Beistand des nebenklageberechtigten Verletzten

(1) 1Nach § 395 zum Anschluss mit der Nebenklage Befugte können sich auch vor Erhebung der öffentlichen Klage und ohne Erklärung eines Anschlusses eines Rechtsanwalts als Beistand bedienen oder sich durch einen solchen vertreten lassen. 2Sie sind zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung berechtigt, auch wenn sie als Zeugen vernommen werden sollen. 3Ist zweifelhaft, ob eine Person nebenklagebefugt ist, entscheidet über das Anwesenheitsrecht das Gericht nach Anhörung der Person und der Staatsanwaltschaft; die Entscheidung ist unanfechtbar.

(2) 1Der Rechtsanwalt des Nebenklagebefugten ist zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung berechtigt; Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend. 2Er ist vom Termin der Hauptverhandlung zu benachrichtigen, wenn seine Wahl dem Gericht angezeigt oder er als Beistand bestellt wurde. 3Die Sätze 1 und 2 gelten bei richterlichen Vernehmungen und der Einnahme richterlichen Augenscheins entsprechend, es sei denn, dass die Anwesenheit oder die Benachrichtigung des Rechtsanwalts den Untersuchungszweck gefährden könnte. 4Nach richterlichen Vernehmungen ist dem Rechtsanwalt Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären oder Fragen an die vernommene Person zu stellen. 5Ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen oder Erklärungen können zurückgewiesen werden. 6 § 241a gilt entsprechend.

(3) 1 § 397a gilt entsprechend für

  1. 1.

    die Bestellung eines Rechtsanwalts und

  2. 2.

    die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts.

2Im vorbereitenden Verfahren entscheidet das nach § 162 zuständige Gericht.

(4) 1Auf Antrag dessen, der zum Anschluss als Nebenkläger berechtigt ist, kann in den Fällen des § 397a Abs. 2 einstweilen ein Rechtsanwalt als Beistand bestellt werden, wenn

  1. 1.
    dies aus besonderen Gründen geboten ist,
  2. 2.
    die Mitwirkung eines Beistands eilbedürftig ist und
  3. 3.
    die Bewilligung von Prozesskostenhilfe möglich erscheint, eine rechtzeitige Entscheidung hierüber aber nicht zu erwarten ist.

2Für die Bestellung gelten § 142 Absatz 5 Satz 1 und 3 und § 162 entsprechend. 3Die Bestellung endet, wenn nicht innerhalb einer vom Richter zu bestimmenden Frist ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt oder wenn die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt wird.

Zu § 406h: Der bisherige § 406g wurde (neugefasst) § 406h durch G vom 21. 12. 2015 (BGBl I S. 2525). Geändert durch G vom 27. 8. 2017 (BGBl I S. 3295) und 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2128).


§ 406i StPO – Unterrichtung des Verletzten über seine Befugnisse im Strafverfahren

(1) Verletzte sind möglichst frühzeitig, regelmäßig schriftlich und soweit möglich in einer für sie verständlichen Sprache über ihre aus den §§ 406d bis 406h folgenden Befugnisse im Strafverfahren zu unterrichten und insbesondere auch auf Folgendes hinzuweisen:

  1. 1.

    sie können nach Maßgabe des § 158 eine Straftat zur Anzeige bringen oder einen Strafantrag stellen;

  2. 2.

    sie können sich unter den Voraussetzungen der §§ 395 und 396 oder des § 80 Absatz 3 des Jugendgerichtsgesetzes der erhobenen öffentlichen Klage mit der Nebenklage anschließen und dabei

    1. a)

      nach § 397a beantragen, dass ihnen ein anwaltlicher Beistand bestellt oder für dessen Hinzuziehung Prozesskostenhilfe bewilligt wird,

    2. b)

      nach Maßgabe des § 397 Absatz 3 und der §§ 185 und 187 des Gerichtsverfassungsgesetzes einen Anspruch auf Dolmetschung und Übersetzung im Strafverfahren geltend machen;

  3. 3.

    sie können einen aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch nach Maßgabe der §§ 403 bis 406c und des § 81 des Jugendgerichtsgesetzes im Strafverfahren geltend machen;

  4. 4.

    sie können, soweit sie als Zeugen von der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht vernommen werden, einen Anspruch auf Entschädigung nach Maßgabe des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes geltend machen;

  5. 5.

    sie können nach Maßgabe des § 155a eine Wiedergutmachung im Wege eines Täter-Opfer-Ausgleichs erreichen.

(2) Liegen Anhaltspunkte für eine besondere Schutzbedürftigkeit des Verletzten vor, soll der Verletzte im weiteren Verfahren an geeigneter Stelle auf die Vorschriften hingewiesen werden, die seinem Schutze dienen, insbesondere auf § 68a Absatz 1 , die §§ 247 und 247a sowie die §§ 171b und 172 Nummer 1a des Gerichtsverfassungsgesetzes .

(3) Minderjährige Verletzte und ihre Vertreter sollten darüber hinaus im weiteren Verfahren an geeigneter Stelle auf die Vorschriften hingewiesen werden, die ihrem Schutze dienen, insbesondere auf die §§ 58a und 255a Absatz 2 , wenn die Anwendung dieser Vorschriften in Betracht kommt, sowie auf § 241a .

Zu § 406i: Der bisherige § 406h wurde § 406i durch G vom 21. 12. 2015 (BGBl I S. 2525).


§ 406j StPO – Unterrichtung des Verletzten über seine Befugnisse außerhalb des Strafverfahrens

Verletzte sind möglichst frühzeitig, regelmäßig schriftlich und soweit möglich in einer für sie verständlichen Sprache über folgende Befugnisse zu unterrichten, die sie außerhalb des Strafverfahrens haben:

  1. 1.

    sie können einen aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch, soweit er nicht nach Maßgabe der §§ 403 bis 406c und des § 81 des Jugendgerichtsgesetzes im Strafverfahren geltend gemacht wird, auf dem Zivilrechtsweg geltend machen und dabei beantragen, dass ihnen für die Hinzuziehung eines anwaltlichen Beistands Prozesskostenhilfe bewilligt wird;

  2. 2.

    sie können nach Maßgabe des Gewaltschutzgesetzes den Erlass von Anordnungen gegen den Beschuldigten beantragen;

  3. 3.

    sie können nach Maßgabe des Vierzehnten Buches Sozialgesetzbuch einen Anspruch auf Soziale Entschädigung geltend machen;

  4. 4.

    sie können nach Maßgabe von Verwaltungsvorschriften des Bundes oder der Länder gegebenenfalls Entschädigungsansprüche geltend machen;

  5. 5.

    sie können Unterstützung und Hilfe durch Opferhilfeeinrichtungen erhalten, etwa

    1. a)

      in Form einer Beratung,

    2. b)

      durch Bereitstellung oder Vermittlung einer Unterkunft in einer Schutzeinrichtung oder

    3. c)

      durch Vermittlung von therapeutischen Angeboten wie medizinischer oder psychologischer Hilfe oder weiteren verfügbaren Unterstützungsangeboten im psychosozialen Bereich.

Zu § 406j: Eingefügt durch G vom 21. 12. 2015 (BGBl I S. 2525), geändert durch G vom 12. 12. 2019 (BGBl I S. 2652) (1. 1. 2024).


§ 406k StPO – Weitere Informationen

(1) Die Informationen nach den §§ 406i und 406j sollen jeweils Angaben dazu enthalten,

  1. 1.

    an welche Stellen sich die Verletzten wenden können, um die beschriebenen Möglichkeiten wahrzunehmen, und

  2. 2.

    wer die beschriebenen Angebote gegebenenfalls erbringt.

(2) 1Liegen die Voraussetzungen einer bestimmten Befugnis im Einzelfall offensichtlich nicht vor, kann die betreffende Unterrichtung unterbleiben. 2Gegenüber Verletzten, die keine zustellungsfähige Anschrift angegeben haben, besteht keine schriftliche Hinweispflicht.

Zu § 406k: Eingefügt durch G vom 21. 12. 2015 (BGBl I S. 2525).


§ 406l StPO – Befugnisse von Angehörigen und Erben von Verletzten

§ 406i Absatz 1 sowie die §§ 406j und 406k gelten auch für Angehörige und Erben von Verletzten, soweit ihnen die entsprechenden Befugnisse zustehen.

Zu § 406l: Eingefügt durch G vom 21. 12. 2015 (BGBl I S. 2525).


§§ 407 - 448, Sechstes Buch - Besondere Arten des Verfahrens
§§ 407 - 412, Erster Abschnitt - Verfahren bei Strafbefehlen

§ 407 StPO – Zulässigkeit

(1) 1Im Verfahren vor dem Strafrichter und im Verfahren, das zur Zuständigkeit des Schöffengerichts gehört, können bei Vergehen auf schriftlichen Antrag der Staatsanwaltschaft die Rechtsfolgen der Tat durch schriftlichen Strafbefehl ohne Hauptverhandlung festgesetzt werden. 2Die Staatsanwaltschaft stellt diesen Antrag, wenn sie nach dem Ergebnis der Ermittlungen eine Hauptverhandlung nicht für erforderlich erachtet. 3Der Antrag ist auf bestimmte Rechtsfolgen zu richten. 4Durch ihn wird die öffentliche Klage erhoben.

(2) 1Durch Strafbefehl dürfen nur die folgenden Rechtsfolgen der Tat, allein oder nebeneinander, festgesetzt werden:

  1. 1.

    Geldstrafe, Verwarnung mit Strafvorbehalt, Fahrverbot, Einziehung, Vernichtung, Unbrauchbarmachung, Bekanntgabe der Verurteilung und Geldbuße gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung,

  2. 2.

    Entziehung der Fahrerlaubnis, bei der die Sperre nicht mehr als zwei Jahre beträgt,

  3. 2a.

    Verbot des Haltens oder Betreuens von sowie des Handels oder des sonstigen berufsmäßigen Umgangs mit Tieren jeder oder einer bestimmten Art für die Dauer von einem Jahr bis zu drei Jahren sowie

  4. 3.

    Absehen von Strafe.

2Hat der Angeschuldigte einen Verteidiger, so kann auch Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr festgesetzt werden, wenn deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.

(3) Der vorherigen Anhörung des Angeschuldigten durch das Gericht ( § 33 Abs. 3 ) bedarf es nicht.

Zu § 407: Geändert durch G vom 11. 1. 1993 (BGBl I S. 50), 4. 7. 2013 (BGBl I S. 2182), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 408 StPO – Richterliche Entscheidung über einen Strafbefehlsantrag

(1) 1Hält der Vorsitzende des Schöffengerichts die Zuständigkeit des Strafrichters für begründet, so gibt er die Sache durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft an diesen ab; der Beschluss ist für den Strafrichter bindend, der Staatsanwaltschaft steht sofortige Beschwerde zu. 2Hält der Strafrichter die Zuständigkeit des Schöffengerichts für begründet, so legt er die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dessen Vorsitzenden zur Entscheidung vor.

(2) 1Erachtet der Richter den Angeschuldigten nicht für hinreichend verdächtig, so lehnt er den Erlass eines Strafbefehls ab. 2Die Entscheidung steht dem Beschluss gleich, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt worden ist ( §§ 204 , 210 Abs. 2 , § 211 ).

(3) 1Der Richter hat dem Antrag der Staatsanwaltschaft zu entsprechen, wenn dem Erlass des Strafbefehls keine Bedenken entgegenstehen. 2Er beraumt Hauptverhandlung an, wenn er Bedenken hat, ohne eine solche zu entscheiden, oder wenn er von der rechtlichen Beurteilung im Strafbefehlsantrag abweichen oder eine andere als die beantragte Rechtsfolge festsetzen will und die Staatsanwaltschaft bei ihrem Antrag beharrt. 3Mit der Ladung ist dem Angeklagten eine Abschrift des Strafbefehlsantrags ohne die beantragte Rechtsfolge mitzuteilen.

Zu § 408: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 408a StPO – Strafbefehlsantrag nach Eröffnung des Hauptverfahrens

(1) 1Ist das Hauptverfahren bereits eröffnet, so kann im Verfahren vor dem Strafrichter und dem Schöffengericht die Staatsanwaltschaft einen Strafbefehlsantrag stellen, wenn die Voraussetzungen des § 407 Abs. 1 Satz 1 und 2 vorliegen und wenn der Durchführung einer Hauptverhandlung das Ausbleiben oder die Abwesenheit des Angeklagten oder ein anderer wichtiger Grund entgegensteht. 2In der Hauptverhandlung kann der Staatsanwalt den Antrag mündlich stellen; der wesentliche Inhalt des Strafbefehlsantrages ist in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen. 3 § 407 Abs. 1 Satz 4 , § 408 finden keine Anwendung.

(2) 1Der Richter hat dem Antrag zu entsprechen, wenn die Voraussetzungen des § 408 Abs. 3 Satz 1 vorliegen. 2Andernfalls lehnt er den Antrag durch unanfechtbaren Beschluss ab und setzt das Hauptverfahren fort.

Zu § 408a: Geändert durch G vom 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 408b StPO – Bestellung eines Verteidigers bei beantragter Freiheitsstrafe

Erwägt der Richter, dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlass eines Strafbefehls mit der in § 407 Abs. 2 Satz 2 genannten Rechtsfolge zu entsprechen, so bestellt er dem Angeschuldigten, der noch keinen Verteidiger hat, einen Pflichtverteidiger.

Zu § 408b: Eingefügt durch G vom 11. 1. 1993 (BGBl I S. 50), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2128).


§ 409 StPO – Inhalt des Strafbefehls

(1) 1Der Strafbefehl enthält

  1. 1.
    die Angaben zur Person des Angeklagten und etwaiger Nebenbeteiligter,
  2. 2.
    den Namen des Verteidigers,
  3. 3.
    die Bezeichnung der Tat, die dem Angeklagten zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung und die Bezeichnung der gesetzlichen Merkmale der Straftat,
  4. 4.
    die angewendeten Vorschriften nach Paragraf, Absatz, Nummer, Buchstabe und mit der Bezeichnung des Gesetzes,
  5. 5.
    die Beweismittel,
  6. 6.
    die Festsetzung der Rechtsfolgen,
  7. 7.
    die Belehrung über die Möglichkeit des Einspruchs und die dafür vorgeschriebene Frist und Form sowie den Hinweis, dass der Strafbefehl rechtskräftig und vollstreckbar wird, soweit gegen ihn kein Einspruch nach § 410 eingelegt wird.

2Wird gegen den Angeklagten eine Freiheitsstrafe verhängt, wird er mit Strafvorbehalt verwarnt oder wird gegen ihn ein Fahrverbot angeordnet, so ist er zugleich nach § 268a Abs. 3 oder § 268c Satz 1 zu belehren. 3 § 267 Abs. 6 Satz 2 gilt entsprechend.

(2) Der Strafbefehl wird auch dem gesetzlichen Vertreter des Angeklagten mitgeteilt.

Zu § 409: Geändert durch G vom 11. 1. 1993 (BGBl I S. 50), 24. 10. 2006 (BGBl I S. 2350), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 410 StPO – Einspruch; Form und Frist des Einspruchs; Rechtskraft

(1) 1Der Angeklagte kann gegen den Strafbefehl innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung bei dem Gericht, das den Strafbefehl erlassen hat, schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle Einspruch einlegen. 2Die §§ 297 bis 300 und § 302 Abs. 1 Satz 1 , Abs. 2 gelten entsprechend.

(2) Der Einspruch kann auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden.

(3) Soweit gegen einen Strafbefehl nicht rechtzeitig Einspruch erhoben worden ist, steht er einem rechtskräftigen Urteil gleich.

Zu § 410: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 411 StPO – Verwerfung wegen Unzulässigkeit; Termin zur Hauptverhandlung

(1) 1Ist der Einspruch verspätet eingelegt oder sonst unzulässig, so wird er ohne Hauptverhandlung durch Beschluss verworfen; gegen den Beschluss ist sofortige Beschwerde zulässig. 2Andernfalls wird Termin zur Hauptverhandlung anberaumt. 3Hat der Angeklagte seinen Einspruch auf die Höhe der Tagessätze einer festgesetzten Geldstrafe beschränkt, kann das Gericht mit Zustimmung des Angeklagten, des Verteidigers und der Staatsanwaltschaft ohne Hauptverhandlung durch Beschluss entscheiden; von der Festsetzung im Strafbefehl darf nicht zum Nachteil des Angeklagten abgewichen werden; gegen den Beschluss ist sofortige Beschwerde zulässig.

(2) 1Der Angeklagte kann sich in der Hauptverhandlung durch einen Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht vertreten lassen. 2 § 420 ist anzuwenden.

(3) 1Die Klage und der Einspruch können bis zur Verkündung des Urteils im ersten Rechtszug zurückgenommen werden. 2 § 303 gilt entsprechend. 3Ist der Strafbefehl im Verfahren nach § 408a erlassen worden, so kann die Klage nicht zurückgenommen werden.

(4) Bei der Urteilsfällung ist das Gericht an den im Strafbefehl enthaltenen Ausspruch nicht gebunden, soweit Einspruch eingelegt ist.

Zu § 411: Geändert durch G vom 28. 10. 1994 (BGBl I S. 3186), 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208).


§ 412 StPO – Ausbleiben des Angeklagten; Einspruchsverwerfung

1 § 329 Absatz 1 , 3 , 6 und 7 ist entsprechend anzuwenden. 2Hat der gesetzliche Vertreter Einspruch eingelegt, so ist auch § 330 entsprechend anzuwenden.

Zu § 412: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§§ 407 - 448, Sechstes Buch - Besondere Arten des Verfahrens
§§ 413 - 416, Zweiter Abschnitt - Sicherungsverfahren

§ 413 StPO – Zulässigkeit

Führt die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren wegen Schuldunfähigkeit oder Verhandlungsunfähigkeit des Täters nicht durch, so kann sie den Antrag stellen, Maßregeln der Besserung und Sicherung sowie als Nebenfolge die Einziehung selbstständig anzuordnen, wenn dies gesetzlich zulässig ist und die Anordnung nach dem Ergebnis der Ermittlungen zu erwarten ist (Sicherungsverfahren).

Zu § 413: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 414 StPO – Verfahren; Antragsschrift

(1) Für das Sicherungsverfahren gelten sinngemäß die Vorschriften über das Strafverfahren, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) 1Der Antrag steht der öffentlichen Klage gleich. 2An die Stelle der Anklageschrift tritt eine Antragsschrift, die den Erfordernissen der Anklageschrift entsprechen muss. 3In der Antragsschrift ist die Maßregel der Besserung und Sicherung zu bezeichnen, deren Anordnung die Staatsanwaltschaft beantragt. 4Wird im Urteil eine Maßregel der Besserung und Sicherung nicht angeordnet, so ist auf Ablehnung des Antrages zu erkennen.

(3) Im Vorverfahren soll einem Sachverständigen Gelegenheit zur Vorbereitung des in der Hauptverhandlung zu erstattenden Gutachtens gegeben werden.

Zu § 414: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 415 StPO – Hauptverhandlung ohne Beschuldigten

(1) Ist im Sicherungsverfahren das Erscheinen des Beschuldigten vor Gericht wegen seines Zustandes unmöglich oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unangebracht, so kann das Gericht die Hauptverhandlung durchführen, ohne dass der Beschuldigte zugegen ist.

(2) 1In diesem Falle ist der Beschuldigte vor der Hauptverhandlung durch einen beauftragten Richter unter Zuziehung eines Sachverständigen zu vernehmen. 2Von dem Vernehmungstermin sind die Staatsanwaltschaft, der Beschuldigte, der Verteidiger und der gesetzliche Vertreter zu benachrichtigen. 3Der Anwesenheit des Staatsanwalts, des Verteidigers und des gesetzlichen Vertreters bei der Vernehmung bedarf es nicht.

(3) Fordert es die Rücksicht auf den Zustand des Beschuldigten oder ist eine ordnungsgemäße Durchführung der Hauptverhandlung sonst nicht möglich, so kann das Gericht im Sicherungsverfahren nach der Vernehmung des Beschuldigten zur Sache die Hauptverhandlung durchführen, auch wenn der Beschuldigte nicht oder nur zeitweise zugegen ist.

(4) 1Soweit eine Hauptverhandlung ohne den Beschuldigten stattfindet, können seine früheren Erklärungen, die in einem richterlichen Protokoll enthalten sind, verlesen werden. 2Das Protokoll über die Vorvernehmung nach Absatz 2 Satz 1 ist zu verlesen.

(5) 1In der Hauptverhandlung ist ein Sachverständiger über den Zustand des Beschuldigten zu vernehmen. 2Hat der Sachverständige den Beschuldigten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.

Zu § 415: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 416 StPO – Übergang in das Strafverfahren

(1) 1Ergibt sich im Sicherungsverfahren nach Eröffnung des Hauptverfahrens die Schuldfähigkeit des Beschuldigten und ist das Gericht für das Strafverfahren nicht zuständig, so spricht es durch Beschluss seine Unzuständigkeit aus und verweist die Sache an das zuständige Gericht. 2 § 270 Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.

(2) 1Ergibt sich im Sicherungsverfahren nach Eröffnung des Hauptverfahrens die Schuldfähigkeit des Beschuldigten und ist das Gericht auch für das Strafverfahren zuständig, so ist der Beschuldigte auf die veränderte Rechtslage hinzuweisen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung zu geben. 2Behauptet er, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen. 3Ist auf Grund des § 415 in Abwesenheit des Beschuldigten verhandelt worden, so sind diejenigen Teile der Hauptverhandlung zu wiederholen, bei denen der Beschuldigte nicht zugegen war.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn sich im Sicherungsverfahren nach Eröffnung des Hauptverfahrens ergibt, dass der Beschuldigte verhandlungsfähig ist und das Sicherungsverfahren wegen seiner Verhandlungsunfähigkeit durchgeführt wird.

Zu § 416: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§§ 407 - 448, Sechstes Buch - Besondere Arten des Verfahrens
§§ 417 - 420, Abschnitt 2a - Beschleunigtes Verfahren

§ 417 StPO – Zulässigkeit

Im Verfahren vor dem Strafrichter und dem Schöffengericht stellt die Staatsanwaltschaft schriftlich oder mündlich den Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren, wenn die Sache auf Grund des einfachen Sachverhalts oder der klaren Beweislage zur sofortigen Verhandlung geeignet ist.

Zu § 417: Eingefügt durch G vom 28. 10. 1994 (BGBl I S. 3186), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 418 StPO – Durchführung der Hauptverhandlung

(1) 1Stellt die Staatsanwaltschaft den Antrag, so wird die Hauptverhandlung sofort oder in kurzer Frist durchgeführt, ohne dass es einer Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens bedarf. 2Zwischen dem Eingang des Antrags bei Gericht und dem Beginn der Hauptverhandlung sollen nicht mehr als sechs Wochen liegen.

(2) 1Der Beschuldigte wird nur dann geladen, wenn er sich nicht freiwillig zur Hauptverhandlung stellt oder nicht dem Gericht vorgeführt wird. 2Mit der Ladung wird ihm mitgeteilt, was ihm zur Last gelegt wird. 3Die Ladungsfrist beträgt vierundzwanzig Stunden.

(3) 1Der Einreichung einer Anklageschrift bedarf es nicht. 2Wird eine solche nicht eingereicht, so wird die Anklage bei Beginn der Hauptverhandlung mündlich erhoben und ihr wesentlicher Inhalt in das Sitzungsprotokoll aufgenommen. 3 § 408a gilt entsprechend.

(4) Ist eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten zu erwarten, so wird dem Beschuldigten, der noch keinen Verteidiger hat, für das beschleunigte Verfahren vor dem Amtsgericht ein Verteidiger bestellt.

Zu § 418: Eingefügt durch G vom 28. 10. 1994 (BGBl I S. 3186), geändert durch G vom 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198).


§ 419 StPO – Entscheidung des Gerichts; Strafmaß

(1) 1Der Strafrichter oder das Schöffengericht hat dem Antrag zu entsprechen, wenn sich die Sache zur Verhandlung in diesem Verfahren eignet. 2Eine höhere Freiheitsstrafe als Freiheitsstrafe von einem Jahr oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf in diesem Verfahren nicht verhängt werden. 3Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist zulässig.

(2) 1Die Entscheidung im beschleunigten Verfahren kann auch in der Hauptverhandlung bis zur Verkündung des Urteils abgelehnt werden. 2Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

(3) Wird die Entscheidung im beschleunigten Verfahren abgelehnt, so beschließt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint ( § 203 ); wird nicht eröffnet und die Entscheidung im beschleunigten Verfahren abgelehnt, so kann von der Einreichung einer neuen Anklageschrift abgesehen werden.

Zu § 419: Eingefügt durch G vom 28. 10. 1994 (BGBl I S. 3186), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 420 StPO – Beweisaufnahme

(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten darf durch Verlesung von Protokollen über eine frühere Vernehmung sowie von Urkunden, die eine von ihnen erstellte Äußerung enthalten, ersetzt werden.

(2) Erklärungen von Behörden und sonstigen Stellen über ihre dienstlichen Wahrnehmungen, Untersuchungen und Erkenntnisse sowie über diejenigen ihrer Angehörigen dürfen auch dann verlesen werden, wenn die Voraussetzungen des § 256 nicht vorliegen.

(3) Das Verfahren nach den Absätzen 1 und 2 bedarf der Zustimmung des Angeklagten, des Verteidigers und der Staatsanwaltschaft, soweit sie in der Hauptverhandlung anwesend sind.

(4) Im Verfahren vor dem Strafrichter bestimmt dieser unbeschadet des § 244 Abs. 2 den Umfang der Beweisaufnahme.

Zu § 420: Eingefügt durch G vom 28. 10. 1994 (BGBl I S. 3186), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208).


§§ 407 - 448, Sechstes Buch - Besondere Arten des Verfahrens
§§ 421 - 443, Dritter Abschnitt - Verfahren bei Einziehung und Vermögensbeschlagnahme

§ 421 StPO – Absehen von der Einziehung

(1) Das Gericht kann mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft von der Einziehung absehen, wenn

  1. 1.

    das Erlangte nur einen geringen Wert hat,

  2. 2.

    die Einziehung nach den §§ 74  und  74c des Strafgesetzbuchs neben der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nicht ins Gewicht fällt oder

  3. 3.

    das Verfahren, soweit es die Einziehung betrifft, einen unangemessenen Aufwand erfordern oder die Herbeiführung der Entscheidung über die anderen Rechtsfolgen der Tat unangemessen erschweren würde.

(2) 1Das Gericht kann die Wiedereinbeziehung in jeder Lage des Verfahrens anordnen. 2Einem darauf gerichteten Antrag der Staatsanwaltschaft hat es zu entsprechen. 3 § 265 gilt entsprechend.

(3) 1Im vorbereitenden Verfahren kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren auf die anderen Rechtsfolgen beschränken. 2Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

Zu § 421: Eingefügt durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872), geändert durch G vom 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 422 StPO – Abtrennung der Einziehung

1Würde die Herbeiführung einer Entscheidung über die Einziehung nach den §§ 73 bis 73c des Strafgesetzbuches die Entscheidung über die anderen Rechtsfolgen der Tat unangemessen erschweren oder verzögern, kann das Gericht das Verfahren über die Einziehung abtrennen. 2Das Gericht kann die Verbindung in jeder Lage des Verfahrens wieder anordnen.

Zu § 422: Eingefügt durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 423 StPO – Einziehung nach Abtrennung

(1) 1Trennt das Gericht das Verfahren nach § 422 ab, trifft es die Entscheidung über die Einziehung nach der Rechtskraft des Urteils in der Hauptsache. 2Das Gericht ist an die Entscheidung in der Hauptsache und die tatsächlichen Feststellungen, auf denen diese beruht, gebunden.

(2) Die Entscheidung über die Einziehung soll spätestens sechs Monate nach dem Eintritt der Rechtskraft des Urteils in der Hauptsache getroffen werden.

(3) 1Das Gericht entscheidet durch Beschluss. 2Die Entscheidung ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

(4) 1Abweichend von Absatz 3 kann das Gericht anordnen, dass die Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung durch Urteil ergeht. 2Das Gericht muss die Anordnung nach Satz 1 treffen, wenn die Staatsanwaltschaft oder derjenige, gegen den sich die Einziehung richtet, dies beantragt. 3Die §§ 324 und 427 bis 431 gelten entsprechend; ergänzend finden die Vorschriften über die Hauptverhandlung entsprechende Anwendung.

Zu § 423: Eingefügt durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 424 StPO – Einziehungsbeteiligte am Strafverfahren

(1) Richtet sich die Einziehung gegen eine Person, die nicht Beschuldigter ist, so wird sie auf Anordnung des Gerichts am Strafverfahren beteiligt, soweit dieses die Einziehung betrifft (Einziehungsbeteiligter).

(2) 1Die Anordnung der Verfahrensbeteiligung unterbleibt, wenn derjenige, der von ihr betroffen wäre, bei Gericht oder bei der Staatsanwaltschaft schriftlich oder zu Protokoll oder bei einer anderen Behörde schriftlich erklärt, dass er gegen die Einziehung des Gegenstandes keine Einwendungen vorbringen wolle. 2War die Anordnung zum Zeitpunkt der Erklärung bereits ergangen, wird sie aufgehoben.

(3) Die Verfahrensbeteiligung kann bis zum Ausspruch der Einziehung und, wenn eine zulässige Berufung eingelegt ist, bis zur Beendigung der Schlussvorträge im Berufungsverfahren angeordnet werden.

(4) 1Der Beschluss, durch den die Verfahrensbeteiligung angeordnet wird, kann nicht angefochten werden. 2Wird die Verfahrensbeteiligung abgelehnt, ist sofortige Beschwerde zulässig.

(5) Durch die Verfahrensbeteiligung wird der Fortgang des Verfahrens nicht aufgehalten.

Zu § 424: Eingefügt durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 425 StPO – Absehen von der Verfahrensbeteiligung

(1) In den Fällen der §§ 74a  und  74b des Strafgesetzbuches kann das Gericht von der Anordnung der Verfahrensbeteiligung absehen, wenn wegen bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie nicht ausgeführt werden kann.

(2) 1Absatz 1 gilt entsprechend, wenn

  1. 1.

    eine Partei, Vereinigung oder Einrichtung außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes zu beteiligen wäre, die Bestrebungen gegen den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder gegen einen der in § 92 Absatz 2 des Strafgesetzbuches bezeichneten Verfassungsgrundsätze verfolgt, und

  2. 2.

    den Umständen nach anzunehmen ist, dass diese Partei, Vereinigung oder Einrichtung oder einer ihrer Mittelsmänner den Gegenstand zur Förderung ihrer Bestrebungen zur Verfügung gestellt hat.

2Vor der Entscheidung über die Einziehung des Gegenstandes ist der Besitzer der Sache oder der zur Verfügung über das Recht Befugte zu hören, wenn dies ausführbar ist.

Zu § 425: Eingefügt durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 426 StPO – Anhörung von möglichen Einziehungsbeteiligten im vorbereitenden Verfahren

(1) 1Ergeben sich im vorbereitenden Verfahren Anhaltspunkte dafür, dass jemand als Einziehungsbeteiligter in Betracht kommt, ist er zu hören. 2Dies gilt nur, wenn die Anhörung ausführbar erscheint. 3 § 425 Absatz 2 gilt entsprechend.

(2) Erklärt derjenige, der als Einziehungsbeteiligter in Betracht kommt, dass er gegen die Einziehung Einwendungen vorbringen wolle, gelten im Fall seiner Vernehmung die Vorschriften über die Vernehmung des Beschuldigten insoweit entsprechend, als seine Verfahrensbeteiligung in Betracht kommt.

Zu § 426: Eingefügt durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 427 StPO – Befugnisse des Einziehungsbeteiligten im Hauptverfahren

(1) 1Von der Eröffnung des Hauptverfahrens an hat der Einziehungsbeteiligte, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Befugnisse, die einem Angeklagten zustehen. 2Im beschleunigten Verfahren gilt dies vom Beginn der Hauptverhandlung, im Strafbefehlsverfahren vom Erlass des Strafbefehls an.

(2) 1Das Gericht kann zur Aufklärung des Sachverhalts das persönliche Erscheinen des Einziehungsbeteiligten anordnen. 2Bleibt der Einziehungsbeteiligte, dessen persönliches Erscheinen angeordnet ist, ohne genügende Entschuldigung aus, so kann das Gericht seine Vorführung anordnen, wenn er unter Hinweis auf diese Möglichkeit durch Zustellung geladen worden ist.

Zu § 427: Eingefügt durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 428 StPO – Vertretung des Einziehungsbeteiligten

(1) 1Der Einziehungsbeteiligte kann sich in jeder Lage des Verfahrens durch einen Rechtsanwalt mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht vertreten lassen. 2Die für die Verteidigung geltenden Vorschriften der §§ 137 bis 139 , 145a bis 149  und  218 sind entsprechend anzuwenden.

(2) 1Der Vorsitzende bestellt dem Einziehungsbeteiligten auf Antrag oder von Amts wegen einen Rechtsanwalt, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage, soweit sie die Einziehung betrifft, die Mitwirkung eines Rechtsanwalts geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass der Einziehungsbeteiligte seine Rechte nicht selbst wahrnehmen kann. 2Dem Antrag eines seh-, hör- oder sprachbehinderten Einziehungsbeteiligten ist zu entsprechen.

(3) Für das vorbereitende Verfahren gilt Absatz 1 entsprechend.

Zu § 428: Eingefügt durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872), geändert durch G vom 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2128).


§ 429 StPO – Terminsnachricht an den Einziehungsbeteiligten

(1) Dem Einziehungsbeteiligten wird der Termin zur Hauptverhandlung durch Zustellung bekanntgemacht; § 40 gilt entsprechend.

(2) Mit der Terminsnachricht wird dem Einziehungsbeteiligten, soweit er an dem Verfahren beteiligt ist, die Anklageschrift und in den Fällen des § 207 Absatz 2 der Eröffnungsbeschluss mitgeteilt.

(3) Zugleich wird der Einziehungsbeteiligte darauf hingewiesen, dass

  1. 1.

    auch ohne ihn verhandelt werden kann,

  2. 2.

    er sich durch einen Rechtsanwalt mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht vertreten lassen kann und

  3. 3.

    über die Einziehung auch ihm gegenüber entschieden wird.

Zu § 429: Eingefügt durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 430 StPO – Stellung in der Hauptverhandlung

(1) 1Bleibt der Einziehungsbeteiligte in der Hauptverhandlung trotz ordnungsgemäßer Terminsnachricht aus, kann ohne ihn verhandelt werden; § 235 ist nicht anzuwenden. 2Gleiches gilt, wenn sich der Einziehungsbeteiligte aus der Hauptverhandlung entfernt oder bei der Fortsetzung einer unterbrochenen Hauptverhandlung ausbleibt.

(2) Auf Beweisanträge des Einziehungsbeteiligten zur Frage der Schuld des Angeklagten ist § 244 Absatz 3 Satz 2 , Absatz 4 bis 6 nicht anzuwenden.

(3) 1Ordnet das Gericht die Einziehung eines Gegenstandes nach § 74b Absatz 1 des Strafgesetzbuches an, ohne dass eine Entschädigung nach § 74b Absatz 2 des Strafgesetzbuches zu gewähren ist, spricht es zugleich aus, dass dem Einziehungsbeteiligten eine Entschädigung nicht zusteht. 2Dies gilt nicht, wenn das Gericht eine Entschädigung des Einziehungsbeteiligten nach § 74b Absatz 3 Satz 2 des Strafgesetzbuches für geboten hält; in diesem Fall entscheidet es zugleich über die Höhe der Entschädigung. 3Das Gericht weist den Einziehungsbeteiligten zuvor auf die Möglichkeit einer solchen Entscheidung hin und gibt ihm Gelegenheit, sich zu äußern.

(4) 1War der Einziehungsbeteiligte bei der Verkündung des Urteils nicht zugegen und auch nicht vertreten, so beginnt die Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels mit der Zustellung der Urteilsformel an ihn. 2Bei der Zustellung des Urteils kann das Gericht anordnen, dass Teile des Urteils, welche die Einziehung nicht betreffen, ausgeschieden werden.

Zu § 430: Neugefasst durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872), geändert durch G vom 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 431 StPO – Rechtsmittelverfahren

(1) 1Im Rechtsmittelverfahren erstreckt sich die Prüfung, ob die Einziehung dem Einziehungsbeteiligten gegenüber gerechtfertigt ist, auf den Schuldspruch des angefochtenen Urteils nur, wenn der Einziehungsbeteiligte

  1. 1.

    insoweit Einwendungen vorbringt und

  2. 2.

    im vorausgegangenen Verfahren ohne sein Verschulden zum Schuldspruch nicht gehört worden ist.

2Erstreckt sich hiernach die Prüfung auch auf den Schuldspruch, legt das Gericht die zur Schuld getroffenen Feststellungen zugrunde, soweit nicht das Vorbringen des Einziehungsbeteiligten eine erneute Prüfung erfordert.

(2) Im Berufungsverfahren gilt Absatz 1 nicht, wenn zugleich auf ein Rechtsmittel eines anderen Beteiligten über den Schuldspruch zu entscheiden ist.

(3) Im Revisionsverfahren sind die Einwendungen gegen den Schuldspruch innerhalb der Begründungsfrist vorzubringen.

(4) 1Wird nur die Entscheidung über die Höhe der Entschädigung angefochten, kann über das Rechtsmittel durch Beschluss entschieden werden, wenn die Beteiligten nicht widersprechen. 2Das Gericht weist sie zuvor auf die Möglichkeit eines solchen Verfahrens und des Widerspruchs hin und gibt ihnen Gelegenheit, sich zu äußern.

Zu § 431: Neugefasst durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 432 StPO – Einziehung durch Strafbefehl

(1) 1Wird die Einziehung durch Strafbefehl angeordnet, so wird der Strafbefehl auch dem Einziehungsbeteiligten zugestellt, soweit er an dem Verfahren beteiligt ist. 2 § 429 Absatz 3 Nummer 2 gilt entsprechend.

(2) Ist nur über den Einspruch des Einziehungsbeteiligten zu entscheiden, so gilt § 434 Absatz 2  und  3 entsprechend.

Zu § 432: Neugefasst durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 433 StPO – Nachverfahren

(1) Ist die Einziehung rechtskräftig angeordnet worden und macht jemand glaubhaft, dass er seine Rechte als Einziehungsbeteiligter ohne sein Verschulden weder im Verfahren des ersten Rechtszuges noch im Berufungsverfahren hat wahrnehmen können, so kann er in einem Nachverfahren geltend machen, dass die Einziehung ihm gegenüber nicht gerechtfertigt sei.

(2) 1Das Nachverfahren ist binnen eines Monats nach Ablauf des Tages zu beantragen, an dem der Antragsteller von der rechtskräftigen Entscheidung Kenntnis erlangt hat. 2Der Antrag ist unzulässig, wenn seit Eintritt der Rechtskraft zwei Jahre verstrichen sind und die Vollstreckung beendet ist.

(3) 1Durch den Antrag auf Durchführung des Nachverfahrens wird die Vollstreckung der Anordnung der Einziehung nicht gehemmt; das Gericht kann jedoch einen Aufschub sowie eine Unterbrechung der Vollstreckung anordnen. 2Wird in den Fällen des § 73b des Strafgesetzbuches , auch in Verbindung mit § 73c des Strafgesetzbuches , unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 ein Nachverfahren beantragt, sollen bis zu dessen Abschluss Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Antragsteller unterbleiben.

(4) 1Für den Umfang der Prüfung gilt § 431 Absatz 1 entsprechend. 2Wird das vom Antragsteller behauptete Recht nicht erwiesen, ist der Antrag unbegründet.

(5) Vor der Entscheidung kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 421 Absatz 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Anordnung der Einziehung aufheben.

(6) Eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 359 Nummer 5 zu dem Zweck, die Einwendungen nach Absatz 1 geltend zu machen, ist ausgeschlossen.

Zu § 433: Neugefasst durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 434 StPO – Entscheidung im Nachverfahren

(1) Die Entscheidung über die Einziehung im Nachverfahren trifft das Gericht des ersten Rechtszuges.

(2) Das Gericht entscheidet durch Beschluss, gegen den sofortige Beschwerde zulässig ist.

(3) 1Über einen zulässigen Antrag wird auf Grund mündlicher Verhandlung durch Urteil entschieden, wenn die Staatsanwaltschaft oder sonst der Antragsteller es beantragt oder das Gericht dies anordnet; die Vorschriften über die Hauptverhandlung gelten entsprechend. 2Wer gegen das Urteil eine zulässige Berufung eingelegt hat, kann gegen das Berufungsurteil nicht mehr Revision einlegen.

(4) Ist durch Urteil entschieden, so gilt § 431 Absatz 4 entsprechend.

Zu § 434: Neugefasst durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872). Die Änderung durch G vom 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208) ist seit der Neufassung des § 434 durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872) gegenstandslos.


§ 435 StPO – Selbständiges Einziehungsverfahren

(1) 1Die Staatsanwaltschaft und der Privatkläger können den Antrag stellen, die Einziehung selbständig anzuordnen, wenn dies gesetzlich zulässig und die Anordnung nach dem Ergebnis der Ermittlungen zu erwarten ist. 2Die Staatsanwaltschaft kann insbesondere von dem Antrag absehen, wenn das Erlangte nur einen geringen Wert hat oder das Verfahren einen unangemessenen Aufwand erfordern würde.

(2) 1In dem Antrag ist der Gegenstand oder der Geldbetrag, der dessen Wert entspricht, zu bezeichnen. 2Ferner ist anzugeben, welche Tatsachen die Zulässigkeit der selbständigen Einziehung begründen. 3Im Übrigen gilt § 200 entsprechend.

(3) 1Für das weitere Verfahren gelten die §§ 201 bis 204 , 207 , 210  und  211 entsprechend, soweit dies ausführbar ist. 2Im Übrigen finden die §§ 424 bis 430  und  433 entsprechende Anwendung.

(4) 1Für Ermittlungen, die ausschließlich der Durchführung des selbständigen Einziehungsverfahrens dienen, gelten sinngemäß die Vorschriften über das Strafverfahren. 2Ermittlungsmaßnahmen, die nur gegen einen Beschuldigten zulässig sind, und verdeckte Maßnahmen im Sinne des § 101 Absatz 1 sind nicht zulässig.

Zu § 435: Neugefasst durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872), geändert durch G vom 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 436 StPO – Entscheidung im selbständigen Einziehungsverfahren

(1) 1Die Entscheidung über die selbständige Einziehung trifft das Gericht, das im Fall der Strafverfolgung einer bestimmten Person zuständig wäre. 2Für die Entscheidung über die selbständige Einziehung ist örtlich zuständig auch das Gericht, in dessen Bezirk der Gegenstand sichergestellt worden ist.

(2) § 423 Absatz 1 Satz 2 und § 434 Absatz 2 bis 4 gelten entsprechend.

Zu § 436: Neugefasst durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 437 StPO – Besondere Regelungen für das selbständige Einziehungsverfahren

1Bei der Entscheidung über die selbständige Einziehung nach § 76a Absatz 4 des Strafgesetzbuches kann das Gericht seine Überzeugung davon, dass der Gegenstand aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, insbesondere auf ein grobes Missverhältnis zwischen dem Wert des Gegenstandes und den rechtmäßigen Einkünften des Betroffenen stützen. 2Darüber hinaus kann es bei seiner Entscheidung insbesondere auch berücksichtigen

  1. 1.

    das Ergebnis der Ermittlungen zu der Tat, die Anlass für das Verfahren war,

  2. 2.

    die Umstände, unter denen der Gegenstand aufgefunden und sichergestellt worden ist, sowie

  3. 3.

    die sonstigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen.

Zu § 437: Neugefasst durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 438 StPO – Nebenbetroffene am Strafverfahren

(1) 1Ist über die Einziehung eines Gegenstandes zu entscheiden, ordnet das Gericht an, dass eine Person, die weder Angeschuldigte ist noch als Einziehungsbeteiligte in Betracht kommt, als Nebenbetroffene an dem Verfahren beteiligt wird, soweit es die Einziehung betrifft, wenn es glaubhaft erscheint, dass

  1. 1.

    dieser Person der Gegenstand gehört oder zusteht oder

  2. 2.

    diese Person an dem Gegenstand ein sonstiges Recht hat, dessen Erlöschen nach § 75 Absatz 2 Satz 2 und 3 des Strafgesetzbuches im Falle der Einziehung angeordnet werden könnte.

2Für die Anordnung der Verfahrensbeteiligung gelten § 424 Absatz 2 bis 5 und § 425 entsprechend.

(2) 1Das Gericht kann anordnen, dass sich die Beteiligung nicht auf die Frage der Schuld des Angeschuldigten erstreckt, wenn

  1. 1.

    die Einziehung im Fall des Absatzes 1 Nummer 1 nur unter der Voraussetzung in Betracht kommt, dass der Gegenstand demjenigen gehört oder zusteht, gegen den sich die Einziehung richtet, oder

  2. 2.

    der Gegenstand nach den Umständen, welche die Einziehung begründen können, auch auf Grund von Rechtsvorschriften außerhalb des Strafrechts ohne Entschädigung dauerhaft entzogen werden könnte.

2 § 424 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(3) Im Übrigen gelten die §§ 426 bis 434 entsprechend mit der Maßgabe, dass in den Fällen des § 432 Absatz 2 und des § 433 das Gericht den Schuldspruch nicht nachprüft, wenn nach den Umständen, welche die Einziehung begründet haben, eine Anordnung nach Absatz 2 zulässig wäre.

Zu § 438: Neugefasst durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 439 StPO – Der Einziehung gleichstehende Rechtsfolgen

Vernichtung, Unbrauchbarmachung und Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustandes stehen im Sinne der §§ 421 bis 436 der Einziehung gleich.

Zu § 439: Neugefasst durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 440 StPO

(weggefallen)


§ 441 StPO

(weggefallen)


§ 442 StPO

(weggefallen)


§ 443 StPO – Vermögensbeschlagnahme

(1) 1Das im Geltungsbereich dieses Gesetzes befindliche Vermögen oder einzelne Vermögensgegenstände eines Beschuldigten, gegen den wegen einer Straftat nach

  1. 1.

    den §§ 81 bis 83 Abs. 1 , § 89a oder § 89c Absatz 1 bis 4 , den §§ 94 oder 96 Abs. 1 , den §§ 97a oder 100 , den §§ 129 oder 129a , auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, des Strafgesetzbuches ,

  2. 2.

    einer in § 330 Abs. 1 Satz 1 des Strafgesetzbuches in Bezug genommenen Vorschrift unter der Voraussetzung, dass der Beschuldigte verdächtig ist, vorsätzlich Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet zu haben, oder unter einer der in § 330 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches genannten Voraussetzungen oder nach § 330 Abs. 2 , § 330a Abs. 1, 2 des Strafgesetzbuches ,

  3. 3.

    den §§ 51 , 52 Abs. 1 Nr. 1, 2 Buchstabe c und d , Abs. 5 , 6 des Waffengesetzes , den §§ 17 und 18 des Außenwirtschaftsgesetzes, wenn die Tat vorsätzlich begangen wird, oder nach § 19 Abs. 1 bis 3 , § 20 Abs. 1 oder 2 , jeweils auch in Verbindung mit § 21 , oder § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen ,

  4. 4.

    einer in § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 des Betäubungsmittelgesetzes in Bezug genommenen Vorschrift unter den dort genannten Voraussetzungen oder einer Straftat nach den §§ 29a , 30 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 , § 30a oder § 30b des Betäubungsmittelgesetzes ,

  5. 5.

    einer in § 34 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1, 3 oder Nummer 4 des Konsumcannabisgesetzes in Bezug genommenen Vorschrift unter den dort genannten Voraussetzungen oder einer Straftat nach § 34 Absatz 4 des Konsumcannabisgesetzes oder

  6. 6.

    einer in § 25 Absatz 4 Satz 2 Nummer 1, 3 oder Nummer 4 des Medizinal-Cannabisgesetzes in Bezug genommenen Vorschrift unter den dort genannten Voraussetzungen oder einer Straftat nach § 25 Absatz 5 des Medizinal-Cannabisgesetzes

die öffentliche Klage erhoben oder Haftbefehl erlassen worden ist, können mit Beschlag belegt werden.

2Die Beschlagnahme umfasst auch das Vermögen, das dem Beschuldigten später zufällt. 3Die Beschlagnahme ist spätestens nach Beendigung der Hauptverhandlung des ersten Rechtszuges aufzuheben.

(2) 1Die Beschlagnahme wird durch den Richter angeordnet. 2Bei Gefahr im Verzug kann die Staatsanwaltschaft die Beschlagnahme vorläufig anordnen; die vorläufige Anordnung tritt außer Kraft, wenn sie nicht binnen drei Tagen vom Richter bestätigt wird.

(3) Die Vorschriften der §§ 291 bis 293 gelten entsprechend.

Zu § 443: Geändert durch G vom 15. 7. 1992 (BGBl I S. 1302), 27. 6. 1994 (BGBl I S. 1440), 26. 1. 1998 (BGBl I S. 164), 22. 8. 2002 (BGBl I S. 3390), 11. 10. 2002 (BGBl I S. 3970), 30. 7. 2009 (BGBl I S. 2437), 6. 6. 2013 (BGBl I S. 1482), 12. 6. 2015 (BGBl I S. 926), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 27. 3. 2024 (BGBl 2024 I Nr. 109) (1. 4. 2024).


§§ 407 - 448, Sechstes Buch - Besondere Arten des Verfahrens
§§ 444 - 448, Vierter Abschnitt - Verfahren bei Festsetzung von Geldbußen gegen juristische Personen und Personenvereinigungen

§ 444 StPO – Verfahren

(1) 1Ist im Strafverfahren über die Festsetzung einer Geldbuße gegen eine juristische Person oder eine Personenvereinigung zu entscheiden ( § 30 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ), so ordnet das Gericht deren Beteiligung an dem Verfahren an, soweit es die Tat betrifft. 2 § 424 Absatz 3  und  4 gilt entsprechend.

(2) 1Die juristische Person oder die Personenvereinigung wird zur Hauptverhandlung geladen; bleibt ihr Vertreter ohne genügende Entschuldigung aus, so kann ohne sie verhandelt werden. 2Für ihre Verfahrensbeteiligung gelten im Übrigen die §§ 426 bis 428 , 429 Absatz 2 und 3 Nummer 1 , § 430 Absatz 2  und  4 , § 431 Absatz 1 bis 3 , § 432 Absatz 1 und, soweit nur über ihren Einspruch zu entscheiden ist, § 434 Absatz 2  und  3 sinngemäß.

(3) 1Für das selbstständige Verfahren gelten die §§ 435 , 436 Absatz 1  und  2 in Verbindung mit § 434 Absatz 2  oder  3 sinngemäß. 2Örtlich zuständig ist auch das Gericht, in dessen Bezirk die juristische Person oder die Personenvereinigung ihren Sitz oder eine Zweigniederlassung hat.

Zu § 444: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 445 StPO

(weggefallen)


§ 446 StPO

(weggefallen)


§ 447 StPO

(weggefallen)


§ 448 StPO

(weggefallen)


§§ 449 - 473a, Siebentes Buch - Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens
§§ 449 - 463e, Erster Abschnitt - Strafvollstreckung

§ 449 StPO – Vollstreckbarkeit

Strafurteile sind nicht vollstreckbar, bevor sie rechtskräftig geworden sind.

Zu § 449: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 450 StPO – Anrechnung von Untersuchungshaft und Führerscheinentziehung

(1) Auf die zu vollstreckende Freiheitsstrafe ist unverkürzt die Untersuchungshaft anzurechnen, die der Angeklagte erlitten hat, seit er auf Einlegung eines Rechtsmittels verzichtet oder das eingelegte Rechtsmittel zurückgenommen hat oder seitdem die Einlegungsfrist abgelaufen ist, ohne dass er eine Erklärung abgegeben hat.

(2) Hat nach dem Urteil eine Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins auf Grund des § 111a Abs. 5 Satz 2 fortgedauert, so ist diese Zeit unverkürzt auf das Fahrverbot ( § 44 des Strafgesetzbuches ) anzurechnen.

Zu § 450: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 450a StPO – Anrechnung einer im Ausland erlittenen Freiheitsentziehung

(1) 1Auf die zu vollstreckende Freiheitsstrafe ist auch die im Ausland erlittene Freiheitsentziehung anzurechnen, die der Verurteilte in einem Auslieferungsverfahren zum Zwecke der Strafvollstreckung erlitten hat. 2Dies gilt auch dann, wenn der Verurteilte zugleich zum Zwecke der Strafverfolgung ausgeliefert worden ist.

(2) Bei Auslieferung zum Zwecke der Vollstreckung mehrerer Strafen ist die im Ausland erlittene Freiheitsentziehung auf die höchste Strafe, bei Strafen gleicher Höhe auf die Strafe anzurechnen, die nach der Einlieferung des Verurteilten zuerst vollstreckt wird.

(3) 1Das Gericht kann auf Antrag der Staatsanwaltschaft anordnen, dass die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach dem Erlass des Urteils, in dem die dem Urteil zu Grunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmalig geprüft werden konnten, nicht gerechtfertigt ist. 2Trifft das Gericht eine solche Anordnung, so wird die im Ausland erlittene Freiheitsentziehung, soweit ihre Dauer die Strafe nicht überschreitet, auch in einem anderen Verfahren auf die Strafe nicht angerechnet.

Zu § 450a: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 451 StPO – Vollstreckungsbehörde

(1) Die Strafvollstreckung erfolgt durch die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde auf Grund einer von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erteilenden, mit der Bescheinigung der Vollstreckbarkeit versehenen, beglaubigten Abschrift der Urteilsformel.

(2) Den Amtsanwälten steht die Strafvollstreckung nur insoweit zu, als die Landesjustizverwaltung sie ihnen übertragen hat.

(3) 1Die Staatsanwaltschaft, die Vollstreckungsbehörde ist, nimmt auch gegenüber der Strafvollstreckungskammer bei einem anderen Landgericht die staatsanwaltschaftlichen Aufgaben wahr. 2Sie kann ihre Aufgaben der für dieses Gericht zuständigen Staatsanwaltschaft übertragen, wenn dies im Interesse des Verurteilten geboten erscheint und die Staatsanwaltschaft am Ort der Strafvollstreckungskammer zustimmt.

Zu § 451: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 452 StPO – Begnadigungsrecht

1In Sachen, in denen im ersten Rechtszug in Ausübung von Gerichtsbarkeit des Bundes entschieden worden ist, steht das Begnadigungsrecht dem Bund zu. 2In allen anderen Sachen steht es den Ländern zu.

Zu § 452: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 453 StPO – Nachträgliche Entscheidung über Strafaussetzung zur Bewährung oder Verwarnung mit Strafvorbehalt

(1) 1Die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf eine Strafaussetzung zur Bewährung oder eine Verwarnung mit Strafvorbehalt beziehen ( §§ 56a bis 56g , 58 , 59a , 59b des Strafgesetzbuches ), trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss. 2Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte sind zu hören. 3 § 246a Absatz 2 und § 454 Absatz 2 Satz 4 gelten entsprechend. 4Hat das Gericht über einen Widerruf der Strafaussetzung wegen Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen zu entscheiden, so soll es dem Verurteilten Gelegenheit zur mündlichen Anhörung geben. 5Ist ein Bewährungshelfer bestellt, so unterrichtet ihn das Gericht, wenn eine Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung oder den Straferlass in Betracht kommt; über Erkenntnisse, die dem Gericht aus anderen Strafverfahren bekannt geworden sind, soll es ihn unterrichten, wenn der Zweck der Bewährungsaufsicht dies angezeigt erscheinen lässt.

(2) 1Gegen die Entscheidungen nach Absatz 1 ist Beschwerde zulässig. 2Sie kann nur darauf gestützt werden, dass eine getroffene Anordnung gesetzwidrig ist oder dass die Bewährungszeit nachträglich verlängert worden ist. 3Der Widerruf der Aussetzung, der Erlass der Strafe, der Widerruf des Erlasses, die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe und die Feststellung, dass es bei der Verwarnung sein Bewenden hat ( §§ 56f , 56g , 59b des Strafgesetzbuches ), können mit sofortiger Beschwerde angefochten werden.

Zu § 453: Geändert durch G vom 18. 6. 1997 (BGBl I S. 1430), 26. 6. 2013 (BGBl I S. 1805) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 453a StPO – Belehrung bei Strafaussetzung oder Verwarnung mit Strafvorbehalt

(1) 1Ist der Angeklagte nicht nach § 268a Abs. 3 belehrt worden, so wird die Belehrung durch das für die Entscheidungen nach § 453 zuständige Gericht erteilt. 2Der Vorsitzende kann mit der Belehrung einen beauftragten oder ersuchten Richter betrauen.

(2) Die Belehrung soll außer in Fällen von geringer Bedeutung mündlich erteilt werden.

(3) 1Der Angeklagte soll auch über die nachträglichen Entscheidungen belehrt werden. 2Absatz 1 gilt entsprechend.

Zu § 453a: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 453b StPO – Bewährungsüberwachung

(1) Das Gericht überwacht während der Bewährungszeit die Lebensführung des Verurteilten, namentlich die Erfüllung von Auflagen und Weisungen sowie von Anerbieten und Zusagen.

(2) Die Überwachung obliegt dem für die Entscheidungen nach § 453 zuständigen Gericht.

Zu § 453b: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 453c StPO – Vorläufige Maßnahmen vor Widerruf der Aussetzung

(1) Sind hinreichende Gründe für die Annahme vorhanden, dass die Aussetzung widerrufen wird, so kann das Gericht bis zur Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses, um sich der Person des Verurteilten zu versichern, vorläufige Maßnahmen treffen, notfalls, unter den Voraussetzungen des § 112 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 , oder, wenn bestimmte Tatsachen die Gefahr begründen, dass der Verurteilte erhebliche Straftaten begehen werde, einen Haftbefehl erlassen.

(2) 1Die auf Grund eines Haftbefehls nach Absatz 1 erlittene Haft wird auf die zu vollstreckende Freiheitsstrafe angerechnet. 2 § 33 Abs. 4 Satz 1 sowie die §§ 114 bis 115a , 119 und 119a gelten entsprechend.

Zu § 453c: Geändert durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2274) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 454 StPO – Aussetzung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung

(1) 1Die Entscheidung, ob die Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden soll ( §§ 57 bis 58 des Strafgesetzbuches ) sowie die Entscheidung, dass vor Ablauf einer bestimmten Frist ein solcher Antrag des Verurteilten unzulässig ist, trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss. 2Die Staatsanwaltschaft, der Verurteilte und die Vollzugsanstalt sind zu hören. 3Der Verurteilte ist mündlich zu hören. 4Von der mündlichen Anhörung des Verurteilten kann abgesehen werden, wenn

  1. 1.

    die Staatsanwaltschaft und die Vollzugsanstalt die Aussetzung einer zeitigen Freiheitsstrafe befürworten und das Gericht die Aussetzung beabsichtigt,

  2. 2.

    der Verurteilte die Aussetzung beantragt hat, zur Zeit der Antragstellung

    1. a)

      bei zeitiger Freiheitsstrafe noch nicht die Hälfte oder weniger als zwei Monate,

    2. b)

      bei lebenslanger Freiheitsstrafe weniger als dreizehn Jahre

    der Strafe verbüßt hat und das Gericht den Antrag wegen verfrühter Antragstellung ablehnt oder

  3. 3.

    der Antrag des Verurteilten unzulässig ist ( § 57 Abs. 7 , § 57a Abs. 4 des Strafgesetzbuches ).

5Das Gericht entscheidet zugleich, ob eine Anrechnung nach § 43 Abs. 10 Nr. 3 des Strafvollzugsgesetzes ausgeschlossen wird.

(2) 1Das Gericht holt das Gutachten eines Sachverständigen über den Verurteilten ein, wenn es erwägt, die Vollstreckung des Restes

  1. 1.
    der lebenslangen Freiheitsstrafe auszusetzen oder
  2. 2.
    einer zeitigen Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren wegen einer Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches bezeichneten Art auszusetzen und nicht auszuschließen ist, dass Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung des Verurteilten entgegenstehen.

1Das Gutachten hat sich namentlich zu der Frage zu äußern, ob bei dem Verurteilten keine Gefahr mehr besteht, dass dessen durch die Tat zu Tage getretene Gefährlichkeit fortbesteht. 2Der Sachverständige ist mündlich zu hören, wobei der Staatsanwaltschaft, dem Verurteilten, seinem Verteidiger und der Vollzugsanstalt Gelegenheit zur Mitwirkung zu geben ist. 3Das Gericht kann von der mündlichen Anhörung des Sachverständigen absehen, wenn der Verurteilte, sein Verteidiger und die Staatsanwaltschaft darauf verzichten.

(3) 1Gegen die Entscheidungen nach Absatz 1 ist sofortige Beschwerde zulässig. 2Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss, der die Aussetzung des Strafrestes anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(4) 1Im Übrigen sind § 246a Absatz 2 , § 268a Absatz 3 , die §§ 268d , 453 , 453a Absatz 1 und 3 sowie die §§ 453b und 453c entsprechend anzuwenden. 2Die Belehrung über die Aussetzung des Strafrestes wird mündlich erteilt; die Belehrung kann auch der Vollzugsanstalt übertragen werden. 3Die Belehrung soll unmittelbar vor der Entlassung erteilt werden.

Zu § 454: Geändert durch G vom 26. 1. 1998 (BGBl I S. 160), 27. 12. 2000 (BGBl I S. 2043), 21. 8. 2002 (BGBl I S. 3344), 22. 12. 2006 (BGBl I S. 3416), 22. 12. 2010 (BGBl I S. 2300), 26. 6. 2013 (BGBl I S. 1805) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 454a StPO – Beginn der Bewährungszeit; Aufhebung der Aussetzung des Strafrestes

(1) Beschließt das Gericht die Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe mindestens drei Monate vor dem Zeitpunkt der Entlassung, so verlängert sich die Bewährungszeit um die Zeit von der Rechtskraft der Aussetzungsentscheidung bis zur Entlassung.

(2) 1Das Gericht kann die Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe bis zur Entlassung des Verurteilten wieder aufheben, wenn die Aussetzung auf Grund neu eingetretener oder bekannt gewordener Tatsachen unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit nicht mehr verantwortet werden kann; § 454 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie Abs. 3 Satz 1 gilt entsprechend. 2 § 57 Abs. 5 des Strafgesetzbuches bleibt unberührt.

Zu § 454a: Geändert durch G vom 26. 1. 1998 (BGBl I S. 160), 22. 12. 2006 (BGBl I S. 3416) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 454b StPO – Vollstreckungsreihenfolge bei Freiheits- und Ersatzfreiheitsstrafen; Unterbrechung

(1) Freiheitsstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen sollen unmittelbar nacheinander vollstreckt werden.

(2) 1Sind mehrere Freiheitsstrafen oder Freiheitsstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen nacheinander zu vollstrecken, so unterbricht die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung der zunächst zu vollstreckenden Freiheitsstrafe, wenn

  1. 1.
    unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 1 des Strafgesetzbuches die Hälfte, mindestens jedoch sechs Monate,
  2. 2.
    im Übrigen bei zeitiger Freiheitsstrafe zwei Drittel, mindestens jedoch zwei Monate, oder
  3. 3.
    bei lebenslanger Freiheitsstrafe fünfzehn Jahre

der Strafe verbüßt sind. 2Dies gilt nicht für Strafreste, die auf Grund Widerrufs ihrer Aussetzung vollstreckt werden. 3Treten die Voraussetzungen für eine Unterbrechung der zunächst zu vollstreckenden Freiheitsstrafe bereits vor Vollstreckbarkeit der später zu vollstreckenden Freiheitsstrafe ein, erfolgt die Unterbrechung rückwirkend auf den Zeitpunkt des Eintritts der Vollstreckbarkeit.

(3) Auf Antrag des Verurteilten kann die Vollstreckungsbehörde von der Unterbrechung der Vollstreckung von Freiheitsstrafen in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 absehen, wenn zu erwarten ist, dass nach deren vollständiger Verbüßung die Voraussetzungen einer Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 des Betäubungsmittelgesetzes für eine weitere zu vollstreckende Freiheitsstrafe erfüllt sein werden.

(4) Hat die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung nach Absatz 2 unterbrochen, so trifft das Gericht die Entscheidungen nach den §§ 57  und  57a des Strafgesetzbuches erst, wenn über die Aussetzung der Vollstreckung der Reste aller Strafen gleichzeitig entschieden werden kann.

Zu § 454b: Geändert durch G vom 22. 12. 2006 (BGBl I S. 3416), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202).


§ 455 StPO – Strafausstand wegen Vollzugsuntauglichkeit

(1) Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe ist aufzuschieben, wenn der Verurteilte in Geisteskrankheit verfällt.

(2) Dasselbe gilt bei anderen Krankheiten, wenn von der Vollstreckung eine nahe Lebensgefahr für den Verurteilten zu besorgen ist.

(3) Die Strafvollstreckung kann auch dann aufgeschoben werden, wenn sich der Verurteilte in einem körperlichen Zustand befindet, bei dem eine sofortige Vollstreckung mit der Einrichtung der Strafanstalt unverträglich ist.

(4) 1Die Vollstreckungsbehörde kann die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unterbrechen, wenn

  1. 1.
    der Verurteilte in Geisteskrankheit verfällt,
  2. 2.
    wegen einer Krankheit von der Vollstreckung eine nahe Lebensgefahr für den Verurteilten zu besorgen ist oder
  3. 3.
    der Verurteilte sonst schwer erkrankt und die Krankheit in einer Vollzugsanstalt oder einem Anstaltskrankenhaus nicht erkannt oder behandelt werden kann

und zu erwarten ist, dass die Krankheit voraussichtlich für eine erhebliche Zeit fortbestehen wird. 2Die Vollstreckung darf nicht unterbrochen werden, wenn überwiegende Gründe, namentlich der öffentlichen Sicherheit, entgegenstehen.

Zu § 455: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 455a StPO – Strafausstand aus Gründen der Vollzugsorganisation

(1) Die Vollstreckungsbehörde kann die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung aufschieben oder ohne Einwilligung des Gefangenen unterbrechen, wenn dies aus Gründen der Vollzugsorganisation erforderlich ist und überwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit nicht entgegenstehen.

(2) Kann die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde nicht rechtzeitig eingeholt werden, so kann der Anstaltsleiter die Vollstreckung unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 ohne Einwilligung des Gefangenen vorläufig unterbrechen.

Zu § 455a: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 456 StPO – Vorübergehender Aufschub

(1) Auf Antrag des Verurteilten kann die Vollstreckung aufgeschoben werden, sofern durch die sofortige Vollstreckung dem Verurteilten oder seiner Familie erhebliche, außerhalb des Strafzwecks liegende Nachteile erwachsen.

(2) Der Strafaufschub darf den Zeitraum von vier Monaten nicht übersteigen.

(3) Die Bewilligung kann an eine Sicherheitsleistung oder andere Bedingungen geknüpft werden.

Zu § 456: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 456a StPO – Absehen von Vollstreckung bei Auslieferung, Überstellung oder Ausweisung

(1) Die Vollstreckungsbehörde kann von der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, einer Ersatzfreiheitsstrafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung absehen, wenn der Verurteilte wegen einer anderen Tat einer ausländischen Regierung ausgeliefert, an einen internationalen Strafgerichtshof überstellt oder wenn er aus dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes abgeschoben, zurückgeschoben oder zurückgewiesen wird.

(2) 1Kehrt der Verurteilte zurück, so kann die Vollstreckung nachgeholt werden. 2Für die Nachholung einer Maßregel der Besserung und Sicherung gilt § 67c Abs. 2 des Strafgesetzbuches entsprechend. 3Die Vollstreckungsbehörde kann zugleich mit dem Absehen von der Vollstreckung die Nachholung für den Fall anordnen, dass der Verurteilte zurückkehrt, und hierzu einen Haftbefehl oder einen Unterbringungsbefehl erlassen sowie die erforderlichen Fahndungsmaßnahmen, insbesondere die Ausschreibung zur Festnahme, veranlassen; § 131 Abs. 4 sowie § 131a Abs. 3 gelten entsprechend. 4Der Verurteilte ist zu belehren.

Zu § 456a: Geändert durch G vom 2. 8. 2000 (BGBl I S. 1253), 21. 6. 2002 (BGBl I S. 2144), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 27. 7. 2015 (BGBl I S. 1386).


§ 456b StPO

(weggefallen)


§ 456c StPO – Aufschub und Aussetzung des Berufsverbotes

(1) 1Das Gericht kann bei Erlass des Urteils auf Antrag oder mit Einwilligung des Verurteilten das Wirksamwerden des Berufsverbots durch Beschluss aufschieben, wenn das sofortige Wirksamwerden des Verbots für den Verurteilten oder seine Angehörigen eine erhebliche, außerhalb seines Zweckes liegende, durch späteres Wirksamwerden vermeidbare Härte bedeuten würde. 2Hat der Verurteilte einen gesetzlichen Vertreter, so ist dessen Einwilligung erforderlich. 3 § 462 Abs. 3 gilt entsprechend.

(2) Die Vollstreckungsbehörde kann unter denselben Voraussetzungen das Berufsverbot aussetzen.

(3) 1Der Aufschub und die Aussetzung können an die Leistung einer Sicherheit oder an andere Bedingungen geknüpft werden. 2Aufschub und Aussetzung dürfen den Zeitraum von sechs Monaten nicht übersteigen.

(4) Die Zeit des Aufschubs und der Aussetzung wird auf die für das Berufsverbot festgesetzte Frist nicht angerechnet.

Zu § 456c: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 457 StPO – Ermittlungshandlungen; Vorführungsbefehl, Vollstreckungshaftbefehl

(1) § 161 gilt sinngemäß für die in diesem Abschnitt bezeichneten Zwecke.

(2) 1Die Vollstreckungsbehörde ist befugt, zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe einen Vorführungs- oder Haftbefehl zu erlassen, wenn der Verurteilte auf die an ihn ergangene Ladung zum Antritt der Strafe sich nicht gestellt hat oder der Flucht verdächtig ist. 2Sie kann einen Vorführungs- oder Haftbefehl auch erlassen, wenn ein Strafgefangener entweicht oder sich sonst dem Vollzug entzieht.

(3) 1Im Übrigen hat in den Fällen des Absatzes 2 die Vollstreckungsbehörde die gleichen Befugnisse wie die Strafverfolgungsbehörde, soweit die Maßnahmen bestimmt und geeignet sind, den Verurteilten festzunehmen. 2Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist auf die Dauer der noch zu vollstreckenden Freiheitsstrafe besonders Bedacht zu nehmen. 3Die notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht des ersten Rechtszuges.

Zu § 457: Geändert durch G vom 15. 7. 1992 (BGBl I S. 1302) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 458 StPO – Gerichtliche Entscheidungen bei Strafvollstreckung

(1) Wenn über die Auslegung eines Strafurteils oder über die Berechnung der erkannten Strafe Zweifel entstehen oder wenn Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung erhoben werden, so ist die Entscheidung des Gerichts herbeizuführen.

(2) Das Gericht entscheidet ferner, wenn in den Fällen des § 454b Absatz 1 bis 3 sowie der §§ 455 , 456 und 456c Abs. 2 Einwendungen gegen die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde erhoben werden oder wenn die Vollstreckungsbehörde anordnet, dass an einem Ausgelieferten, Abgeschobenen, Zurückgeschobenen oder Zurückgewiesenen die Vollstreckung einer Strafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung nachgeholt werden soll, und Einwendungen gegen diese Anordnung erhoben werden.

(3) 1Der Fortgang der Vollstreckung wird hierdurch nicht gehemmt; das Gericht kann jedoch einen Aufschub oder eine Unterbrechung der Vollstreckung anordnen. 2In den Fällen des § 456c Abs. 2 kann das Gericht eine einstweilige Anordnung treffen.

Zu § 458: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 27. 7. 2015 (BGBl I S. 1386) und 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202).


§ 459 StPO – Vollstreckung der Geldstrafe; Anwendung des Justizbeitreibungsgesetzes

Für die Vollstreckung der Geldstrafe gelten die Vorschriften des Justizbeitreibungsgesetzes , soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.

Zu § 459: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 21. 11. 2016 (BGBl I S. 2591).


§ 459a StPO – Bewilligung von Zahlungserleichterungen

(1) Nach Rechtskraft des Urteils entscheidet über die Bewilligung von Zahlungserleichterungen bei Geldstrafen ( § 42 des Strafgesetzbuches ) die Vollstreckungsbehörde.

(2) 1Die Vollstreckungsbehörde kann eine Entscheidung über Zahlungserleichterungen nach Absatz 1 oder nach § 42 des Strafgesetzbuches nachträglich ändern oder aufheben. 2Dabei darf sie von einer vorausgegangenen Entscheidung zum Nachteil des Verurteilten nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel abweichen.

(3) 1Entfällt die Vergünstigung nach § 42 Satz 2 des Strafgesetzbuches , die Geldstrafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen, so wird dies in den Akten vermerkt. 2Die Vollstreckungsbehörde kann erneut eine Zahlungserleichterung bewilligen.

(4) 1Die Entscheidung über Zahlungserleichterungen erstreckt sich auch auf die Kosten des Verfahrens. 2Sie kann auch allein hinsichtlich der Kosten getroffen werden.

Zu § 459a: Geändert durch G vom 22. 12. 2006 (BGBl I S. 3416) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 459b StPO – Anrechnung von Teilbeträgen

Teilbeträge werden, wenn der Verurteilte bei der Zahlung keine Bestimmung trifft, zunächst auf die Geldstrafe, dann auf die etwa angeordneten Nebenfolgen, die zu einer Geldzahlung verpflichten, und zuletzt auf die Kosten des Verfahrens angerechnet.

Zu § 459b: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 459c StPO – Beitreibung der Geldstrafe

(1) Die Geldstrafe oder der Teilbetrag der Geldstrafe wird vor Ablauf von zwei Wochen nach Eintritt der Fälligkeit nur beigetrieben, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen erkennbar ist, dass sich der Verurteilte der Zahlung entziehen will.

(2) Die Vollstreckung kann unterbleiben, wenn zu erwarten ist, dass sie in absehbarer Zeit zu keinem Erfolg führen wird.

(3) In den Nachlass des Verurteilten darf die Geldstrafe nicht vollstreckt werden.

Zu § 459c: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 459d StPO – Unterbleiben der Vollstreckung einer Geldstrafe

(1) Das Gericht kann anordnen, dass die Vollstreckung der Geldstrafe ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn

  1. 1.
    in demselben Verfahren Freiheitsstrafe vollstreckt oder zur Bewährung ausgesetzt worden ist oder
  2. 2.
    in einem anderen Verfahren Freiheitsstrafe verhängt ist und die Voraussetzungen des § 55 des Strafgesetzbuches nicht vorliegen

und die Vollstreckung der Geldstrafe die Wiedereingliederung des Verurteilten erschweren kann.

(2) Das Gericht kann eine Entscheidung nach Absatz 1 auch hinsichtlich der Kosten des Verfahrens treffen.

Zu § 459d: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 459e StPO – Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe

(1) Die Ersatzfreiheitsstrafe wird auf Anordnung der Vollstreckungsbehörde vollstreckt.

(2) 1Die Anordnung setzt voraus, dass die Geldstrafe nicht eingebracht werden kann oder die Vollstreckung nach § 459c Abs. 2 unterbleibt. 2Vor der Anordnung ist der Verurteilte darauf hinzuweisen, dass ihm gemäß § 459a Zahlungserleichterungen bewilligt werden können und ihm gemäß Rechtsverordnung nach Artikel 293 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch oder sonst landesrechtlich gestattet werden kann, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit abzuwenden; besteht Anlass zu der Annahme, dass der Verurteilte der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig ist, hat der Hinweis in einer ihm verständlichen Sprache zu erfolgen.

(2a) 1Die Vollstreckungsbehörde und die gemäß § 463d Satz 2 Nummer 2 eingebundene Gerichtshilfe können zu dem Zweck, dem Verurteilten Möglichkeiten aufzuzeigen, die Geldstrafe mittels Zahlungserleichterungen zu tilgen oder die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit abzuwenden, einer von der Vollstreckungsbehörde beauftragten nichtöffentlichen Stelle die hierfür erforderlichen personenbezogenen Daten übermitteln. 2Die beauftragte Stelle ist darauf hinzuweisen, dass sie die übermittelten Daten nur für die in Satz 1 genannten Zwecke verwenden und verarbeiten darf. 3Sie darf personenbezogene Daten nur erheben sowie die erhobenen Daten verarbeiten und nutzen, soweit der Verurteilte eingewilligt hat und dies für die in Satz 1 genannten Zwecke erforderlich ist. 4Die Vorschriften der Verordnung (EU) 2016/679 und des Bundesdatenschutzgesetzes finden auch dann Anwendung, wenn die personenbezogenen Daten nicht automatisiert verarbeitet werden und nicht in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden. 5Die personenbezogenen Daten sind von der beauftragten Stelle nach Ablauf eines Jahres nach Beendigung der beauftragten Tätigkeit zu vernichten.

(3) Wegen eines Teilbetrages, der keinem vollen Tag Freiheitsstrafe entspricht, darf die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nicht angeordnet werden.

(4) 1Die Ersatzfreiheitsstrafe wird nicht vollstreckt, soweit die Geldstrafe entrichtet oder beigetrieben wird oder die Vollstreckung nach § 459d unterbleibt. 2Absatz 3 gilt entsprechend.

Zu § 459e: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 459f StPO – Unterbleiben der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe

Das Gericht ordnet an, dass die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe unterbleibt, wenn die Vollstreckung für den Verurteilten eine unbillige Härte wäre.

Zu § 459f: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 459g StPO – Vollstreckung von Nebenfolgen

(1) 1Die Anordnung der Einziehung oder der Unbrauchbarmachung einer Sache wird dadurch vollstreckt, dass die Sache demjenigen, gegen den sich die Anordnung richtet, weggenommen wird. 2Für die Vollstreckung gelten die Vorschriften des Justizbeitreibungsgesetzes.

(2) Für die Vollstreckung der Nebenfolgen, die zu einer Geldzahlung verpflichten, gelten die §§ 459 , 459a sowie 459c Absatz 1  und  2 entsprechend.

(3) 1Für die Vollstreckung nach den Absätzen 1 und 2 gelten außerdem die §§ 94 bis 98 entsprechend mit Ausnahme von § 98 Absatz 2 Satz 3 , die §§ 102 bis 110 , § 111c Absatz 1  und  2 , § 111f Absatz 1 , § 111k Absatz 1  und  2 sowie § 131 Absatz 1 . 2 § 457 Absatz 1 bleibt unberührt. 3Vor gerichtlichen Entscheidungen unterbleibt die Anhörung des Betroffenen, wenn sie den Zweck der Anordnung gefährden würde.

(4) 1Das Gericht ordnet den Ausschluss der Vollstreckung der Einziehung nach den §§ 73 bis 73c des Strafgesetzbuchs an, soweit der aus der Tat erwachsene Anspruch auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten erloschen ist. 2Dies gilt nicht für Ansprüche, die durch Verjährung erloschen sind.

(5) 1In den Fällen des Absatzes 2 unterbleibt auf Anordnung des Gerichts die Vollstreckung, soweit sie unverhältnismäßig wäre. 2Die Vollstreckung wird auf Anordnung des Gerichts wieder aufgenommen, wenn nachträglich Umstände bekannt werden oder eintreten, die einer Anordnung nach Satz 1 entgegenstehen. 3Vor der Anordnung nach Satz 2 unterbleibt die Anhörung des Betroffenen, wenn sie den Zweck der Anordnung gefährden würde. 4Die Anordnung nach Satz 1 steht Ermittlungen dazu, ob die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme der Vollstreckung vorliegen, nicht entgegen.

Zu § 459g: Neugefasst durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872); geändert durch G vom 21. 12. 2020 (BGBl I S. 3096) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 459h StPO – Entschädigung

(1) 1Ein nach den §§ 73 bis 73b des Strafgesetzbuches eingezogener Gegenstand wird demjenigen, dem ein Anspruch auf Rückgewähr des Erlangten aus der Tat erwachsen ist, oder dessen Rechtsnachfolger zurückübertragen. 2Gleiches gilt, wenn der Gegenstand nach § 76a Absatz 1 des Strafgesetzbuches , auch in Verbindung mit § 76a Absatz 3 des Strafgesetzbuches , eingezogen worden ist. 3In den Fällen des § 75 Absatz 1 Satz 2 des Strafgesetzbuches wird der eingezogene Gegenstand demjenigen, dem der Gegenstand gehört oder zusteht, herausgegeben, wenn dieser sein Recht fristgerecht bei der Vollstreckungsbehörde angemeldet hat.

(2) 1Hat das Gericht die Einziehung des Wertersatzes nach den §§ 73c und 76a Absatz 1 Satz 1 des Strafgesetzbuches , auch in Verbindung mit § 76a Absatz 3 des Strafgesetzbuches , angeordnet, wird der Erlös aus der Verwertung der auf Grund des Vermögensarrestes oder der Einziehungsanordnung gepfändeten Gegenstände demjenigen, dem ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten aus der Tat erwachsen ist, oder an dessen Rechtsnachfolger ausgekehrt. 2 § 111i gilt entsprechend.

Zu § 459h: Neugefasst durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872), geändert durch G vom 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 459i StPO – Mitteilungen

(1) 1Der Eintritt der Rechtskraft der Einziehungsanordnung nach den §§ 73 bis 73c und 76a Absatz 1 Satz 1 des Strafgesetzbuches , auch in Verbindung mit § 76a Absatz 3 des Strafgesetzbuches , wird demjenigen, dem ein Anspruch auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten aus der Tat erwachsen ist, unverzüglich mitgeteilt. 2Die Mitteilung ist zuzustellen; § 111l Absatz 4 gilt entsprechend.

(2) 1Die Mitteilung ist im Fall der Einziehung des Gegenstandes mit dem Hinweis auf den Anspruch nach § 459h Absatz 1 und auf das Verfahren nach § 459j zu verbinden. 2Im Fall der Einziehung des Wertersatzes ist sie mit dem Hinweis auf den Anspruch nach § 459h Absatz 2 und das Verfahren nach den §§ 459k bis 459m zu verbinden.

Zu § 459i: Eingefügt durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872), geändert durch G vom 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 459j StPO – Verfahren bei Rückübertragung und Herausgabe

(1) Der Anspruchsinhaber hat seinen Anspruch auf Rückübertragung oder Herausgabe nach § 459h Absatz 1 binnen sechs Monaten nach der Mitteilung der Rechtskraft der Einziehungsanordnung bei der Vollstreckungsbehörde anzumelden.

(2) 1Ergibt sich die Anspruchsberechtigung des Antragstellers ohne weiteres aus der Einziehungsanordnung und den ihr zugrundeliegenden Feststellungen, so wird der eingezogene Gegenstand an den Antragsteller zurückübertragen oder herausgegeben. 2Andernfalls bedarf es der Zulassung durch das Gericht. 3Das Gericht lässt die Rückübertragung oder Herausgabe nach Maßgabe des § 459h Absatz 1 zu. 4Die Zulassung ist zu versagen, wenn der Antragsteller seine Anspruchsberechtigung nicht glaubhaft macht; § 294 der Zivilprozessordnung ist anzuwenden.

(3) 1Vor der Entscheidung über die Rückübertragung oder Herausgabe ist derjenige, gegen den sich die Anordnung der Einziehung richtet, zu hören. 2Dies gilt nur, wenn die Anhörung ausführbar erscheint.

(4) Bei Versäumung der in Absatz 1 Satz 1 genannten Frist ist unter den in den §§ 44  und  45 bezeichneten Voraussetzungen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(5) Unbeschadet des Verfahrens nach Absatz 1 kann der Anspruchsinhaber seinen Anspruch auf Rückübertragung oder Herausgabe nach § 459h Absatz 1 geltend machen, indem er ein vollstreckbares Endurteil im Sinne des § 704 der Zivilprozessordnung oder einen anderen Vollstreckungstitel im Sinne des § 794 der Zivilprozessordnung vorlegt, aus dem sich der geltend gemachte Anspruch ergibt.

Zu § 459j: Eingefügt durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872), geändert durch G vom 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 459k StPO – Verfahren bei Auskehrung des Verwertungserlöses

(1) 1Der Anspruchsinhaber hat seinen Anspruch auf Auskehrung des Verwertungserlöses nach § 459h Absatz 2 binnen sechs Monaten nach der Mitteilung der Rechtskraft der Einziehungsanordnung bei der Vollstreckungsbehörde anzumelden. 2Bei der Anmeldung ist die Höhe des Anspruchs zu bezeichnen.

(2) 1Ergeben sich die Anspruchsberechtigung des Antragstellers und die Anspruchshöhe ohne weiteres aus der Einziehungsanordnung und den ihr zugrunde liegenden Feststellungen, so wird der Verwertungserlös in diesem Umfang an den Antragsteller ausgekehrt. 2Andernfalls bedarf es der Zulassung durch das Gericht. 3Das Gericht lässt die Auskehrung des Verwertungserlöses nach Maßgabe des § 459h Absatz 2 zu. 4Die Zulassung ist zu versagen, wenn der Antragsteller seine Anspruchsberechtigung nicht glaubhaft macht; § 294 der Zivilprozessordnung ist anzuwenden.

(3) 1Vor der Entscheidung über die Auskehrung ist derjenige, gegen den sich die Anordnung der Einziehung richtet, zu hören. 2Dies gilt nur, wenn die Anhörung ausführbar erscheint.

(4) Bei Versäumung der in Absatz 1 Satz 1 genannten Frist ist unter den in den §§ 44  und  45 bezeichneten Voraussetzungen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(5) 1Unbeschadet des Verfahrens nach Absatz 1 kann der Anspruchsinhaber seinen Anspruch auf Auskehrung des Verwertungserlöses nach § 459h Absatz 2 geltend machen, indem er ein vollstreckbares Endurteil im Sinne des § 704 der Zivilprozessordnung oder einen anderen Vollstreckungstitel im Sinne des § 794 der Zivilprozessordnung vorlegt, aus dem sich der geltend gemachte Anspruch ergibt. 2Einem vollstreckbaren Endurteil im Sinne des § 704 der Zivilprozessordnung stehen bestandskräftige öffentlich-rechtliche Vollstreckungstitel über Geldforderungen gleich.

Zu § 459k: Eingefügt durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872), geändert durch G vom 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 459l StPO – Ansprüche des Betroffenen

(1) 1Legt derjenige, gegen den sich die Anordnung der Einziehung richtet, ein vollstreckbares Endurteil im Sinne des § 704 der Zivilprozessordnung oder einen anderen Vollstreckungstitel im Sinne des § 794 der Zivilprozessordnung vor, aus dem sich ergibt, dass der Anspruch auf Rückgewähr des Erlangten aus der Tat erwachsen ist, kann er verlangen, dass der eingezogene Gegenstand nach Maßgabe des § 459h Absatz 1 an den Anspruchsinhaber zurückübertragen oder herausgegeben wird. 2 § 459j Absatz 2 gilt entsprechend.

(2) 1Befriedigt derjenige, gegen den sich die Anordnung der Einziehung des Wertersatzes richtet, den Anspruch, der dem Anspruchsinhaber aus der Tat auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen ist, kann er im Umfang der Befriedigung Ausgleich aus dem Verwertungserlös verlangen, soweit unter den Voraussetzungen des § 459k Absatz 2 Satz 1 der Verwertungserlös an den Anspruchsinhaber nach § 459h Absatz 2 auszukehren gewesen wäre. 2 § 459k Absatz 2 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend. 3Die Befriedigung des Anspruchs muss in allen Fällen durch eine Quittung des Anspruchsinhabers glaubhaft gemacht werden. 4Der Anspruchsinhaber ist vor der Entscheidung über den Ausgleichsanspruch zu hören, wenn dies ausführbar erscheint.

Zu § 459l: Eingefügt durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872), geändert durch G vom 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 459m StPO – Entschädigung in sonstigen Fällen

(1) 1In den Fällen des § 111i Absatz 3 wird der Überschuss an den Anspruchsinhaber ausgekehrt, der ein vollstreckbares Endurteil im Sinne des § 704 der Zivilprozessordnung oder einen anderen Vollstreckungstitel im Sinne des § 794 der Zivilprozessordnung vorlegt, aus dem sich der geltend gemachte Anspruch ergibt. 2 § 459k Absatz 2 und 5 Satz 2 gilt entsprechend. 3Die Auskehrung ist ausgeschlossen, wenn zwei Jahre seit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens verstrichen sind. 4In den Fällen des § 111i Absatz 2 gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend, wenn ein Insolvenzverfahren nicht durchgeführt wird.

(2) Absatz 1 Satz 1 und 2 gilt entsprechend, wenn nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens oder nach Abschluss der Auskehrung des Verwertungserlöses bei der Vollstreckung der Wertersatzeinziehung nach den §§ 73c und 76a Absatz 1 Satz 1 des Strafgesetzbuches , auch in Verbindung mit § 76a Absatz 3 des Strafgesetzbuches , ein Gegenstand gepfändet wird.

Zu § 459m: Eingefügt durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872), geändert durch G vom 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 459n StPO – Zahlungen auf Wertersatzeinziehung

Leistet derjenige, gegen den sich die Anordnung richtet, Zahlungen auf die Anordnung der Einziehung des Wertersatzes nach den §§ 73c und 76a Absatz 1 Satz 1 des Strafgesetzbuches , auch in Verbindung mit § 76a Absatz 3 des Strafgesetzbuches , so gelten § 459h Absatz 2 sowie die §§ 459k  und  459m entsprechend.

Zu § 459n: Eingefügt durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 459o StPO – Einwendungen gegen vollstreckungsrechtliche Entscheidungen

Über Einwendungen gegen die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde nach den §§ 459a , 459c , 459e sowie 459g bis 459m entscheidet das Gericht.

Zu § 459o: Eingefügt durch G vom 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 460 StPO – Nachträgliche Gesamtstrafenbildung

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe ( § 55 des Strafgesetzbuches ) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

Zu § 460: Geändert durch G vom 15. 7. 1992 (BGBl I S. 1302), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 461 StPO – Anrechnung des Aufenthalts in einem Krankenhaus

(1) Ist der Verurteilte nach Beginn der Strafvollstreckung wegen Krankheit in eine von der Strafanstalt getrennte Krankenanstalt gebracht worden, so ist die Dauer des Aufenthalts in der Krankenanstalt in die Strafzeit einzurechnen, wenn nicht der Verurteilte mit der Absicht, die Strafvollstreckung zu unterbrechen, die Krankheit herbeigeführt hat.

(2) Die Staatsanwaltschaft hat im letzteren Falle eine Entscheidung des Gerichts herbeizuführen.

Zu § 461: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 462 StPO – Verfahren bei gerichtlichen Entscheidungen; sofortige Beschwerde

(1) 1Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss. 2Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte ( § 45b des Strafgesetzbuches ), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes ( § 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches ), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes ( § 76 des Strafgesetzbuches ) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist ( § 79b des Strafgesetzbuches ).

(2) 1Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. 2Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) 1Der Beschluss ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. 2Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

Zu § 462: Geändert durch G vom 25. 4. 2013 (BGBl I S. 935), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 462a StPO – Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer und des erstinstanzlichen Gerichts

(1) 1Wird gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so ist für die nach den §§ 453 , 454 , 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Sache befasst wird, aufgenommen ist. 2Diese Strafvollstreckungskammer bleibt auch zuständig für Entscheidungen, die zu treffen sind, nachdem die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unterbrochen oder die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. 3Die Strafvollstreckungskammer kann einzelne Entscheidungen nach § 462 in Verbindung mit § 458 Abs. 1 an das Gericht des ersten Rechtszuges abgeben; die Abgabe ist bindend.

(2) 1In anderen als den in Absatz 1 bezeichneten Fällen ist das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. 2Das Gericht kann die nach § 453 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an das Amtsgericht abgeben, in dessen Bezirk der Verurteilte seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat; die Abgabe ist bindend. 3Abweichend von Absatz 1 ist in den dort bezeichneten Fällen das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig, wenn es die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten hat und eine Entscheidung darüber gemäß § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches noch möglich ist.

(3) 1In den Fällen des § 460 entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. 2Waren die verschiedenen Urteile von verschiedenen Gerichten erlassen, so steht die Entscheidung dem Gericht zu, das auf die schwerste Strafart oder bei Strafen gleicher Art auf die höchste Strafe erkannt hat, und falls hiernach mehrere Gerichte zuständig sein würden, dem Gericht, dessen Urteil zuletzt ergangen ist. 3War das hiernach maßgebende Urteil von einem Gericht eines höheren Rechtszuges erlassen, so setzt das Gericht des ersten Rechtszuges die Gesamtstrafe fest; war eines der Urteile von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen, so setzt das Oberlandesgericht die Gesamtstrafe fest. 4Wäre ein Amtsgericht zur Bildung der Gesamtstrafe zuständig und reicht seine Strafgewalt nicht aus, so entscheidet die Strafkammer des ihm übergeordneten Landgerichts.

(4) 1Haben verschiedene Gerichte den Verurteilten in anderen als den in § 460 bezeichneten Fällen rechtskräftig zu Strafe verurteilt oder unter Strafvorbehalt verwarnt, so ist nur eines von ihnen für die nach den §§ 453 , 454 , 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen zuständig. 2Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. 3In den Fällen des Absatzes 1 entscheidet die Strafvollstreckungskammer; Absatz 1 Satz 3 bleibt unberührt.

(5) 1An Stelle der Strafvollstreckungskammer entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges, wenn das Urteil von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen ist. 2Das Oberlandesgericht kann die nach den Absätzen 1 und 3 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an die Strafvollstreckungskammer abgeben. 3Die Abgabe ist bindend; sie kann jedoch vom Oberlandesgericht widerrufen werden.

(6) Gericht des ersten Rechtszuges ist in den Fällen des § 354 Abs. 2 und des § 355 das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen worden ist, und in den Fällen, in denen im Wiederaufnahmeverfahren eine Entscheidung nach § 373 ergangen ist, das Gericht, das diese Entscheidung getroffen hat.

Zu § 462a: Geändert durch G vom 22. 12. 2010 (BGBl I S. 2300) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 463 StPO – Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung

(1) Die Vorschriften über die Strafvollstreckung gelten für die Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung sinngemäß, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) § 453 gilt auch für die nach den §§ 68a bis 68d des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen.

(3) 1 § 454 Abs. 1 , 3 und 4 gilt auch für die nach § 67c Abs. 1 , § 67d Abs. 2 und 3 , § 67e Abs. 3 , den §§ 68e , 68f Abs. 2 und § 72 Abs. 3 des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen. 2In den Fällen des § 68e des Strafgesetzbuches bedarf es einer mündlichen Anhörung des Verurteilten nicht. 3 § 454 Abs. 2 findet in den Fällen des § 67d Absatz 2 und 3 und des § 72 Absatz 3 des Strafgesetzbuches unabhängig von den dort genannten Straftaten sowie bei Prüfung der Voraussetzungen des § 67c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuches auch unabhängig davon, ob das Gericht eine Aussetzung erwägt, entsprechende Anwendung, soweit das Gericht über die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung zu entscheiden hat; im Übrigen findet § 454 Abs. 2 bei den dort genannten Straftaten Anwendung. 4Zur Vorbereitung der Entscheidung nach § 67d Abs. 3 des Strafgesetzbuches sowie der nachfolgenden Entscheidungen nach § 67d Abs. 2 des Strafgesetzbuches hat das Gericht das Gutachten eines Sachverständigen namentlich zu der Frage einzuholen, ob von dem Verurteilten weiterhin erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind. 5Ist die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden, bestellt das Gericht dem Verurteilten, der keinen Verteidiger hat, rechtzeitig vor einer Entscheidung nach § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches einen Verteidiger.

(4) 1Im Rahmen der Überprüfung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ( § 63 des Strafgesetzbuches ) nach § 67e des Strafgesetzbuches ist eine gutachterliche Stellungnahme der Maßregelvollzugseinrichtung einzuholen, in der der Verurteilte untergebracht ist. 2Das Gericht soll nach jeweils drei Jahren, ab einer Dauer der Unterbringung von sechs Jahren nach jeweils zwei Jahren vollzogener Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus das Gutachten eines Sachverständigen einholen. 3Der Sachverständige darf weder im Rahmen des Vollzugs der Unterbringung mit der Behandlung der untergebrachten Person befasst gewesen sein noch in dem psychiatrischen Krankenhaus arbeiten, in dem sich die untergebrachte Person befindet, noch soll er das letzte Gutachten bei einer vorangegangenen Überprüfung erstellt haben. 4Der Sachverständige, der für das erste Gutachten im Rahmen einer Überprüfung der Unterbringung herangezogen wird, soll auch nicht das Gutachten in dem Verfahren erstellt haben, in dem die Unterbringung oder deren späterer Vollzug angeordnet worden ist. 5Mit der Begutachtung sollen nur ärztliche oder psychologische Sachverständige beauftragt werden, die über forensischpsychiatrische Sachkunde und Erfahrung verfügen. 6Dem Sachverständigen ist Einsicht in die Patientendaten des Krankenhauses über die untergebrachte Person zu gewähren. 7 § 454 Abs. 2 gilt entsprechend. 8Der untergebrachten Person, die keinen Verteidiger hat, bestellt das Gericht für die Überprüfung der Unterbringung, bei der nach Satz 2 das Gutachten eines Sachverständigen eingeholt werden soll, einen Verteidiger.

(5) 1 § 455 Abs. 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet ist. 2Ist die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden und verfällt der Verurteilte in Geisteskrankheit, so kann die Vollstreckung der Maßregel aufgeschoben werden. 3 § 456 ist nicht anzuwenden, wenn die Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung angeordnet ist.

(6) 1 § 462 gilt auch für die nach § 67 Absatz 3 , 5 Satz 2 und Absatz 6 , den §§ 67a und 67c Abs. 2 , § 67d Abs. 5 und 6 , den §§ 67g , 67h und 69a Abs. 7 sowie den §§ 70a und 70b des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen. 2In den Fällen des § 67d Absatz 6 des Strafgesetzbuches ist der Verurteilte mündlich zu hören. 3Das Gericht erklärt die Anordnung von Maßnahmen nach § 67h Abs. 1 Satz 1 und 2 des Strafgesetzbuchs für sofort vollziehbar, wenn erhebliche rechtswidrige Taten des Verurteilten drohen; für Entscheidungen nach § 67d Absatz 5 Satz 1 des Strafgesetzbuches bleibt es bei der sofortigen Vollziehbarkeit ( §§ 307 und 462 Absatz 3 Satz 2 ).

(7) Für die Anwendung des § 462a Abs. 1 steht die Führungsaufsicht in den Fällen des § 67c Abs. 1 , des § 67d Abs. 2 bis 6 und des § 68f des Strafgesetzbuches der Aussetzung eines Strafrestes gleich.

(8) 1Wird die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollstreckt, bestellt das Gericht dem Verurteilten, der keinen Verteidiger hat, für die Verfahren über die auf dem Gebiet der Vollstreckung zu treffenden gerichtlichen Entscheidungen einen Verteidiger. 2Die Bestellung hat rechtzeitig vor der ersten gerichtlichen Entscheidung zu erfolgen und gilt auch für jedes weitere Verfahren, solange die Bestellung nicht aufgehoben wird.

Zu § 463: Geändert durch G vom 26. 1. 1998 (BGBl I S. 160), 23. 7. 2004 (BGBl I S. 1838), 13. 4. 2007 (BGBl I S. 513), 16. 7. 2007 (BGBl I S. 1327), 22. 12. 2010 (BGBl I S. 2300), 5. 12. 2012 (BGBl I S. 2425), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 8. 7. 2016 (BGBl I S. 1610).


§ 463a StPO – Zuständigkeit und Befugnisse der Aufsichtsstellen

(1) 1Die Aufsichtsstellen ( § 68a des Strafgesetzbuches ) können zur Überwachung des Verhaltens des Verurteilten und der Erfüllung von Weisungen von allen öffentlichen Behörden Auskunft verlangen und Ermittlungen jeder Art, mit Ausschluss eidlicher Vernehmungen, entweder selbst vornehmen oder durch andere Behörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit vornehmen lassen. 2Ist der Aufenthalt des Verurteilten nicht bekannt, kann der Leiter der Führungsaufsichtsstelle seine Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung ( § 131a Abs. 1 ) anordnen.

(2) 1Die Aufsichtsstelle kann für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit anordnen, dass der Verurteilte zur Beobachtung anlässlich von polizeilichen Kontrollen, die die Feststellung der Personalien zulassen, ausgeschrieben wird. 2 § 163e Abs. 2 gilt entsprechend. 3Die Anordnung trifft der Leiter der Führungsaufsichtsstelle. 4Die Erforderlichkeit der Fortdauer der Maßnahme ist mindestens jährlich zu überprüfen.

(3) 1Auf Antrag der Aufsichtsstelle kann das Gericht einen Vorführungsbefehl erlassen, wenn der Verurteilte einer Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 oder Nr. 11 des Strafgesetzbuchs ohne genügende Entschuldigung nicht nachgekommen ist und er in der Ladung darauf hingewiesen wurde, dass in diesem Fall seine Vorführung zulässig ist. 2Soweit das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig ist, entscheidet der Vorsitzende.

(4) 1Die Aufsichtsstelle erhebt und speichert bei einer Weisung nach § 68b Absatz 1 Satz 1 Nummer 12 des Strafgesetzbuches mit Hilfe der von der verurteilten Person mitgeführten technischen Mittel automatisiert Daten über deren Aufenthaltsort sowie über etwaige Beeinträchtigungen der Datenerhebung; soweit es technisch möglich ist, ist sicherzustellen, dass innerhalb der Wohnung der verurteilten Person keine über den Umstand ihrer Anwesenheit hinausgehenden Aufenthaltsdaten erhoben werden. 2Die Daten dürfen ohne Einwilligung der betroffenen Person nur verwendet werden, soweit dies erforderlich ist für die folgenden Zwecke:

  1. 1.

    zur Feststellung des Verstoßes gegen eine Weisung nach § 68b Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 oder 12 des Strafgesetzbuches ,

  2. 2.

    zur Ergreifung von Maßnahmen der Führungsaufsicht, die sich an einen Verstoß gegen eine Weisung nach § 68b Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 oder 12 des Strafgesetzbuches anschließen können,

  3. 3.

    zur Ahndung eines Verstoßes gegen eine Weisung nach § 68b Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 oder 12 des Strafgesetzbuches ,

  4. 4.

    zur Abwehr einer erheblichen gegenwärtigen Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung Dritter oder

  5. 5.

    zur Verfolgung einer Straftat der in § 66 Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches genannten Art oder einer Straftat nach § 129a Absatz 5 Satz 2 , auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1 des Strafgesetzbuches .

3Zur Einhaltung der Zweckbindung nach Satz 2 hat die Verarbeitung der Daten zur Feststellung von Verstößen nach Satz 2 Nummer 1 in Verbindung mit § 68b Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder 2 des Strafgesetzbuches automatisiert zu erfolgen und sind die Daten gegen unbefugte Kenntnisnahme besonders zu sichern. 4Die Aufsichtsstelle kann die Erhebung und Verarbeitung der Daten durch die Behörden und Beamten des Polizeidienstes vornehmen lassen; diese sind verpflichtet, dem Ersuchen der Aufsichtsstelle zu genügen. 5Die in Satz 1 genannten Daten sind spätestens zwei Monate nach ihrer Erhebung zu löschen, soweit sie nicht für die in Satz 2 genannten Zwecke verwendet werden. 6Bei jedem Abruf der Daten sind zumindest der Zeitpunkt, die abgerufenen Daten und der Bearbeiter zu protokollieren; § 488 Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. 7Werden innerhalb der Wohnung der verurteilten Person über den Umstand ihrer Anwesenheit hinausgehende Aufenthaltsdaten erhoben, dürfen diese nicht verwertet werden und sind unverzüglich nach Kenntnisnahme zu löschen. 8Die Tatsache ihrer Kenntnisnahme und Löschung ist zu dokumentieren.

(5) 1Örtlich zuständig ist die Aufsichtsstelle, in deren Bezirk der Verurteilte seinen Wohnsitz hat. 2Hat der Verurteilte keinen Wohnsitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes, so ist die Aufsichtsstelle örtlich zuständig, in deren Bezirk er seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat und, wenn ein solcher nicht bekannt ist, seinen letzten Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort hatte.

Zu § 463a: Geändert durch G vom 15. 7. 1992 (BGBl I S. 1302), 13. 4. 2007 (BGBl I S. 513), 22. 12. 2010 (BGBl I S. 2300), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 11. 6. 2017 (BGBl I S. 1612).


§ 463b StPO – Beschlagnahme von Führerscheinen

(1) Ist ein Führerschein nach § 44 Abs. 2 Satz 2 und 3 des Strafgesetzbuches amtlich zu verwahren und wird er nicht freiwillig herausgegeben, so ist er zu beschlagnahmen.

(2) Ausländische Führerscheine können zur Eintragung eines Vermerks über das Fahrverbot oder über die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Sperre ( § 44 Abs. 2 Satz 4 , § 69b Abs. 2 des Strafgesetzbuches ) beschlagnahmt werden.

(3) 1Der Verurteilte hat, wenn der Führerschein bei ihm nicht vorgefunden wird, auf Antrag der Vollstreckungsbehörde bei dem Amtsgericht eine eidesstattliche Versicherung über den Verbleib abzugeben. 2 § 883 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.

Zu § 463b: Geändert durch G vom 17. 12. 1997 (BGBl I S. 3039), berichtigt am 17. 3. 1998 (BGBl I S. 583), geändert durch G vom 24. 4. 1998 (BGBl I S. 747), 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2258) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 463c StPO – Öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung

(1) Ist die öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung angeordnet worden, so wird die Entscheidung dem Berechtigten zugestellt.

(2) Die Anordnung nach Absatz 1 wird nur vollzogen, wenn der Antragsteller oder ein an seiner Stelle Antragsberechtigter es innerhalb eines Monats nach Zustellung der rechtskräftigen Entscheidung verlangt.

(3) 1Kommt der Verleger oder der verantwortliche Redakteur einer periodischen Druckschrift seiner Verpflichtung nicht nach, eine solche Bekanntmachung in das Druckwerk aufzunehmen, so hält ihn das Gericht auf Antrag der Vollstreckungsbehörde durch Festsetzung eines Zwangsgeldes bis zu fünfundzwanzigtausend Euro oder von Zwangshaft bis zu sechs Wochen dazu an. 2Zwangsgeld kann wiederholt festgesetzt werden. 3 § 462 gilt entsprechend.

(4) Für die Bekanntmachung im Rundfunk gilt Absatz 3 entsprechend, wenn der für die Programmgestaltung Verantwortliche seiner Verpflichtung nicht nachkommt.

Zu § 463c: Geändert durch G vom 13. 12. 2001 (BGBl I S. 3574) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 463d StPO – Gerichtshilfe

1Zur Vorbereitung der nach den §§ 453 bis 461 zu treffenden Entscheidungen kann sich das Gericht oder die Vollstreckungsbehörde der Gerichtshilfe bedienen. 2Die Gerichtshilfe soll einbezogen werden vor einer Entscheidung

  1. 1.

    über den Widerruf der Strafaussetzung oder der Aussetzung eines Strafrestes, sofern nicht ein Bewährungshelfer bestellt ist,

  2. 2.

    über die Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe, um die Abwendung der Anordnung oder Vollstreckung durch Zahlungserleichterungen oder durch freie Arbeit zu fördern.

Zu § 463d: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 463e StPO – Mündliche Anhörung im Wege der Bild- und Tonübertragung

(1) 1Wird der Verurteilte vor einer nach diesem Abschnitt zu treffenden gerichtlichen Entscheidung mündlich gehört, kann das Gericht bestimmen, dass er sich bei der mündlichen Anhörung an einem anderen Ort als das Gericht aufhält und die Anhörung zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Verurteilte aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird. 2Das Gericht soll die Bild- und Tonübertragung nur mit der Maßgabe anordnen, dass sich der Verurteilte bei der mündlichen Anhörung in einem Dienstraum oder in einem Geschäftsraum eines Verteidigers oder Rechtsanwalts aufhält. 3Satz 1 gilt nicht, wenn der Verurteilte zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt oder die Unterbringung des Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist.

(2) Wird der vom Gericht ernannte Sachverständige vor einer nach diesem Abschnitt zu treffenden gerichtlichen Entscheidung mündlich gehört, gilt Absatz 1 Satz 1 und 3 entsprechend.

Zu § 463e: Eingefügt durch G vom 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§§ 449 - 473a, Siebentes Buch - Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens
§§ 464 - 473a, Zweiter Abschnitt - Kosten des Verfahrens

§ 464 StPO – Kosten- und Auslagenentscheidung; sofortige Beschwerde

(1) Jedes Urteil, jeder Strafbefehl und jede eine Untersuchung einstellende Entscheidung muss darüber Bestimmung treffen, von wem die Kosten des Verfahrens zu tragen sind.

(2) Die Entscheidung darüber, wer die notwendigen Auslagen trägt, trifft das Gericht in dem Urteil oder in dem Beschluss, der das Verfahren abschließt.

(3) 1Gegen die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen ist die sofortige Beschwerde zulässig; sie ist unzulässig, wenn eine Anfechtung der in Absatz 1 genannten Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer nicht statthaft ist. 2Das Beschwerdegericht ist an die tatsächlichen Feststellungen, auf denen die Entscheidung beruht, gebunden. 3Wird gegen das Urteil, soweit es die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen betrifft, sofortige Beschwerde und im Übrigen Berufung oder Revision eingelegt, so ist das Berufungs- oder Revisionsgericht, solange es mit der Berufung oder Revision befasst ist, auch für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde zuständig.

Zu § 464: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 464a StPO – Kosten des Verfahrens; notwendige Auslagen

(1) 1Kosten des Verfahrens sind die Gebühren und Auslagen der Staatskasse. 2Zu den Kosten gehören auch die durch die Vorbereitung der öffentlichen Klage entstandenen sowie die Kosten der Vollstreckung einer Rechtsfolge der Tat. 3Zu den Kosten eines Antrags auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens gehören auch die zur Vorbereitung eines Wiederaufnahmeverfahrens ( §§ 364a und 364b ) entstandenen Kosten, soweit sie durch einen Antrag des Verurteilten verursacht sind.

(2) Zu den notwendigen Auslagen eines Beteiligten gehören auch

  1. 1.
    die Entschädigung für eine notwendige Zeitversäumnis nach den Vorschriften, die für die Entschädigung von Zeugen gelten, und
  2. 2.
    die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, soweit sie nach § 91 Abs. 2 der Zivilprozessordnung zu erstatten sind.

Zu § 464a: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 464b StPO – Kostenfestsetzung

1Die Höhe der Kosten und Auslagen, die ein Beteiligter einem anderen Beteiligten zu erstatten hat, wird auf Antrag eines Beteiligten durch das Gericht des ersten Rechtszuges festgesetzt. 2Auf Antrag ist auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten und Auslagen von der Anbringung des Festsetzungsantrags an zu verzinsen sind. 3Auf die Höhe des Zinssatzes, das Verfahren und auf die Vollstreckung der Entscheidung sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden. 4Abweichend von § 311 Absatz 2 beträgt die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde zwei Wochen. 5Zur Bezeichnung des Nebenklägers kann im Kostenfestsetzungsbeschluss die Angabe der vollständigen Anschrift unterbleiben.

Zu § 464b: Geändert durch G vom 24. 6. 1994 (BGBl I S. 1325), 23. 7. 2002 (BGBl I S. 2850), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 21. 12. 2015 (BGBl I S. 2525) und 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202).


§ 464c StPO – Kosten bei Bestellung eines Dolmetschers oder Übersetzers für den Angeschuldigten

Ist für einen Angeschuldigten, der der deutschen Sprache nicht mächtig, hör- oder sprachbehindert ist, ein Dolmetscher oder Übersetzer herangezogen worden, so werden die dadurch entstandenen Auslagen dem Angeschuldigten auferlegt, soweit er diese durch schuldhafte Säumnis oder in sonstiger Weise schuldhaft unnötig verursacht hat; dies ist außer im Falle des § 467 Abs. 2 ausdrücklich auszusprechen.

Zu § 464c: Eingefügt durch G vom 15. 6. 1989 (BGBl I S. 1082), geändert durch G vom 23. 7. 2002 (BGBl I S. 2850).


§ 464d StPO – Verteilung der Auslagen nach Bruchteilen

Die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen der Beteiligten können nach Bruchteilen verteilt werden.

Zu § 464d: Eingefügt durch G vom 24. 6. 1994 (BGBl I S. 1325), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 465 StPO – Kostentragungspflicht des Verurteilten

(1) 1Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. 2Eine Verurteilung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt wird oder das Gericht von Strafe absieht.

(2) 1Sind durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und sind diese Untersuchungen zu Gunsten des Angeklagten ausgegangen, so hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. 2Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. 3Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen des Angeklagten. 4Das Gericht kann anordnen, dass die Erhöhung der Gerichtsgebühren im Falle der Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters ganz oder teilweise unterbleibt, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.

(3) Stirbt ein Verurteilter vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, so haftet sein Nachlass nicht für die Kosten.

Zu § 465: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 21. 12. 2015 (BGBl I S. 2525).


§ 466 StPO – Haftung Mitverurteilter für Auslagen als Gesamtschuldner

1Mitangeklagte, gegen die in Bezug auf dieselbe Tat auf Strafe erkannt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird, haften für die Auslagen als Gesamtschuldner. 2Dies gilt nicht für die durch die Tätigkeit eines bestellten Verteidigers oder eines Dolmetschers und die durch die Vollstreckung, die einstweilige Unterbringung oder die Untersuchungshaft entstandenen Kosten sowie für Auslagen, die durch Untersuchungshandlungen, die ausschließlich gegen einen Mitangeklagten gerichtet waren, entstanden sind.

Zu § 466: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 467 StPO – Kosten und notwendige Auslagen bei Freispruch, Nichteröffnung und Einstellung

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) 1Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. 2Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) 1Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlasst hat, dass er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. 2Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

  1. 1.
    die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlasst hat, dass er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
  2. 2.
    wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zulässt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung ( § 153a ) endgültig eingestellt wird.

Zu § 467: Geändert durch G vom 24. 6. 1994 (BGBl I S. 1325) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 467a StPO – Auslagen der Staatskasse bei Einstellung nach Anklagerücknahme

(1) 1Nimmt die Staatsanwaltschaft die öffentliche Klage zurück und stellt sie das Verfahren ein, so hat das Gericht, bei dem die öffentliche Klage erhoben war, auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeschuldigten die diesem erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. 2 § 467 Abs. 2 bis 5 gilt sinngemäß.

(2) Die einem Nebenbeteiligten ( § 424 Absatz 1 , § 438 Absatz 1 , §§ 439 , 444 Abs. 1 Satz 1 ) erwachsenen notwendigen Auslagen kann das Gericht in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Nebenbeteiligten der Staatskasse oder einem anderen Beteiligten auferlegen.

(3) Die Entscheidung nach den Absätzen 1 und 2 ist unanfechtbar.

Zu § 467a: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 468 StPO – Kosten bei Straffreierklärung

Bei wechselseitigen Beleidigungen wird die Verurteilung eines oder beider Teile in die Kosten dadurch nicht ausgeschlossen, dass einer oder beide für straffrei erklärt werden.

Zu § 468: Geändert durch G vom 24. 8. 2004 (BGBl I S. 2198) und 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 469 StPO – Kostentragungspflicht des Anzeigenden bei leichtfertiger oder vorsätzlicher Erstattung einer unwahren Anzeige

(1) 1Ist ein, wenn auch nur außergerichtliches Verfahren durch eine vorsätzlich oder leichtfertig erstattete unwahre Anzeige veranlasst worden, so hat das Gericht dem Anzeigenden, nachdem er gehört worden ist, die Kosten des Verfahrens und die dem Beschuldigten erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. 2Die einem Nebenbeteiligten ( § 424 Absatz 1 , § 438 Absatz 1 , §§ 439 , 444 Abs. 1 Satz 1 ) erwachsenen notwendigen Auslagen kann das Gericht dem Anzeigenden auferlegen.

(2) War noch kein Gericht mit der Sache befasst, so ergeht die Entscheidung auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch das Gericht, das für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständig gewesen wäre.

(3) Die Entscheidung nach den Absätzen 1 und 2 ist unanfechtbar.

Zu § 469: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 470 StPO – Kosten bei Zurücknahme des Strafantrags

1Wird das Verfahren wegen Zurücknahme des Antrags, durch den es bedingt war, eingestellt, so hat der Antragsteller die Kosten sowie die dem Beschuldigten und einem Nebenbeteiligten ( § 424 Absatz 1 , § 438 Absatz 1 , §§ 439 , 444 Abs. 1 Satz 1 ) erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen. 2Sie können dem Angeklagten oder einem Nebenbeteiligten auferlegt werden, soweit er sich zur Übernahme bereit erklärt, der Staatskasse, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten.

Zu § 470: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 471 StPO – Kosten bei Privatklage

(1) In einem Verfahren auf erhobene Privatklage hat der Verurteilte auch die dem Privatkläger erwachsenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

(2) Wird die Klage gegen den Beschuldigten zurückgewiesen oder wird dieser freigesprochen oder wird das Verfahren eingestellt, so fallen dem Privatkläger die Kosten des Verfahrens sowie die dem Beschuldigten erwachsenen notwendigen Auslagen zur Last.

(3) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Beteiligten angemessen verteilen oder nach pflichtgemäßem Ermessen einem der Beteiligten auferlegen, wenn

  1. 1.
    es den Anträgen des Privatklägers nur zum Teil entsprochen hat;
  2. 2.
    es das Verfahren nach § 383 Abs. 2 ( § 390 Abs. 5 ) wegen Geringfügigkeit eingestellt hat;
  3. 3.
    Widerklage erhoben worden ist.

(4) 1Mehrere Privatkläger haften als Gesamtschuldner. 2Das Gleiche gilt hinsichtlich der Haftung mehrerer Beschuldigter für die dem Privatkläger erwachsenen notwendigen Auslagen.

Zu § 471: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§ 472 StPO – Notwendige Auslagen des Nebenklägers

(1) 1Die dem Nebenkläger erwachsenen notwendigen Auslagen sind dem Angeklagten aufzuerlegen, wenn er wegen einer Tat verurteilt wird, die den Nebenkläger betrifft. 2Die notwendigen Auslagen für einen psychosozialen Prozessbegleiter des Nebenklägers können dem Angeklagten nur bis zu der Höhe auferlegt werden, in der sich im Falle der Beiordnung des psychosozialen Prozessbegleiters die Gerichtsgebühren erhöhen würden. 3Von der Auferlegung der notwendigen Auslagen kann ganz oder teilweise abgesehen werden, soweit es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.

(2) 1Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift, die dies nach seinem Ermessen zulässt, ein, so kann es die in Absatz 1 genannten notwendigen Auslagen ganz oder teilweise dem Angeschuldigten auferlegen, soweit dies aus besonderen Gründen der Billigkeit entspricht. 2Stellt das Gericht das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung ( § 153a ) endgültig ein, gilt Absatz 1 entsprechend.

(3) 1Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen, die einem zum Anschluss als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsen sind. 2Gleiches gilt für die notwendigen Auslagen eines Privatklägers, wenn die Staatsanwaltschaft nach § 377 Abs. 2 die Verfolgung übernommen hat.

(4) § 471 Abs. 4 Satz 2 gilt entsprechend.

Zu § 472: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 21. 12. 2015 (BGBl I S. 2525).


§ 472a StPO – Kosten und notwendige Auslagen bei Adhäsionsverfahren

(1) Soweit dem Antrag auf Zuerkennung eines aus der Straftat erwachsenen Anspruchs stattgegeben wird, hat der Angeklagte auch die dadurch entstandenen besonderen Kosten und die notwendigen Auslagen des Antragstellers im Sinne der §§ 403  und  404 zu tragen.

(2) 1Sieht das Gericht von der Entscheidung über den Adhäsionsantrag ab, wird ein Teil des Anspruchs dem Antragsteller nicht zuerkannt oder nimmt dieser den Antrag zurück, so entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen, wer die insoweit entstandenen gerichtlichen Auslagen und die insoweit den Beteiligten erwachsenden notwendigen Auslagen trägt. 2Die gerichtlichen Auslagen können der Staatskasse auferlegt werden, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten.

Zu § 472a: Geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 472b StPO – Kosten und notwendige Auslagen bei Nebenbeteiligung

(1) 1Wird die Einziehung, der Vorbehalt der Einziehung, die Vernichtung, Unbrauchbarmachung oder Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustandes angeordnet, so können dem Nebenbeteiligten die durch seine Beteiligung erwachsenen besonderen Kosten auferlegt werden. 2Die dem Nebenbeteiligten erwachsenen notwendigen Auslagen können, soweit es der Billigkeit entspricht, dem Angeklagten, im selbstständigen Verfahren auch einem anderen Nebenbeteiligten auferlegt werden.

(2) Wird eine Geldbuße gegen eine juristische Person oder eine Personenvereinigung festgesetzt, so hat diese die Kosten des Verfahrens entsprechend den §§ 465 , 466 zu tragen.

(3) Wird von der Anordnung einer der in Absatz 1 Satz 1 bezeichneten Nebenfolgen oder der Festsetzung einer Geldbuße gegen eine juristische Person oder eine Personenvereinigung abgesehen, so können die dem Nebenbeteiligten erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse oder einem anderen Beteiligten auferlegt werden.

Zu § 472b: Geändert durch G vom 24. 6. 1994 (BGBl I S. 1325), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 473 StPO – Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung

(1) 1Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. 2Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluss als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. 3Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. 4Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) 1Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zu Ungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten ( § 424 Absatz 1 , §§ 439 , 444 Abs. 1 Satz 1 ) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. 2Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zu Gunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) 1Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. 2Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis ( § 111a Abs. 1 ) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins ( § 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches ) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

  1. 1.
    auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
  2. 2.
    auf ein Nachverfahren ( § 433 )

verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

Zu § 473: Geändert durch G vom 24. 6. 2004 (BGBl I S. 1354), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 21. 12. 2015 (BGBl I S. 2525) und 13. 4. 2017 (BGBl I S. 872).


§ 473a StPO – Kosten und notwendige Auslagen bei gesonderter Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Ermittlungsmaßnahme

1Hat das Gericht auf Antrag des Betroffenen in einer gesonderten Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Ermittlungsmaßnahme oder ihres Vollzuges zu befinden, bestimmt es zugleich, von wem die Kosten und die notwendigen Auslagen der Beteiligten zu tragen sind. 2Diese sind, soweit die Maßnahme oder ihr Vollzug für rechtswidrig erklärt wird, der Staatskasse, im Übrigen dem Antragsteller aufzuerlegen. 3 § 304 Absatz 3 und § 464 Absatz 3 Satz 1 gelten entsprechend.

Zu § 473a: Eingefügt durch G vom 29. 7. 2009 (BGBl I S. 2280), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332).


§§ 474 - 500, Achtes Buch - Schutz und Verwendung von Daten
§§ 474 - 482, Erster Abschnitt - Erteilung von Auskünften und Akteneinsicht, sonstige Verwendung von Daten für verfahrensübergreifende Zwecke

§ 474 StPO – Auskünfte und Akteneinsicht für Justizbehörden und andere öffentliche Stellen

(1) Gerichte, Staatsanwaltschaften und andere Justizbehörden erhalten Akteneinsicht, wenn dies für Zwecke der Rechtspflege erforderlich ist.

(2) 1Im Übrigen sind Auskünfte aus Akten an öffentliche Stellen zulässig, soweit

  1. 1.
    die Auskünfte zur Feststellung, Durchsetzung oder zur Abwehr von Rechtsansprüchen im Zusammenhang mit der Straftat erforderlich sind,
  2. 2.
    diesen Stellen in sonstigen Fällen auf Grund einer besonderen Vorschrift von Amts wegen personenbezogene Daten aus Strafverfahren übermittelt werden dürfen oder soweit nach einer Übermittlung von Amts wegen die Übermittlung weiterer personenbezogener Daten zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist oder
  3. 3.
    die Auskünfte zur Vorbereitung von Maßnahmen erforderlich sind, nach deren Erlass auf Grund einer besonderen Vorschrift von Amts wegen personenbezogene Daten aus Strafverfahren an diese Stellen übermittelt werden dürfen.

2Die Erteilung von Auskünften an die Nachrichtendienste richtet sich nach § 18 des Bundesverfassungsschutzgesetzes , § 12 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes , § 10 des MAD-Gesetzes und § 10 des BND-Gesetzes sowie den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften.

(3) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 kann Akteneinsicht gewährt werden, wenn die Erteilung von Auskünften einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde oder die Akteneinsicht begehrende Stelle unter Angabe von Gründen erklärt, dass die Erteilung einer Auskunft zur Erfüllung ihrer Aufgabe nicht ausreichen würde.

(4) Unter den Voraussetzungen der Absätze 1 oder 3 können amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigt werden.

(5) Akten, die noch in Papierform vorliegen, können in den Fällen der Absätze 1 und 3 zur Einsichtnahme übersandt werden.

(6) Landesgesetzliche Regelungen, die parlamentarischen Ausschüssen ein Recht auf Akteneinsicht einräumen, bleiben unberührt.

Zu § 474: Neugefasst durch G vom 2. 8. 2000 (BGBl I S. 1253), geändert durch G vom 21. 12. 2007 (BGBl I S. 3198), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 23. 12. 2016 (BGBl I S. 3346), 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208) und 19. 4. 2021 (BGBl I S. 771).


§ 475 StPO – Auskünfte und Akteneinsicht für Privatpersonen und sonstige Stellen

(1) 1Für eine Privatperson und für sonstige Stellen kann unbeschadet des § 57 des Bundesdatenschutzgesetzes , ein Rechtsanwalt Auskünfte aus Akten erhalten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse darlegt. 2Auskünfte sind zu versagen, wenn der hiervon Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an der Versagung hat.

(2) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 kann Akteneinsicht gewährt werden, wenn die Erteilung von Auskünften einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern oder nach Darlegung dessen, der Akteneinsicht begehrt, zur Wahrnehmung des berechtigten Interesses nicht ausreichen würde.

(3) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 können amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigt werden.

(4) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 können auch Privatpersonen und sonstigen Stellen Auskünfte aus den Akten erteilt werden.

Zu § 475: Neugefasst durch G vom 2. 8. 2000 (BGBl I S. 1253), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208) und 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724).


§ 476 StPO – Auskünfte und Akteneinsicht zu Forschungszwecken

(1) 1Die Übermittlung personenbezogener Daten in Akten an Hochschulen, andere Einrichtungen, die wissenschaftliche Forschung betreiben, und öffentliche Stellen ist zulässig, soweit

  1. 1.

    dies für die Durchführung bestimmter wissenschaftlicher Forschungsarbeiten erforderlich ist,

  2. 2.

    eine Nutzung anonymisierter Daten zu diesem Zweck nicht möglich oder die Anonymisierung mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden ist und

  3. 3.

    das öffentliche Interesse an der Forschungsarbeit das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Übermittlung erheblich überwiegt.

2Bei der Abwägung nach Satz 1 Nr. 3 ist im Rahmen des öffentlichen Interesses das wissenschaftliche Interesse an dem Forschungsvorhaben besonders zu berücksichtigen.

(2) 1Die Übermittlung der Daten erfolgt durch Erteilung von Auskünften, wenn hierdurch der Zweck der Forschungsarbeit erreicht werden kann und die Erteilung keinen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert. 2Andernfalls kann auch Akteneinsicht gewährt werden. 3Die Akten, die in Papierform vorliegen, können zur Einsichtnahme übersandt werden.

(3) 1Personenbezogene Daten werden nur an solche Personen übermittelt, die Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete sind oder die zur Geheimhaltung verpflichtet worden sind. 2 § 1 Abs. 2 , 3 und 4 Nr. 2 des Verpflichtungsgesetzes findet auf die Verpflichtung zur Geheimhaltung entsprechende Anwendung.

(4) 1Die personenbezogenen Daten dürfen nur für die Forschungsarbeit verwendet werden, für die sie übermittelt worden sind. 2Die Verwendung für andere Forschungsarbeiten oder die Weitergabe richtet sich nach den Absätzen 1 bis 3 und bedarf der Zustimmung der Stelle, die die Übermittlung der Daten angeordnet hat.

(5) 1Die Daten sind gegen unbefugte Kenntnisnahme durch Dritte zu schützen. 2Die wissenschaftliche Forschung betreibende Stelle hat dafür zu sorgen, dass die Verwendung der personenbezogenen Daten räumlich und organisatorisch getrennt von der Erfüllung solcher Verwaltungsaufgaben oder Geschäftszwecke erfolgt, für die diese Daten gleichfalls von Bedeutung sein können.

(6) 1Sobald der Forschungszweck es erlaubt, sind die personenbezogenen Daten zu anonymisieren. 2Solange dies noch nicht möglich ist, sind die Merkmale gesondert aufzubewahren, mit denen Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person zugeordnet werden können. 3Sie dürfen mit den Einzelangaben nur zusammengeführt werden, soweit der Forschungszweck dies erfordert.

(7) 1Wer nach den Absätzen 1 bis 3 personenbezogene Daten erhalten hat, darf diese nur veröffentlichen, wenn dies für die Darstellung von Forschungsergebnissen über Ereignisse der Zeitgeschichte unerlässlich ist. 2Die Veröffentlichung bedarf der Zustimmung der Stelle, die die Daten übermittelt hat.

(8) Ist der Empfänger eine nichtöffentliche Stelle, finden die Vorschriften der Verordnung (EU) 2016/679 und des Bundesdatenschutzgesetzes auch dann Anwendung, wenn die personenbezogenen Daten nicht automatisiert verarbeitet werden und nicht in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden.

Zu § 476: Neugefasst durch G vom 2. 8. 2000 (BGBl I S. 1253), geändert durch G vom 21. 12. 2007 (BGBl I S. 3198), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208) und 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724).


§ 477 StPO – Datenübermittlung von Amts wegen

(1) Von Amts wegen dürfen personenbezogene Daten aus Strafverfahren Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichten für Zwecke der Strafverfolgung sowie den zuständigen Behörden und Gerichten für Zwecke der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten übermittelt werden, soweit diese Daten aus der Sicht der übermittelnden Stelle hierfür erforderlich sind.

(2) Eine von Amts wegen erfolgende Übermittlung personenbezogener Daten aus Strafverfahren ist auch zulässig, wenn die Kenntnis der Daten aus der Sicht der übermittelnden Stelle erforderlich ist für

  1. 1.

    die Vollstreckung von Strafen oder von Maßnahmen im Sinne des § 11 Absatz 1 Nummer 8 des Strafgesetzbuches oder für die Vollstreckung oder Durchführung von Erziehungsmaßregeln oder von Zuchtmitteln im Sinne des Jugendgerichtsgesetzes,

  2. 2.

    den Vollzug von freiheitsentziehenden Maßnahmen oder

  3. 3.

    Entscheidungen in Strafsachen, insbesondere über die Strafaussetzung zur Bewährung oder deren Widerruf, oder in Bußgeld- oder Gnadensachen.

Zu § 477: Neugefasst durch G vom 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724).


§ 478 StPO – Form der Datenübermittlung

Auskünfte nach den §§ 474 bis 476 und Datenübermittlungen von Amts wegen nach § 477 können auch durch Überlassung von Kopien aus den Akten erfolgen.

Zu § 478: Neugefasst durch G vom 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724).


§ 479 StPO – Übermittlungsverbote und Verwendungsbeschränkungen

(1) Auskünfte nach den §§ 474 bis 476 und Datenübermittlungen von Amts wegen nach § 477 sind zu versagen, wenn ihnen Zwecke des Strafverfahrens, auch die Gefährdung des Untersuchungszwecks in einem anderen Strafverfahren, oder besondere bundesgesetzliche oder landesgesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen.

(2) 1Ist eine Maßnahme nach diesem Gesetz nur bei Verdacht bestimmter Straftaten zulässig, so gilt für die Verwendung der auf Grund einer solchen Maßnahme erlangten Daten in anderen Strafverfahren § 161 Absatz 3 entsprechend. 2Darüber hinaus dürfen verwertbare personenbezogene Daten, die durch eine Maßnahme der nach Satz 1 bezeichneten Art erlangt worden sind, ohne Einwilligung der von der Maßnahme betroffenen Personen nur verwendet werden

  1. 1.

    zu Zwecken der Gefahrenabwehr, soweit sie dafür durch eine entsprechende Maßnahme nach den für die zuständige Stelle geltenden Gesetzen erhoben werden könnten,

  2. 2.

    zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für die Sicherheit oder den Bestand des Bundes oder eines Landes oder für bedeutende Vermögenswerte, wenn sich aus den Daten im Einzelfall jeweils konkrete Ansätze zur Abwehr einer solchen Gefahr erkennen lassen,

  3. 3.

    für Zwecke, für die eine Übermittlung nach § 18 des Bundesverfassungsschutzgesetzes zulässig ist, sowie

  4. 4.

    nach Maßgabe des § 476 .

3 § 100i Absatz 2 Satz 2 und § 108 Absatz 2 und 3 bleiben unberührt.

(3) Wenn in den Fällen der §§ 474 bis 476

  1. 1.

    der Angeklagte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren eingestellt wurde oder

  2. 2.

    die Verurteilung nicht in ein Führungszeugnis für Behörden aufgenommen wird und seit der Rechtskraft der Entscheidung mehr als zwei Jahre verstrichen sind,

dürfen Auskünfte aus den Akten und Akteneinsicht an nichtöffentliche Stellen nur gewährt werden, wenn ein rechtliches Interesse an der Kenntnis der Information glaubhaft gemacht ist und der frühere Beschuldigte kein schutzwürdiges Interesse an der Versagung hat.

(4) 1Die Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung trägt die übermittelnde Stelle. 2Abweichend hiervon trägt in den Fällen der §§ 474 bis 476 der Empfänger die Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung, sofern dieser eine öffentliche Stelle oder ein Rechtsanwalt ist. 3Die übermittelnde Stelle prüft in diesem Falle nur, ob das Übermittlungsersuchen im Rahmen der Aufgaben des Empfängers liegt, es sei denn, dass ein besonderer Anlass zu einer weitergehenden Prüfung der Zulässigkeit der Übermittlung vorliegt.

(5) § 32f Absatz 5 Satz 2 und 3 gilt mit folgenden Maßgaben entsprechend:

  1. 1.

    Eine Verwendung der nach den §§ 474 und 475 erlangten personenbezogenen Daten für andere Zwecke ist zulässig, wenn dafür Auskunft oder Akteneinsicht gewährt werden dürfte und im Falle des § 475 die Stelle, die Auskunft oder Akteneinsicht gewährt hat, zustimmt;

  2. 2.

    eine Verwendung der nach § 477 erlangten personenbezogenen Daten für andere Zwecke ist zulässig, wenn dafür eine Übermittlung nach § 477 erfolgen dürfte.

Zu § 479: Neugefasst durch G vom 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724), geändert durch G vom 12. 6. 2020 (BGBl I S. 1247) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 480 StPO – Entscheidung über die Datenübermittlung

(1) 1Über die Übermittlungen nach den §§ 474 bis 477 entscheidet im vorbereitenden Verfahren und nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens die Staatsanwaltschaft, im Übrigen der Vorsitzende des mit der Sache befassten Gerichts. 2Die Staatsanwaltschaft ist auch nach Erhebung der öffentlichen Klage befugt, personenbezogene Daten zu übermitteln. 3Die Staatsanwaltschaft kann die Behörden des Polizeidienstes, die die Ermittlungen geführt haben oder führen, ermächtigen, in den Fällen des § 475 Akteneinsicht und Auskünfte zu erteilen. 4Gegen deren Entscheidung kann die Entscheidung der Staatsanwaltschaft eingeholt werden. 5Die Übermittlung personenbezogener Daten zwischen Behörden des Polizeidienstes oder eine entsprechende Akteneinsicht ist ohne Entscheidung nach Satz 1 zulässig, sofern keine Zweifel an der Zulässigkeit der Übermittlung oder der Akteneinsicht bestehen.

(2) 1Aus beigezogenen Akten, die nicht Aktenbestandteil sind, dürfen Übermittlungen nur mit Zustimmung der Stelle erfolgen, um deren Akten es sich handelt; Gleiches gilt für die Akteneinsicht. 2 In den Fällen der §§ 474 bis 476 sind Auskünfte und Akteneinsicht nur zulässig, wenn der Antragsteller die Zustimmung nachweist.

(3) 1In den Fällen des § 475 kann gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft nach Absatz 1 gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 zuständige Gericht beantragt werden. 2Die §§ 297 bis 300 , 302 , 306 bis 309 , 311a und 473a gelten entsprechend. 3Die Entscheidung des Gerichts ist unanfechtbar, solange die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind. 4Diese Entscheidungen werden nicht mit Gründen versehen, soweit durch deren Offenlegung der Untersuchungszweck gefährdet werden könnte.

(4) Die übermittelnde Stelle hat die Übermittlung und deren Zweck aktenkundig zu machen.

Zu § 480: Neugefasst durch G vom 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724).


§ 481 StPO – Verwendung personenbezogener Daten für polizeiliche Zwecke

(1) 1Die Polizeibehörden dürfen nach Maßgabe der Polizeigesetze personenbezogene Daten aus Strafverfahren verwenden. 2Zu den dort genannten Zwecken dürfen Strafverfolgungsbehörden und Gerichte an Polizeibehörden personenbezogene Daten aus Strafverfahren übermitteln oder Akteneinsicht gewähren. 3Mitteilungen nach Satz 2 können auch durch Bewährungshelfer und Führungsaufsichtsstellen erfolgen, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut erforderlich und eine rechtzeitige Übermittlung durch die in Satz 2 genannten Stellen nicht gewährleistet ist. 4Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in den Fällen, in denen die Polizei ausschließlich zum Schutz privater Rechte tätig wird.

(2) Die Verwendung ist unzulässig, soweit besondere bundesgesetzliche oder entsprechende landesgesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen.

(3) Hat die Polizeibehörde Zweifel, ob eine Verwendung personenbezogener Daten nach dieser Bestimmung zulässig ist, gilt § 480 Absatz 1 Satz 1 und 2 entsprechend.

Zu § 481: Angefügt durch G vom 2. 8. 2000 (BGBl I S. 1253), geändert durch G vom 21. 12. 2007 (BGBl I S. 3198), 21. 7. 2012 (BGBl I S. 1566), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202), 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724) und 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2121).


§ 482 StPO – Mitteilung des Aktenzeichens und des Verfahrensausgangs an die Polizei

(1) Die Staatsanwaltschaft teilt der Polizeibehörde, die mit der Angelegenheit befasst war, ihr Aktenzeichen mit.

(2) 1Sie unterrichtet die Polizeibehörde in den Fällen des Absatzes 1 über den Ausgang des Verfahrens durch Mitteilung der Entscheidungsformel, der entscheidenden Stelle sowie des Datums und der Art der Entscheidung. 2Die Übersendung der Mitteilung zum Bundeszentralregister ist zulässig, im Falle des Erforderns auch des Urteils oder einer mit Gründen versehenen Einstellungsentscheidung.

(3) In Verfahren gegen unbekannt sowie bei Verkehrsstrafsachen, soweit sie nicht unter die §§ 142 , 315 bis 315c des Strafgesetzbuches fallen, wird der Ausgang des Verfahrens nach Absatz 2 von Amts wegen nicht mitgeteilt.

(4) Wird ein Urteil übersandt, das angefochten worden ist, so ist anzugeben, wer Rechtsmittel eingelegt hat.

Zu § 482: Angefügt durch G vom 2. 8. 2000 (BGBl I S. 1253), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208).


§§ 474 - 500, Achtes Buch - Schutz und Verwendung von Daten
§§ 483 - 491, Zweiter Abschnitt - Regelungen über die Datenverarbeitung

§ 483 StPO – Datenverarbeitung für Zwecke des Strafverfahrens

(1) 1Gerichte, Strafverfolgungsbehörden einschließlich Vollstreckungsbehörden, Bewährungshelfer, Aufsichtsstellen bei Führungsaufsicht und die Gerichtshilfe dürfen personenbezogene Daten in Dateisystemen verarbeiten, soweit dies für Zwecke des Strafverfahrens erforderlich ist. 2Die Polizei darf unter der Voraussetzung des Satzes 1 personenbezogene Daten auch in einem Informationssystem verarbeiten, welches nach Maßgabe eines anderen Gesetzes errichtet ist. 3Für dieses Informationssystem wird mindestens festgelegt:

  1. 1.

    die Kennzeichnung der personenbezogenen Daten durch die Bezeichnung

    1. a)

      des Verfahrens, in dem die Daten erhoben wurden,

    2. b)

      der Maßnahme, wegen der die Daten erhoben wurden, sowie der Rechtsgrundlage der Erhebung und

    3. c)

      der Straftat, zu deren Aufklärung die Daten erhoben wurden,

  2. 2.

    die Zugriffsberechtigungen,

  3. 3.

    die Fristen zur Prüfung, ob gespeicherte Daten zu löschen sind sowie die Speicherungsdauer der Daten.

(2) Die Daten dürfen auch für andere Strafverfahren, die internationale Rechtshilfe in Strafsachen und Gnadensachen genutzt werden.

(3) Erfolgt in einem Dateisystem der Polizei die Speicherung zusammen mit Daten, deren Speicherung sich nach den Polizeigesetzen richtet, so ist für die Verarbeitung personenbezogener Daten und die Rechte der Betroffenen das für die speichernde Stelle geltende Recht maßgeblich.

Zu § 483: Angefügt durch G vom 2. 8. 2000 (BGBl I S. 1253), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724).


§ 484 StPO – Datenverarbeitung für Zwecke künftiger Strafverfahren; Verordnungsermächtigung

(1) Strafverfolgungsbehörden dürfen für Zwecke künftiger Strafverfahren

  1. 1.

    die Personendaten des Beschuldigten und, soweit erforderlich, andere zur Identifizierung geeignete Merkmale,

  2. 2.

    die zuständige Stelle und das Aktenzeichen,

  3. 3.

    die nähere Bezeichnung der Straftaten, insbesondere die Tatzeiten, die Tatorte und die Höhe etwaiger Schäden,

  4. 4.

    die Tatvorwürfe durch Angabe der gesetzlichen Vorschriften,

  5. 5.

    die Einleitung des Verfahrens sowie die Verfahrenserledigungen bei der Staatsanwaltschaft und bei Gericht nebst Angabe der gesetzlichen Vorschriften

in Dateisystemen verarbeiten.

(2) 1Weitere personenbezogene Daten von Beschuldigten und Tatbeteiligten dürfen sie in Dateisystemen nur verarbeiten, soweit dies erforderlich ist, weil wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder Tatbeteiligten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass weitere Strafverfahren gegen den Beschuldigten zu führen sind. 2Wird der Beschuldigte rechtskräftig freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn unanfechtbar abgelehnt oder das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt, so ist die Verarbeitung nach Satz 1 unzulässig, wenn sich aus den Gründen der Entscheidung ergibt, dass die betroffene Person die Tat nicht oder nicht rechtswidrig begangen hat.

(3) 1Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und die Landesregierungen bestimmen für ihren jeweiligen Geschäftsbereich durch Rechtsverordnung das Nähere über die Art der Daten, die nach Absatz 2 für Zwecke künftiger Strafverfahren gespeichert werden dürfen. 2Dies gilt nicht für Daten in Dateisystemen, die nur vorübergehend vorgehalten und innerhalb von drei Monaten nach ihrer Erstellung gelöscht werden. 3Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die zuständigen Landesministerien übertragen.

(4) Die Verarbeitung personenbezogener Daten, die für Zwecke künftiger Strafverfahren von der Polizei gespeichert sind oder werden, richtet sich, ausgenommen die Verarbeitung für Zwecke eines Strafverfahrens, nach den Polizeigesetzen.

Zu § 484: Angefügt durch G vom 2. 8. 2000 (BGBl I S. 1253), geändert durch G vom 10. 9. 2004 (BGBl I S. 2318), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), V vom 31. 8. 2015 (BGBl I S. 1474) und G vom 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724).


§ 485 StPO – Datenverarbeitung für Zwecke der Vorgangsverwaltung

1Gerichte, Strafverfolgungsbehörden einschließlich Vollstreckungsbehörden, Bewährungshelfer, Aufsichtsstellen bei Führungsaufsicht und die Gerichtshilfe dürfen personenbezogene Daten in Dateisystemen verarbeiten, soweit dies für Zwecke der Vorgangsverwaltung erforderlich ist. 2Eine Nutzung für die in § 483 bezeichneten Zwecke ist zulässig. 3Eine Nutzung für die in § 484 bezeichneten Zwecke ist zulässig, soweit die Speicherung auch nach dieser Vorschrift zulässig wäre. 4 § 483 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 3 ist entsprechend anwendbar.

Zu § 485: Angefügt durch G vom 2. 8. 2000 (BGBl I S. 1253), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724).


§ 486 StPO – Gemeinsame Dateien

1Die personenbezogenen Daten können für die in den §§ 483 bis 485 genannten Stellen in gemeinsamen Dateisystemen gespeichert werden. 2Dies gilt für Fälle des § 483 Absatz 1 Satz 2 , auch in Verbindung mit § 485 Satz 4 , entsprechend.

Zu § 486: Neugefasst durch G vom 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724).


§ 487 StPO – Übermittlung gespeicherter Daten; Auskunft

(1) 1Die nach den §§ 483 bis 485 gespeicherten Daten dürfen den zuständigen Stellen übermittelt werden, soweit dies für die in diesen Vorschriften genannten Zwecke, für Zwecke eines Gnadenverfahrens, des Vollzugs von freiheitsentziehenden Maßnahmen oder der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen erforderlich ist. 2 § 479 Absatz 1 und 2 und § 485 Satz 3 gelten entsprechend. 3Bewährungshelfer und Führungsaufsichtsstellen dürfen personenbezogene Daten von Verurteilten, die unter Aufsicht gestellt sind, an die Einrichtungen des Justiz- und Maßregelvollzugs übermitteln, wenn diese Daten für den Vollzug der Freiheitsentziehung, insbesondere zur Förderung der Vollzugs- und Behandlungsplanung oder der Entlassungsvorbereitung, erforderlich sind; das Gleiche gilt für Mitteilungen an Vollstreckungsbehörden, soweit diese Daten für die in § 477 Absatz 2 Nummer 1 oder 3 genannten Zwecke erforderlich sind.

(2) 1Außerdem kann, unbeschadet des § 57 des Bundesdatenschutzgesetzes , Auskunft erteilt werden, soweit nach den Vorschriften dieses Gesetzes Akteneinsicht oder Auskunft aus den Akten gewährt werden könnte. 2Entsprechendes gilt für Mitteilungen nach den §§ 477 und 481 Absatz 1 Satz 2 sowie für andere besondere gesetzliche Bestimmungen, die die Übermittlung personenbezogener Daten aus Strafverfahren anordnen oder erlauben.

(3) 1Die Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung trägt die übermittelnde Stelle. 2Erfolgt die Übermittlung auf Ersuchen des Empfängers, trägt dieser die Verantwortung. 3In diesem Falle prüft die übermittelnde Stelle nur, ob das Übermittlungsersuchen im Rahmen der Aufgaben des Empfängers liegt, es sei denn, dass besonderer Anlass zu einer weiter gehenden Prüfung der Zulässigkeit der Übermittlung besteht.

(4) 1Die nach den §§ 483 bis 485 gespeicherten Daten dürfen auch für wissenschaftliche Zwecke übermittelt werden. 2 § 476 gilt entsprechend.

(5) Besondere gesetzliche Bestimmungen, die die Übermittlung von Daten aus einem Strafverfahren anordnen oder erlauben, bleiben unberührt.

(6) 1Die Daten dürfen nur zu dem Zweck verwendet werden, für den sie übermittelt worden sind. 2Eine Verwendung für andere Zwecke ist zulässig, soweit die Daten auch dafür hätten übermittelt werden dürfen.

Zu § 487: Angefügt durch G vom 2. 8. 2000 (BGBl I S. 1253), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 17. 8. 2017 (BGBl I S. 3202), 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724) und 10. 12. 2019 (BGBl I S. 2121).


§ 488 StPO – Automatisierte Verfahren für Datenübermittlungen

(1) 1Die Einrichtung eines automatisierten Abrufverfahrens oder eines automatisierten Anfrage- und Auskunftsverfahrens ist für Übermittlungen nach § 487 Abs. 1 zwischen den in § 483 Abs. 1 genannten Stellen zulässig, soweit diese Form der Datenübermittlung unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der betroffenen Personen wegen der Vielzahl der Übermittlungen oder wegen ihrer besonderen Eilbedürftigkeit angemessen ist. 2Die beteiligten Stellen haben zu gewährleisten, dass dem jeweiligen Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zur Sicherstellung von Datenschutz und Datensicherheit getroffen werden, die insbesondere die Vertraulichkeit und Unversehrtheit der Daten gewährleisten; im Falle der Nutzung allgemein zugänglicher Netze sind dem jeweiligen Stand der Technik entsprechende Verschlüsselungsverfahren anzuwenden.

(2) 1Bei der Festlegung zur Einrichtung eines automatisierten Abrufverfahrens haben die beteiligten Stellen zu gewährleisten, dass die Zulässigkeit des Abrufverfahrens kontrolliert werden kann. 2Hierzu haben sie Folgendes schriftlich festzulegen:

  1. 1.

    den Anlass und den Zweck des Abrufverfahrens,

  2. 2.

    die Dritten, an die übermittelt wird,

  3. 3.

    die Art der zu übermittelnden Daten und

  4. 4.

    die nach § 64 des Bundesdatenschutzgesetzes erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen.

3Die Festlegung bedarf der Zustimmung der für die speichernde und die abrufende Stelle jeweils zuständigen Bundes- und Landesministerien. 4Die speichernde Stelle übersendet die Festlegungen der Stelle, die für die Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften über den Datenschutz bei öffentlichen Stellen zuständig ist.

(3) 1Die Verantwortung für die Zulässigkeit des einzelnen Abrufs trägt der Empfänger. 2Die speichernde Stelle prüft die Zulässigkeit der Abrufe nur, wenn dazu Anlass besteht. 3Die speichernde Stelle hat zu gewährleisten, dass die Übermittlung personenbezogener Daten festgestellt und überprüft werden kann. 4Im Rahmen der Protokollierung nach § 76 des Bundesdatenschutzgesetzes hat sie ergänzend zu den dort in Absatz 2 aufgeführten Daten die abgerufenen Daten, die Kennung der abrufenden Stelle und das Aktenzeichen des Empfängers zu protokollieren. 5Die Protokolldaten sind nach zwölf Monaten zu löschen.

(4) Die Absätze 2 und 3 gelten für das automatisierte Anfrage- und Auskunftsverfahren entsprechend.

Zu § 488: Angefügt durch G vom 2. 8. 2000 (BGBl I S. 1253), geändert durch G vom 10. 9. 2004 (BGBl I S. 2318), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724).


§ 489 StPO – Löschung und Einschränkung der Verarbeitung von Daten

(1) Zu löschen sind, unbeschadet der anderen, in § 75 Absatz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes genannten Gründe für die Pflicht zur Löschung,

  1. 1.

    die nach § 483 gespeicherten Daten mit der Erledigung des Verfahrens, soweit ihre Speicherung nicht nach den §§ 484 und 485 zulässig ist,

  2. 2.

    die nach § 484 gespeicherten Daten, soweit die dortigen Voraussetzungen nicht mehr vorliegen und ihre Speicherung nicht nach § 485 zulässig ist, und

  3. 3.

    die nach § 485 gespeicherten Daten, sobald ihre Speicherung zur Vorgangsverwaltung nicht mehr erforderlich ist.

(2) 1Als Erledigung des Verfahrens gilt die Erledigung bei der Staatsanwaltschaft oder, sofern die öffentliche Klage erhoben wurde, bei Gericht. 2 Ist eine Strafe oder eine sonstige Sanktion angeordnet worden, so ist der Abschluss der Vollstreckung oder der Erlass maßgeblich. 3Wird das Verfahren eingestellt und hindert die Einstellung die Wiederaufnahme der Verfolgung nicht, so ist das Verfahren mit Eintritt der Verjährung als erledigt anzusehen.

(3) 1Der Verantwortliche prüft nach festgesetzten Fristen, ob gespeicherte Daten zu löschen sind. 2Die Frist zur Überprüfung der Notwendigkeit der Speicherung nach § 75 Absatz 4 des Bundesdatenschutzgesetzes beträgt für die nach § 484 gespeicherten Daten

  1. 1.

    bei Beschuldigten, die zur Tatzeit das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatten, zehn Jahre,

  2. 2.

    bei Jugendlichen fünf Jahre,

  3. 3.

    in den Fällen des rechtskräftigen Freispruchs, der unanfechtbaren Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens und der nicht nur vorläufigen Verfahrenseinstellung drei Jahre,

  4. 4.

    bei nach § 484 Absatz 1 gespeicherten Daten zu Personen, die zur Tatzeit nicht strafmündig waren, zwei Jahre.

(4) Der Verantwortliche kann in der Errichtungsanordnung nach § 490 kürzere Prüffristen festlegen.

(5) Die Fristen nach Absatz 3 beginnen mit dem Tag, an dem das letzte Ereignis eingetreten ist, das zur Speicherung der Daten geführt hat, jedoch nicht vor

  1. 1.

    Entlassung der betroffenen Person aus einer Justizvollzugsanstalt oder

  2. 2.

    Beendigung einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregel der Besserung und Sicherung.

(6) 1 § 58 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 3 des Bundesdatenschutzgesetzes gilt für die Löschung nach Absatz 1 entsprechend. 2Darüber hinaus ist an Stelle der Löschung personenbezogener Daten deren Verarbeitung einzuschränken, soweit die Daten für laufende Forschungsarbeiten benötigt werden. 3Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist ferner einzuschränken, soweit sie nur zu Zwecken der Datensicherung oder der Datenschutzkontrolle gespeichert sind. 4Daten, deren Verarbeitung nach den Sätzen 1 oder 2 eingeschränkt ist, dürfen nur zu dem Zweck verwendet werden, für den ihre Löschung unterblieben ist. 5Sie dürfen auch verwendet werden, soweit dies zur Behebung einer bestehenden Beweisnot unerlässlich ist.

(7) Anstelle der Löschung der Daten sind die Datenträger an ein Staatsarchiv abzugeben, soweit besondere archivrechtliche Regelungen dies vorsehen.

Zu § 489: Neugefasst durch G vom 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724).


§ 490 StPO – Errichtungsanordnung für automatisierte Dateisysteme

1Der Verantwortliche legt für jedes automatisierte Dateisystem in einer Errichtungsanordnung mindestens fest:

  1. 1.

    die Bezeichnung des Dateisystems,

  2. 2.

    die Rechtsgrundlage und den Zweck des Dateisystems,

  3. 3.

    den Personenkreis, über den Daten in dem Dateisystem verarbeitet werden,

  4. 4.

    die Art der zu verarbeitenden Daten,

  5. 5.

    die Anlieferung oder Eingabe der zu verarbeitenden Daten,

  6. 6.

    die Voraussetzungen, unter denen in dem Dateisystem verarbeitete Daten an welche Empfänger und in welchem Verfahren übermittelt werden,

  7. 7.

    Prüffristen und Speicherungsdauer.

2Dies gilt nicht für Dateisysteme, die nur vorübergehend vorgehalten und innerhalb von drei Monaten nach ihrer Erstellung gelöscht werden, und Informationssysteme gemäß § 483 Absatz 1 Satz 2 .

Zu § 490: Angefügt durch G vom 2. 8. 2000 (BGBl I S. 1253), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724).


§ 491 StPO – Auskunft an betroffene Personen

(1) 1Ist die betroffene Person bei einem gemeinsamen Dateisystem nicht in der Lage, den Verantwortlichen festzustellen, so kann sie sich zum Zweck der Auskunft nach § 57 des Bundesdatenschutzgesetzes an jede beteiligte speicherungsberechtigte Stelle wenden. 2Über die Erteilung einer Auskunft entscheidet die ersuchte speicherungsberechtigte Stelle im Einvernehmen mit dem Verantwortlichen.

(2) Für den Auskunftsanspruch betroffener Personen gilt § 57 des Bundesdatenschutzgesetzes .

Zu § 491: Neugefasst durch G vom 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724).


§§ 474 - 500, Achtes Buch - Schutz und Verwendung von Daten
§§ 492 - 495, Dritter Abschnitt - Länderübergreifendes staatsanwaltschaftliches Verfahrensregister

§ 492 StPO – Zentrales staatsanwaltschaftliches Verfahrensregister

(1) Das Bundesamt für Justiz (Registerbehörde) führt ein zentrales staatsanwaltschaftliches Verfahrensregister.

(2) 1In das Register sind

  1. 1.

    die Personendaten des Beschuldigten und, soweit erforderlich, andere zur Identifizierung geeignete Merkmale,

  2. 2.

    die zuständige Stelle und das Aktenzeichen,

  3. 3.

    die nähere Bezeichnung der Straftaten, insbesondere die Tatzeiten, die Tatorte und die Höhe etwaiger Schäden,

  4. 4.

    die Tatvorwürfe durch Angabe der gesetzlichen Vorschriften,

  5. 5.

    die Einleitung des Verfahrens sowie die Verfahrenserledigungen bei der Staatsanwaltschaft und bei Gericht nebst Angabe der gesetzlichen Vorschriften

einzutragen. 2Die Daten dürfen nur für Strafverfahren gespeichert und verändert werden.

(3) 1Die Staatsanwaltschaften teilen die einzutragenden Daten der Registerbehörde zu dem in Absatz 2 Satz 2 genannten Zweck mit. 2Auskünfte aus dem Verfahrensregister dürfen nur Strafverfolgungsbehörden für Zwecke eines Strafverfahrens erteilt werden. 3Dem Bundeskriminalamt dürfen Auskünfte auch erteilt werden, soweit dies im Einzelfall zur Erfüllung seiner Aufgaben nach § 5 Absatz 1 , § 6 Absatz 1 oder § 7 Absatz 1  und  2 des Bundeskriminalamtgesetzes erforderlich ist. 4 § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Waffengesetzes , § 8a Absatz 5 Satz 1 Nummer 2 des Sprengstoffgesetzes , § 7 Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 des Luftsicherheitsgesetzes , § 12 Absatz 1 Nummer 2 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes und § 31 Absatz 4a Satz 1 des Geldwäschegesetzes bleiben unberührt; die Auskunft über die Eintragung wird insoweit im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft, die die personenbezogenen Daten zur Eintragung in das Verfahrensregister mitgeteilt hat, erteilt, wenn hiervon eine Gefährdung des Untersuchungszwecks nicht zu besorgen ist.

(4) 1Die in Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und 2 und, wenn dies erforderlich ist, Nummer 3 und 4 genannten Daten dürfen nach Maßgabe des § 18 Abs. 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes , auch in Verbindung mit § 10 Abs. 2 des Gesetzes über den Militärischen Abschirmdienst und § 10 Absatz 3 des BND-Gesetzes , auf Ersuchen auch an die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, den Militärischen Abschirmdienst und den Bundesnachrichtendienst übermittelt werden. 2 § 18 Abs. 5 Satz 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes gilt entsprechend.

(4a) 1Kann die Registerbehörde eine Mitteilung oder ein Ersuchen einem Datensatz nicht eindeutig zuordnen, übermittelt sie an die ersuchende Stelle zur Identitätsfeststellung Datensätze zu Personen mit ähnlichen Personalien. 2Nach erfolgter Identifizierung hat die ersuchende Stelle alle Daten, die sich nicht auf die betroffene Person beziehen, unverzüglich zu löschen. 3Ist eine Identifizierung nicht möglich, sind alle übermittelten Daten zu löschen. 4In der Rechtsverordnung nach § 494 Abs. 4 ist die Anzahl der Datensätze, die auf Grund eines Abrufs übermittelt werden dürfen, auf das für eine Identifizierung notwendige Maß zu begrenzen.

(5) 1Die Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung trägt der Empfänger. 2Die Registerbehörde prüft die Zulässigkeit der Übermittlung nur, wenn besonderer Anlass hierzu besteht.

(6) Die Daten dürfen unbeschadet des Absatzes 3 Satz 3 und 4 sowie des Absatzes 4 nur in Strafverfahren verwendet werden.

Zu § 492: Angefügt durch G vom 2. 8. 2000 (BGBl I S. 1253), geändert durch G vom 11. 10. 2002 (BGBl I S. 3970), 10. 9. 2004 (BGBl I S. 2318), 17. 12. 2006 (BGBl I S. 3171), 17. 7. 2009 (BGBl I S. 2062), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), 17. 11. 2015 (BGBl I S. 1938), 23. 12. 2016 (BGBl I S. 3346), 16. 6. 2017 (BGBl I S. 1634), 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724), 12. 12. 2019 (BGBl I S. 2602), 22. 4. 2020 (BGBl I S. 840), 19. 4. 2021 (BGBl I S. 771) und 25. 6. 2021 (BGBl I S. 2099).


§ 493 StPO – Automatisiertes Verfahren für Datenübermittlungen

(1) 1Die Übermittlung der Daten erfolgt im Wege eines automatisierten Abrufverfahrens oder eines automatisierten Anfrage- und Auskunftsverfahrens, im Falle einer Störung der Datenfernübertragung oder bei außergewöhnlicher Dringlichkeit telefonisch oder durch Telefax. 2Die beteiligten Stellen haben zu gewährleisten, dass dem jeweiligen Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zur Sicherstellung von Datenschutz und Datensicherheit getroffen werden, die insbesondere die Vertraulichkeit und Unversehrtheit der Daten gewährleisten; im Falle der Nutzung allgemein zugänglicher Netze sind dem jeweiligen Stand der Technik entsprechende Verschlüsselungsverfahren anzuwenden.

(2) 1Bei der Festlegung zur Einrichtung eines automatisierten Abrufverfahrens gilt § 488 Absatz 2 Satz 1 und 2 entsprechend. 2Die Registerbehörde übersendet die Festlegungen dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz.

(3) 1Die Verantwortung für die Zulässigkeit des einzelnen automatisierten Abrufs trägt der Empfänger. 2Die Registerbehörde prüft die Zulässigkeit der Abrufe nur, wenn dazu Anlass besteht. 3Im Rahmen der Protokollierung nach § 76 des Bundesdatenschutzgesetzes hat sie ergänzend zu den dort in Absatz 2 aufgeführten Daten die abgerufenen Daten, die Kennung der abrufenden Stelle und das Aktenzeichen des Empfängers zu protokollieren. 4Die Protokolldaten sind nach sechs Monaten zu löschen.

(4) Die Absätze 2 und 3 gelten für das automatisierte Anfrage- und Auskunftsverfahren entsprechend.

Zu § 493: Angefügt durch G vom 2. 8. 2000 (BGBl I S. 1253), geändert durch G vom 10. 9. 2004 (BGBl I S. 2318), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724).


§ 494 StPO – Berichtigung, Löschung und Einschränkung der Verarbeitung von Daten; Verordnungsermächtigung

(1) In den Fällen des § 58 Absatz 1 und des § 75 Absatz 1 des Bundesdatenschutzgesetzes teilt der Verantwortliche insbesondere der Registerbehörde die Unrichtigkeit unverzüglichmit; der Verantwortliche trägt die Verantwortung für die Richtigkeit und Aktualität der Daten.

(2) 1Die Daten sind zu löschen, sobald sich aus dem Bundeszentralregister ergibt, dass in dem Strafverfahren, aus dem die Daten übermittelt worden sind, eine nach § 20 des Bundeszentralregistergesetzes mitteilungspflichtige gerichtliche Entscheidung oder Verfügung der Strafverfolgungsbehörde ergangen ist. 2Wird der Beschuldigte rechtskräftig freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn unanfechtbar abgelehnt oder das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt, so sind die Daten zwei Jahre nach der Erledigung des Verfahrens zu löschen, es sei denn, vor Eintritt der Löschungsfrist wird ein weiteres Verfahren zur Eintragung in das Verfahrensregister mitgeteilt. 3 In diesem Fall bleiben die Daten gespeichert, bis für alle Eintragungen die Löschungsvoraussetzungen vorliegen. 4Die Staatsanwaltschaft teilt der Registerbehörde unverzüglich den Eintritt der Löschungsvoraussetzungen oder den Beginn der Löschungsfrist nach Satz 2 mit.

(3) § 489 Absatz 7 gilt entsprechend.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die näheren Einzelheiten, insbesondere

  1. 1.

    die Art der zu verarbeitenden Daten,

  2. 2.

    die Anlieferung der zu verarbeitenden Daten,

  3. 3.

    die Voraussetzungen, unter denen in dem Dateisystem verarbeitete Daten an welche Empfänger und in welchem Verfahren übermittelt werden,

  4. 4.

    die Einrichtung eines automatisierten Abrufverfahrens,

  5. 5.

    die nach den §§ 64 , 71 und 72 des Bundesdatenschutzgesetzes erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen.

Zu § 494: Angefügt durch G vom 2. 8. 2000 (BGBl I S. 1253), geändert durch G vom 2. 8. 2000 (a. a. O.), 10. 9. 2004 (BGBl I S. 2318), 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332), V vom 31. 8. 2015 (BGBl I S. 1474) und G vom 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724).


§ 495 StPO – Auskunft an betroffene Personen

1Der betroffenen Person ist entsprechend § 57 des Bundesdatenschutzgesetzes Auskunft aus dem Verfahrensregister zu erteilen; § 491 Absatz 2 gilt entsprechend. 2Über die Erteilung einer Auskunft entscheidet die Registerbehörde im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft, die die personenbezogenen Daten zur Eintragung in das Verfahrensregister mitgeteilt hat. 3Soweit eine Auskunft aus dem Verfahrensregister an eine öffentliche Stelle erteilt wurde und die betroffene Person von dieser Stelle Auskunft über die so erhobenen Daten begehrt, entscheidet hierüber diese Stelle im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft, die die personenbezogenen Daten zur Eintragung in das Verfahrensregister mitgeteilt hat.

Zu § 495: Neugefasst durch G vom 10. 9. 2004 (BGBl I S. 2318), geändert durch G vom 17. 7. 2015 (BGBl I S. 1332) und 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724).


§§ 474 - 500, Achtes Buch - Schutz und Verwendung von Daten
§§ 496 - 499, Vierter Abschnitt - Schutz personenbezogener Daten in einer elektronischen Akte; Verwendung personenbezogener Daten aus elektronischen Akten

§ 496 StPO – Verwendung personenbezogener Daten in einer elektronischen Akte

(1) Das Verarbeiten und Nutzen personenbezogener Daten in einer elektronischen Akte oder in elektronischen Aktenkopien ist zulässig, soweit dies für die Zwecke des Strafverfahrens erforderlich ist.

(2) Dabei sind

  1. 1.

    die organisatorischen und technischen Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um den besonderen Anforderungen des Datenschutzes und der Datensicherheit gerecht zu werden, und

  2. 2.

    die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Datenverarbeitung einzuhalten, insbesondere die Daten ständig verfügbar zu halten und Vorkehrungen gegen einen Datenverlust zu treffen.

(3) Elektronische Akten und elektronische Aktenkopien sind keine Dateisysteme im Sinne des Zweiten Abschnitts .

Zu § 496: Angefügt durch G vom 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208).


§ 497 StPO – Datenverarbeitung im Auftrag

(1) Mit der dauerhaften rechtsverbindlichen Speicherung elektronischer Akten dürfen nichtöffentliche Stellen nur dann beauftragt werden, wenn eine öffentliche Stelle den Zutritt und den Zugang zu den Datenverarbeitungsanlagen, in denen die elektronischen Akten rechtsverbindlich gespeichert werden, tatsächlich und ausschließlich kontrolliert.

(2) 1Eine Begründung von Unterauftragsverhältnissen durch nichtöffentliche Stellen im Rahmen des dauerhaften rechtsverbindlichen Speicherns der elektronischen Akte ist zulässig, wenn der Auftraggeber im Einzelfall zuvor eingewilligt hat. 2Die Einwilligung darf nur erteilt werden, wenn der Zutritt und der Zugang zu den Datenverarbeitungsanlagen in dem Unterauftragsverhältnis entsprechend Absatz 1 vertraglich geregelt sind.

(3) 1Eine Pfändung von Einrichtungen, in denen eine nichtöffentliche Stelle im Auftrag einer öffentlichen Stelle Daten verarbeitet, ist unzulässig. 2Eine Beschlagnahme solcher Einrichtungen setzt voraus, dass die öffentliche Stelle im Einzelfall eingewilligt hat.

Zu § 497: Angefügt durch G vom 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208).


§ 498 StPO – Verwendung personenbezogener Daten aus elektronischen Akten

(1) Das Verarbeiten und Nutzen personenbezogener Daten aus elektronischen Akten oder elektronischen Aktenkopien ist zulässig, soweit eine Rechtsvorschrift die Verwendung personenbezogener Daten aus einem Strafverfahren erlaubt oder anordnet.

(2) Der maschinelle Abgleich personenbezogener Daten mit elektronischen Akten oder elektronischen Aktenkopien gemäß § 98c ist unzulässig, es sei denn, er erfolgt mit einzelnen, zuvor individualisierten Akten oder Aktenkopien.

Zu § 498: Angefügt durch G vom 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208).


§ 499 StPO – Löschung elektronischer Aktenkopien

Elektronische Aktenkopien sind unverzüglich zu löschen, wenn sie nicht mehr erforderlich sind.

Zu § 499: Angefügt durch G vom 5. 7. 2017 (BGBl I S. 2208).


§§ 474 - 500, Achtes Buch - Schutz und Verwendung von Daten
§ 500, Fünfter Abschnitt - Anwendbarkeit des Bundesdatenschutzgesetzes

§ 500 StPO – Entsprechende Anwendung

(1) Soweit öffentliche Stellen der Länder im Anwendungsbereich dieses Gesetzes personenbezogene Daten verarbeiten, ist Teil 3 des Bundesdatenschutzgesetzes entsprechend anzuwenden.

(2) Absatz 1 gilt

  1. 1.

    nur, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist, und

  2. 2.

    nur mit der Maßgabe, dass die Landesbeauftragte oder der Landesbeauftragte an die Stelle der oder des Bundesbeauftragten tritt.

Zu § 500: Eingefügt durch G vom 20. 11. 2019 (BGBl I S. 1724).


Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen
Landesrecht Nordrhein-Westfalen
Titel: Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen
Normgeber: Nordrhein-Westfalen
Redaktionelle Abkürzung: Verf,NW
Gliederungs-Nr.: 100
Normtyp: Gesetz

Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen

Vom 28. Juni 1950 (GV. NRW. S. 127)

Zuletzt geändert durch Gesetz vom 30. Juni 2020 (GV. NRW. S. 644)

Präambel

In Verantwortung vor Gott und den Menschen, verbunden mit allen Deutschen, erfüllt von dem Willen, die Not der Gegenwart in gemeinschaftlicher Arbeit zu überwinden, dem inneren und äußeren Frieden zu dienen, Freiheit, Gerechtigkeit und Wohlstand für alle zu schaffen, haben sich die Männer und Frauen des Landes Nordrhein-Westfalen diese Verfassung gegeben:

Redaktionelle Inhaltsübersicht Artikel
  
Erster Teil  
Von den Grundlagen des Landes 1-3
  
Zweiter Teil  
Von den Grundrechten und der Ordnung des Gemeinschaftslebens  
  
Erster Abschnitt  
Von den Grundrechten 4
  
Zweiter Abschnitt  
Die Familie 5-6
  
Dritter Abschnitt  
Schule, Kunst und Wissenschaft, Sport, Religion und Religionsgemeinschaften 7-23
  
Vierter Abschnitt  
Arbeit, Wirtschaft und Umwelt 24-29a
  
Dritter Teil  
Von den Organen und Aufgaben des Landes  
  
Erster Abschnitt  
Der Landtag 30-50
  
Zweiter Abschnitt  
Die Landesregierung 51-64
  
Dritter Abschnitt  
Die Gesetzgebung 65-71
  
Vierter Abschnitt  
Die Rechtspflege 72-74
  
Fünfter Abschnitt  
Der Verfassungsgerichtshof 75-76
  
Sechster Abschnitt  
Die Verwaltung 77-80
  
Siebter Abschnitt  
Das Finanzwesen 81-88
  
Übergangs- und Schlussbestimmungen 89-93

Art. 1 - 3, Erster Teil - Von den Grundlagen des Landes

Art. 1 Verf

(1) Nordrhein-Westfalen ist ein Gliedstaat der Bundesrepublik Deutschland und damit Teil der Europäischen Union. Das Land gliedert sich in Gemeinden und Gemeindeverbände.

(2) Die Landesfarben und das Landeswappen werden durch Gesetz bestimmt.

(3) Nordrhein-Westfalen trägt zur Verwirklichung und Entwicklung eines geeinten Europas bei, das demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen sowie dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist, die Eigenständigkeit der Regionen wahrt und deren Mitwirkung an europäischen Entscheidungen sichert. Das Land arbeitet mit anderen europäischen Regionen zusammen und unterstützt die grenzüberschreitende Kooperation.


Art. 2 Verf

Das Volk bekundet seinen Willen durch Wahl, Volksbegehren und Volksentscheid.


Art. 3 Verf

(1) Die Gesetzgebung steht dem Volk und der Volksvertretung zu.

(2) Die Verwaltung liegt in den Händen der Landesregierung, der Gemeinden und der Gemeindeverbände.

(3) Die Rechtsprechung wird durch unabhängige Richter ausgeübt.


Art. 4 - 29a, Zweiter Teil - Von den Grundrechten und der Ordnung des Gemeinschaftslebens
Art. 4, Erster Abschnitt - Von den Grundrechten

Art. 4 Verf

(1) Die im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der Fassung vom 23. Mai 1949 festgelegten Grundrechte und staatsbürgerlichen Rechte sind Bestandteil dieser Verfassung und unmittelbar geltendes Landesrecht.

(2) Jeder hat Anspruch auf Schutz seiner personenbezogenen Daten. Eingriffe sind nur in überwiegendem Interesse der Allgemeinheit auf Grund eines Gesetzes zulässig.


Art. 4 - 29a, Zweiter Teil - Von den Grundrechten und der Ordnung des Gemeinschaftslebens
Art. 5 - 6, Zweiter Abschnitt - Die Familie

Art. 5 Verf

(1) Ehe und Familie werden als die Grundlagen der menschlichen Gesellschaft anerkannt. Sie stehen unter dem besonderen Schutz des Landes. Die Mutterschaft und die kinderreiche Familie haben Anspruch auf besondere Fürsorge.

(2) Familien- und Erwerbsarbeit sind gleichwertig. Frauen und Männer sind entsprechend ihrer Entscheidung an Familien- und Erwerbsarbeit gleichberechtigt beteiligt.


Art. 6 Verf

(1) Jedes Kind hat ein Recht auf Achtung seiner Würde als eigenständige Persönlichkeit und auf besonderen Schutz von Staat und Gesellschaft.

(2) Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Entwicklung und Entfaltung ihrer Persönlichkeit, auf gewaltfreie Erziehung und den Schutz vor Gewalt, Vernachlässigung und Ausbeutung. Staat und Gesellschaft schützen sie vor Gefahren für ihr körperliches, geistiges und seelisches Wohl. Sie achten und sichern ihre Rechte, tragen für altersgerechte Lebensbedingungen Sorge und fördern sie nach ihren Anlagen und Fähigkeiten.

(3) Allen Jugendlichen ist die umfassende Möglichkeit zur Berufsausbildung und Berufsausübung zu sichern.

(4) Das Mitwirkungsrecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften sowie der Verbände der freien Wohlfahrtspflege in den Angelegenheiten der Familienförderung, der Kinder- und Jugendhilfe bleibt gewährleistet und ist zu fördern.


Art. 4 - 29a, Zweiter Teil - Von den Grundrechten und der Ordnung des Gemeinschaftslebens
Art. 7 - 23, Dritter Abschnitt - Schule, Kunst und Wissenschaft, Sport, Religion und Religionsgemeinschaften

Art. 7 Verf

(1) Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor der Würde des Menschen und Bereitschaft zum sozialen Handeln zu wecken, ist vornehmstes Ziel der Erziehung.

(2) Die Jugend soll erzogen werden im Geiste der Menschlichkeit, der Demokratie und der Freiheit, zur Duldsamkeit und zur Achtung vor der Überzeugung des anderen, zur Verantwortung für Tiere und die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen, in Liebe zu Volk und Heimat, zur Völkergemeinschaft und Friedensgesinnung.


Art. 8 Verf

(1) Jedes Kind hat Anspruch auf Erziehung und Bildung. Das natürliche Recht der Eltern, die Erziehung und Bildung ihrer Kinder zu bestimmen, bildet die Grundlage des Erziehungs- und Schulwesens. Die staatliche Gemeinschaft hat Sorge zu tragen, dass das Schulwesen den kulturellen und sozialen Bedürfnissen des Landes entspricht.

(2) Es besteht allgemeine Schulpflicht. Das Nähere regelt ein Gesetz.

(3) Land und Gemeinden haben die Pflicht, Schulen zu errichten und zu fördern. Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Landes. Die Schulaufsicht wird durch hauptamtlich tätige, fachlich vorgebildete Beamte ausgeübt.

(4) Für die Privatschulen gelten die Bestimmungen des Artikels 7 Abs. 4 und 5 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 zugleich als Bestandteil dieser Verfassung. Die hiernach genehmigten Privatschulen haben die gleichen Berechtigungen wie die entsprechenden öffentlichen Schulen. Sie haben Anspruch auf die zur Durchführung ihrer Aufgaben und zur Erfüllung ihrer Pflichten erforderlichen öffentlichen Zuschüsse.


Art. 9 Verf

(1) Schulgeld wird nicht erhoben.

(2) Einführung und Durchführung der Lehr- und Lernmittelfreiheit für alle Schulen sind gesetzlich zu regeln. Zum Zwecke des Studiums sind im Bedarfsfälle besondere Unterhaltsbeihilfen zu gewähren. Soweit der Staat für die öffentlichen Schulen Schulgeldfreiheit gewährt, sind auch die in Artikel 8 Abs. 4 genannten Privatschulen berechtigt, zu Lasten des Staates auf die Erhebung von Schulgeld zu verzichten; soweit er Lehr- und Lernmittelfreiheit gewährt, sind Lehr- und Lernmittel in gleicher Weise für diese Privatschulen zur Verfügung zu stellen wie für die öffentlichen Schulen.


Art. 10 Verf

(1) Das Schulwesen des Landes baut sich auf einer für alle Kinder verbindlichen Grundschule auf. Das Schulwesen wird durch die Mannigfaltigkeit der Lebens- und Berufsaufgaben bestimmt. Das Land gewährleistet ein ausreichendes und vielfältiges öffentliches Schulwesen, das ein gegliedertes Schulsystem, integrierte Schulformen sowie weitere andere Schulformen ermöglicht. Für die Aufnahme in eine Schule sind Anlage und Neigung des Kindes maßgebend, nicht die wirtschaftliche Lage und die gesellschaftliche Stellung der Eltern.

(2) Die Erziehungsberechtigten wirken durch Elternvertretungen an der Gestaltung des Schulwesens mit.


Art. 11 Verf

In allen Schulen ist Staatsbürgerkunde Lehrgegenstand und staatsbürgerliche Erziehung verpflichtende Aufgabe.


Art. 12 Verf

(1) Schulen müssen entsprechend ihren Bildungszielen nach Organisation und Ausstattung die Voraussetzungen eines geordneten Schulbetriebs erfüllen.

(2) Grundschulen sind Gemeinschaftsschulen, Bekenntnisschulen oder Weltanschauungsschulen. Auf Antrag der Erziehungsberechtigten sind, soweit ein geordneter Schulbetrieb gewährleistet ist, Grundschulen einzurichten.

(3) In Gemeinschaftsschulen werden Kinder auf der Grundlage christlicher Bildungs- und Kulturwerte in Offenheit für die christlichen Bekenntnisse und für andere religiöse und weltanschauliche Überzeugungen gemeinsam unterrichtet und erzogen. In Bekenntnisschulen werden Kinder des katholischen oder des evangelischen Glaubens oder einer anderen Religionsgemeinschaft nach den Grundsätzen des betreffenden Bekenntnisses unterrichtet und erzogen. In Weltanschauungsschulen, zu denen auch die bekenntnisfreien Schulen gehören, werden die Kinder nach den Grundsätzen der betreffenden Weltanschauung unterrichtet und erzogen.

(4) Das Nähere bestimmt ein Gesetz.


Art. 13 Verf

Wegen des religiösen Bekenntnisses darf im Einzelfalle keinem Kinde die Aufnahme in einer öffentliche Schule verweigert werden, falls keine entsprechende Schule vorhanden ist.


Art. 14 Verf

(1) Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach an allen Schulen, mit Ausnahme der Weltanschauungsschulen (bekenntnisfreien Schulen). Für die religiöse Unterweisung bedarf der Lehrer der Bevollmächtigung durch die Kirche oder durch die Religionsgemeinschaft. Kein Lehrer darf gezwungen werden, Religionsunterricht zu erteilen.

(2) Lehrpläne und Lehrbücher für den Religionsunterricht sind im Einvernehmen mit der Kirche oder Religionsgemeinschaft zu bestimmen.

(3) Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes haben die Kirchen oder die Religionsgemeinschaften das Recht, nach einem mit der Unterrichtsverwaltung vereinbarten Verfahren sich durch Einsichtnahme zu vergewissern, dass der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit ihren Lehren und Anforderungen erteilt wird.

(4) Die Befreiung vom Religionsunterricht ist abhängig von einer schriftlichen Willenserklärung der Erziehungsberechtigten oder des religionsmündigen Schülers.


Art. 15 Verf

Die Ausbildung der Lehrer erfolgt in der Regel an wissenschaftlichen Hochschulen. Sie berücksichtigt die Bedürfnisse der Schulen; es ist ein Lehrangebot zu gewährleisten, das diesem Erfordernis gerecht wird. Es ist sicherzustellen, dass die Befähigung zur Erteilung des Religionsunterrichts erworben werden kann.


Art. 17 Verf

Die Erwachsenenbildung ist zu fördern. Als Träger von Einrichtungen der Erwachsenenbildung werden neben Staat, Gemeinden und Gemeindeverbänden auch andere Träger, wie die Kirchen und freien Vereinigungen, anerkannt.


Art. 18 Verf

(1) Kultur, Kunst und Wissenschaft sind durch Land und Gemeinden zu pflegen und zu fördern.

(2) Die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Kultur, die Landschaft und Naturdenkmale stehen unter dem Schutz des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände.

(3) Sport ist durch Land und Gemeinden zu pflegen und zu fördern.


Art. 19 Verf

(1) Die Freiheit der Vereinigung zu Kirchen oder Religionsgemeinschaften wird gewährleistet. Der Zusammenschluss von Kirchen oder Religionsgemeinschaften innerhalb des Landes unterliegt keinen Beschränkungen.

(2) Die Kirchen und die Religionsgemeinschaften ordnen und verwalten ihre Angelegenheiten selbstständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie haben das Recht, ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates und der politischen Gemeinden zu verleihen oder zu entziehen.


Art. 20 Verf

Die Kirchen und die Religionsgemeinschaften haben das Recht in Erziehungs-, Kranken-, Straf- und ähnlichen öffentlichen Anstalten gottesdienstliche Handlungen vorzunehmen und eine geordnete Seelsorge auszuüben, wobei jeder Zwang fern zu halten ist.


Art. 21 Verf

Die den Kirchen oder den Religionsgemeinschaften gemäß Gesetz, Vertrag oder anderen Rechtstiteln zustehenden Leistungen des Staates, der politischen Gemeinden oder Gemeindeverbände können nur durch Vereinbarungen abgelöst werden; soweit solche Vereinbarungen das Land betreffen, bedürfen sie der Bestätigung durch Landesgesetz.


Art. 22 Verf

Im Übrigen gilt für die Ordnung zwischen Land und Kirchen oder Religionsgemeinschaften Artikel 140 des Bonner Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 als Bestandteil dieser Verfassung und unmittelbar geltendes Landesrecht.


Art. 23 Verf

(1) Die Bestimmungen der Verträge mit der Katholischen Kirche und der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union, die im früheren Freistaat Preußen Geltung hatten, werden für die Gebiete des Landes Nordrhein-Westfalen, die zum ehemaligen Preußen gehörten, als geltendes Recht anerkannt.

(2) Zur Änderung dieser Kirchenverträge und zum Abschluss neuer Verträge ist außer der Zustimmung der Vertragspartner ein Landesgesetz erforderlich.


Art. 4 - 29a, Zweiter Teil - Von den Grundrechten und der Ordnung des Gemeinschaftslebens
Art. 24 - 29a, Vierter Abschnitt - Arbeit, Wirtschaft und Umwelt

Art. 24 Verf

(1) Im Mittelpunkt des Wirtschaftslebens steht das Wohl des Menschen. Der Schutz seiner Arbeitskraft hat den Vorrang vor dem Schutz materiellen Besitzes. Jedermann hat ein Recht auf Arbeit.

(2) Der Lohn muss der Leistung entsprechen und den angemessenen Lebensbedarf des Arbeitenden und seiner Familie decken. Für gleiche Tätigkeit und gleiche Leistung besteht Anspruch auf gleichen Lohn. Das gilt auch für Frauen und Jugendliche.

(3) Das Recht auf einen ausreichenden, bezahlten Urlaub ist gesetzlich festzulegen.


Art. 25 Verf

(1) Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage werden als Tage der Gottesverehrung, der seelischen Erhebung, der körperlichen Erholung und der Arbeitsruhe anerkannt und gesetzlich geschützt.

(2) Der 1. Mai als Tag des Bekenntnisses zu Freiheit und Frieden, sozialer Gerechtigkeit, Völkerversöhnung und Menschenwürde ist gesetzlicher Feiertag.


Art. 26 Verf

Entsprechend der gemeinsamen Verantwortung und Leistung der Unternehmer und Arbeitnehmer für die Wirtschaft wird das Recht der Arbeitnehmer auf gleichberechtigte Mitbestimmung bei der Gestaltung der wirtschaftlichen und sozialen Ordnung anerkannt und gewährleistet.


Art. 27 Verf

(1) Großbetriebe der Grundstoffindustrie und Unternehmen, die wegen ihrer monopolartigen Stellung besondere Bedeutung haben, sollen in Gemeineigentum überführt werden.

(2) Zusammenschlüsse, die ihre wirtschaftliche Macht missbrauchen, sind zu verbieten.


Art. 28 Verf

Die Klein- und Mittelbetriebe in Landwirtschaft, Handwerk, Handel und Gewerbe und die freien Berufe sind zu fördern. Die genossenschaftliche Selbsthilfe ist zu unterstützen.


Art. 29 Verf

(1) Die Verbindung weiter Volksschichten mit dem Grund und Boden ist anzustreben.

(2) Das Land hat die Aufgabe, nach Maßgabe der Gesetze neue Wohn- und Wirtschaftsheimstätten zu schaffen und den klein- und mittelbäuerlichen Besitz zu stärken.

(3) Die Kleinsiedlung und das Kleingartenwesen sind zu fördern.


Art. 29a Verf

(1) Die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere stehen unter dem Schutz des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände.

(2) Die notwendigen Bindungen und Pflichten bestimmen sich unter Ausgleich der betroffenen öffentlichen und privaten Belange. Das Nähere regelt das Gesetz.


Art. 30 - 88, Dritter Teil - Von den Organen und Aufgaben des Landes
Art. 30 - 50, Erster Abschnitt - Der Landtag

Art. 30 Verf

(1) Der Landtag besteht aus den vom Volke gewählten Abgeordneten. Zu seinen Aufgaben gehören die Wahl des/der Ministerpräsidenten/in, die Verabschiedung der Gesetze und die Kontrolle des Handelns der Landesregierung; er bildet ein öffentliches Forum für die politische Willensbildung.

(2) Die Abgeordneten stimmen nach ihrer freien, nur durch die Rücksicht auf das Wohl des Landes Nordrhein-Westfalen bestimmten Überzeugung; sie sind an Aufträge nicht gebunden.

(3) Die Abgeordneten haben im Landtag insbesondere das Recht, das Wort zu ergreifen, Fragen und Anträge zu stellen sowie an Wahlen und Abstimmungen teilzunehmen. Das Nähere regelt die Geschäftsordnung.

(4) Der Landtag bildet Ausschüsse, insbesondere zur Vorbereitung seiner Beschlüsse. Die Zusammensetzung der Ausschüsse sowie die Regelung des Vorsitzes in den Ausschüssen ist im Verhältnis der Stärke der einzelnen Fraktionen vorzunehmen. Jeder Abgeordnete hat das Recht auf Mitwirkung in einem Ausschuss.

(5) Abgeordnete können sich zu Fraktionen zusammenschließen. Die Fraktionen wirken mit eigenen Rechten und Pflichten an der Erfüllung der Aufgaben des Landtags mit. Zu ihren Aufgaben gehören die Koordination der parlamentarischen Tätigkeit und die Information der Öffentlichkeit. Ihre innere Ordnung muss demokratischen Grundsätzen entsprechen. Zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben ist den Fraktionen eine angemessene Ausstattung zu gewährleisten. Das Nähere regelt die Geschäftsordnung des Landtags oder ein Gesetz.


Art. 31 Verf

(1) Die Abgeordneten werden in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer, geheimer und freier Wahl gewählt.

(2) Wahlberechtigt ist, wer das 18. Lebensjahr vollendet hat. Wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.

(3) Die Wahl findet an einem Sonntag oder einem gesetzlichen Feiertag statt.

(4) Das Nähere wird durch Gesetz geregelt.


Art. 32 Verf

(1) Vereinigungen und Personen, die es unternehmen, die staatsbürgerlichen Freiheiten zu unterdrücken oder gegen Volk, Land oder Verfassung Gewalt anzuwenden, dürfen sich an Wahlen und Abstimmungen nicht beteiligen.

(2) Die Entscheidung darüber, ob diese Voraussetzungen vorliegen, trifft auf Antrag der Landesregierung oder von mindestens fünfzig Abgeordneten des Landtags der Verfassungsgerichtshof.


Art. 33 Verf

(1) Die Wahlprüfung ist Sache des Landtags.

(2) Ihm obliegt auch die Feststellung, ob ein Abgeordneter des Landtags die Mitgliedschaft verloren hat.

(3) Die Entscheidung kann durch Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof angefochten werden.

(4) Das Nähere wird durch Gesetz geregelt.


Art. 34 Verf

Der Landtag wird auf fünf Jahre gewählt. Die Neuwahl findet im letzten Vierteljahr der Wahlperiode statt. Die Wahlperiode endet, auch im Fall einer Auflösung des Landtags, mit dem Zusammentritt des neuen Landtags.


Art. 35 Verf

(1) Der Landtag kann sich durch Beschluss auflösen. Hierzu bedarf es der Zustimmung der Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl.

(2) Nach der Auflösung des Landtages muss die Neuwahl binnen neunzig Tagen stattfinden.


Art. 36 Verf

Die Wahlperiode des neuen Landtags beginnt mit seinem ersten Zusammentritt.


Art. 37 Verf

(1) Der Landtag tritt spätestens am zwanzigsten Tag nach der Wahl zusammen. Der neugewählte Landtag wird zu seiner ersten Sitzung vom bisherigen Präsidenten einberufen.

(2) Nach dem Zusammentritt eines neuen Landtags führt das an Jahren älteste oder, wenn es ablehnt oder verhindert ist, das jeweils nächstälteste Mitglied des Landtags den Vorsitz, bis der neugewählte Präsident oder einer seiner Stellvertreter das Amt übernimmt.


Art. 38 Verf

(1) Der Landtag wählt den Präsidenten, dessen Stellvertreter und die übrigen Mitglieder des Präsidiums. Er gibt sich seine Geschäftsordnung.

(2) Bis zur Wahl des neuen Präsidiums führt das bisherige Präsidium die Geschäfte weiter.

(3) Der Landtag wird jeweils durch den Präsidenten einberufen.

(4) Auf Antrag der Landesregierung oder eines Viertels seiner Mitglieder muss der Landtag unverzüglich einberufen werden.


Art. 39 Verf

(1) In Rechtsgeschäften und Rechtsstreitigkeiten der Landtagsverwaltung vertritt der Präsident das Land. Er verfügt über die Einnahmen und Ausgaben der Landtagsverwaltung nach Maßgabe des Haushalts.

(2) Dem Präsidenten steht die Annahme und Entlassung der Angestellten und Arbeiter sowie im Benehmen mit dem Präsidium die Ernennung der Beamten des Landtags zu. Er hat die Dienstaufsicht und Dienststrafgewalt über die Beamten, Angestellten und Arbeiter des Landtags. Er übt das Hausrecht und die Polizeigewalt im Landtagsgebäude aus.

(3) Im übrigen werden die Rechte und Pflichten des Präsidenten durch die Geschäftsordnung bestimmt.


Art. 40 Verf

(1) Die Landesregierung unterrichtet den Landtag frühzeitig und umfassend über die Vorbereitung von Landesgesetzen, Staatsverträgen, Verwaltungsabkommen und Angelegenheiten der Landesplanung sowie über Angelegenheiten des Bundes und der Europäischen Union, soweit sie an ihnen mitwirkt. Das Nähere regelt eine Vereinbarung zwischen Landtag und Landesregierung.

(2) In Angelegenheiten der Europäischen Union, die im Schwerpunkt Gesetzgebungsrechte des Landtags betreffen, berücksichtigt die Landesregierung die Stellungnahme des Landtags bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben. Weicht die Landesregierung in ihrem Stimmverhalten im Bundesrat von einer Stellungnahme des Landtags ab, so hat sie ihre Entscheidung gegenüber dem Landtag zu begründen.


Art. 41 Verf

(1) Der Landtag hat das Recht und auf Antrag von einem Fünftel der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder die Pflicht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Diese Ausschüsse erheben in öffentlicher Verhandlung die Beweise, die sie oder die Antragsteller für erforderlich erachten. Sie können mit Zweidrittelmehrheit die Öffentlichkeit ausschließen. Die Zahl der Mitglieder bestimmt der Landtag. Die Mitglieder wählt der Landtag im Wege der Verhältniswahl. Das Nähere über die Einsetzung, die Befugnisse und das Verfahren wird durch Gesetz geregelt.

(2) Die Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet. Sie sind insbesondere verpflichtet, dem Ersuchen dieser Ausschüsse um Beweiserhebungen nachzukommen. Die Akten der Behörden und öffentlichen Körperschaften sind ihnen auf Verlangen vorzulegen.

(3) Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bleiben unberührt.

(4) Die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen Erörterung entzogen. In der Feststellung und in der rechtlichen Beurteilung des der Untersuchung zu Grunde liegenden Sachverhalts sind die Gerichte frei.


Art. 41a Verf

(1) Zur Vorbereitung der Beschlüsse über Petitionen gemäß Artikel 17 des Grundgesetzes sind die Landesregierungen und die Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie Behörden und sonstige Verwaltungseinrichtungen, soweit sie unter der Aufsicht des Landes stehen, verpflichtet, dem Petitionsausschuss des Landtags auf sein Verlangen jederzeit Eintritt zu ihren Einrichtungen zu gestatten.

(2) Die in Absatz 1 genannten Stellen sind verpflichtet, dem Petitionsausschuss auf sein Verlangen alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen und Akten zugängig zu machen. Der Petitionsausschuss ist berechtigt, den Petenten und beteiligte Personen anzuhören. Nach näherer Bestimmung der Geschäftsordnung kann der Petitionsausschuss Beweise durch Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen erheben. Die Vorschriften der Strafprozessordnung finden sinngemäß Anwendung. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt.

(3) Nach Maßgabe der Geschäftsordnung kann der Petitionsausschuss die ihm gemäß Absatz 1 und 2 zustehenden Befugnisse mit Ausnahme der eidlichen Vernehmung auf einzelne Mitglieder des Ausschusses übertragen; auf Antrag des Petitionsausschusses beauftragt der Präsident des Landtags Beamte der Landtagsverwaltung mit der Wahrnehmung dieser Befugnisse. Artikel 45 Abs. 1 und 2 findet sinngemäß Anwendung.


Art. 42 Verf

Die Sitzungen des Landtags sind öffentlich. Auf Antrag der Landesregierung oder von zehn Abgeordneten kann der Landtag mit Zweidrittelmehrheit der Anwesenden die Öffentlichkeit für einzelne Gegenstände der Tagesordnung ausschließen. Über den Antrag wird in geheimer Sitzung verhandelt.


Art. 43 Verf

Wegen wahrheitsgetreuer Berichte über öffentliche Sitzungen des Landtags und seiner Ausschüsse kann niemand zur Verantwortung gezogen werden.


Art. 44 Verf

(1) Der Landtag ist beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte der gesetzlichen Mitgliederzahl anwesend ist.

(2) Der Landtag fasst seine Beschlüsse mit Stimmenmehrheit.


Art. 45 Verf

(1) Die Mitglieder der Landesregierung und die von ihnen Beauftragten können den Sitzungen des Landtags und seiner Ausschüsse beiwohnen. Die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung obliegt dem Vorsitzenden. Den Mitgliedern der Landesregierung ist jederzeit, auch außerhalb der Tagesordnung, das Wort zu erteilen.

(2) Der Landtag und seine Ausschüsse können die Anwesenheit jedes Mitgliedes der Landesregierung verlangen.

(3) Die Vorschrift des Absatzes 1, Satz 1 und 3 gilt nicht für die Sitzungen der Untersuchungsausschüsse.


Art. 46 Verf

(1) Abgeordnete dürfen an der Übernahme und Ausübung ihres Mandats nicht gehindert oder hierdurch in ihrem Amt oder Arbeitsverhältnis benachteiligt werden. Insbesondere ist unzulässig, sie aus diesem Grunde zu entlassen oder ihnen zu kündigen.

(2) Beamte, Angestellte und Arbeiter bedürfen zu der mit den Obliegenheiten ihres Mandats als Mitglieder des Landtags verbundenen Tätigkeit keines Urlaubs. Bewerben sie sich um einen Sitz im Landtag, so ist ihnen der zur Vorbereitung ihrer Wahl erforderliche Urlaub zu gewähren.

(3) Die Wählbarkeit von Beamten, Angestellten des öffentlichen Dienstes und Richtern im Lande Nordrhein-Westfalen kann gesetzlich beschränkt werden.

(4) gestrichen


Art. 47 Verf

Kein Abgeordneter darf zu irgendeiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen Äußerungen in Ausübung seines Mandats gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb der Versammlung zur Verantwortung gezogen werden. Dies gilt nicht für verleumderische Beleidigungen.


Art. 48 Verf

(1) Kein Abgeordneter kann ohne Genehmigung des Landtags während der Wahlperiode wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung zur Untersuchung gezogen, festgenommen oder verhaftet werden, es sei denn, dass er bei der Ausübung der Tat oder spätestens im Laufe des nächstfolgenden Tages ergriffen wird oder ein Fall der Ehrverletzung nach Artikel 47 vorliegt.

(2) Die gleiche Genehmigung ist bei jeder anderen Beschränkung der persönlichen Freiheit erforderlich, die die Ausübung des Abgeordnetenmandats beeinträchtigt.

(3) Jedes Strafverfahren gegen einen Abgeordneten und jede Haft oder sonstige Beschränkung seiner persönlichen Freiheit wird auf Verlangen des Landtags entweder für die gesamte Dauer oder bestimmte Zeitabschnitte der Wahlperiode ausgesetzt.


Art. 49 Verf

(1) Die Abgeordneten sind berechtigt, über Personen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete oder denen sie in dieser Eigenschaft Tatsachen anvertraut haben sowie über diese Tatsachen selbst das Zeugnis zu verweigern. Soweit dieses Zeugnisverweigerungsrecht reicht, ist die Beschlagnahme von Schriftstücken unzulässig.

(2) Eine Durchsuchung oder Beschlagnahme darf in den Räumen des Landtags nur mit Genehmigung des Präsidenten vorgenommen werden.


Art. 50 Verf

Die Mitglieder des Landtags haben Anspruch auf angemessene Bezüge nach Maßgabe eines Gesetzes. Sie erhalten das Recht zur freien Fahrt auf allen Eisenbahnen und sonstigen Beförderungsmitteln der Deutschen Bahn im Lande Nordrhein-Westfalen. Ein Verzicht auf diese Rechte ist unzulässig.


Art. 30 - 88, Dritter Teil - Von den Organen und Aufgaben des Landes
Art. 51 - 64, Zweiter Abschnitt - Die Landesregierung

Art. 51 Verf

Die Landesregierung besteht aus dem Ministerpräsidenten und den Landesministern.


Art. 52 Verf

(1) Der Landtag wählt aus seiner Mitte in geheimer Wahl ohne Aussprache den Ministerpräsidenten mit mehr als der Hälfte der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder.

(2) Kommt eine Wahl gemäß Absatz 1 nicht zu Stande, so findet innerhalb von 14 Tagen ein zweiter, gegebenenfalls ein dritter Wahlgang statt, in dem der gewählt ist, der mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen erhält. Ergibt sich keine solche Mehrheit, so findet eine Stichwahl zwischen den beiden Vorgeschlagenen statt, die die höchste Stimmenzahl erhalten haben.

(3) Der Ministerpräsident ernennt und entlässt die Minister. Er beauftragt ein Mitglied der Landesregierung mit seiner Vertretung und zeigt seine Entscheidungen unverzüglich dem Landtag an.


Art. 53 Verf

Die Mitglieder der Landesregierung leisten beim Amtsantritt vor dem Landtag folgenden Amtseid: "Ich schwöre, dass ich meine ganze Kraft dem Wohle des Landes Nordrhein-Westfalen widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das mir übertragene Amt nach bestem Wissen und Können unparteiisch verwalten, Verfassung und Gesetz wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe." Der Eid kann auch ohne religiöse Beteuerung geleistet werden.


Art. 54 Verf

(1) Der Ministerpräsident führt den Vorsitz in der Landesregierung. Bei Stimmengleichheit entscheidet seine Stimme.

(2) Er leitet die Geschäfte nach einer von der Landesregierung beschlossenen Geschäftsordnung.


Art. 55 Verf

(1) Der Ministerpräsident bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung.

(2) Innerhalb dieser Richtlinien leitet jeder Minister seinen Geschäftsbereich selbstständig und unter eigener Verantwortung.

(3) Bei Meinungsverschiedenheiten über Fragen, die den Geschäftsbereich mehrerer Mitglieder der Landesregierung berühren, entscheidet die Landesregierung.


Art. 56 Verf

(1) Die Landesregierung beschließt über Gesetzesvorlagen, die beim Landtag einzubringen sind.

(2) Die Landesregierung erlässt die zur Ausführung eines Gesetzes erforderlichen Verwaltungsverordnungen, soweit das Gesetz diese Aufgabe nicht einzelnen Ministern zuweist.


Art. 57 Verf

Die Landesregierung vertritt das Land Nordrhein-Westfalen nach außen. Sie kann diese Befugnis auf den Ministerpräsidenten, auf ein anderes Mitglied der Landesregierung oder auf nachgeordnete Stellen übertragen.


Art. 58 Verf

Die Landesregierung ernennt die Landesbeamten. Sie kann die Befugnis auf andere Stellen übertragen.


Art. 59 Verf

(1) Der Ministerpräsident übt das Recht der Begnadigung aus. Er kann die Befugnis auf andere Stellen übertragen. Zu Gunsten eines Mitgliedes der Landesregierung wird das Recht der Begnadigung durch den Landtag ausgeübt.

(2) Allgemeine Straferlasse und die Niederschlagung einer bestimmten Art anhängiger Strafsachen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes ausgesprochen werden.


Art. 60 Verf

(1) Ist der Landtag durch höhere Gewalt daran gehindert, sich frei zu versammeln, und wird dies durch einen mit Mehrheit gefassten Beschluss des Landtagspräsidenten und seiner Stellvertreter festgestellt, so kann die Landesregierung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung oder zur Beseitigung eines Notstandes Verordnungen mit Gesetzeskraft, die der Verfassung nicht widersprechen, erlassen.

(2) Diese Verordnungen bedürfen der Zustimmung eines in der Geschäftsordnung zu bestimmenden Ausschusses, es sei denn, dass auch dieser nach einer entsprechend Absatz 1 zu treffenden Feststellung am Zusammentritt verhindert ist.

(3) Verordnungen ohne Beteiligung des in der Geschäftsordnung zu bestimmenden Ausschusses sind nur mit Gegenzeichnung des Landtagspräsidenten rechtswirksam. Die Gegenzeichnung erfolgt oder gilt als erfolgt, sofern der Landtagspräsident und seine Stellvertreter dies mit Mehrheit beschließen.

(4) Die Feststellung des Landtagspräsidenten und seiner Stellvertreter ist jeweils nur für einen Monat wirksam und, wenn die Voraussetzungen des Notstandes fortdauern, zu wiederholen.

(5) Die Verordnungen sind dem Landtage bei seinem nächsten Zusammentritt zur Genehmigung vorzulegen. Wird die Genehmigung versagt, so sind die Verordnungen durch Bekanntmachung im Gesetz- und Verordnungsblatt unverzüglich außer Kraft zu setzen.


Art. 61 Verf

(1) Der Landtag kann dem Ministerpräsidenten das Misstrauen nur dadurch aussprechen, dass er mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen einen Nachfolger wählt.

(2) Zwischen dem Antrag auf Abberufung und der Wahl müssen mindestens achtundvierzig Stunden liegen.


Art. 62 Verf

(1) Der Ministerpräsident und die Minister können jederzeit zurücktreten.

(2) Das Amt des Ministerpräsidenten und der Minister endet in jedem Falle mit dem Zusammentritt eines neuen Landtags, das Amt eines Ministers auch mit jeder anderen Erledigung des Amtes des Ministerpräsidenten.

(3) Im Falle des Rücktritts oder einer sonstigen Beendigung des Amtes haben die Mitglieder der Landesregierung bis zur Amtsübernahme des Nachfolgers ihr Amt weiterzuführen.


Art. 63 Verf

(weggefallen)


Art. 64 Verf

(1) Besoldung, Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung der Mitglieder der Landesregierung werden durch Gesetz geregelt.

(2) Mit dem Amte eines Mitgliedes der Landesregierung ist die Ausübung eines anderen öffentlichen Amtes oder einer anderen Berufstätigkeit in der Regel unvereinbar. Die Landesregierung kann Mitgliedern der Landesregierung die Beibehaltung ihrer Berufstätigkeit gestatten.

(3) Die Wahl in den Vorstand, Verwaltungsrat oder Aufsichtsrat industrieller oder ähnlicher den Gelderwerb bezweckender Unternehmungen dürfen Mitglieder der Landesregierung nur mit besonderer Genehmigung des Hauptausschusses annehmen. Der Genehmigung durch die Landesregierung bedarf es, wenn sie nach ihrem Eintritt in die Landesregierung in dem Vorstand, Verwaltungsrat oder Aufsichtsrat einer der erwähnten Unternehmungen tätig bleiben wollen. Die erteilte Genehmigung ist dem Landtagspräsidenten anzuzeigen.

(4) Ein Mitglied der Landesregierung kann nicht gleichzeitig Mitglied des Bundestags oder der Bundesregierung sein.


Art. 30 - 88, Dritter Teil - Von den Organen und Aufgaben des Landes
Art. 65 - 71, Dritter Abschnitt - Die Gesetzgebung

Art. 65 Verf

Gesetzentwürfe werden von der Landesregierung oder aus der Mitte des Landtags eingebracht.


Art. 66 Verf

Die Gesetze werden vom Landtag beschlossen. Staatsverträge bedürfen der Zustimmung des Landtags.


Art. 67 Verf

(1) Volksinitiativen können darauf gerichtet sein, den Landtag im Rahmen seiner Entscheidungszuständigkeit mit bestimmten Gegenständen der politischen Willensbildung zu befassen. Einer Initiative kann auch ein mit Gründen versehener Gesetzentwurf zu Grunde liegen.

(2) Volksinitiativen müssen von mindestens 0,5 vom Hundert der Stimmberechtigten unterzeichnet sein. Artikel 31 Absatz 1 und Absatz 2 Satz 1 über das Wahlrecht findet auf das Stimmrecht entsprechende Anwendung.

(3) Das Nähere wird durch Gesetz geregelt.


Art. 67a Verf

(weggefallen)


Art. 68 Verf

(1) Volksbegehren können darauf gerichtet werden, Gesetze zu erlassen, zu ändern oder aufzuheben. Dem Volksbegehren muss ein ausgearbeiteter und mit Gründen versehener Gesetzentwurf zu Grunde liegen. Ein Volksbegehren ist nur auf Gebieten zulässig, die der Gesetzgebungsgewalt des Landes unterliegen. Über Finanzfragen, Abgabengesetze und Besoldungsordnungen ist ein Volksbegehren nicht zulässig. Über die Zulässigkeit entscheidet die Landesregierung. Gegen die Entscheidung ist die Anrufung des Verfassungsgerichtshofes zulässig. Das Volksbegehren ist nur rechtswirksam, wenn es von mindestens 8 vom Hundert der Stimmberechtigten gestellt ist.

(2) Das Volksbegehren ist von der Landesregierung unter Darlegung ihres Standpunktes unverzüglich dem Landtag zu unterbreiten. Entspricht der Landtag dem Volksbegehren nicht, so ist binnen zehn Wochen ein Volksentscheid herbeizuführen. Entspricht der Landtag dem Volksbegehren, so unterbleibt der Volksentscheid.

(3) Die Abstimmung kann nur bejahend oder verneinend sein. Es entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, sofern diese Mehrheit mindestens 15 vom Hundert der Stimmberechtigten beträgt.

(4) Die Vorschriften des Artikels 31 Abs. 1 bis 3 über das Wahlrecht und Wahlverfahren finden auf das Stimmrecht und das Abstimmungsverfahren entsprechende Anwendung. Das Nähere wird durch Gesetz geregelt.


Art. 69 Verf

(1) Die Verfassung kann nur durch ein Gesetz geändert werden, das den Wortlaut der Verfassung ausdrücklich ändert oder ergänzt. Änderungen der Verfassung, die den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland widersprechen, sind unzulässig.

(2) Für eine Verfassungsänderung bedarf es der Zustimmung einer Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Mitgliederzahl des Landtags.

(3) Kommt die Mehrheit gemäß Absatz 2 nicht zustande, so kann sowohl der Landtag als auch die Regierung die Zustimmung zu der begehrten Änderung der Verfassung durch Volksentscheid einholen.

Die Verfassung kann auch durch Volksentscheid auf Grund eines Volksbegehrens nach Artikel 68 geändert werden. Das Gesetz ist angenommen, wenn mindestens die Hälfte der Stimmberechtigten sich an dem Volksentscheid beteiligt und mindestens zwei Drittel der Abstimmenden dem Gesetzentwurf zustimmen.


Art. 70 Verf

Die Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung kann nur durch Gesetz erteilt werden. Das Gesetz muss Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmen. In der Verordnung ist die Rechtsgrundlage anzugeben. Ist durch Gesetz vorgesehen, dass eine Ermächtigung weiterübertragen werden kann, so bedarf es zu ihrer Übertragung einer Rechtsverordnung.


Art. 71 Verf

(1) Die Gesetze werden von der Landesregierung unverzüglich ausgefertigt und im Gesetz- und Verordnungsblatt verkündet. Sie werden vom Ministerpräsidenten und den beteiligten Ministern unterzeichnet.

(2) Rechtsverordnungen werden von der Stelle, die sie erlässt, ausgefertigt und im Gesetz- und Verordnungsblatt verkündet.

(3) Gesetze und Rechtsverordnungen treten, wenn nichts anderes bestimmt ist, mit dem vierzehnten Tage nach Ausgabe der die Verkündung enthaltenden Nummer des Gesetz- und Verordnungsblattes in Kraft.


Art. 30 - 88, Dritter Teil - Von den Organen und Aufgaben des Landes
Art. 72 - 74, Vierter Abschnitt - Die Rechtspflege

Art. 72 Verf

(1) Die Gerichte urteilen im Namen des Deutschen Volkes.

(2) An der Rechtsprechung sind Männer und Frauen aus dem Volke nach Maßgabe der Gesetze zu beteiligen.


Art. 73 Verf

Wenn ein Richter im Amte oder außerhalb des Amtes gegen die Grundsätze des Grundgesetzes oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung des Landes verstößt, so kann das Bundesverfassungsgericht mit Zweidrittelmehrheit auf Antrag der Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl des Landtags anordnen, dass der Richter in ein anderes Amt oder in den Ruhestand zu versetzen ist. Im Falle eines vorsätzlichen Verstoßes kann auf Entlassung erkannt werden.


Art. 74 Verf

(1) Gegen die Anordnungen, Verfügungen und Unterlassungen der Verwaltungsbehörden kann der Betroffene die Entscheidung der Verwaltungsgerichte anrufen. Die Verwaltungsgerichte haben zu prüfen, ob die beanstandete Maßnahme dem Gesetz entspricht und die Grenze des pflichtgemäßen Ermessens nicht überschreitet.

(2) Die Verwaltungsgerichtsbarkeit wird durch selbstständige Gerichte in mindestens zwei Stufen ausgeübt.


Art. 30 - 88, Dritter Teil - Von den Organen und Aufgaben des Landes
Art. 75 - 76, Fünfter Abschnitt - Der Verfassungsgerichtshof

Art. 75 Verf

Der Verfassungsgerichtshof entscheidet:

  1. 1.

    in den Fallen der Artikel 32 und 33 ,

  2. 2.

    über die Auslegung der Verfassung aus Anlass von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Landesorgans oder anderer Beteiligter, die durch diese Verfassung oder in der Geschäftsordnung eines obersten Landesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind,

  3. 3.

    bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die Vereinbarkeit von Landesrecht mit dieser Verfassung auf Antrag der Landesregierung oder eines Drittels der Mitglieder des Landtags,

  4. 4.

    über Beschwerden von Vereinigungen gegen ihre Nichtanerkennung als Partei für die Wahl zum Landtag,

  5. 5a.

    über Verfassungsbeschwerden, die von jedermann mit der Behauptung erhoben werden können, durch die öfientliche Gewalt des Landes in einem seiner in dieser Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen enthaltenen Rechte verletzt zu sein,

  6. 5b.

    über Verfassungsbeschwerden von Gemeinden und Gemeindeverbänden, die mit der Behauptung erhoben werden können, dass Landesrecht die Vorschriften dieser Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen über das Recht auf Selbstverwaltung verletze,

  7. 6.

    in sonstigen durch Gesetz zugewiesenen Fällen.


Art. 76 Verf

(1) Der Verfassungsgerichtshof setzt sich zusammen aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und aus fünf weiteren Mitgliedern. Die Mitglieder werden durch sieben stellvertretende Mitglieder persönlich vertreten.

(2) Die Mitglieder und ihre Stellvertreter werden vom Landtag ohne Aussprache mit Zweidrittelmehrheit auf die Dauer von zehn Jahren gewählt. Wiederwahl ist ausgeschlossen. Sie müssen die Befähigung zum Richteramt haben. Drei Mitglieder und ihre Stellvertreter müssen Berufsrichter sein.

(3) Das Nähere bestimmt das Gesetz.


Art. 30 - 88, Dritter Teil - Von den Organen und Aufgaben des Landes
Art. 77 - 80, Sechster Abschnitt - Die Verwaltung

Art. 77 Verf

Die Organisation der allgemeinen Landesverwaltung und die Regelung der Zuständigkeiten erfolgt durch Gesetz. Die Einrichtung der Behörden im Einzelnen obliegt der Landesregierung und auf Grund der von ihr erteilten Ermächtigung den einzelnen Landesministern.


Art. 77a Verf

(1) Der Landtag wählt auf Vorschlag der Landesregierung einen Landesbeauftragten für den Datenschutz mit mehr als der Hälfte der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder; Artikel 58 bleibt im Übrigen unberührt.

(2) Der Landesbeauftragte für den Datenschutz ist in Ausübung seines Amtes unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Er kann sich jederzeit an den Landtag wenden.

(3) Das Nähere wird durch Gesetz geregelt.


Art. 78 Verf

(1) Die Gemeinden und Gemeindeverbände sind Gebietskörperschaften mit dem Recht der Selbstverwaltung durch ihre gewählten Organe. Die Räte in den Gemeinden, die Bezirksvertretungen, die Kreistage und die Verbandsversammlung des Regionalverbandes Ruhr werden in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer, geheimer und freier Wahl gewählt. Wahlvorschläge, nach deren Ergebnis sich die Sitzanteile in den Räten der Gemeinden, den Bezirksvertretungen, den Kreistagen und der Verbandsversammlung des Regionalverbandes Ruhr bestimmen, werden nur berücksichtigt, wenn sie mindestens 2,5 vom Hundert der insgesamt abgegebenen gültigen Stimmen erhalten haben. Das Gesetz bestimmt das Nähere.

(2) Die Gemeinden und Gemeindeverbände sind in ihrem Gebiet die alleinigen Träger der öffentlichen Verwaltung, soweit die Gesetze nichts anderes vorschreiben.

(3) Das Land kann die Gemeinden oder Gemeindeverbände durch Gesetz oder Rechtsverordnung zur Übernahme und Durchführung bestimmter öffentlicher Aufgaben verpflichten, wenn dabei gleichzeitig Bestimmungen über die Deckung der Kosten getroffen werden. Führt die Übertragung neuer oder die Veränderung bestehender und übertragbarer Aufgaben zu einer wesentlichen Belastung der davon betroffenen Gemeinden oder Gemeindeverbände, ist dafür durch Gesetz oder Rechtsverordnung aufgrund einer Kostenfolgeabschätzung ein entsprechender finanzieller Ausgleich für die entstehenden notwendigen, durchschnittlichen Aufwendungen zu schaffen. Der Aufwendungsersatz soll pauschaliert geleistet werden. Wird nachträglich eine wesentliche Abweichung von der Kostenfolgeabschätzung festgestellt, wird der finanzielle Ausgleich für die Zukunft angepasst. Das Nähere zu den Sätzen 2 bis 4 regelt ein Gesetz; darin sind die Grundsätze der Kostenfolgeabschätzung festzulegen und Bestimmungen über eine Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände zu treffen.

(4) Das Land überwacht die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung der Gemeinden und Gemeindeverbände. Das Land kann sich bei Pflichtaufgaben ein Weisungs- und Aufsichtsrecht nach näherer gesetzlicher Vorschrift vorbehalten.


Art. 79 Verf

Die Gemeinden haben zur Erfüllung ihrer Aufgaben das Recht auf Erschließung eigener Steuerquellen. Das Land ist verpflichtet, diesem Anspruch bei der Gesetzgebung Rechnung zu tragen und im Rahmen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit einen übergemeindlichen Finanzausgleich zu gewährleisten.


Art. 80 Verf

Die Beamten und sonstigen Verwaltungsangehörigen sind Diener des ganzen Volkes, nicht einer Partei oder sonstigen Gruppe. Sie haben ihr Amt und ihre Aufgaben unparteiisch und ohne Rücksicht auf die Person nur nach sachlichen Gesichtspunkten wahrzunehmen. Jeder Beamte leistet folgenden Amtseid: "Ich schwöre, dass ich das mir übertragene Amt nach bestem Wissen und Können verwalten, Verfassung und Gesetze befolgen und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe." Der Eid kann auch ohne religiöse Beteuerung geleistet werden.


Art. 30 - 88, Dritter Teil - Von den Organen und Aufgaben des Landes
Art. 81 - 88, Siebter Abschnitt - Das Finanzwesen

Art. 81 Verf

(1) Der Landtag sorgt durch Bewilligung der erforderlichen laufenden Mittel für die Deckung des Landesbedarfs.

(2) Alle Einnahmen und Ausgaben des Landes sind in den Haushaltsplan einzustellen; bei Landesbetrieben und bei Sondervermögen brauchen nur die Zuführungen oder Ablieferungen eingestellt zu werden. Ein Nachtragshaushaltsplan kann sich auf einzelne Einnahmen und Ausgaben beschränken. Der Haushaltsplan und der Nachtragshaushaltsplan sollen in Einnahmen und Ausgaben ausgeglichen sein.

(3) Der Haushaltsplan wird für ein oder mehrere Haushaltsjahre, nach Jahren getrennt, vor Beginn des ersten Haushaltsjahres durch das Haushaltsgesetz festgestellt. Für Teile des Haushaltsplans kann vorgesehen werden, dass sie für unterschiedliche Zeiträume, nach Haushaltsjahren getrennt, gelten.


Art. 82 Verf

Ist bis zum Schluss eines Haushaltjahres der Haushaltsplan für das folgende Jahr nicht festgestellt, so ist bis zu seinem In-Kraft-Treten die Landesregierung ermächtigt,

  1. 1.

    alle Ausgaben zu leisten, die nötig sind,

    1. a)

      um gesetzlich bestehende Einrichtungen zu erhalten und gesetzlich beschlossene Maßnahmen durchzuführen,

    2. b)

      um die rechtlich begründeten Verpflichtungen des Landes zu erfüllen,

    3. c)

      um Bauten, Beschaffungen und sonstige Leistungen fortzusetzen, für die durch den Haushaltsplan des Vorjahres bereits Beträge bewilligt worden sind;

  2. 2.

    Schatzanweisungen bis zur Höhe eines Viertels der Endsumme des abgelaufenen Haushaltsplanes für je drei Monate auszugeben, soweit nicht Einnahmen aus Steuern und Abgaben und Einnahmen aus sonstigen Quellen die Ausgaben unter Ziffer 1 decken.


Art. 83 Verf

Die Aufnahme von Krediten sowie die Übernahme von Bürgschaften, Garantien oder sonstigen Gewährleistungen, die zu Ausgaben in künftigen Haushaltsjahren führen können, bedürfen einer der Höhe nach bestimmten oder bestimmbaren Ermächtigung durch Gesetz. Die Einnahmen aus Krediten dürfen entsprechend den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts in der Regel nur bis zur Höhe der Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen in den Haushaltsplan eingestellt werden; das Nähere wird durch Gesetz geregelt.


Art. 84 Verf

Beschlüsse des Landtags, welche Ausgaben mit sich bringen, müssen bestimmen, wie diese Ausgaben gedeckt werden.


Art. 85 Verf

(1) Überplanmäßige und außerplanmäßige Ausgaben bedürfen der Zustimmung des Finanzministers. Sie darf nur im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses erteilt werden.

(2) Zu überplanmäßigen und außerplanmäßigen Ausgaben hat der Finanzminister die Genehmigung des Landtags einzuholen.


Art. 87 Verf

(1) Der Landesrechnungshof ist eine selbstständige, nur dem Gesetz unterworfene oberste Landesbehörde. Seine Mitglieder genießen den Schutz richterlicher Unabhängigkeit.

(2) Der Präsident, der Vizepräsident und die anderen Mitglieder des Landesrechnungshofes werden vom Landtag ohne Aussprache gewählt und sind von der Landesregierung zu ernennen.

(3) Das Nähere wird durch Gesetz geregelt.


Art. 88 Verf

Das Finanzwesen der ertragswirtschaftlichen Unternehmungen des Landes kann durch Gesetz abweichend von den Vorschriften der Artikel 81 bis 86 geregelt werden.


Art. 89 - 93, Übergangs- und Schlussbestimmungen

Art. 89 Verf

Auf dem Gebiete des Schulwesens gelten in dem ehemaligen Lande Lippe die Rechtsvorschriften vom 1. Januar 1933 bis zur endgültigen Entscheidung über die staatsrechtliche Eingliederung Lippes in das Land Nordrhein-Westfalen.


Art. 90 Verf

(1) Die Verfassung ist dem Volke zur Billigung zu unterbreiten. Die Abstimmung erfolgt nach Maßgabe eines Landtagsbeschlusses. Die Verfassung gilt als angenommen, wenn die Mehrheit der Abstimmenden es bejaht hat.

(2) Die Verfassung ist nach ihrer Annahme durch das Volk im Gesetz- und Verordnungsblatt zu verkünden. Sie tritt mit dem auf seine Verkündigung folgenden Tage in Kraft.


Art. 91 Verf

(1) Der am 18. Juni 1950 gewählte Landtag gilt als erster Landtag im Sinne dieser Verfassung.

(2) Die bestehenden Organe des Landes nehmen bis zur Bildung der durch diese Verfassung vorgesehenen Organe deren Aufgaben wahr. Eine nach den Bestimmungen dieser Verfassung bereits vor seinem In-Kraft-Treten gebildete Landesregierung gilt als Landesregierung im Sinne der Artikel 51 ff.


Art. 92 Verf

Die Wahlperiode des im Jahre 1970 zu wählenden Landtags beträgt vier Jahre zehn Monate.


Art. 93 Verf

Die Amtszeit der Richter des Verfassungsgerichtshofes, die am 30. Juni 2017 im Amt sind, wird durch die Neuregelung des Artikels 76 nicht berührt. Soweit die Richter auf der Grundlage des Artikels 76 in der bis zum 30. Juni 2017 geltenden Fassung in ihr Amt gelangt sind, steht dieses einer Wahl gemäß Artikel 76 Absatz 2 in der neuen Fassung nicht entgegen.


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© 2024 Wolters Kluwer Deutschland GmbH - Gesetze des Bundes und der Länder, 27.05.2024